es ist bereits der 63. Tag des brutalen Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine. Hier die wichtigsten Einschätzungen zum Tage und die aktuellen Entwicklungen aus der Nacht:
+++ Der wieder bis zum fast letzten Moment zögernde Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat angesichts der Völker- und Menschenrechtsverletzungen von Russland und des Drucks innerhalb seiner Koalition, durch die internationalen Partner und auch die nationale Opposition nun doch das veranlasst, was er vorher noch als Auslöser für einen „Dritten Weltkrieg“ dargestellt hatte: die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Nach der Munition für die Flugabwehrpanzer sucht Ukraines Botschafter Andrij Melnyk allerdings noch. Deutschlands Führungsrolle in Europa bleibt weiterhin undefiniert.
+++ Auf einen von den USA initiierten Militärtreffen auf der Luftwaffenbasis Ramstein haben mehr als 30 Staaten die weitere Waffenhilfe für die sich verteidigende Ukraine koordiniert. Der demokratische Westen stellt sich offenbar auf einen langen Krieg ein.
+++ António Guterres hat bei weiteren vergeblichen Friedensbemühungen den Krieg als „völkerrechtswidrige Invasion Russlands“ bezeichnet. Dass er Moskau dennoch als freier Mensch verlassen durfte, hatte nur einen Grund: Er ist Generalsekretär der Vereinten Nationen.
+++ Die Angriffe Russlands im Süden und Osten der Ukraine gingen mit unveränderter Härte weiter. Humanitäre Korridore für die Zivilbevölkerung in bombardierten Städten scheiterten deshalb erneut.
+++ Russische Separatisten haben offenbar Anschläge in der Region Transnistrien verübt, um die an die Ukraine grenzende Republik Moldau zu destabilisieren. Zudem stellt der russische Staatskonzern Gazprom die Gaslieferungen an Polen (das sie sowieso kündigen wollte) und Bulgarien umgehend ein. Die Angst vor Russlands Imperialismus treibt derweil Finnland und Schweden zügig in die Nato. Ein Kriegsziel Moskaus geht nicht auf: die Spaltung der freien Welt.
Alle aktuellen Entwicklungen können Sie rund um die Uhr hier im Tagesspiegel-Blog verfolgen. Das Wichtigste dabei bleibt: Empathie und Hilfe für die viel zu vielen unschuldigen Opfer dieses mörderischen Krieges mitten in Europa.
Schuld an sich selbst ist weiterhin ein Mann, der ein respektabler Altkanzler hätte werden können, wenn er nicht noch immer Putins Kriegskasse mit seinem oligarchenhaften Lobbyismus ölen würde. Lesen wir dazu den treffenden Kommentar von Micky Beisenherz (via „Stern“) über Gerhard Schröder: „Es ist die eigene Vita, die den sonst so hartleibigen Basta-Gerd weich werden lässt. Und so wurde schlussendlich der vermutlich schlimmste Tyrann des Planeten zum Romeo des anerkennungsfreudigen Cohiba-Kanzlers, der im Kriegsverbrecher zuvorderst nur den Freund sieht, der ihm im Lebensweg so ähnelt. Dass er längst zu dessen Filialleiter in Deutschland verkommen ist, wird vom Renitentner geflissentlich ausgeblendet.“
Zwei Jahre ihre Stimmen stillgehalten haben nahezu alle Chöre in Berlin. Nun hat der Deutsche Chorverband ein „Jahr der Chöre“ ausgerufen, um in der Pandemie verstummte Lieder neu anzustimmen. Leicht wird das nicht, wie eine Checkpoint-Umfrage bei Ralf Sochaczewsky, Dirigent vom Landesmusikrat, dem Leiter mehrerer Chöre Jan Olberg sowie Paul von einem Amateurchor in Neukölln ergeben hat. Ergebnis unserer Recherche: Für gemeinsam singende, gut klingende Amateure galten in der Pandemie oft strengere Regelungen. Sie probten oft in nicht so gut zu belüftenden Räumen, hatten weniger Geld für Tests; die meisten digitalen Proben scheiterten an der verstimmten Video-Kakophonie. Deshalb fanden zuletzt fast nur noch Profi-Konzerte statt, staatliche Chöre mit fest angestellten Sängerinnen und Sängern kamen mithilfe der Corona-Hilfen besser durch die stille Zeit.
Für große Oratorien braucht es allerdings auch freiberufliche Stimmen - von denen haben inzwischen ein Drittel ihren Beruf gewechselt. Viele Freizeitchöre verloren gar so viele Mitglieder, dass sie gar nicht mehr gemeinsam ihre Stimmen anstimmen. Für sie summen wir traurig mit Franz Schubert ein Ständchen: „Leise flehen meine Lieder / Durch die Nacht zu dir; / In den stillen Hain hernieder, / Liebchen, komm zu mir!“
Gerade ist ja in Berlin nicht nur der Himmel blau-weiß. Und im Fußball gibt es immer zwei Halbzeiten. Da wir beim Tagesspiegel und im Checkpoint gerne im Binnenplural schreiben, kommt hier nach dem gestrigen Contra meines Kollegen Julius Betschka gegen ein neues Hertha-Stadion (Text und unentschiedene Umfrage hier) nun von mir ein Pro – mit HaHoHerzlichen Grüßen aus der Ostkurve:
Alle Klubs der Bundesliga spielen in modernen Fußballarenen, nicht in ollen Leichathletikschüsseln. Dauermeister BFC Bayern langweilt die Liga längst nicht mehr im Münchner Olympiastadion, in das Zentralstadion in Leipzig wurde die neue Fußballarena geschickt hineingebaut. Und Hertha will eine neue Arena komplett selbst bezahlen, die Infrastruktur am Olympiastadion mit U- und S-Bahn ist bereits vorhanden, der öde Olympiapark wäre endlich etwas belebter, Berlin braucht sowieso mehr moderne Sportstätten.
Natürlich sollte jede Stadtentwicklung einen besonders sensiblen Blick auf den Umwelt- und Klimaschutz haben, für nachhaltigere Stadien kann sich auch im Fußball noch mehr drehen. Aber wird damit das großflächige Gelände versiegelt – auf einem derzeitigen Reitsportfeld? So bringt man die Fans auf jeden Fall zum Rasen.
Und was wäre die Alternative? Kann man einer der traditionsreichsten und größten Vereine der Stadt zwangsverpflichten, für immer in einem für einen Fußballklub finanziell und atmosphärisch selten rentablen Stadion zu spielen, nur weil das Land damit nichts anzufangen weiß? Nebenbei kostet das auch jede Saison Punkte, wozu es Studien gibt. Und für die Stadt lockt ein durchaus guter Deal: Dass beide Stadien womöglich zusammen vermarktet werden und Hertha bei großen Spielen weiter im Olympiastadion heimgastiert – so wie der toll aufspielende 1. FC Union zuletzt im Europapokal.
Jahrelang hatte der alte Senat gebremst (etwa mit Hinweis auf den Denkmalschutz für von den Nationalsozialisten entworfene Sichtachsen zum Aufmarschplatz Maifeld) und Hertha sich mal wieder kommunikativ selbst verhakt. Nun kommt dank vieler aktiver Fans und des neuen Senats von Franziska Giffey (SPD) neue Bewegung aufs Feld. Und das kann für die Sportmetropole, die Berlin auch ist, nur richtig sein.
Denn das gibt es ja nirgendwo sonst: dass einem Traditionsverein der eigene Stadionbau faktisch von der Stadt verunmöglicht wird. Union erlebt das auch gerade mit dem gewünschten Ausbau der Alten Försterei, wo Berlin mit der Verkehrsplanung in Köpenick nicht hinterherkommt. Und in Brandenburg spielen will Hertha nun auch nicht – schon allein, weil alle Sportkommentatoren des Landes den Berliner Sportclub allzu gerne unnötig mit dem Zusatz „Hertha BSC Berlin“ versehen.
Jetzt eine wichtige Nachricht, die Sie bitte auch teilen und vielen weiteren Menschen mitteilen sollten: Unser Tagesspiegel-Kollege Kurt Sagatz bangt um das Leben seiner Frau Vera. Sie hat eine seltene Form des Blutkrebses, der akut aktiv geworden ist, und benötigt zum Überleben dringend die Stammzellspende eines genetischen Zwillings. So wie viele andere suchende Patientinnen und Patienten auch. Sie wollen Vera helfen? Registrieren Sie sich für eine Spende bitte hier – und verbreiten Sie den Aufruf von Kurt bitte hier. Danke!
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Wenn beim Laufen die Nase läuft: Wie können Sportlerinnen und Sportler gut mit Pollenallergien umgehen? Wie sich Belastungen umgehen lassen, erklärt Wissenschaftler Ingo Froböse. Ein Interview von Inga Hofmann.
Telegramm
Sonst was los in Berlin? Wie immer jede Menge. Das Wichtigste und Witzigste davon hier nun in gewürzter Kürze:
Der Senat hat sich nicht darauf einigen können, die Isolationszeit nach einer Corona-Infektion von sieben auf fünf Tage zu verkürzen. Nach Bedenken von Fachleuten in der Koalition (via „RBB“) wurde die Entscheidung vertagt – natürlich um sieben Tage.
Unser Dorf soll schöner werden, zumindest unser Steglitz-Zehlendorf. Das Bezirksamt will jetzt einen Kompakttraktor und ein Lkw-Fahrgestell für Abrollkipper anschaffen. Damit könnte man zumindest eine Menge Mist bauen.
Die Verwaltung in Tempelhof-Schöneberg korrigiert derweil eigene Torheiten. Jahrelang durften die Kinder des Friedenauer Vereins Kiezmove auf ihrem Sportplatz nicht mit Toren kicken. Der frühere Sportstadtrat Oliver Schworck (SPD) stufte den Platz nicht als Sportplatz, sondern als Schulhof der Friedrich-Bergius-Schule ein. Deswegen konnten dort nur rote Absperrhütchen aus dem Straßenverkehr stehen, berichtet Sigrid Kneist im Bezirksnewsletter (Abo hier). Der neue Stadtrat Tobias Dollase (parteilos, für die CDU) erlaubt nun wieder Tore. Und hat damit gleich eingenetzt.
Wer hätte das ahnen können? Die Humboldt-Universität ehrt jetzt auch Frauen in ihrer Ahnengalerie. Die männlichen Nobelpreisträger finden sich nun neben weiblichen Identifikationsfiguren aus vielen bewegten Zeiten. Und erzählen neue Geschichten einer altehrwürdigen Geschichte.
Wir halten kurz am Bahnhof Wannsee, wo die automatische S-Bahn-Durchsage ertönt: „Zurückbleiben bitte“. Als Fahrgäste dennoch die Tür offenhalten, folgt laut unserem Leser Lutz Rieger folgende Ansage des Fahrzeugführers: „Die Ansage ‘Zurückbleiben‘ bezog sich nicht auf das Psychische, sondern das Physische.“ Und: Abfahrt.
Berlin hat einen neuen Irrsinns-Radweg. Auf der Fasanenstraße führt er kurze 15 Meter lang durch Poller geschützt direkt auf parkende Autos zu (via „Berliner Morgenpost“). Laut Sebastian Weise, Grünen-Fraktionschef von Charlottenburg-Wilmersdorf, soll das „die Verkehrssicherheit erhöhen“. Die Frage ist nur: für wen?
Ist dies das Verliebtsein unserer Zeit? Livi und Nael daten miteinander, sie sind sich nahe und knutschen im Mauerpark. Gleichzeitig halten sie Distanz und dann passiert – nichts. Die Geschichte einer Beinahe-Liebe in Berlin, aufgeschrieben von meiner Kollegin Helena Piontek für unsere Kolumne „Ins Herz“ – nachzulesen und nachzufühlen hier.
Schnell noch ein Schnäppchen: Für 600 Euro im Monat gibt es ein Einzelzimmer mit Gemeinschaftsbad und Gemeinschaftsküche in Biesdorf zu haben. Gesucht werden Mitarbeitende der Tesla-Fabrik. Gefordert wird allerdings: Keine Partys, keine Kinder, keine Kerzen. Das Inserat (via „Berliner Woche“) endet mit einem „juristischen Hinweis: Das Objekt steht ausdrücklich nicht zum Verkauf!“ Nicht das sonst Elon Musk…
Zitat
„Ich vergesse nie, dass ich allein ein Nichts wäre. Man braucht ein gutes Team, eine intakte Familie und starke Konkurrenz."
Ulli Wegner, legendärer Boxtrainer aus Berlin, ist 80 geworden – eine Würdigung von Michael Rosentritt finden Sie hier.
Tweet des Tages
Das werde ich nicht mehr mitmachen. Ich lösche meinen Tesla-Account.
Stadtleben
Neu in Neukölln – Der französische Küchenchef Simon Guitard bringt seit heute die Gastrobar Holly Berlin in modern-minimalistischem Ambiente wieder zum Kochen. Karamellisiertes Hähnchen mit Popcorn und fermentierter Habaneros Mayonnaise schmeicheln dem Gaumen, bis Lammkarree, goldenes Rote-Bete-Püree mit Bierkrümeln und Rotkohl Chutney aufgetischt werden. Für den Absacker lädt die Bar mit europäischen Weinen und Local Craft Beers zum Verweilen bis in die Morgenstunden. Mi-Sa Küche 18.30-22.30, Bar 18.30-1 Uhr, Mainzer Straße 23, U-Bhf Boddinstraße
Hinter der Opernkulisse und vor der Retrospektive: Das ganze Stadtleben gibt’s mit dem Tagesspiegel-Plus-Abo.
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – „Hiep hiep hoera met je verjaardag! Lieber Christian, zum 50. Geburtstag beste Glückwünsche aus dem PrenzlBerg – gefeiert wird nun später, aber dafür umso ausgelassener!“ / „Lieber Detlef, die Südafrikaner und inzwischen Halb-Berliner wünschen Dir alles Gute zum Geburtstag! Diesmal sind wir ja tatsächlich vollzählig angetreten, Dir heute sogar persönlich zu gratulieren!“ / André Förster (49), Verleger in Berlin-Pankow / Miguel Góngora (20), ehem. Landesschülersprecher Berlins / „Lieber Jörg, hoch sollst Du leben, 3x hoch! Wir freuen uns auf die Feier am Samstag, Sabine und Dieter.“ / Stefan Komoß (58), ehem. Kreisvorsitzender der SPD in Marzahn-Hellersdorf / Mehmet Kurtuluş (50), Schauspieler / „Alles Liebe & beste Wünsche für Scharein, den Meister der Farben und des Lichtes von Wiebke und den Bassumern! Wir freuen uns auf Deine nächsten Werke:-)“ / Klaus Vogelgesang (77), Maler und Zeichner
+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++
Gestorben – Stephan Y. Dietrich, * 29. Dezember 1948 / Dr. med. Johannes Epping, * 16. Mai 1945 / Renate Piesker, * 29. Juli 1937 / Dr. phil. habil. Eva Strommenger-Nagel, * 20. Mai 1927, Vorderasiatische Archäologin
Stolperstein – Johanna Hilda Sechehaye (geb. Schwarz, 1897) zog 1928 mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn von München nach Berlin, wo sie in einem Ingenieur- und Architektenbüro arbeitete. Zwei Jahre später trennte sich das Paar. Johanna Hilda Sechehaye versuchte 1936 in die USA zu fliehen – leider erfolglos. 1941 wurde sie polizeilich in „Schutzhaft“ genommen. Ein Jahr später deportierten die Nationalsozialisten sie erst in das Konzentrationslager Ravensbrück und dann in die Tötungsanstalt Bernburg/Saale, wo sie heute vor 80 Jahren ermordet wurde. Auf der Konstanzer Straße 4 in Wilmersdorf liegt ein Stolperstein, um an Johanna Hilda Sechehaye zu erinnern.
Encore
Schon klar, dass nach der Pandemie überall ausgerümpelt werden muss. Auch wenn es Berlin manchmal wehtut. Wie bei Deko Behrendt: Der großartige Laden für Partys, Kostüme und Masken überlebte die Zeit nicht, in der es keine Partys und Kostüme mehr gab – nur Masken für Mund und Nase. Nun immerhin erobert die Kunst den leer gelassenen Raum in Schöneberg zurück. Zum Gallery Weekend erinnert die Galerie Chert Lüdde hier mit großen Dekoblumen an verblühte Zeiten und bringt das Geschäft zu neuer Blüte. Die Kunst zaubert aus alten Tapetenresten des Dekoladens eine andere Welt. Und hält so eine Legende wach. Von unserer Stadt, die sich immer wieder neu findet und erfindet. Auf ihren eigenen Trümmern.
Mehr Tipps von Birgit Rieger zum Gallery Weekend finden Sie hier.
Mehr Tipps von mir fürs Wochenende finden Sie am Donnerstag im Ticket, unserem feinen Tagesspiegel-Stadtmagazin – auch dann hier im E-Paper.
Und hier finden Sie sich morgen mit Lorenz Maroldt wieder. Mit mir durchgemacht haben heute Matthieu Praun (Recherche), Sophie Rosenfeld (Stadtleben) und Lionel Kreglinger (Produktion). Und vielleicht machen Sie heute in der Sonne einfach mal einen drauf. Ich grüße Sie,
Ihr Robert IdeBerlin braucht guten Journalismus!
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