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Probleme bei Impf-Buchungen: Hauptpersonalrat kritisiert GesundheitssenatorinWie Berlins Wohnungsmangel gelindert werden soll – und wie lieber nichtNeues Studentendorf mit Totalschaden: Millionenverlust und Betrugsverdacht

kaum gucken die ersten zarten Blättchen aus den Bäumen, ob der Mai da draußen immer noch so ungemütlich ist wie sonst der März, kommt ein Sturm und will sie gleich wieder abreißen. Also Vorsicht, es soll ziemlich ruppig werden heute; ab dem Nachmittag bläst der Wind in voller Sturmstärke. Nicht, dass Ihnen was vom Kopf geweht wird oder Sie gar was draufbekommen, was da nicht hingehört!

Twitter war gestern erwartungsgemäß schon morgens randvoll mit Impfterminmeldungen von Journalisten, die zu den jetzt berechtigten Gruppen gehören. Ich habe da nicht mitgemacht, weil ich Sie lieber exklusiv hier im CP darüber informiere. Wobei meine Strategie, erst nach dem vermuteten morgendlichen Serverkollaps loszulegen, sich als suboptimal erwies: Die Hotline hat wegen Überhitzung gleich selbst wieder aufgelegt und online war der nächstmögliche Termin Mitte Juli, aber da wollte ich eigentlich im Urlaub sein, sofern Manuela Schwesig mich ungeimpft überhaupt… – herrje. Später am Tag hat’s dann für Ende Mai geklappt. Die gute Biontech-Butter war da zwar komplett vergriffen, aber ein paar Dosen der ähnlich bekömmlichen Moderna-Margarine gab es noch.

Beim CP und beim Tagesspiegel meldeten sich Leser, die am Buchungssystem gescheitert waren oder sich wie Harald G. (69) ab 6 Uhr in die Warteschleife hängten und trotzdem erst Termine für Juli und August bekamen. Die jetzt impfberechtigten Beschäftigten aus der Verwaltung – zunächst zwölf Prozent „besonders relevante“ –  sind offenbar nicht viel besser dran: Die Vorsitzende des Berliner Hauptpersonalrates beklagt in einem Brief die am Freitag ohne vorherige Abstimmung verschickte Presseinfo der Gesundheitssenatorin, die vermeidbaren „Impfneid“ schüre und womöglich falsche Hoffnungen wecke: „Praktisch alle Fragen sind unbeantwortet und unvorbereitet. Es ist nicht zu fassen.“

BerlinerInnen, die sich als Helfer für die Wahl am 26. September gemeldet haben, sollen laut der Landeswahlleiterin im Laufe dieses Monats vom Bezirksamt eine Bescheinigung erhalten, um Impftermine buchen zu können. CP-Leserin Silke Z. wäre wohl überrascht, wenn das klappt. Laut ihrem Mailwechsel mit dem BA Mitte hat sie sich im Januar als Wahlhelferin gemeldet (unabhängig vom Impfangebot, das damals noch nicht in Aussicht stand). Am 1.2. schickte ihr das BA die Unterlagen zum Ausfüllen und kündigte an, sich im Laufe des Februars wieder zu melden, „um Ihren Einsatz optimal planen zu können“. Auf Nachfrage vom 27.4. antwortete das BA am Freitag, man melde sich „voraussichtlich im Juni“ wieder. Das Jahr stand nicht dabei.

Schon den zweiten Frühling in Folge herrscht in und an den Berliner Schwimmbecken tote Badehose. In der Liegewiese im Sommerbad Humboldthain haben sich jetzt Wildbienen angesiedelt – laut Nabu die „bisher größte Ansammlung in Mitte in den letzten zwei Jahren“. Flatterband soll die imaginären Besucher von den bewohnten Arealen fernhalten. Noch im Mai dürften sich die Bienen in den Boden zurückziehen, heißt es bei den Bäderbetrieben. Die hängen bei der Frage, wann sie endlich wieder öffnen können, völlig in der Luft: Sprecher Matthias Oloew verweist auf die Verordnung, die die Nutzung von Freibädern untersagt und Hallenbäder nur für Schul- und Leistungssport erlaubt. „Um richtig loslegen zu können, brauchen wir mindestens zwei Wochen Vorlauf“ – gerechnet vom bisher unbekannten Tag X an. Summa summarum bleibt nur: Abwarten und nicht so viel Chlorwasser trinken.

Heute vor drei Jahren wurde die Regenwasseragentur als Tochter der Berliner Wasserbetriebe gegründet – zufällig genau zu Beginn der schlimmsten Trockenperiode in Berlin und Potsdam seit Messbeginn 1893. Dazu passend gibt’s vier aktuelle parlamentarische Anfragen: zur Notwendigkeit der lokalen Versickerung (statt Einleitung in die Kanalisation, aus der ggf. der Dreck in die Gewässer überläuft), zur Wasserqualität der Spree (7 ständige Messstellen, bessere Wasserqualität durch 300.000 m3 Kanalisationsspeicher bis 2025 und Modernisierung der Klärwerke), zur Badetauglichkeit der Kaulsdorfer Seen (ist und bleibt verboten, weil Wasserschutzgebiet) und zu neuen Stadtquartieren als Heimstatt für Amphibien (schwierig, weil Tümpel ohne trockenes Hinterland Kreuzkröte & Co. einen Strich durch die Rechnung machen).

42.000 Geburten wurden 2020 berlinweit beurkundet – früher oder später. Früher in Reinickendorf („tagesaktuell“), TrepKöp und MaHe („sofort“) sowie Pankow („1-2 Tage“), später in Lichtenberg („2-6 Wochen“) und Mitte („ca. 3 Wochen“). Die Angaben sind Durchschnittswerte für die Ausstellung der Geburtsurkunde, sofern die Unterlagen komplett sind, es kann also auch deutlich länger dauern. In mehreren Bezirken verhalten sich die Fristen umgekehrt proportional zur Größe des Amtes (in TrepKöp und MaHe schmeißen jeweils zwei Leute das Geburtenregister, in Lichtenberg 6, in Mitte 9,4). Zwar sind in Mitte (aktuell: 270 unerledigte Fälle) auch relativ viele Geburten zu beurkunden, aber die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter, die die Zahlen beim Senat abgefragt hat, liest aus der Statistik „Verwaltungsversagen par excellence“. Allons enfants.

Telegramm

Neubauten sind für Durchschnittsmenschen unerschwinglich, der dringende Bedarf erzeuge Masse statt Klasse – so sprach Bausenator Sebastian Scheel (Linke) gestern Abend in der von Checkpointer Robert Ide moderierten Runde „Stadt im Gespräch – Berlin im Wandel“ in der Urania. Es war Scheels erster großer Auftritt seit Zerdeppern des Mietendeckels. Und es war eine spannende Runde, in der Architektinnen und Stadtplanerinnen Abrissverbote für 50er-Jahre-Bauten und eine Flächen-Kreislaufwirtschaft forderten, um Ressourcen zu schonen und die Folgen des Klimawandels zu lindern. Mein Kollege Ralf Schönball hat alles Wesentliche aufgeschrieben.

Das von der Howoge 2016 in Bau übernommene Studentendorf an der Eichbuschallee in Treptow sieht nicht nur aus wie Schrott: 260 von 369 Apartmentcontainern – vom damaligen Verkäufer bereits bestellt und von der Howoge überwiegend bezahlt – erwiesen sich als mangelhaft und der Projektentwickler als unseriös. Jetzt wird das Gros des rostigen Dorfes wieder abgerissen, die Howoge hat 12,1 Mio. Euro eingebüßt, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betruges (Q: Berliner Zeitung u.a. auf Anfrage MdA Stefan Förster, FDP).

„Das Bundesverkehrsministerium lädt ein zur 1. Nationalen Verkehrssicherheitskonferenz!“, hupt die Behörde des Bundesbenzinkanisters mit Ausrufezeichen auf ihrer Webseite. Heute von 11.30 bis 14.15 Uhr „wird der Auftakt in die nächste Dekade der Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland mit vielen zentralen Akteuren zelebriert“. Es kommentiert Roland Stimpel vom Fachverband FUSS e.V., der was vom Thema versteht: „Minister Andreas Scheuer ist das größte Unfallrisiko im Land. So zäh wie am ungehemmten Schnellfahren auf der Autobahn hält Scheuer an Tempo 50 in Städten und Dörfern fest.“ Vorstöße und Modellprojekte für mehr Tempo 30 zugunsten der Sicherheit lehne der Minister konsequent ab.

In der Großbeerenstraße in Marienfelde sind Sonntagmittag zwei besonders breitbeinige Sportwagen an einer Polizeistreife vorbeigeröhrt – und mit Vollgas bei Rot von dannen, als die Beamten sie verfolgten. Einen konnten die Polizisten stoppen. Der 21-Jährige am Steuer des Ford Mustang (290-533 PS) wollte sich zum Vorwurf des verbotenen Kfz-Rennens laut Polizei nicht äußern, sondern fragte, ob Geld etwas ändern würde. Es hat was geändert: Das Ermittlungsverfahren läuft jetzt auch wegen versuchter Bestechung. Und auch der Jungcowboy läuft, weil sein Mustang samt Führerschein beschlagnahmt wurde.

Die Stadtentwicklungsverwaltung schreibt die „Erarbeitung eines Leitfadens für Untersuchungen zu den Anwendungsvoraussetzungen für soziale Erhaltungsverordnungen in Berlin mit einem Überblick über bewährte Methodik und Kriterien, empirischen Nachweisen für Prozesse der Aufwertung und Verdrängung in Berlin unter Einbindung der Bezirke und externer Expertinnen und Experten“ aus. Bitte nur ernstgemeinte Zuschriften!

Ein dickes Fell brauchen Interessenten, die sich auf die Ausschreibung der Verbraucherschutzverwaltung zur „Beseitigung tierischer Nebenprodukte“ bewerben wollen. Klingt nach Fischgräten zum Mülleimer bringen, meint aber die Beseitigung von Kadavern z.B. nach Wildunfällen, aus Tierarztpraxen oder aus Zoo und Tierpark. Spätestens nach dem ersten gestorbenen Elefanten (Gott behüte!, wir klopfen auf Elfenbein) wird sich die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers erweisen.

Oh! „Großflughafen offenbar doppelt so teuer wie geplant“, steht über einem ausgedruckten Artikel aus der „Berliner Zeitung“, den ich bei Ausgrabungen im Homeoffice entdeckt habe: voraussichtlich vier Milliarden Euro laut einem vertraulichen Schreiben des Bundesverkehrsministeriums. Der Artikel ist vom April 2005.

Zitat

Die Umschreibung von Papiernachweisen auf digitale grüne Zertifikate über Apotheken wäre eine rein deutsche Lösung, kein Vorschlag der Europäischen Kommission.

Ein EU-Kommissionssprecher erklärt die Risiken, die sich aus der vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Übertragung der gelben Impfausweise in ein EU-weit gültiges Zertifikat ergäben. Fachleute halten dieses Vorhaben für hochgradig betrugsanfällig.

 

Tweet des Tages

Wenn in Brandenburg auch der letzte endlich Rucola futtert, finden in Berlin schon wieder alle Kartoffelsalat toll.

@hsussebach

Stadtleben

Essen to go – Im Dreiseitenhof namens Mutter Fourage vereinen sich Kulturscheune, Gärtnerei, Hofcafé und Bio-Feinkostladen. Der Name des Hofs spielt darauf an, dass auf dem Gelände am Anfang des 20. Jahrhunderts eine Fourage-, also Futterhandlung betrieben wurde, –und auf Bertold Brechts Drama „Mutter Courage und ihre Kinder“. Bunte Blumensträuße und große Kuchenauswahl laden zum Beispiel zum Familienpicknick am benachbarten Wannsee ein. Alternativ bieten die vollen Bio-Kost-Regale und die Gärtnerei auch viel Fourage für zuhause. Chausseestraße 15a (Wannsee), Laden und Gärtnerei Mo-So: 9-19 Uhr, Hofcafé Fr: 14-18 Uhr, Sa/So: 12-17 Uhr.

Das ganze Stadtleben mit Naturwegen und Einkaufsroutinen gibt's mit dem Tagesspiegel-Plus-Abo.

Das Pandemie-Ding

Zeiten ändern sich und Corona ändert die Zeiten. In den kommenden Wochen wollen wir an dieser Stelle Dinge zeigen, die während der Pandemie an Bedeutung gewonnen haben. Heute: Andrea Befort und das Canastaspiel.

„Um den Corona-Blues zu überwinden, haben wir Canasta wieder für uns entdeckt. Zu zweit oder zu viert – letzteres mit einem gut befreundeten Ehepaar und immer frisch getestet. Jede Woche treffen wir uns und haben viel Freude zusammen. Und ich lerne endlich auch mal zu verlieren und trotzdem Spaß zu haben.“

Was ist Ihr Pandemie-Ding? Wir freuen uns über Fotos (möglichst im Querformat) inklusive einer kurzen Begründung an checkpoint@tagesspiegel.de.

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Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Turgut Altuğ (56), für die Grünen im AGH / Werner Fritsch (61), Schriftsteller / Reinhard Hanke (81), Jurist und Wahlberliner, Glück auf!“ / Florian Illies (50), ehem. geschäftsführender Verleger des Rowohlt Verlags / „4. Mai 1969: André Lilienthal, Co-Founder der propportdata GmbH“ / Mieze Katz (bürgerlich Maria Mummert) (42), Sängerin / „Ganz liebe Geburtstagsgruesse für meine Tochter Nicole nach England am 4.5. Nun schon zum zweiten Mal nur aus dem fernen Berlin.“

Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.

Gestorben Dieter Firschke, * 1. Dezember 1941 / Dr. Albrecht Hoffmann, * 2. August 1939, Experimentalphysiker, ehem. PTB Berlin / Prof. Dr. Dr. hc. C. Wolfgang Müller, * 12. November 1928, Gründer des Instituts für Sozialpädagogik der TU / Axel Ollrogge, * 17. September 1956 / Dorothea Paysan, * 7. Dezember 1937 / Dirk „Tatum“ Scheper, * 21. August 1938

Stolperstein – Heute vor 78 Jahren wurde Siegmund Hofmann (Jg. 1864) in Theresienstadt ermordet. In der Dorotheastraße 28 in Lichtenberg liegt zu seinem Gedenken ein Stolperstein.

Encore

Am Freitag hatten wir hier das Wehklagen eines Twitterers zitiert, der in Berlin interessante oder gar schöne Neubauten vermisst – verbunden mit der Frage, ob Ihnen gute Beispiele einfallen. Werner R. nennt den Springer-Neubau „zumindest interessant“, Franziska B. lobt ein neues Wohnhaus in der Wutzkyallee: „Goldbronze und schwarzes Matt und all die famosen Aussparungen und Streben und das Gewürfelte“. Der Vorstand der Bauwert AG empfiehlt die Neubauten der Bauwert AG.

Ansonsten scheint Berlin insoweit stabil, als die Mehrheit der Schreiber ins Klagelied einstimmt, obwohl Lob gefragt war: „Nur langweilige Gebäude, oft an Spießigkeit nicht zu überbieten“, „Schuhkarton-Architektur“, „möchte nicht an das Museum denken, das neben der Neuen Nationalgalerie – vielleicht ein kleines Highlight in dieser architektonischen Wüste – gebaut werden soll“, heißt es beispielsweise. „Geistloses Stapeln von Betonplatten und das Vorhängen der immer gleichen Frontelemente verschandeln das Stadtbild; jedes Kind baut mit Klemmbausteinen schönere Häuser.“ Und sonst? „Sogar in Birmingham findet man schönere Neubauten.“ Auch sei Funktion – sozialverträgliche Mietpreise – wichtiger als Ästhetik. Und erst die Neubauriegel in der Seesener Straße nahe dem Ku’damm: „Prora“. Nur ohne Strand.

Für diesen Checkpoint hat auch Teresa Roelcke recherchiert. Das Stadtleben hat Sophie Rosenfeld geschrieben, die Frühproduktion Cristina Marina verantwortet. Kommen Sie gut durch den Tag – und sehen Sie’s positiv (alles)!
Bis morgen,

Ihr Stefan Jacobs

Berlin braucht guten Journalismus!

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