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Querdenker-Proteste: Innensenator Geisel sieht Polizei als „Herrin der Lage“Trotz Bitten des Antisemitismusbeauftragten: NOFV bleibt bei Werbung von TEBE hartPankow als Vorbild für ganz Berlin: Massiver Ausbau des ÖPNV gefordert

gute Aussichten: „Der Königssee im Berchtesgadener Land aus anderer Sicht. Dazu muss man aber ca. 800 Höhenmeter zu Fuß ansteigen“, schreibt CP-Leser Detlef Kiebs.

Urlaubsfoto 27

Beach, Berge oder Balkonien – nehmen Sie uns mit! An dieser Stelle zeigen wir während der Sommerferien, wo Sie gerade den Checkpoint lesen. Schicken Sie uns ein Foto mit einem Satz zum Urlaubsort an checkpoint@tagesspiegel.de.

Am Tag danach beginnt das politische Aufräumen. Das Fazit des Innensenators zum Querdenker-Wochenende ist schonmal eindeutig: „Wir können nicht erkennen, dass die Polizei nicht Herrin der Lage gewesen sei“, sagt Andreas Geisel (SPD) auf Tagesspiegel-Anfrage. 2.200 Polizisten waren im Einsatz, es gab fast 1.000 Festnahmen, 60 Polizisten wurden verletzt, ein Demonstrant ist nach dem Durchbrechen einer Polizei-Kette an einem Herzinfarkt gestorben. Diese Zahlen sind – im Gegenteil – Zeichen des Kontrollverlusts.

Zum Vergleich: Am 1. Mai waren in Berlin doppelt so viele Polizisten im Einsatz, bei der Brandschutzbegehung der Rigaer Straße 1.500 Beamte. Und noch ein Vergleich: Bei den schweren G20-Krawallen 2017 gab es rund 400 Festnahmen (aber deutlich mehr verletzte Polizisten). Die Bundesregierung nahm die Ereignisse am Wochenende „mit großer Besorgnis wahr“. Geisel verteidigte seine Behörde: „Was wäre denn die Alternative zum polizeilichen Handeln gewesen? Alle 5.000 Menschen, die sich den Tag über verteilt in Berlin aufgehalten haben, einzukesseln und festzunehmen?“

„Aufgehalten“ ist natürlich ein Euphemismus. Der radikale Kern der verschwörungsideologischen Querdenker-Szene ist aggressiv und tendenziell gewaltbereit. Über Heil-Hitler-Rufe in U-Bahnen, Holocaustverharmlosung und Angriffe gegen Journalisten und Polizisten wurde ausreichend gesagt (CP von gestern). Ein weiteres Detail: Der Ex-AfD-Abgeordnete Heinrich Fiechtner rief in Berlin öffentlich dazu auf, sich an Stauffenberg zu orientieren und Attentate auf Verantwortliche zu verüben. So weit ist es. Die sogenannten Querdenker protestieren längst nicht mehr gegen die Corona-Maßnahmen, sondern für Staatszersetzung und Elitenhass. Es sind Radikale im Friedenskostüm.

Themenwechsel: Manuel Neuer läuft mit Regenbogenarmbinde auf, die Nationalmannschaft unterstützt die Kampagne „Nein zu Rassismus“, jedes Jahr vergibt der DFB den Julius-Hirsch-Preis gegen Rassismus. Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) hat Tennis Borussia Berlin trotzdem Trikotwerbung durch den gemeinnützigen Opferfonds CURA untersagt, der Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt unterstützt (CP von gestern). Schon Ende Juli hatte sich deshalb Sigmount Königsberg schriftlich an den NOFV gewandt.

In einer Mail wies der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin auf das eigene Engagement des DFB hin und schrieb dazu: „Ich würde Sie bitten, Ihre Entscheidung zu revidieren.“ Die Bitte soll mit dem Hinweis darauf abgelehnt worden sein, dass es bei der Aktion ausschließlich und einseitig um Opfer rechter Gewalt ginge. Königsberg hat dafür kein Verständnis. Er sagte dem Checkpoint: „Die Unterstützung und Solidarität mit denen, die von rassistischer, LGBTI-feindlicher, misogyner und antisemitischer Gewalt betroffen sind, stärkt die Angegriffenen und setzt klare Signale gegen die Gewalttäter.“ Das gilt beim DFB anscheinend nur, wenn es nebenher auch der Eigenwerbung dient.

Ab in den Untergrund: Pankows Grüne haben ein Verkehrskonzept entwickelt, das als Blaupause für ganz Berlin dienen soll. Das Papier liegt dem Checkpoint exklusiv vor. Die U2 soll demnach bis Niederschönhausen (Pastor-Niemöller-Platz) verlängert werden. Auch eine Verbindung des S-Bahnhofs Wollankstraße zur Osloer Straße durch eine Verlängerung der U9 soll geprüft werden – gleichberechtigt mit einer Tram-Verbindung. Statt wie bisher geplant um 12 Kilometer soll das Tram-Netz um 30 Kilometer ausgebaut werden. Der Verkehrstakt in die Innenstadt soll auf fünf Minuten verdichtet werden. Eine zusätzliche Haltestelle soll auf der Linie U2 (Wisbyer Straße) und vier auf der Linie S2 eingerichtet werden. Das Ziel: Von Haustür zu Haltestelle in fünf Minuten.

In dem Papier heißt es: „Unser Konzept ist in Pankow entstanden und bezieht sich auf Pankow. Aber es ist beispielhaft dafür, wie wir Grüne uns Verkehrswende für ganz Berlin in allen Bezirken vorstellen.“ Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete und -Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar war beteiligt: „Bis 2030 sollen sich die Fahrgastzahlen im ÖPNV verdoppeln. Dazu liegt jetzt ein konkretes Konzept für den Berliner Nordosten mit seinem massiven Bevölkerungswachstum vor.“ Gelbhaar fordert dafür eine massive Erhöhung der Fördermittel vom Bund um eine Milliarde Euro. Klingt ambitioniert. Aber vernünftiger als Verbotsideen ohne ausreichende Alternativangebote.

Hefte raus! Am 9. August geht in Berlin die Schule wieder los. Schnell hat die Bundesregierung in den vergangenen Tagen noch neue Regeln für Reiserückkehrer beschlossen. Das Timing ist mal wieder klasse: Denn die meisten Berliner sind natürlich längst aus dem Urlaub zurückgekehrt. Gestern dann wurde noch so eben vor Schulbeginn ein bundesweites Impfangebot für Kinder ab 12 Jahren beschlossen. An Studienlage und Stiko-Empfehlung hat sich zwar kaum etwas geändert, aber es sollte nun auch nicht aussehen, als hätte man gar nichts getan in den Sommerferien. Also, Spritzen-Timing!

Auch im Berliner Senat wird heute das Thema Corona dominieren (wegweisende Beschlüsse werden nicht erwartet). Die Linke fordert besseren Schutz für die Schüler: „Wir haben seit Wochen auf die PCR-Lolli-Tests gedrungen und es gab zwischendurch auch hoffnungsvolle Zeichen“, sagte Linksfraktionschef Carsten Schatz dem Checkpoint. „Dass darauf jetzt verzichtet wird, finde ich eigentlich unerhört“. Stattdessen wird es in Berlin in den ersten Wochen für jeden Schüler drei Schnelltests pro Woche geben – die Bildungsverwaltung war gegen die PCR-Tests. Es soll – jetzt, nach sechs Wochen Ferien – einen Modellversuch an einer Kita und einer Schule geben. Schatz: „Es gibt längst Studien aus NRW und Bayern, die Wirksamkeit und Machbarkeit belegen. Durch PCR-Tests wissen wir schon vor Symptombeginn, ob jemand infiziert ist. Antigen-Tests schlagen im Schnitt erst zwei Tage später an.“ Er fordert, dass die sichereren PCR-Tests in Berlin einmal pro Woche durchgeführt werden. Dagegen spricht wahrscheinlich nur: die Zeit.

Telegramm

Spurensuche im Clan-Milieu: Nach einer Schießerei in Wedding am vergangenen Freitag mit drei Schwerverletzten verfolgen die Ermittler zwei Theorien. Streit um Geld innerhalb eines Clans und eine versuchte Entführung eines Großfamilien-Sprosses. Die Kollegen Alexander Fröhlich und Pascal Bartosz mit den Details – und Parallelen zur Hinrichtung von Nidal R.

Viel Lärm um Nichts? SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz will die 20.000 Wohnungen von Vonovia und Deutsche Wohnen trotz der gescheiterten Fusion „zeitnah“ kaufen. Bis Monatsmitte sollen die Bestände geprüft sein. Vonovia startet unterdessen einen zweiten Anlauf: Für 53 Euro pro Aktie will man sich die Deutsche Wohnen nun freundlich einverleiben. Frohes Feilschen.

Freund, Feind, Parteifreund, SPD-Parteivorsitzender: Norbert Walter-Borjans greift in den Wahlkampf ein. Der CDU wirft er wegen des Festhaltens an Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan „eine menschenfeindliche Linie von Populisten“ vor. Leider hatte Walter-Borjans vergessen, vorher mal in seiner Partei rumzufragen: Berlins SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey will – Stand jetzt – ebenfalls Straftäter nach Afghanistan abschieben, genauso SPD-Innensenator Andreas Geisel. Auch Außenminister Heiko Maas hielt Abschiebungen ins Kriegsgebiet Afghanistan noch Anfang Juli für richtig. Ob Walter-Borjans das auch für menschenfeindlichen Populismus hält, konnten wir nicht rausfinden. Die Pressestelle der SPD hat auf unsere Anfrage bisher nicht reagiert.

Das Artensterben ist so bedrohlich wie die Klimakrise, nur sprechen wir viel weniger darüber. Warum es ohne Mücken keinen Kakao mehr geben wird und wie uns Berliner Feldlerchen vom Massenexodus der Vögel ablenken – was jeder Einzelne dagegen tun kann, sagt der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht im „Gradmesser“. Zu unserem Klimapodcast mit Ruth Ciesinger geht‘s hier entlang.

Wer sich einbürgern lassen will, braucht Geduld (CP von gestern). In Mitte, so die Statistik, soll‘s verhältnismäßig schnell gehen: 4 Monate. Erfahrungen eines Checkpoint-Lesers: „Der frühestmögliche Termin war in neun Monaten. Da ging es nur um die Beantragung des Formulars. Innerhalb einer Woche hat mein Partner das ausgefüllt. Die Bearbeitung dauerte noch einmal sieben Monate.“ Laut Checkpoint-Supercomputer macht das: 16 Monate. Amt, aber unglücklich.

SPD-Entenkümmerer Peter Groos hat Nachricht vom Bezirksamt Treptow-Köpenick erhalten: Er wollte wissen, was sich tun ließe, um die Enten an der Kiefholzstraße vor dem Autoverkehr zu schützen (CP vom 30.07.). Siehe da: „Das Bezirksamt wird prüfen, ob die Möglichkeit einer verkehrsrechtlichen Anordnung durch SenUVK IV B gemäß Paragraf 45 Straßenverkehrsordnung in Form eines Zeichens 101 StVO in Verbindung mit einem Zusatzzeichen (Achtung, Enten) besteht.“ Achso, alles klar: Ente gut, alles gut.

Kaum süß, dafür weitreichend: Heute soll im Senat die sogenannte Umwandlungsverordnung von Bausenator Sebastian Scheel nach der Beratung im Rat der Bürgermeister beschlossen werden. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wäre dann kaum noch möglich. Künftig soll das im gesamten Stadtgebiet nur noch gehen, wenn 1. der Bezirk zustimmt und 2. mindestens zwei Drittel der Wohnungen an Mieter des Hauses veräußert werden. Ein Paradigmenwechsel.

Zitat

„Dann und wann buche ich einen Mietwagen, fahre die gespeicherten Navi-Adressen ab, steige aus, tue, als heiße ich Carsten, bummle ein bisschen hier und dort, steige wieder in meinen Mietwagen ein und bringe ihn zurück nach Hause.“

Der Schriftsteller Saša Stanišić erklärt, worauf man beim Mietwagen fahren besonders achten sollte.

 

Tweet des Tages

Wer anderen vorschreibt wie man Satzzeichen benutzen muss ist ein ,ndant.

@es_rappelt

Stadtleben

Genuss – Das puristische Lokal Royals & Rice ergänzt klassische vietnamesisch-japanische Küche um kreativ-moderne Komponenten. Auf Holzbänken machen Sie es sich unter Lichterketten im Hinterhof gemütlich, während (non-)vegane Delikatessen zum Schlemmen einladen. Von Sommerrollen über Sushi mit Kokos-Limonen-Guacamole-Topping bis hin zum flüssigen Pendant in Form von hausgemachten Limonaden oder Arabica-Kaffee aus Vietnam. Mo-So 12-22 Uhr, Torstraße 164, U-Bhf Rosenthaler Platz

Das ganze Stadtleben mit den Sommertipps im „Stadt-Land-Fluss“-Format gibt's mit dem Tagesspiegel-Plus-Abo.

Berlins Spitzenkandidat:innen-Check

5 x 1: Bis zur Abgeordnetenhauswahl stellen wir den Spitzenkandidat:innen von CDU, FDP, Grüne, Linke und SPD jede Woche eine Frage, die sie mit nur einem Foto beantworten dürfen. Diese Woche: Was tun Sie gegen Verdrängung? Es antwortet heute: Klaus Lederer (Linke). 

Foto: DIE LINKE.Berlin

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Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Wilhelm Bender (77), Wirtschaftsmanager / Marica Bodrožić (48), Schriftstellerin / Christoph Geiser (72), Schweizer Schriftsteller / Wolfgang Nagel (77), ehem. Berliner Bausenator (1989-1996) / Stefan Peno (24), Basketballspieler bei Alba / „Herzlichen Glückwunsch, liebe Annelie Reuter. Annelie geht nun immer geübter allein durchs Leben. Ihr Lächeln und ihren Humor hat sie nie verloren und die Liebe zu ihrem Tennissport und ihren Sportpartnern_innen auch nicht - Achim Melchior“ / Katrin Schmidberger (39), für die Grünen im AGH / Kristina Schröder (44), ehem. Bundesfamilienministerin (2009-2013) / Robert Stadlober (39), Schauspieler

Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de

Gestorben Erhard Funk, * 20.Juli 1937 / Klaus Mordaschewitz, * 2. September 1936 / Marianne Remy, * 3. Oktober 1941 / Monika Schildberger, * 25. Januar 1929 / Alfons Schimanski, technischer Mitarbeiter des Kombibad Mariendorf

Stolperstein – Bis zum Zeitpunkt ihrer Deportation lebte Pessa Paulina Blech (geb. Goldberg) in der Manteuffelstraße 49 in Kreuzberg. Heute vor 79 Jahren wurde sie mit dem „35. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Am 15. Juli 1943 starb sie dort, vermutlich aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager.

Encore

Wir richten den Blick gen Osten: 3.125 Kilometer entfernt von hier befindet sich die russische Siedlung Berlin (russisch: Берли́н). Das Dorf liegt am Südufer des Flusses Tschernuschka, unweit der Stadt Tschebljansk. Die Menschen hier leben von Landwirtschaft – oder der russischen Armee. Eine Grenzkaserne steht neben dem Ort, die kasachische Staatsgrenze verläuft nur drei Kilometer entfernt. Der Ort – deshalb sind wir diesmal nicht extra hingefahren – hat strenge Besuchsregeln, ist wegen der Grenznähe für Fremde gesperrt. Seinen Namen soll die Ortschaft zu Ehren der russischen Kosaken erhalten haben, die 1760 während des Siebenjährigen Krieges die preußische Hauptstadt besetzten (Details hier). Die ersten Einheiten rückten über das Cottbusser Tor vor. Kosaken und Kreuzberg, das war aber nur eine Kurzzeit-Liaison – wie so oft in Berlin. Nach vier Tagen rückte die russische Armee wieder ab.

Recherchiert hat heute Thomas Lippold, Sophie Rosenfeld die Stadtleben-Tipps zusammengestellt und Kathrin Maurer alles versandfertig gemacht. Morgen begrüßt Sie hier wieder Ann-Kathrin Hipp. Wir beide spielen diese Woche nämlich fröhliches Checkpoint-Pingpong. So long,

Ihr Julius Betschka

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