die Idee klang gut, offenbar zu gut für Berliner Verhältnisse: Der Kunstrasen, der während der Fußball-EM den Asphalt vor dem Brandenburger Tor auf 24.000 Quadratmetern bedeckte, sollte nach dem Turnier auf Sportplätzen in der ganzen Stadt verteilt werden – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft.
Tatsächlich werden laut der von Iris Spranger (SPD) geführten Sportverwaltung allerdings nur 11.000 Quadratmeter, also weniger als die Hälfte, wiederverwendet. „Die Gründe, warum Rasenteile nicht weitergenutzt werden können, sind u.a. Verschmutzungen durch Kaugummis oder Spuren von Pyrotechnik“, schreibt die Verwaltung auf eine Schriftliche Anfrage (DS 19/20290) der Grünen-Abgeordneten Julia Schneider. Zudem könne die komplette Fläche direkt vor dem Brandenburger Tor „aufgrund von Rissen, die durch die Bühneninstallationen […] entstanden sind“, nicht recycelt werden.
Die Sportverwaltung behauptet zwar, dass sie ohnehin nur von einer Wiederverwendung von 10.000 Quadratmeter ausgegangen war. Allerdings wurde diese Zahl, sofern es sie tatsächlich gab, zuvor nie öffentlich kommuniziert.
Verantwortlich sowohl für die Fanmeile als auch für die anschließende Verteilung des Kunstrasens ist die Kulturprojekte GmbH. Und hier wird es etwas kurios. Denn das landeseigene Unternehmen will von den Zahlen nichts wissen. „Die von Ihnen zitierte Anfrage ist uns nicht bekannt und wir können die benannte Zahl nicht auf Anhieb verifizieren“, schrieb eine Sprecherin der Kulturprojekte am späten Mittwochabend auf eine Anfrage des Checkpoints und versicherte im Gegensatz zu ihrem Auftraggeber: Die finale Anzahl verteilter Quadratmeter werde über „der benannten Zahl liegen“. Klingt nach Verlängerung und Elfmeterschießen.
Quizfrage für Berlin-Kenner: Wie viele Bauwerke beziehungsweise Gebäudeensembles stehen in Berlin unter Denkmalschutz? Die Antwort gibt’s im Encore, damit Sie noch ein bisschen Zeit zum Überlegen haben. So viel vorweg: Es sind viele, weswegen zahlreiche Umbaumaßnahmen in Berlin teuer und zeitaufwendig oder gleich fast aussichtslos sind (fragen sie mal bei den Verantwortlichen der ehemaligen Flughafengebäude Tegel und Tempelhof nach).
SPD-Bausenator Christian Gaebler will den Denkmalschutz zumindest etwas bändigen. Im Entwurf für das „Schneller-Bauen-Gesetz“ sind unter anderem feste Fristen für die Denkmalschutzbehörden vorgesehen, um ein bisschen mehr Zug in die Genehmigungsverfahren zu bekommen.
Den Fraktionen von CDU und SPD ist das jedoch nicht genug. Diskutiert wird dort unter anderem, die Denkmalbehörden viel früher im Genehmigungsprozess einzubinden. Noch mehr erhoffen sich die Parlamentarier von detaillierten Richtlinien für wiederkehrende Umbaumaßnahmen – etwa das Anbringen von Jalousien oder das Aufstellen von Solaranlagen auf Dächern.
Zu oft würden die bezirklichen Denkmalschutzbehörden die Regeln dafür unterschiedlich auslegen, lautet die Kritik. Von klaren Kriterien versprechen sich CDU und SPD in Zukunft mehr Einheitlichkeit und vor allem: schnelleres und dadurch kostengünstigeres Bauen.
Und hier noch ein Checkpoint-Evergreen: die Cannabis-Verordnung für Anbauvereine. Sie erinnern sich: Berlin ist das einzige Bundesland, das die Verordnung, die Genehmigung und Kontrollen der Vereine regeln soll, noch nicht erlassen hat. Nachdem sich CDU und SPD monatelange um die Zuständigkeit gestritten hatten, ist dem Senat aufgefallen, dass er laut Geschäftsordnung erstmal das Parlament fragen muss, ob es nicht selbst eine entsprechende Regelung beschließen will. Eine Formalie eigentlich. Für CDU und SPD aber einfach noch eine Gelegenheit mehr, das Vorhaben zu verschleppen.
Die Regierungsfraktionen haben es jedenfalls nicht eilig zu erklären, was eigentlich Konsens ist: dass das Parlament kein eigenes Gesetz erarbeiten wird. Einen entsprechenden Antrag der Linken verwiesen sie kürzlich in den Hauptausschuss, statt gleich darüber abzustimmen. Dort wurde der entsprechende Tagesordnungspunkt gestern vertagt.
Damit wird sich die Sache erstmal von selbst erledigen. Das Parlament hätte theoretisch nur bis zum 16. Oktober Zeit, sich selbst für zuständig zu erklären. Der Senat könnte die Verordnung demnach am kommenden Dienstag beschließen. Macht er aber nicht. „Zum aktuellen Stand soll sich der Senat am 29. Oktober mit der Rechtsverordnung befassen“, teilte die Gesundheitsverwaltung dem Checkpoint mit.
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Heute verraten wir Ihnen in der Vollversion, warum dem Land Berlin durch einen legalen Steuertrick von Vonovia hunderte Millionen an Steuereinnahmen entgehen, was die Lufthansa vom BER als einem internationalen Drehkreuz hält und ab wann Sie die Panda-Zwillinge im Zoo bestaunen können. Hier geht’s zu unserem Angebot für die Checkpoint Langstrecke.
Neben der Checkpoint-Vollversion gibt’s Zugang zu allen Plus-Artikel auf Tagesspiegel.de sowie allen Bezirks-Newslettern. Meine Leseempfehlungen für Sie heute:
+ Die Vergabe von Mitteln für Stellen, die Schwangerschaftskonfliktberatungen anbieten, stockt seit Monaten. Erst hatte sich die Auswahl hingezogen, jetzt warten die Träger immer noch. Offenbar, weil das Landesamt für Gesundheit und Soziales zu wenig Personal hat, wie Simon Schwarz berichtet.
+ In Brandenburg sondiert Dietmar Woidke erneut mit der Wagenknecht-Partei über eine Regierung. Wer in der Brandenburger SPD außer Woidke die Richtung vorgibt, weiß Thorsten Metzner.
+ Die direkt gewählte Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Friedrichshain-Kreuzberg Canan Bayram teilt heftig gegen ihre eigene Partei aus. In der Partei gibt es Verwunderung über ihre Kritik, eine neue Kandidatin für den Wahlkreis steht schon fest. Von Robert Klages und Daniel Böldt.
Telegramm
Trotz der Absage von US-Präsident Joe Biden und der damit verbundenen Verschiebung des Gipfeltreffens von 50 verbündeten Staaten der von Russland angegriffenen Ukraine kommt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag nach Berlin. Es wird der zweite Deutschland-Besuch Selenskyjs innerhalb von fünf Wochen sein und das dritte persönliche Gespräch mit Scholz in diesem Zeitraum.
In Berlin studieren die Nobelpreisträgerinnen von morgen: Während in Stockholm gestern drei Proteinforscher mit dem wichtigsten Chemikerpreis der Welt ausgezeichnet wurden, verlieh die TU den Clara von Simson-Preis für die besten Abschlussarbeiten. Die Auszeichnung ging unter anderem an Liv Meyer für ihre Masterarbeit mit dem griffigen Titel „Konzeptentwicklung für die Extraktion von Lithiumhydroxid aus einer Lithiumchloridlösung mittels Ionenaustauschmembran-Elektrolyse mit depolarisierter Wasserstoffanode“. Weitere Preisträgerinnen: Valentina Alberini (Röntgenmikroskopie im spektralen Bereich) und Amna Shahzad (klimabedingte Migration im Kontext der Stadtgestaltung).
Was haben das 29-Euro-Ticket, ein Rezeptbuch für Brotreste und der Umbau des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) gemein? Antwort: Alle stehen im Schwarzbuch, mit dem der „Bund der Steuerzahler“ jährlich die aus ihrer Sicht spektakulärsten Fälle von Steuerverschwendung anprangert. Wenn Sie sich immer noch fragen, wie das Rezeptbuch in die Aufzählung gekommen ist, dann folgen Sie gerne diesem Link.
Kenner und Genießer wissen: Berlin ist nicht gleich Berlin – nicht nur beim Denkmalschutz. Die Wartezeiten auf einen Wohnberechtigungsschein sind je nach Bezirk weiterhin sehr unterschiedlich (siehe dazu auch Sterbeurkunden oder Parkvignetten): In Tempelhof-Schöneberg vergehen zwischen Antragseingang und Bescheid-Erteilung aktuell durchschnittlich drei Wochen. In Lichtenberg dagegen warten Bürger im Schnitt 17 Wochen (Q: DS 19/20345). Aber es gibt Hoffnung: Seit gut einer Woche kann man den WBS auch online beantragen.
Ebenfalls groß ist die Diskrepanz zwischen den Berliner Behörden beim Umgang mit der Plattform „X“, früher Twitter. Während die Berliner Staatsanwaltschaft „X“ Anfang des Monats verlassen hat, twitterte die Verkehrsinformationszentrale gestern stolz: „#VielenDank an mittlerweile >50.000 #Follower:innen und ein großes #Dankeschön an die Community!“
„Wird die Baustelle Treskowallee langsam denkmalschutzwürdig?”, fragt nun Andreas Geisel (SPD) via Schriftlicher Anfrage (wir würden die Behörden ja nicht auf dumme Idee bringen, Herr Geisel, siehe Encore!). In Wirklichkeit möchte der ehemalige Bausenator wissen, warum die wichtige Verbindungsstraße seit einer gefühlten Ewigkeit eine Baustelle ist. Ahnung hat die Verwaltung zwar nicht (“Es gibt keine straßenzugbezogene Aufbereitung von Anordnungen aus 14 Jahren“), dafür aber eine Meinung: „Der Senat bewertet die Bauarbeiten zum Erhalt bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Infrastruktur positiv.“ Na dann.
600.000 zusätzliche Bäume in Berlin bis 2040. Das fordert der „Volksentscheid Baum“. Zum Glück für die Initiatoren brauchen sie, damit es zu einer Abstimmung kommt, weniger Unterschriften als Bäume (nämlich nur 200.000). Gestern startete die Sammlung (T+).
Oh, oh, bereits vergangenes Jahr stand die Weihnachtsbeleuchtung auf dem Ku’damm auf der Kippe. Der Regierende spendierte kurzerhand noch 100.000 Euro aus der Senatskasse, um die Beleuchtung 2023 zu sichern. Das ist aufgrund der Haushaltslage in diesem Jahr ausgeschlossen. Nun sieht die zuständige AG City West „eine große Bedrohung, dass die diesjährige Weihnachtsbeleuchtung auf dem Tauentzien und Kurfürstendamm ausfallen könnte“. Heute lädt sie zu einem Pressegespräch, auf dem es eine Antwort geben könnte auf die Frage: Licht aus oder an?
Zitat
„Welches bedeutungsvolle Berliner Ereignis der letzten Jahrzehnte man sich auch in Erinnerung ruft, stets darf man vermuten, dass auch Zelle zur Stelle war – und kann nun lesen, dass dies tatsächlich stimmte.“
Tagesspiegel-Kollege Andreas Conrad über die „Abendschau“-Legende Ulli Zelle, der nun seine Memoiren verfasst hat (T+).
Kiekste
Könnte man gefühlt an jede zweite Baustelle hängen! Dank an Anna Malik für dieses Friedenauer Exemplar. Weitere Bilder gern an checkpoint@tagesspiegel.de! Mit Ihrer Zusendung nehmen Sie aktuell an unserem Kiekste-Fotowettbewerb in Kooperation mit DASBILD.BERLIN teil.
>Berliner Gesellschaft
Geburtstag – Norbert Bisky (54), gilt als einer der wichtigen zeitgenössischen deutschen Künstler, Atelier in Berlin / „Unsere ‚große‘ Schwester Buze, die seit 70 Jahren mit Hingabe den Tagesspiegel liest, wird 87. Es gratulieren die ‚Kleinen‘ Schnucke (80) und Bumba (79)“ / Gerhard Ertl (88), Physiker und Oberflächenchemiker, von 1986 bis 2004 war er Direktor der Abteilung Physikalische Chemie des Fritz-Haber-Institutes in Berlin, 2007 Nobelpreis für Chemie / Stefan Evers (45), Politiker (CDU), seit 2023 Bürgermeister und Senator für Finanzen in Berlin / Maxi Gnauck (60), ehemalige Kunstturnerin, trainierte beim SC Dynamo Berlin, Olympiasiegerin am Stufenbarren, sechsmal Weltmeisterin und fünfmal Europameisterin / Sven Heinemann (46), Politiker (SPD), MdA / „Lieber Juli, du bist ein Prachtkerl! Alles Liebe und dicker Drücker zum ersten Vierteljahrhundert von Mama, Papa und dem Berdabaum aus Bella Italia!“ / „Ingeborg Rakete-Dombek hat Geburtstag. Sie ist immer noch gern als Rechtsanwältin und Fachanwältin im Familienrecht tätig. Alle Mitarbeiter der Kanzlei gratulieren und wünschen ihr weiterhin Gesundheit, Tatkraft und Erfolg“ / „Er ist immer da, wenn jemand Hilfe braucht, der Mann mit den zwei Bindestrichen und dem unvergesslichen Geburtsdatum 10.10.1950, Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Herzliche Glückwünsche von Deinen drei Frauen“
+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++
Gestorben – Charles Bittrich, * 10. Juni 1948, verstorben am 2. August 2024 / Prof. Dr. Burghart Bollow, verstorben am 21. September 2024 / Bärbel Schmoor (geb. Choritz), * 17. November 1944, verstorben am 13. September 2024 / Christoph Wollny, * 4. Mai 1958, verstorben am 25. September 2024
Stolperstein – Charlotte Salomon wurde am 16. April 1917 in Berlin geboren. Sie studierte Kunst, brach das Studium aber wegen zunehmender antisemitischer Angriffe ab. 1939 flüchtete sie nach Südfrankreich. Dort schuf sie das Werk „Leben? Oder Theater?“, das aus über tausend Gouachen und Textblättern besteht. Es hat den Krieg überstanden und wurde weltweit in Ausstellungen gezeigt, 2007 im Jüdischen Museum Berlin. Im Juni 1943 heiratete sie den österreichischen Emigranten Alexander Nagler. Beide wurden im September 1943 verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Charlotte war im fünften Monat schwanger und wurde in Auschwitz ermordet, vermutlich am Tag ihrer Ankunft, dem 10. Oktober 1943. An Charlotte Salomon erinnert ein Stolperstein in der Wielandstraße 15 in Charlottenburg.
Wer in Berlin über die Gedenktafeln stolpert und mehr wissen will: Mit einem Klick gelangt man über die App „Stolpersteine – Die Schicksale“ zu den Biografien der Verfolgten.
Encore
Zum Schluss die versprochene Auflösung unseres Berlin-Kenner-Quizes … *trommelwirbel* … in Berlin gibt es rund 8000 denkmalgeschützte Bauwerke beziehungsweise Gebäudeensembles. Wobei die Zahl an sich nur wenig aussagekräftig ist: So zählt beispielsweise die gesamte Spandauer Vorstadt in Mitte, die mehrere Straßenzüge umfasst, als nur ein Denkmal-Ensemble.
Eine vollständige Übersicht bietet die Denkmalliste (hier abrufbar). In dieser können Sie nicht nur prüfen, ob Ihr eigenes Wohnhaus denkmalgeschützt ist, Sie finden auch einige Exoten. Denkmalgeschützt ist unter anderem der „Löschwasserteich“ im ehemaligen Flughafen Tempelhof, ein „Isolierhaus“ in der Hauptkadettenanstalt in Steglitz-Zehlendorf oder die „LKW-Abfertigungsrampen“ am Checkpoint Bravo (Dreilinden).
Kein Denkmal, aber immerhin diesen Checkpoint erschaffen haben mit mir Jessica Gummersbach (Recherche und Autorin), Antje Scherer (Stadtleben) und Lea-Marie Henn (Produktion). Morgen begrüßt Sie hier Margarethe Gallersdörfer.
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