Nebelig bei Werten um den Gefrierpunkt

Alternative zum 29-Euro-Ticket könnte Berlin mehr als 100 Millionen Euro sparen Treffen zur Zukunft der U2 am Alexanderplatz am Mittwoch Bezirk Mitte lässt Hälfte der Mittel zur Stadtverschönerung verstreichen

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es klingt nach schönster Berliner Dialektik: Einem Beschluss zur Verwaltungsreform stellt sich quasi nur noch die Wiederholungswahl in den Weg – die selbst Ergebnis der chaotischen Hauptstadt-Verwaltung ist. Zumindest möchte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Wahlkampf-Finale am 7. Februar noch schnell die Eckpunkte für den Umbau der Hauptstadt-Verwaltung beschließen, wie sie am Montag bei einer Spitzenkandidaten-Runde der IHK erklärte. Doch wie das in dieser heißen Phase des Rennens ums Rote Rathaus ist, will Konkurrentin Bettina Jarasch (Grüne) ihr den Erfolg nur allzu ungern gönnen – und schiebt als Argument die Beteiligung der Bezirke vor. Auch das natürlich typisch Berlin: Es findet sich immer ein Grund, warum etwas nicht geht.

Der eigentliche Wahlkampfschlager der SPD, um den sie kampagnentechnisch selbst die Grünen beneiden, ist ohnehin das dauerhafte 29-Euro-Ticket. Nun jedoch spuckt der Berliner Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den Sozialdemokraten gehörig in die Wahlkampf-Suppe: Die für die Fortführung des 29-Euro-Tickets jährlich nötige, dreistellige Millionensumme könnte sich das Land durch Ausnutzung des Steuerrechts größtenteils sparen – und trotzdem müssten die meisten Menschen nicht mehr als 29 Euro im Monat für ihr Ticket zahlen, heißt es in BUND-Berechnungen, die dem Checkpoint vorliegen.

Vereinfacht gesagt, müssten Arbeitgeber ihren Beschäftigten dazu lediglich das geplante Deutschlandticket als Lohnumwandlung zahlen, was steuerlich absetzbar wäre. Arbeitnehmer zahlten dann „in der Regel unter 30 Euro netto für das 49-Euro-Ticket“, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser und sch(l)ießt: „Statt für eine zwar gut gemeinte, aber nicht durchdachte Gießkannenpolitik der Sozialdemokraten für eine Berliner Insellösung sollten knappe Haushaltsmittel besser in den ÖPNV-Ausbau und gezielte Entlastung von Menschen mit geringen Einkommen gesteckt werden.“

Mehr Licht können wir nun in das Geheimnis um Michael Müllers Laterne (CP von gestern) bringen: Es ging um die dauerleuchtende Leuchte vor dem Roten Rathaus Ecke Jüdenstraße, erhellt uns die Verkehrsverwaltung. Im Frühjahr 2021 wurde die Laterne nach den U5-Bauarbeiten wieder in Betrieb genommen. Und bereits zwischen Mai und Oktober 2021 gab es „einige Meldungen/Beschwerden, weil sie am Tag leuchtete“, teilte Sprecherin Sara Lühmann mit. „Daraufhin wurde dann immer das Funkgerät bzw. Funkgerät und Antenne ausgetauscht, woraufhin sie dann wieder tagsüber aus und nachts an war.“ Doch zu Ende waren die Probleme mit Müllers Amtszeit nicht. Die letzte Beschwerde, weil die Laterne tagsüber leuchtete, gab es im Oktober 2022. „Nun schaltet die Leuchte wieder regulär und ist am Tag außer Betrieb“, sagte Lühmann. „Die wird noch brennen, wenn wir beiden längst Geschichte sind“, hatte Müller in der Sache dem „Spiegel“ gesagt. Zuweilen ist aber selbst in Berlin nicht jeder Fatalismus angebracht.

Ein fast schon fatalistischer Dauerbrenner ist leider weiterhin die Unterbrechung der U2 am Alexanderplatz. Die Fahrgäste sind genervt, Berlins Nahverkehr wird unattraktiver und doch besteht alles, was bislang geschieht aus Warten darauf, dass der schuldige Hochhausbauherr Covivio endlich die nötigen Genehmigungsunterlagen einreicht und mit der Tunnelsanierung beginnt. Mit dem Warten reicht‘s, findet der Berliner Fahrgastverband IGEB: Covivio müssten vom Senat „klare Fristen gesetzt werden“, wann die Unterlagen samt Datum des Sanierungsendes vorliegen sollen. Sonst solle die BVG auf Covivio-Kosten den Tunnel reparieren. Oder rollt in der Sache doch bald was? Am Mittwoch kommen zumindest Senatsverkehrsverwaltung, Bezirk Mitte, BVG und Covivio zu einem Treffen zusammen. Die Gefühlslage der genervten Fahrgäste beschreibt bis dahin die Band U2: „On a bed of nails, she makes me wait / And I wait without you“.

Umfrage Verzicht ÖPNV wegen Pendelverkehr

Laufend berichten wir derzeit über Fehler zur anstehenden Berlin-Wahl. Zur Wahrheit gehört: Wohl noch nie ist in Deutschland eine Landtagswahl komplett ohne solche Probleme abgelaufen. Doch zumindest sollte man bei einer Wiederholung richtig machen, was beim ersten Mal schieflief. Betroffen davon ist der Charlottenburger CDU-Politiker Christian Wohlrabe. Schon 2021 wurde er mit falschem Zweitnamen als „Christian Andreas Wohlrabe“ auf die Stimmzettel gedruckt. Wohlrabe wandte sich deshalb im Nachgang zur letzten Wahl an die Landeswahlleitung. Und jetzt raten sie doch mal, was aktuell auf den Zetteln steht. Tadaaa!

Telegramm

Seit elf Monaten führt Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Polen will die Bundesregierung nun um die Erlaubnis bitten, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) dürfte der russische Krieg die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr rund 175 Milliarden Euro kosten
 
Alle aktuellen Ereignisse können Sie in unserem Live-Blog (hier) und auf unserer Live-Karte (hier) verfolgen. Spenden für die Ukraine in Not können Sie weiterhin hier.

Am Mittwoch bleibt Berlin mal wieder weitgehend am Boden. Wegen eines Streiks des Bodenpersonals am BER ist mit starken Verzögerungen und Absagen von Flügen zu rechnen, teilt die Gewerkschaft Verdi mit.

Der Berliner Senat will die Vornamen von Tatverdächtigen der Silvesternacht nicht nennen. Als Begründung nennt die Innenverwaltung den Datenschutz, heißt es in einer AfD-Anfrage, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Ja genau, auch die AfD hatte danach gefragt, sogar schon mindestens einen Tag vor der Berliner CDU, die sich damit in zweifelhafter Gesellschaft befindet.

Von einer zweifelhaften Person will sich die Hauptstadt-Union dafür lossagen. Berlins CDU-Chef Kai Wegner fordert den Parteiausschluss für Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. „Wer sich so äußert, hat in der CDU nichts mehr zu suchen“, sagte Wegner dem Tagesspiegel. Maaßen hatte zuvor unter anderem einen Youtube-Kanal von Verschwörungsideologen aus dem Reichsbürgermilieu gelobt: „Diese klugen und mutigen jungen Leute sind unsere Zukunft.“ In einem Interview sagte er zudem, Rassismus gegen weiße Menschen nicht zu benennen, sei „Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse“.

Wichtiger Hinweis zur Abgeordnetenhauswahl: Kennzeichnen Sie ihre Wunschpartei auf dem Stimmzettel nicht mit Hammer und Sichel oder einem Smiley – zumindest, solange Sie ihre Stimme nicht ungültig machen wollen. Was sonst noch auf dem Stimmzettel geht oder nicht geht, können Sie in folgender Handreichung der Landeswahlleitung ab Seite 78 nachsehen.

Neues zu den fehlenden Dienstsiegeln auf den Wahlscheinen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (CP von gestern): Es handele sich „um Einzelfälle im einstelligen Bereich“, teilt Landeswahlleiter Stephan Bröchler mit. An einer „raschen Fehlerkorrektur“ arbeite man mit dem Bezirk. Nur ob die bereits versandten Scheine gültig sind, ist offen. „Eine juristische Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“, erklärte Bröchler.

Ein klassisches Eigentor dürfte in dieser Sache Olaf Wedekind, Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus seiner Partei gestern ins Netz gedrückt haben. Unsere Meldung zu Fehlern bei den Briefwahlunterlagen in Charlottenburg-Wilmersdorf (CP von gestern) kommentierte er auf Twitter mit „SPD-#Wahlpannen: ungültige Briefwahlunterlagen verschickt…“. Nur waren die tippenden Finger leider schneller als der Blick ins Bezirks-Organigramm. Denn zuständig für das Wahlamt ist dort: CDU-Bezirksstadtrat Arne Herz. Das war dann wohl eine Wahl-Pannen-Panne.

Transparenzhinweis zur fehlenden Transparenz bei den Parteispenden (CP von gestern): Die Partei Volt teilte uns mit, dass sie ungefragt alle großen Spenden ab 3000 Euro selbst veröffentlicht. Wer wissen will von wem, hier entlang.

833.000 Euro standen dem Bezirk Mitte im Jahr 2022 als „Maßnahmen für die Stadtverschönerung“ bereit – jedoch erst zum 18. August. Zu spät, um alle geplanten Projekte zu realisieren, und so konnten nur Maßnahmen in Höhe von 351.064,12 Euro umgesetzt werden, wie aus einer Anfrage in der BVV Mitte hervorgeht. Bleibt eine Schönheitslücke in Summe von 481.935,88 Euro, aus denen nix mehr Schönes wurde, „da eine Übertragbarkeit der Fördermittel aus haushälterischen Gründen ausgeschlossen ist“. So war auch „eine Umsetzung aller geplanten Maßnahmen in dem kurzen Zeitraum leider nicht möglich“. Schade eigentlich!
 

Vom Retter zum Einbruchsopfer: Mitte Dezember stellten Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Mahlsdorf fest, dass bei ihnen eingebrochen wurde. Der Wert der gestohlenen Ausrüstung: 28.887,92 Euro, wie aus einer Anfrage der Abgeordneten Katharina Günther-Wünsch und Alexander J. Hermann (CDU) hervorgeht. Immerhin war das ausgeräumte Fahrzeug sieben Tage später neubestückt wieder im Dienst.

Zitat

„Die zehn, zwölf Jahre hier bedeuten mir so viel. Hier bin ich geboren, hier werde ich sterben. Hier werde ich beerdigt sein. Es ist erstaunlich. Was für ein Leben!“

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die am Montag mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet wurde.

 

Tweet des Tages

Ich kann unmöglich der erste sein, der einen Termin verpasst, weil er dachte der „Hamburger Bahnhof“ wäre der Hamburger Bahnhof.

@antonrainer

Stadtleben

Essen & Trinken – Die Joseph-Roth-Diele in Schöneberg tischt Klassiker der deutschen Küche auf: Schnitzel Wiener Art, vegetarische Maultaschen sowie Linsen mit Spätzle und Wienerle werden in einem holzgetäfelten Ambiente verköstigt. Zudem gibt es eine wechselnde Mittagskarte. Die Werke von Schriftsteller Roth an den Wänden ringsum können auf Wunsch auch käuflich erworben werden. Klaviermusik gehört in jedem Fall zum Schmaus dazu. Di-Fr 10-22 Uhr, Potsdamer Straße 75, U-Bhf Kurfürstenstraße

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – „Thomas Duntze (61), Familienmensch, Wahlhelfer und treuer Checkpoint-Leser“ / Joachim Gauck (83), Bundespräsident a.D. / „Michael Hartmann, alles Gute zum 76. Geburtstag und ganz viel Gesundheit wünscht dir deine Vera“ / „Andreas Kanbach (65), Lieber Andreas, alles Gute, viel Glück und Gesundheit wünscht dir Anja“ / Nastassja Kinski (62), Schauspielerin / „Rita König, liebe Rita ganz herzliche Glückwünsche. Schön, dass es Dich für mich gab und gibt, dein Horst.“ / Monika Lüke (54), Juristin, Völkerrechtlerin und ehemalige Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration / Torsten Schneider (54), SPD-Politiker und Mitglied im Abgeordnetenhaus / Karl-Heinz Smuda (62), Ghostwriter, Lektor und Verleger / „Elna Werk zum 71, alles Liebe und Gute zum Geburtstag. Dieter, Sabine, Marcel, Ben.“ / „Unser Lieblingsnachbar Tom Z. in KW wird 66 und da fängt ja bekanntlich das Leben an. Also, lieber Tom, leg los und viel Spaß dabei. Beste Grüße von NRBi.“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben Manfred Böttcher, * 16. Juli 1939 / Dr. Klaus Herrmann Ecker, * 7. September 1942 / Claudia Körner, * 30. Oktober 1948 / Fritz Jünger, verstorben am 27. Dezember 2022, ehem. Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Berlin-Zentrum / Gisela Schöning, * 2. April 1939 / Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann, * 10. Februar 1950, Arzt für Pharmakologie und Toxikologie

Stolperstein – Die Jüdin Liselotte Hanna Chotzen (geb. Scheurenberg, 1920) arbeitete als Schneiderin und später als Sprechstundenhilfe. 1943 wurde sie u.a. mit ihrem Ehemann Hugo-Kurt Chotzen nach Theresienstadt verschleppt. Danach folgten Deportationen nach Auschwitz und Bergen-Belsen, wo sie vermutlich heute vor 79 Jahren ermordet wurde. Auf der Johannisberger Straße 3 in Wilmersdorf erinnert ein Stolperstein an sie.

Encore

Auf so eine Idee kann man eigentlich kaum nüchtern kommen. Dennoch waren noch immer 13.000 Liter Vodka und Whiskey übrig als Brandenburger Zollfahnder nun versteckte Ware von Alkoholschmugglern entdeckten. Tatsächlich war bei dem Industrieschredder auf einem polnischen Schwerlasttransporter, den die Beamten auf dem Berliner Ring feststellten, allenfalls die riesige Menge des gefundenen Alkohols in der Lage, irgendwas zu schreddern. Der Rest war reine Attrappe für den Transport über den Hamburger Hafen nach Katar und um 70.000 Euro Alkoholsteuer zu umgehen.

Immer klaren Durchblick hatten für die heutige Recherche Ann-Kathrin Hipp und Thomas Lippold. Das Attrappen-freie Stadtleben kam von Sophie Rosenfeld und im Frühdienst behielt Lionel Kreglinger einen nüchternen Überblick. Morgen liefert hier Robert Ide heiße aber natürlich ganz legale Nachrichtenware für Sie aus. Machen Sie’s gut!

Ihr Christian Latz

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