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Berlin kauft 4500 Wohnungen von VonoviaRahmengesetz ohne Sinn: Was will der Senat jetzt eigentlich noch vergesellschaften?Kultursenator Chialo will Gedenkort an den Kolonialismus in Berlin

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Berlin kauft knapp 4500 Wohnungen. Wie im Checkpoint schon am Montag berichtet, schlägt das Land beim Immobilienkonzern Vonovia zu. Der Großteil, der nun in Hand der landeseigenen Gewobag befindlichen Einheiten liegt im Bezirk Lichtenberg und stammt aus DDR-Zeiten. Allerdings gilt für den 700 Millionen Euro teuren Ankauf, was der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) selbst dem Vergesellschaftungs-Volksentscheid immer vorgeworfen hatte: Insgesamt steht dadurch in Berlin nicht eine Wohnung mehr. Immerhin sicherte sich das Land bei dem Deal auch noch einige Parkplatzflächen in Lichtenberg und freie Grundstücke in Buch mit Platz für zusammen wohl 1700 neue Wohnungen. Jetzt muss man sie halt bauen. Wegner selbst räumte erst am Mittwochabend bei einer Veranstaltung des „Hauptstadtboard“ ein: „Ich habe leider den Baum in Berlin noch nicht gefunden, den ich schütteln muss, dass fertige Wohnungen herunterfallen.“

Beim selben Termin räumte Wegner am Mittwochabend auch gleich die Enteignungen von Wohnungen in Berlin unter seiner Amtsführung endgültig ab (CP von gestern). Wer beobachtet hat, wie der schwarz-rote Senat bislang alles unternommen hat, um das dafür angedachte Vergesellschaftungsrahmengesetz zu verzögern, wird davon nicht überrascht sein. Die Kritik der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ fiel am Mittwoch trotzdem deutlich aus: Das Handeln des Senats zeige, „mit welcher Dreistigkeit Wegner die Berliner*innen an der Nase herumführen will“, erklärte Sprecher Justus Henze. Das sei „Demokratiefeindlichkeit in Basta-Manier“.

Eigentlich könnte der Senat jetzt mit dem Schauspiel aufhören, man arbeite ernsthaft an einem Vergesellschaftungsrahmengesetz (nach einem Jahr haben die Fachverwaltungen angeblich noch nicht einmal klären können, welche Fragen man in einem noch unbedingt zu beauftragenden Rechtsgutachten überhaupt geklärt haben will). Wegner erklärte gestern jedoch, dass die Arbeit am Gesetz weitergehe. Nur was will dieser Senat noch vergesellschaften? Wohnungen sind ausgeschlossen. Wasserbetriebe, Fernwärme, Strom- und Gasnetz wurden oder werden rekommunalisiert. So richtig wusste auf der Pressekonferenz dann auch Kai Wegner nicht weiter. Die Frage danach ließ er unbeantwortet. Müssen am Ende also doch Wohnungen vergesellschaftet werden? Stimmen Sie ab!

Opinary Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen

Die Briefe mit den Betriebskostenabrechnungen haben viele Mieter der landeseigenen Wohnungsgesellschaften zuletzt wohl nur widerwillig geöffnet. Mit rund 140.000 der Schreiben haben die sechs Unternehmen Nachzahlungsforderungen an die Bewohner verschickt. Die meisten Nachforderungen gab es von der Howoge (36.198), Gewobag (29.818) sowie Stadt und Land (29.391), wie eine parlamentarische Anfrage von Niklas Schenker (Linke) zeigt. Oft geht es um richtig viel Geld. Allein die Gewobag hat 1846-mal Forderungen zur Nachzahlung von mehr als 1500 Euro gestellt. Insgesamt 220 landeseigene Mieter müssen mehr als 3500 Euro begleichen. Da kann man schon ins Schwitzen kommen, selbst wenn die Heizung aus ist.

Was Sie heute im Checkpoint als Abonnent bekommen:

+ Warum das Behörden-Ping-Pong in Berlin bald wirklich(!) ein Ende haben soll.

+ Auf welchen Hauptstraßen in Tempelhof-Schöneberg jetzt Tempo 50 kommt – und wo doch Tempo 30 bleibt.

+ Warum am Hauptbahnhof gerade erst aufgestellte Fahrradbügel wieder abgebaut wurden und für neues Rad-Chaos sorgen.

+ Was 20 Berliner Abgeordnete auf Ausschussreise in Athen machen.

+ Wieso der Senat so kurz vor der Fußball-EM noch keinen Veranstalter für Fantreffpunkte in Berlin gefunden hat.

+ Unsere Verlosung für 2x2 kulinarische Päckchen im Prater Garten in Prenzlauer Berg.

+ Und diesen Text von Anna Thewalt und Daniel Böldt, die geschaut haben, wo und womit der schwarz-rote Senat im ersten Jahr besonders überrascht hat.

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Telegramm

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) fordert einen zentralen Gedenkort an den Kolonialismus in Berlin. Das sagte er im Tagesspiegel-Interview. Chialo erhält heute von Vertretern der Berliner Zivilgesellschaft ein Eckpunktepapier für eine Aufarbeitungsstrategie des Kolonialismus im Land. Dass in diesem Zuge die Mohrenstraße umbenannt werden sollte, glaubt er eher nicht.

Die Idee der Radbahn U1 unter dem Kreuzberger U-Bahnviadukt schwirrt schon so lange durch Berlin, dass man an die Umsetzung fast nicht mehr glauben wollte. Zehn Jahre später ist es am Donnerstag doch endlich so weit. Zumindest für zwei Monate auf einem kleinen Testfeld entlang der Skalitzer Straße zwischen Mariannen- und Oranienstraße – und anders als früher geplant nicht als Radweg, sondern neuer Aufenthaltsort statt der dort früher parkenden Autos.

Ausgeliefert: Der Lieferdienst Getir zieht sich offenbar aus Berlin und ganz Europa zurück. Das Unternehmen hatte erst im vergangenen Jahr den Berliner Konkurrenten Gorillas geschluckt. Berliner Fußgänger werden die gern über Gehwege rasenden Lieferradler kaum vermissen.

Zu früh gefreut haben sich 600 Berliner, die dachten einen Termin im Bürgeramt Märkisches Viertel für heute ergattert zu haben. Wegen der Vorbereitung der Europawahl ist das Amt vom 17. April bis 14. Juni geschlossen. Das berlinweite Terminbuchungssystem hat am Mittwoch trotzdem 600 Termine für den Tag freigeschaltet, die natürlich in kürzester Zeit ausgebucht waren – und umgehend storniert werden mussten.

Nach dieser Meldung brauchen wir umso mehr eine neue Folge „Amt aber glücklich“, heute präsentiert von Tagesspiegel-Kollege Julius Betschka: „Und wieder bestätigt: Wer beim Bürgertelefon anruft, kriegt auch in Berlin allerspätestens am nächsten Tag einen Termin auf dem Amt. Freundliche Mitarbeiter, hilfsbereit, super informiert. Vielleicht lassen wir das mit dem Internet einfach, dann klappt's offenbar.“ Mal sehen, ob sich Berlins Chief Digital Officer Martina Klement (CSU) davon inspirieren lässt.

Die Zahl der Unfälle mit Pedelecs steigt beständig an – auch aufgrund der oft eher älteren Nutzer. Trotzdem nimmt sich nun ausgerechnet die Jugendverkehrsschule Charlottenburg dem Problem an. Gemeinsam mit der Polizei bietet sie ein kostenloses Pedelec-Training an. Termin ist Montag, 6. Mai, 16 bis 18 Uhr in der Loschmidtstraße 6-10. Um Anmeldung unter 0151 29 27 53 20 wird gebeten.

Der Tagesspiegel versendet inzwischen viele Newsletter zu verschiedenen Themen der Gesellschaft und des Lebens. Sonntags können Sie sich zum Beispiel „Von Herzen“ zuschicken lassen, den kostenlosen Newsletter über die Liebe. Diese Woche schreibt mein Checkpoint-Kollege Robert Ide darin über Sex und widmet sich, angelehnt an die Tagesspiegel-Liebeskolumne, der Frage: Wie stillt man das Verlangen? Wenn Sie das Verlangen nach einem sonntäglichen Nachdenken über menschliche Gefühle verspüren, dann abonnieren Sie den Newsletter gerne hier.

Zitat

„In einigen Kreisen ist man mit Wortneuschöpfungen progressiv unterwegs, aber das kommt nicht immer von unten, ist nicht wirklich getragen von Respekt und Aufrichtigkeit, sondern ist ideologisch aufgezwungen.“

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) im Tagesspiegel-Interview über den Umgang mit dem kolonialen Erbe in Deutschland.

 

Kiekste

Alles Ansichtssache, wa? Und das im aufgeräumten Wilmersdorf! Dank an Leser Hans-Jürgen Reinecke. Weitere Bilder gern an checkpoint@tagesspiegel.de! Mit Ihrer Zusendung nehmen Sie aktuell an unserem Kiekste-Fotowettbewerb in Kooperation mit DASBILD.BERLIN teil.

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Berliner Gesellschaft

GeburtstagBernd Böhlich (67), Regisseur (u.a. Kinofilm „Du bist nicht allein“ mit Axel Prahl und Katharina Thalbach) und Drehbuchautor, wurde zweimal mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet / Frank Bommert (63), CDU-Politiker, seit 2009 Mitglied des Landtages Brandenburg / Katharina Heyer (41), Film- und Theaterschauspielerin (u.a. „Inga-Lindström“ und „Polizeiruf 110“) / Marcel Höttecke (37), ehemaliger Torwart, hat für den 1. FC Union Berlin gespielt (2010-2013), jetzt Torwarttrainer beim VfL Osnabrück / Markus Lüpertz (83), Maler und Bildhauer, hat ein Atelier in Teltow, in Berlin gründete er 1964 zusammen mit weiteren Künstlern die Selbsthilfegalerie Großgörschen 35 / Al Pacino (84), US-amerikanischer Schauspieler (Michael Corleone in der „Der-Pate“-Trilogie), Regisseur und Produzent / Maggie Rogers (30), US-amerikanische Singer-Songwriterin („Dawns“, hat im Juni 2023 ein Konzert im Berliner Huxleys Neue Welt gespielt) / Gina Torres (55), US-amerikanische Film- und Fernsehschauspielerin („Suits“) / Renée Zellweger (55), US-amerikanische Schauspielerin und zweifache Oscar-Preisträgerin („Unterwegs nach Cold Mountain“ und „Judy“)

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben Gabriele Heintze, geb. Klotz, * 2. März 1939 / Vera Hemmerling, geb. Bauer, * 28. Februar 1934 / Ursula Gallina, geb. Lohse, * 12. Mai 1925 / Maria Gekeler, geb. Maisel, * 24. Oktober 1940 / Horst Löffler, * 7. Oktober 1948, verstorben am 18. April 2024, „bis 1988 stellv. Chefredakteur ‚Die Wahrheit‘ (Berlin-West)“ / Barbara Weiße-von Hassel, * 24. Juni 1943

StolpersteinMax Baer wurde am 26. August 1874 in Berlin geboren, er war im Adressbuch als „Fabrikleiter“ eingetragen und bis 1938 auch als „Hausverwalter“. Max Baer war verheiratet, zu seiner Frau gibt es aber keine Informationen. Er wurde verhaftet und von den Nazis ins KZ Sachsenhausen deportiert, wo er am 24. April 1942 ermordet wurde. An Max Baer erinnert ein Stolperstein in der Nürnberger Straße 16 in Charlottenburg.

Encore

Zu einer guten Party gehört leider auch das Aufräumen am nächsten Tag. Was zuhause unumgänglich ist und am besten schnell durchgezogen wird, hat die Senatskanzlei nach dem Hoffest im Sommer 2023 noch immer nicht ganz erledigt. Bis heute hängt vor dem Seiteneingang zum Roten Rathaus in der Jüdenstraße ein Schild, das auf die Foto- und Videoaufnahmen beim Hoffest hinweist. Hat Kai Wegner es als tägliche Erinnerung an die schöne Feier hängen lassen, oder testet Schwarz-Rot hier vielleicht doch die Videoüberwachung im öffentlichen Raum? Wegräumen lohnt sich in jedem Fall kaum noch. Das nächste Hoffest steht ja quasi schon vor der Tür.

Dank der Recherchen und Beiträge von Florian Schwabe, Antje Scherer (Stadtleben) und Jasmine Dellé (Produktion) war auch dieser Checkpoint wieder ein Fest. Morgen lässt hier Daniel Böldt für Sie die Korken knallen. Machen Sie’s gut!

Ihr Christian Latz

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