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Berliner Erzbischof ruft um 10.30 Uhr zu einer Schweigeminute für die Opfer der Todesfahrt am Tauentzien auf Digitalisierung der Gesundheitsämter: Bezirke sauer auf Senat VBB warnt vor Zugreisen an die Ostsee

die Flaggen an den Gebäuden des Landes Berlins wehen derzeit auf Halbmast. Es sei ein „dunkler Tag in der Berliner Stadtgeschichte“ sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey gestern, nachdem am Mittwochvormittag ein 29-jähriger Mann in der Tauentzienstraße absichtlich in eine Menschenmenge fuhr.

Insgesamt wurden neben dem Amokfahrer, der laut Staatsanwaltschaft wohl an einer paranoiden Schizophrenie leidet, 32 Menschen verletzt, darunter sieben Schüler schwer. Stand gestern Nacht kämpft immer noch ein Mensch um sein Leben. Die 51-jährige Lehrerin einer hessischen Schulklasse, in die der mutmaßliche Täter mit einem Auto fuhr, war bereits am Mittwoch gestorben. Der Berliner Erzbischof ruft am heutigen Freitag um 10.30 Uhr zu einer Schweigeminute für die Opfer auf. Alle weiteren Entwicklungen und Erkenntnisse rund um die Amokfahrt können Sie in unserem Liveblog verfolgen.

Während Viele in der Stadt noch nach Worten ringen, läuft bereits die Debatte darüber, wie solche Taten in Zukunft verhindert werden können. Denn zur Tragik gehört, dass der schräg gegenüber der Tauentzienstraße gelegene Breitscheidplatz nach dem Terroranschlag im Jahr 2016 mit Pollern und Betonbarrieren geschützt wurde – nicht aber die umliegenden Gehwege. 

Alexander Sempf, SPD-Fraktionsvorsitzender in Charlottenburg-Wilmersdorf, forderte gestern „ein dauerhaftes Verkehrskonzept für den Kern der City-West, welches auch schnell umgesetzt werden muss“. Und Thilo Cablitz, Pressesprecher der Berliner Polizei, sagte dem Sender Radio Eins diese bedenkenswerten Sätze: „Es geht immer darum, Freiheit und Sicherheit in Einklang zu bringen. Man könnte natürlich jeden Gehweg ummauern, aber ich glaube, kein Mensch möchte in solch einer Stadt leben.“

Umfrage zu mehr Pollern & Barrieren

Auch heute schauen wir wieder auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, der seit mittlerweile mehr als 100 Tagen wütet: 

+++ Der Kampf um die bereits stark zerstörte ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk dauert an. Es werde um jedes Haus gekämpft, sagte der ukrainische Militär-Kommandeur Petro Kusyk. „Der gestrige Tag war für uns erfolgreich. Wir sind zum Gegenangriff übergegangen, und in einigen Gebieten konnten wir sie um einen oder zwei Blocks zurückdrängen”, so Kusyk.

+++ In der der selbsternannten Volksrepublik Donezk hat ein Gericht drei ausländische Kämpfer zum Tode verurteilt. Bei den Verurteilten soll es sich um zwei Briten und einen Marokkaner handeln, so das Gericht.

+++ 7,3 Millionen Menschen sind infolge des Ukraine-Kriegs nach Angaben der EU-Grenzschutzorganisation Frontex seit Beginn des Krieges in EU-Länder geflüchtet, 2,6 Millionen von ihnen seien mittlerweile wieder in die Ukraine zurückgekehrt.

+++ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein Einreiseverbot gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Dutzende weitere Vertreter des russischen Staates verhängt. Das Vorgehen hat vor allem symbolischen Wert und wird wohl keine faktischen Auswirkungen haben.

Alle aktuellen Entwicklungen lesen Sie in unserem Nachrichten-Blog.

Zu den weiteren Meldungen aus und um Berlin:

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat einen kleinen Fetisch. Die Geschäftsordnung des Landesparlaments ist deutschlandweit die einzige, die den Abgeordneten explizit die Möglichkeit einräumt, das Verhalten von Regierungsmitgliedern zu missbilligen. Und die Abgeordneten machen regen Gebrauch von dem Instrument: Gestern sollte auf Antrag der CDU-Fraktion die Amtsführung der Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse missbilligt werden. Allerdings nicht, wie man vermuten könnte, aufgrund ihrer früheren Äußerungen als Schulleiterin, die einige als rassistisch werten, oder ihrer recht zaghaften Entschuldigung dafür (T+). Nein, Busse hatte gewagt auszusprechen, dass in Berlin 1000 Lehrer fehlen. Der Antrag wurde – wie im Übrigen alle Missbilligungsanträge seit der digitalen Erfassung im Parlament – abgelehnt.

Von den vom Bund zugesagten 16 Millionen Euro sollen allein zehn in neue Software fließen. Doch es gibt Streit darüber, welche Programme wirklich nützlich sind. Von Daniel Böldt.

Die Expertenkommission zum Volksentscheid „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ hatte noch nicht mal ihre Arbeit aufgenommen, da überhäuften die Beteiligten schon mit Vorwürfen. Öffentlich oder nicht öffentlich lautete die Gretchenfrage, über die sich (sehr öffentlich) gezankt wurde. Gestern nun fand die erste Sitzung (nach der konstituierenden) statt – und zwar im Scheinwerferlicht, gestreamt und archiviert auf Youtube. Thema: Aktuelle Lage des Wohnungswesens in Berlin. Interessiert hat das die breite Öffentlichkeit nur wenig: Den Livestream verfolgten im Schnitt etwas mehr als 100 Zuschauer. Mein Kollege Ralf Schönball hat für Sie hingehört.

Achtung, Achtung, eine Durchsage: Zugunternehmen rät von Zugfahrten ab! Der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB) warnt vor Reisen mit der Bahn an die Ostsee am kommenden Wochenende. Ein Schelm, wer hier gleich an das 9-Euro-Ticket denkt. Offizieller Grund sind Bauarbeiten auf wichtigen Verbindungen in Berlin und Brandenburg. Ein bisschen schuld soll das 9-Euro-Ticket dann aber doch sein: Die Nachfrage sei durch dieses ohnehin stärker als gewohnt, so der VBB.

Als besonders findig erweist sich mal wieder auch die Deutsche Bahn. Nachdem das Unternehmen tagelang von der Mitnahme von Fährrädern abgeraten hatte, erhöht es nun die Fahrradtickets im Nahverkehr ab Sonntag von sechs auf neun Euro. Motto: Wer nicht hören kann, muss fühlen – und zahlen.

Telegramm

Bevor es hier weiter geht, ein Hinweis in eigener Sache: Falls Sie sich gefragt haben, wer Sie da ganz oben in der Mail etwas verlegen anlächelt: Ich gehöre ab heute zum Team der Checkpoint-Autorinnen und -Autoren. Über Kritik und Lob freue ich mich ebenso wie über Hinweise, Skandale und Klatsch & Tratsch. (Und falls Sie mir lieber persönlich die Meinung geigen wollen: Kommen Sie doch vorbei, ich wohne im besten Kiez der Stadt!)

Die gesamte Stadt bis 2030 klimaneutral machen, will die Bürgerinitiative Klimaneustart. Das Anliegen lehnte das Abgeordnetenhaus am Donnerstag einheitlich ab. Begründung: nicht zu schaffen. Es wird wohl folgen, was ohnehin geplant war: ein Volksbegehren, und wenn dieses erfolgreich ist: ein Volksentscheid.

Und wo wir gerade bei Volksbegehren sind: Die FDP wollte Ende 2020 mit eben jenem Instrument einen neuen Versuch zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes starten. Die Unterschriftenkampagne wurde von der zweiten Corona-Welle gestoppt. Und nun? In den kommenden Wochen wolle man bekannt geben, ob man einen neuen Anlauf nimmt, sagte FDP-Pressesprecher Yannik Teicke dem Checkpoint.

Alexander Oerke wurde gestern offiziell zum ersten unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten Berlins gewählt. Wer der Mann ist und was er vorher gemacht hat, können Sie hier nachlesen.

Falls Sie aufgrund all der überfüllten Züge (siehe Meldung oben), überlegen kurzfristig aufs Flugzeug umzusteigen, sei Ihnen diese Meldung nicht vorenthalten: Heute Morgen wollen in Berlin die Kabinen-Beschäftigten von Easyjet warnstreiken. Experten-Tipp: Mit Muße zu Fuße.

Zitat

„Es tut mir leid, dass wir Sie selbst und dass wir die von Ihnen geliebten Menschen in unsere Stadt nicht vor dieser Tat schützen konnten.“

Dennis Buchner, Präsident des Abgeordnetenhauses Berlin zu den Opfern und Angehörigen der Amoktat am Mittwoch.

 

Tweet des Tages

Mit dem @BVG_Bus M27 nach Panow! Endlich. #weilwirdichlieben

@lupus_transitus

Antwort d. Red.: @BVG_Kampagne

„Wer ann, der ann!“

Stadtleben

Essen & TrinkenAsiatisch inspirierte Küche und authentisches Sushi gibt es im Vox Restaurant im Grand Hyatt Hotel, das Restaurant ist in der Berliner Gastroszene längst eine feste Größe. Mit „Musik trifft auf Kulinarik“ kommt nun eine Eventreihe in das Restaurant, die Nachwuchsmusiker*innen der Universität der Künste, der Musikschule „Hanns Eisler“ und des Jazz-Instituts Berlin eine Bühne bietet. Das Klangliche inspiriert wiederum das Kulinarische, auf die eigens für den Abend konzipierte Menü-Folge dürfen Sie gespannt sein. Zwei Termine (22.6. sowie 27.7.), Kosten 119 Euro – ohne Getränke. Ein Teil der Erlöse kommt den Nachwuchsmusiker*innen zugute, die in der Corona-Zeit leider nur wenig Gelegenheiten bekamen, Konzerte zu geben. Genuss, Gutes tun und gute Musik hören – hier kommt alles zusammen, reservieren können Sie hier.

Berliner Gesellschaft

Geburtstag Ute Frevert (68), Historikerin, Geschäftsführende Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Direktorin des Forschungsbereiches „Geschichte der Gefühle“ / André Hofschneider (52), bis Mai 2018 Fußballtrainer bei Union / Rob Krier (84), Architekt, Stadtplaner und Bildhauer (u.a. das Viktoria Quartier) / Cristina Marina, Berlin-Redakteurin, früher Vogel der Checkpoint-Produktion, Journalistin mit Leib und Seele: „Einen wunderbaren Tag wünscht Dir Dein Team Checkpoint!“ / Ülker Radziwill (56), Staatssekretärin für Mieterschutz, SPD / Raed Saleh (45), Co-Vorsitzender der SPD Berlin / Alexander von Stahl (84), Jurist, ehem. Generalbundesanwalt (1990-93), ehem. FDP-Staatssekretär der Senatsverwaltung für Justiz (1975-89)

SonnabendPascal Andres (29), Kino-, Fernseh- und Theaterschauspieler / Marianne Burkert-Eulitz (50), für die Grünen im AGH / Joy Denalane (49), Soulsängerin / Peter Eigen (84), Jurist und Gründer von Transparency International / Paul Kalkbrenner (45), Techno-Musiker / Anne Kasprik (59), Schauspielerin / Günther von Lojewski (87), Journalist, ehem. Intendant des Senders Freies Berlin (1989-1997) / Claudius Seidl (63), Publizist und Filmkritiker

Sonntag Hagen Stamm (62), Wasserballspieler und -trainer /„Unser Sohn Tom Sebastian Tews – den Muttertag hat er diesmal nicht vergessen, dafür aber den Vatertag – hat schon wieder Geburtstag. Wir gratulieren dennoch von Herzen und freuen uns auf seinen bevorstehenden Besuch mitsamt seiner großen Familie! Bleibt gesund! Kurt und Marion Tews“  / Nora Tschirner (41), Schauspielerin / Ina Weisse (54), Schauspielerin und Regisseurin 

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Horst Bräutigam, * 1929 / Anne Düren, * 1. Juli 1943 / Marga Hildegard Martha Hoff, * 23. März 1933 / Jörn Jensen, ehemaliger Bezirksbürgermeister von Mitte, * 1944 / Barbara Matthias, geb. Höpp, * 11. August 1944 / Jörg R. Mettke, * 24. Januar 1943

Stolperstein Julius Schlesinger wurde am 14. Dezember 1867 in Berlin geboren, wo er in Charlottenburg lebte. Am 10. Juni 1942, heute vor 80 Jahren, ermordeten Nationalsozialisten Julius Schlesinger im KZ Sachsenhausen. An der Droysenstraße 8 in Charlottenburg erinnert seit 2009 ein Stolperstein an Julius Schlesinger.

Encore

Zum Abschluss heute ein Stück über das Scheitern, aber auch eines über unbändigen Willen

Während die Polizei am Mittwoch eine Hausdurchsuchung durchführte, versuchten zwei Männer in das verwaiste, auf der Straße geparkte Polizeiauto einzubrechen. Es entwickelte sich ein Drama in sieben Akten: Die Männer schlugen 1) mit einem Nothammer eine Autoscheibe ein, lösten 2) die Alarmanlage aus, verschwanden 3) daraufhin, kamen aber 4) zurück, nachdem die Alarmanlage wieder ausgegangen war, klauten 5) dann doch nix, weil sie 6) vor den herannahenden Beamten zu fliehen versuchten und 7) schließlich festgenommen wurden. Vorhang. Ende.

Unbändigen Willen zeigten Thomas Lippold, Sinan Reçber und Ann-Kathrin Hipp bei der Recherche und der Redaktion. Ähnlich engagiert gingen Sarah Borufka (Stadtleben) und Lionel Kreglinger (Produktion) zu Werke. Und morgen ist schon Wochenende! In das begleitet Sie wie gewohnt Thomas Wochnik. Auf bald,

Ihr Daniel Böldt

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