Eine frische Kaltluftfront senkt die Frühlingsfreuden etwas auf weiterhin sonnige 16°C

Polen-Expertin Maria Skóra über Deutschlands fehlendes Interesse für Osteuropa Eine Flüchtlingshelferin berichtet über das Chaos bei der Aufnahme in Berlin Höhere Benzinpreise machten schon der untergehenden DDR zu schaffen

Einen Monat dauert nun schon Russlands furchtbarer Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dazu auch heute wieder zuerst die wichtigsten Neuigkeiten und Einschätzungen:

+++ Der ukrainische Präsident Selenskyj hat anlässlich des Kriegsbeginns vor einem Monat Menschen auf der ganzen Welt aufgerufen, am Donnerstag öffentlich zu protestieren. „Kommen Sie aus Ihren Büros, Ihren Wohnungen, Ihren Schulen und Universitäten“, sagte er in einer Videoansprache in der Nacht. „Kommen Sie im Namen des Friedens, kommen Sie mit ukrainischen Symbolen, um die Ukraine, die Freiheit und das Leben zu unterstützen.“

+++ Offenbar gelingen der ukrainischen Armee erste Gegenoffensiven, etwa im Süden des Landes oder rund um die Hauptstadt Kiew. Doch militärisch droht ein langwieriges Patt.

+++ Mariupol wird von Tag zu Tag mehr zum blutigen Kriegsverbrechen des Kreml vor den Augen der Welt. Die umlagerte Stadt harrt seit Wochen teilweise ohne Strom, Heizung, Wasser und Nahrung aus. Der Student Oleg, der der Hölle per Flucht entkommen ist, beschreibt die Lage der Menschen so: Jeder Tag, jede Minute könnte deine letzte sein.

+++ Heute ist der „Internationale Tag für das Recht auf Wahrheit über schwere Menschenrechtsverletzungen und für die Würde der Opfer“. Er wurde 2010 von den Vereinten Nationen initiiert, um an Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu erinnern und all jene zu ehren, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen. Es ist dringender denn je.

+++ Heute kommt US-Präsident Joe Biden nach Polen. Das Land hat inzwischen mehr als eine Million Geflüchtete aus dem Nachbarstaat Ukraine aufgenommen. Mehr zur richtungsweisenden Reise des Präsidenten der europäischen Schutzmacht nach Europa finden Sie heute in unserem Newsletter „Washington Weekly“ – zu bestellen hier.

+++ Russland will sich sein Gas nur noch in Rubel bezahlen lassen. So soll der geeinte Westen die taumelnde russische Währung retten und gleichzeitig seine eigenen Sanktionen gegen die russische Zentralbank unterlaufen. Auf eine durchdachte Kampagne der Bundesregierung fürs Energiesparen wartet man trotz der Erpressung aus Russland bisher vergeblich – vielleicht will man erst einmal abwarten, bis die tolle Impfkampagne durch ist.

+++ Ach ja, Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach einer knappen Woche doch noch eine Antwort auf die Bundestagsrede des ukrainischen Präsidenten gefunden – sie lautet: „Herr Präsident Selenskyj, die Ukraine kann sich auf die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland verlassen.“ Zudem versprach die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, die gerade nicht nur sich selbst, sondern auch die Demokratie in Europa verteidigt. Eingedenk dessen bestand Deutschlands sichtbares Handeln bisher eher im Unterlassen.

Eine wichtige Nebenwirkung hat der Krieg: Mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges rückt in Deutschland endlich Osteuropa stärker in den Blick. Die in Berlin lebende polnische Politikanalystin Maria Skóra, Fellow am Progressiven Zentrum, gibt im Checkpoint-Interview einen Einblick in sich wandelnde Beziehungen – und starre Russland-Bilder in Deutschland.

Frau Skóra, Polen hat eine Million Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen und fürchtet im Krieg um die eigene Sicherheit. Wie ist die Stimmungslage im Land?

Die Hilfsbereitschaft in Polen ist unglaublich. Aber natürlich fragen sich die Menschen: Was passiert mit all den Flüchtlingen, wenn der Krieg noch lange dauert? Und: Was macht Russland als Nächstes? Im Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine gibt es viele Wunden: die polnische Kolonialisierung der Ukraine vor hunderten Jahren, die Massaker von ukrainischen Nationalisten in Polen im Zweiten Weltkrieg. Jetzt wachsen wir als Nachbarländer zusammen. Und merken, was für eine starke Nation und Gesellschaft die Ukraine ist.

Die Ukraine wirft Deutschland vor, den Despoten Putin durch Gas- und Ölgeschäfte erst stark gemacht zu haben. Waren die Polen mit Blick auf Russland illusionsloser?

Geschichte spielt in der Gegenwart immer eine wichtige Rolle. Der Krieg erweckt das Trauma des russischen Imperialismus wieder - auch die Angst, dass den Deutschen Russland wichtiger ist als Ost- und Mitteleuropa. Schon die Gaspipeline „Nord Stream 2“ war keine angenehme Perspektive: Deutschland hatte sich mit Russland abgesprochen, ohne die direkten Nachbarn einzubeziehen. Es ist mir auch schleierhaft, wie in der deutschen Politik immer noch versucht wird, Putin zu verstehen. In Polen versucht das keiner, der Krieg tobt an unserer Grenze. Ich höre von meinen Bekannten und Verwandten in Polen: Wir können den Krieg bei uns riechen.

Es gab heftige Auseinandersetzungen zwischen Polen und Deutschland in den vergangenen Jahren: über den Umgang mit Flüchtlingen oder die Aushöhlung der unabhängigen Justiz In Polen. Gibt es jetzt eine Chance auf bessere Verständigung?

Die polnische Regierung war viele Jahre extrem deutschfeindlich. Das war Strategie: Die Regierung wollte die Macht im Inneren sichern durch Feinde von außen – die hießen Berlin und Brüssel. Das ändert sich in der Krise jetzt. Aber die Leute sind weiterhin enttäuscht, dass Deutschland so sehr gezögert hat, der Ukraine wirklich zu helfen. 5000 deutsche Schutzhelme für die ukrainische Armee – in Polen klang das wie ein Witz.

Wie kann Deutschland ein besserer Partner für ein sicheres Osteuropa werden?

In Polen und im Baltikum herrschen große Ängste. Aus Russland werden schon Umfragen lanciert, welches Land wohl als Nächstes dran sei: Polen. Deutschland muss seine Perspektive ändern: In Osteuropa sind mehr Leute als im Westen bereit, ihr Leben für die Freiheit zu opfern. Die Ukraine kämpft ums Überleben. Das begreifen einige Deutsche nicht, die sagen, das Land solle sich am besten ergeben. Aber wir in Osteuropa wollen selbst entscheiden und kein von Russland unterjochtes Belarus 2.0 werden. Aus der deutschen Einheit gab es ja den Begriff Besserwessi – ich würde es West-Splaining nennen: dass hier aus Deutschland der Ukraine vorgeschrieben wird, wie sie sich verhalten soll. Es geht den Ukrainern nicht um nationalen Stolz – sondern um Freiheit und Demokratie für die nächsten Generationen. To be or not to be.

Sie leben seit acht Jahren in Berlin. Wie hilft die polnische Community in der Stadt jetzt? 

Alle helfen, wo sie können. Ich bin von Zeit zu Zeit am Zentralen Omnibusbahnhof, da packen viele an, wenn die Busse mit Geflüchteten ankommen – manche übersetzen, weil die Busfahrer meist nur polnisch sprechen. Auch am Hauptbahnhof sind viele Polinnen und Polen engagiert, Institutionen oder auch der Club der polnischen Versager sammeln Spenden für die ukrainische Community. Jede und jeder kann was tun. Und von den Deutschen wünsche ich mir: Schaut mehr auf Eure östlichen Nachbarn! Ich kenne viele Leute, die in Berlin wohnen, aber noch nie in Polen waren. Warschau ist näher als Paris.

Auch Berlin als Stadt hat die Wucht des Krieges überrascht – und noch immer werden vom Senat hektisch Strukturen aufgebaut, um Zehntausende Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Im neuen Ankunftszentrum auf dem früheren Flughafen Tegel werden wegen Personalmangel auch Katastrophenhelfer der Johanniter eingesetzt, berichtet die ehrenamtliche Sanitäterin Josephine am Checkpoint-Telefon.

Sie und andere wurden deshalb diese Woche von der Notunterkunft an der Messe wegbeordert. „Der Senat war am Anfang nicht vorbereitet und hat die Lage immer noch nicht im Griff“, urteilt die 26-jährige Studentin, die seit Monaten im Dauereinsatz ist: Erst half sie im Impfzentrum am Velodrom, mit Ausbruch des Krieges organisierte sie mit vielen privaten Helferinnen und Helfern die Ankunft der Geflüchteten am Hauptbahnhof. Hier kamen zwischenzeitlich mehr als 10.000 Geflüchtete aus der Ukraine pro Tag an – was natürlich jede Stadt überfordert hätte.

Nach den Schilderungen der Helferin standen die Johanniter sofort zum Nothilfeeinsatz am Hauptbahnhof bereit, hätten dafür aber eine Anordnung des Senats bekommen müssen. Doch die habe es trotz Bitten nicht gegeben. So konnte noch Anfang März der Katastrophenschutz keine Strukturen am Bahnhof aufbauen – „ohne die vielen Privatleute wäre alles zusammengebrochen“. Mit anderen organisierte Josephine dann unter anderem Essenslieferungen von der Berliner Tafel für die ankommenden Geflüchteten oder die abendliche Betreuung und teilweise private Vermittlung von Geflüchteten in Familien. „Von der Stadt kam da lange viel zu wenig“, beklagt die Helferin.

Der Senat widerspricht. „Wir waren zwei Tage nach Ausbruch des Krieges mit Mitarbeitern permanent am Bahnhof vor Ort“, sagt Stefan Strauß, Sprecher der Sozialverwaltung, auf Nachfrage. Anfangs sei die Zahl der Flüchtlinge nicht abschätzbar gewesen, da nicht klar gewesen sei, wie viele der Ankommenden eine Unterkunft hier in der Stadt brauchten. „Wir haben uns schnell darauf konzentriert, Strukturen am Bahnhof aufzubauen: das Ankunftszelt, Catering, Wärmebusse und Wärmezüge“, sagt Strauß. Inzwischen sei die Situation weniger angespannt.

Vor zwei Wochen dann wurden die Johanniter zur Messe beordert, wo eine Notübernachtung für Geflüchtete errichtet wurde, berichtet Helferin Josephine. „Aber es war nichts fertig aufgebaut, es gab nicht mal Desinfektionsmittel für die Betten.“ Zudem habe es auch hier zu wenige Leute gegeben. „In manchen Schichten waren wir 15 Leute für 1000 Flüchtlinge.“

Inzwischen kommen aber generell weniger Hilfesuchende in der Hauptstadt an, seit gestern gibt ein neues Drehkreuz auch in Cottbus. Die engagierte Studentin, die seit Monaten im ehrenamtlichen Dauereinsatz ist und gerade auch noch ihre Masterarbeit in Molekular- und Zellbiologie schreibt, glaubt dennoch: „Mit früherer Koordination hätten wir vielen Menschen sicher besser helfen können.“

Früher war alles besser? Von wegen, wie eine Meldung aus der „Lausitzer Rundschau“ vom 11. August 1990 zeigt (gefunden vom Berliner Historiker Jens Schöne). Darin wird über höhere Benzinpreise berichtet, die schon der untergehenden DDR zu schaffen machten: „Das Amt für Wettbewerbsschutz der DDR hat am Freitag die Minol Mineralölhandel AG aufgefordert, die Erhöhung der Benzinpreise an den Tankstellen zu begründen. Nach Auffassung des Amtes hat sich der Konflikt am Golf nicht auf die Abgabepreise ausgewirkt.“

Tja, schon damals machten sich Mineralölkonzerne nach Ausbruch eines Krieges ihre öligen Taschen voll, selbst wenn diese kurz zuvor noch angeblich volkseigen waren. Einen Tankrabatt für Trabis gab’s damals allerdings nicht. Aber auch keine FDP als Protestpartei der Besserverdienenden in der Regierung.

Lesen und leben lassen. Das kann man am besten mit guten Büchern aus der Bibliothek. Die Bildungsexpertin der Berliner Linken, Regina Kittler, darf sich jetzt öfter der Lektüre widmen. Sie wurde zur Vorsitzenden des Bibliotheksverbandes Berlin gewählt und findet: „Bücher sind Freunde, die einen begleiten, manche über lange Zeit im Leben.“ Nun soll es ein Bibliotheksgesetz geben, das der Ausleihe einen festen Rahmen verleiht – und vielleicht bald einen einheitlichen Leihausweis für öffentliche und wissenschaftliche Büchereien.

Kittler sagt dazu auf Checkpoint-Nachfrage: „Bibliotheken sind offene Orte auch für die Wissenschaft, für Bildungs-Veranstaltungen, Erlebnisse für Schulklassen oder Familien.“ Am liebsten geht sie selbst in die Zentrale Landes-Bibliothek und die Mark-Twain-Bibliothek in Marzahn. Vor der nächsten Ausleihe sollte allerdings folgender Hinweis des US-Autors Mark Twain beachtet werden: „Ein Klassiker ist ein Schriftsteller, den jeder gelesen haben möchte und den keiner liest.“

Telegramm

Erst mal was Schönes: Rita und Heinz haben noch den Krieg in Berlin erlebt. Am Kiessee verlieben sie sich, im alten Prenzlauer Berg wächst ihre Familie, im geteilten Berlin erfinden sie sich neu. Wie schafft man 70 Jahre Ehe? Rita sagt es zu Heinz so: „Ich hab dich, du hast mich. Was brauchst du eine andere Frau?“ Nun hat das Paar in Pankow die Gnadenhochzeit gefeiert, ich habe die beiden in Karow besucht für unsere Liebeskolumne – die Geschichte einer Lebensliebe.

Berlin geht ein Licht auf: In der Stadt gibt es laut Verkehrsverwaltung (auf Anfrage des FDP-Abgeordneten Felix Reifschneider) etwa 215.000 Straßenlaternen mit 225.000 Leuchten. „Von diesen sind aktuell 1.600 Leuchten infolge von Störungen nicht in Betrieb.“ Das ist nicht mal ein Prozent. So helle sind wir.

Berlin geht der Platz aus: In der Stadt gibt es laut Verkehrsverwaltung (auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Kristian Ronneburg) genau 1.233.625 zugelassene Autos. Zu viel. Die Carsharing-Flotte beläuft sich auf 7.700 angemeldete Wagen. Zu wenig.

Polizeiruf 110: Berlins Polizei sucht 1330 Handfesseltaschen. Diese müssen laut Ausschreibung „von Verarbeitung und Finish einen hochwertigen und homogenen Eindruck machen, passend zur Dienstbekleidung eines Polizeivollzugsbeamten”. Auch Aussehen soll manchmal fesselnd sein.

Notruf 112: Berlins Feuerwehr sucht einen Abschleppdienst für liegenbleiende Leiterwagen. Gebraucht werden Schlepper, die Einsatzfahrzeuge bis zu 22 Tonnen in die Werkstatt der Feuerwehr in Charlottenburg bringen. Der Fuhrpark umfasst 1150 Fahrzeuge. Ein tonnenschwerer Auftrag.

Jetzt hebt Berlin endgültig ab. Gestern wurde am bisherigen Flughafen Unschönefeld ein zweites, diesmal modernes Terminal eingeweiht, mit dem Berlin ohne BER-bedingten Bummelstress in die Osterferien starten könnte (Eindrücke hier). Ab Montag geht’s von hier aus sogar per Langstrecke bis nach New York. Start spreading the news – I'm leaving today.

Jetzt taucht Geschichte endgültig auf. Die Stiftung Berliner Mauer hat mehr als 10.000 Zeugnisse ihrer vielfältigen Sammlung zur deutschen Teilung online gestellt. Darunter das DDR-Faltboot „Kolibri“, mit dem der junge Ingenieur Kurt Rick im Herbst 1963 über die Stralsunder Bucht und die Ostsee in den Westen paddelte. Oder Originalbilder aus der Versöhnungskirche an der Bernauer Straße, die die DDR-Führung nach dem Mauerbau hier sprengen ließ. Geschichte lebt – wenn sie lebendig gehalten wird.

Und falls Sie noch mehr Fundstücke aus dem Osten Deutschlands suchen: Schauen Sie gern rein im Twitteraccount der Initiative „Wir sind der Osten“, den ich diese Woche verantwortlich betreuen darf – zu finden hier. Nur wer in alle Richtungen sieht, trifft auf neue Blicke.

Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, lärmen Baumaschinen. „Die Domäne Dahlem ist durchaus dafür bekannt, dass sie eine Baustelle ist”, sagt Steffen Otte, der Direktor des grünen Kleinods im Südwesten Berlins. Noch bis August wird die Alte Meierei saniert und ab Sommer gibt es ein neues Restaurant, schreibt mein Kollege Boris Buchholz in seinem Bezirks-Newsletter (kostenloses Abo hier). Auch sollen die Museen für die 200.000 jährlichen Besucherinnen und Besucher auf dem weitläufigen Hof- und Tiergelände attraktiver werden. Gut Ding will Weide haben.

Falls Sie heute Abend noch was lernen wollen: Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und unsere Schulexpertin Susanne Vieth-Entus stellen ab 19.30 Uhr ihr neues Buch in der Urania vor, das nicht nur in Berlin Schule machen soll: „Klassenkampf – Was die Bildungspolitik aus Berlins Schuldesaster lernen kann“. Es gibt noch Tickets und auch einen Livestream – und alle Infos hier.

Zitat

„Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte.“

Der lebenskluge Schriftsteller Martin Walser wird heute 95 Jahre jung.

 

Tweet des Tages

Ich will nur mal schnell Bescheid sagen: In Berlin scheint die Sonne, es ist warm und fremde Menschen lächeln einander zu. In Berlin! #Lichtblick #Leben

@c_dankbar

Stadtleben

Essen – Wie viel mehr Zeit man doch für die wirklich wichtigen Dinge im Leben hätte, wenn man nicht ständig schlafen, essen oder auf irgendwas warten müsste. Wie gut, dass es Fast Food gibt: Schnell gemacht, schnell verschlungen und nie wieder dran gedacht – also auch Denkzeit für die wirklich wichtigen Dinge gewonnen. Win, win, win. Bewusst leben tut man dabei auch noch, wenn man sich in der gesparten Zeit Sachen bewusst macht. Also ab ins nächste Burger Restaurant, zum Beispiel am Ku'damm 24 (U-Bhf. Kurfürstendamm), in die noch junge Mampferei! Passend zum Vibe der gesamten Nachbarschaft gilt hier nämlich…, äh, wie bitte? „Bei uns sind Burger Slow Food“ steht auf der Homepage. Wie langsam hier gespeist wird, können Sie sich Di bis Sa von 12 bis 20 Uhr bewusst machen. Hier entlang zur Speisekarte.

Trinken – Andersrum, also zum langsamen Verzehr gedacht, aber oft dann doch zu schnell vertilgt, ist bekanntlich der Wein, den Ekstasengott Bacchus einst geschwinden Schrittes von Griechenland aus in alle Lande trug – und somit auch nach Schöneberg. Der Akazienkiez erfreut sich seit einigen Monaten an einer vom Inhaber Giacomo Mannucci bewusst kuratierten Auswahl, sowohl besonderer als auch zuverlässig die breite Masse befriedigender Tropfen – eine Auswahl speziell zum Weingenuss abgestimmter Gerichte gibt es ebenfalls. Geöffnet ist die Weinbau Weinbar Mi-Sa ab 18 Uhr, Akazienstraße 3, S-Bhf. Julis-Leber-Brücke

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Prof. Dr. Jörg Baberowski (61), Historiker / Günther Bentele (81), Jugendbuchautor / Nina Hoger (61), Schauspielerin / Maria Koschny (41), deutsche Synchronsprecherin / „Liebe Carol Gerhardt, eine Zeitreise begleitet uns seit Jahrzehnten. Herzlichen Glückwunsch, Achim Melchior“ / Nena (62), Popmusikerin / Dennis Schönwetter (50), Pressesprecher, „Alles Gute wünscht das Berliner Kriminaltheater“ / Wolfgang Vonnemann, „Rechtsanwalt, bester Ehemann, stolzer Vater, politischer Neustarter“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Madeleine Albright, erste Außenministerin der USA, * 15. Mai 1937 / Ulf Klatt, * 1. Oktober 1941 / Hans-Joachim Kleemann, * 10. Dezember 1936 / Erdmute Magnus, * 21. Juni 1943 / Martina Mertz-Schefter, verstorben am 4. März 2022, ehem. Leiterin der zentralen Widerspruchsstelle Deutsche Rentenversicherung Bund /  Richard Palm, verstorben am 8. März 2022, Albatros gGmbH

Stolperstein – Jenny Stock (geb. Gradnauer) (*1869) entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Magdeburg. 1891 heiratete sie in Frankfurt/O. den Kaufman Paul Stock, mit dem sie nach Berlin zog. 1893 wurde der Sohn Georg geboren. Ab 1926 bewohnte die Familie das Haus Am Zikadenweg 51 in Westend, wo heute ein Stolperstein an sie erinnert. Als SPD-Mitglied in die Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf gewählt, wurde Jenny Stock im Juli 1933 wegen des SPD-Verbots das Mandat entzogen. Das Haus wurde an eine „arische“ Familie zwangsverkauft. Nach verschiedenen Zwischenstopps wurde Jenny Stock schließlich am 20. November 1942 aus dem sogenannten „Judenhaus“ (Auf der Drift 12 in Kleinmachnow) nach Theresienstadt deportiert, wo sie die Nazis heute vor 79 Jahren ermordeten.

Encore

Das ganze Leben ist ein Karussell: Es dreht sich, bis es nicht mehr weitergeht. Berlins bodenständigste Karussells stehen immer auf den Neuköllner Maientagen in der Hasenheide – mit Eis am Stiel und Berlinern mit Stil. Nun wird das Volksfest verlegt, weil der Volkspark im Klimawandel schlappzumachen droht, gab Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) am Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung bekannt. Die Trockenheit der letzten Jahre und zuletzt der Sturm haben inzwischen mehr als jeden zehnten Baum einknicken lassen, zudem störe die Karussell-Party die Brutzeit vieler Vögel.

Nun soll die Hasenheide in einem Pilotprojekt klimaresilient gemacht werden. Damit sich das feiernde Berlin in einem Park erholen kann, der noch ein Park ist. So bodenständig muss eine Stadt schon sein, dass sie ihre Natur schont. Wenn sie sich immer weiterdrehen will.

Drehen Sie heute wieder eine Runde an der sonnigen Luft! Mit mir die Stadt eingeatmet haben Matthieu Praun (Recherche), Thomas Wochnik (Stadtleben) und Lionel Kreglinger (Produktion). Morgen schnauft hier Julius Betschka mit Ihnen durch. Ich grüße Sie!

Ihr Robert Ide

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