wir sind wieder mehr. Berlins Einwohnerzahl ist 2021 um rund 5500 Personen auf 3.775.480 gestiegen. Im Durchschnitt sind die Berliner jetzt Berlinerinnen, zwischen 15 und 45 Jahren alt, ledig, in „mittleren Wohnlagen“ zuhause und gehören keiner Religionsgemeinschaft an. Den höchsten Zuwachs gab’s in Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. Da schien es noch Wohnungen zu geben.
Und 2022? „Städtische Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND vergibt Chance auf Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnraum“, teilt das Bezirksamt Treptow-Köpenick am Freitag mit. Der Grund: S&L will Mehrfamilienhäuser entgegen bisheriger Verabredungen auf dem Innenhof ihrer Wohnungsbestände, statt auf einer nahegelegenen, landeseigenen Grünfläche errichten. Eigentlich hatten sich die Verantwortlichen auf einen entsprechenden Grundstückstausch geeinigt, der es S&L ermöglicht hätte, 95 statt 108 Wohnungen zu bauen (Vorgeschichte hier). Aufgrund von zeitverzögerten „Kostensteigerungen“ hat sich das Unternehmen nun doch dagegen entschieden. „Ich bin schwer enttäuscht. Wir hatten gemeinsam die Grundlagen für einen Kompromiss im Sinne der Anwohnerinnen und Anwohner (…) und hätten die grüne Umgebung aufwerten können“, kommentiert Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD). Wir sind es auch ein bisschen – S&L war am Abend leider nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen. Reichen wir nach.
Um diesen Newsletter stimmungstechnisch ein bisschen aufzuwerten, kommt hier ein Witz (aufgeschnappt von Reddit-User „ichiel“):
„Was hat ein Stuttgarter, was ein Berliner nicht hat?“
„Keine Ahnung.“
„Eine Wohnung in Berlin.“

Wochniks Wochenende
Die besten Berlin-Tipps für drinnen, draußen und drumherum.
48h Berlin
Samstagmorgen – Der frühe Wurm… trödelt heute am Arkonaplatz. Hier ist von 8 bis 10 Uhr Flohmarkt und, wie mittlerweile auch die Spätaufsteher:innen wissen, ist die Wiederverwendung von Gebrauchtem statt Neukaufs noch immer eine der besten Definitionen von Nachhaltigkeit.
Samstagmittag – Es gibt übrigens mindestens zwei Typen von Trödel-Trödler:innen: Das sind zum einen die, die mit einem bestimmten Ziel vor Augen zum Trödel kommen, auf der Suche nach dem einen Schatz. Möglicherweise gehen sie schon seit Jahren immer wieder über Flohmärkte und kaufen nie etwas, bis sie ihr Ziel erreichen. Man kann durchaus darüber streiten, ob das noch echte Trödler:innen sind. Zum anderen sind da die Gertrude Steins des assoziativen Spaziergangs, die mit gleichschwebender Aufmerksamkeit alles mehr oder minder gleichgültig wahrnehmen und denen hin und wieder doch das ein oder andere im Blick hängenbleibt. Derart gleichmütige Wahrnehmung ist auch beste Voraussetzung zum Besuch der Installation und Performance „In / Still Life“ von Janine Eisenächer & Andrei Cucu. Gegenstände und Alltagsmaterialien, Field Recordings, elektroakustische Klangobjekte, Mikrofone und Looper sowie ausgewählte Textfragmente und einzelne Passagen aus – da ist sie wieder – Gertrude Steins „Tender Buttons“ bilden einen Kosmos, in dem man ab 18 Uhr im Errant Sound (Rungestraße 20) gleichförmig schweben kann.
Samstagabend – Schwierig, in diesen Zeiten Konzertempfehlungen zu machen. Zum einen ist es ohnehin problematisch, die Bildung von Menschenansammlungen zu befördern – aber gut, wir müssen hier auf die Hygienekonzepte der Veranstalter vertrauen. Zum anderen aber gibt es wegen der begrenzten Auslastung von Spielstätten weit weniger Karten pro Veranstaltung. So auch für den heutigen Abend in der Deutschen Oper. Zu sehen und hören ist hier der „Antikrist“ (sic!) des dänischen Komponisten Rued Langgaard, inszeniert von Ersan Mondtag. Bei Redaktionsschluss gibt es noch Karten für die letzten drei Aufführungen um je 20 Uhr heute, kommenden Mittwoch und Freitag. Einmalig dagegen, schon wegen des unwiederholbaren Improvisationsanteils, ist das Konzert der Hybrid Dudes im b-Flat Jazzclub – der Band des italienischen Bassisten Carmelo Leotta.
Sonntagmorgen – Heute ist Museumssonntag, das heißt: Der Eintritt in eine ganze Menge Berliner Museen ist heute frei. Und: Alle, wirklich alle über die Museumssontags-Homepage buchbaren Zeitfenstertickets sind schon vergeben, das heißt: Demnächst beginnt das Rennen um Tickets für den 6. März. Wer das unbefriedigend findet, gehe doch zum Kunstmarkt auf der Museumsinsel (11 bis 17 Uhr) und nehme, im Gegensatz zu all den Museumsbesucher:innen, etwas Kunst mit nach Hause.
Sonntagmittag – Dass das Kindermuseum des Jüdischen Museums, ANOHA, eine der besten Indoor-Stätten der Stadt ist, um Kindern auch bei schlechtem Wetter Auslauf zu gewähren und nebenbei etwas Bildung zu verpassen, dürfte sich herumgesprochen haben. Schön, wenn man als Eltern entspannt zeitunglesend danebensitzen kann, während der Nachwuchs klettert, rutscht, bastelt. Wen dabei hin und wieder das Verlangen erfasst, sich selbst an Rutsche und Klettergerüst gehen zu lassen, ohne dabei auf Kinder Rücksicht nehmen zu müssen, hat heute Gelegenheit: Um 14.45 Uhr sind Kinder verboten. ANOHA für Erwachsene kostet 6 / 3 Euro. Kinder haften nicht für ihre Eltern.
Sonntagabend – Jugend spielt Neue Musik, und zwar von Matthias Kaul, Charlotte Seither, Lutz Glandien, Frederic Rzewski und Babette Koblenz. Das ist nicht nur eine Gelegenheit, selten aufgeführtes Repertoire live zu hören, sondern auch eine, um dem musikalischen Nachwuchs genau den Motivationsschub zu verpassen, der in Zeiten von Lockdowns und scharenweiser Umschulungen Musikschaffender in neue Berufe fehlt. 12 Euro kosten die Tickets für das Landesjugendensemble Neue Musik Berlin unter Dirigent Jobst Liebrecht. 20 Uhr, Werner-Otto-Saal im Konzerthaus am Gendarmenmarkt.
Mein Wochenende mit

Kevin, unser liebstes Wildschwein in der Rotte, kennt jeden Flecken Land in Berlin und Brandenburg. An dieser Stelle gibt er wöchentlich Ausflugstipps ins Umland.
„Ach, das Künstlerdasein ist nicht immer leicht. Sie wissen doch, dass ich als Landschaftsarchitekt und Lyriker gerne die Expressionistensau rauslasse – so auch neulich in der Uckermark. Manchmal bietet es sich einfach an: Der Anblick nassen, losen Grunds, noch unverhunzt, mit großem Gestaltungspotenzial – der erinnert mich daran, weshalb ich diesen Beruf als junger Keiler ergriffen habe. Fast schlagen sich meine Hauer von allein in die Erde, ohne viel Nachdenkens und Trara. Wie einst, so schön. Das Werk macht den Schaffensprozess sichtbar, kann als emotionaler Ausdruck, als Gewalt- oder Liebes- oder als naiver Schaffensakt gelesen werden. Aber, wie es in der Kunst nunmal so ist, verstehen nicht gleich alle, was sie da vor Augen haben. ‘Das soll Kunst sein? Schweinerei! Sowas können meine Ferkel doch auch!‘ bekommt man dann zu hören. Oder den schon vor einem Jahrhundert veralteten Besserwisser-Spruch: ‘Kunst kommt von Können‘. Ja, das können sie meinetwegen meinen. Der Kunst zum Trotz. Will man sich als Künstler verstanden fühlen, hat man es eben nicht leicht. Es sei denn, man geht nach Eberswalde, wo man, am Finowkanal flanierend und über den einzigartigen Oberleitungsbus staunend Inspiration tanken kann. Dass da der Eber außerdem schon im Namen wie im Wappen steckt, geschenkt. Neulich trug ich hier Gedichte vor, und das vor gefülltem Saal. Lyrik und gefüllter Saal? Wo gibt es denn sowas? Na in Eberswalde, das kann ich nur empfehlen. Und mich empfehle ich, mit freundlichen Grunzen.“
Leseempfehlungen
Wohnungssuche in Berlin ist sowieso schwierig – für die Ärmsten ist sie aber am schwersten. Für zunächst drei Monate stehen die „Tempohomes“ der Containersiedlung am Flughafen Tempelhof wieder Geflüchteten zur Verfügung. Sigrid Kneist (Abo) sprach mit Bezirksbürgermeister Oltmann.
Auch Krankenpfleger sein ist derzeit ausgesprochen schwierig, wie Jörg Püschmann weiß. Besonders in Pandemiezeiten. Darum hat er ein Buchprojekt angeleiert, und die gesamte Belegschaft des Vivantes Neukölln eingeladen, sich mit Anekdoten und kleinen Erzählungen zu beteiligen. Madlen Haarbach (Abo) hat ihn gesprochen.
„Wenn wir versuchen, die Ketten zu sprengen, gelten wir als gefährlich“ - Tilmann Warnecke (Abo) sprach mit der Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln Michaela Dudley über Antirassismus und Intersektionalität.
Und wer wissen will, worauf man sich in puncto Berlinale vorfreuen kann: Die Kolleginnen von der Kultur (Abo) haben schon mal einen Überblick zusammengestellt.
Wochenrätsel
Heute wird’s knifflig: Ein nächtliches Autorennen auf der Potsdamer Straße mündete im Polizeieinsatz. Einer der beiden Fahrer gab in der Folge ab:
a) Eine gute Partie
b) Eine schlechte Partie
c) Eine Polizeimarke
Schicken Sie uns die richtige Lösung und gewinnen Sie einen Checkpott.
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Da war doch noch was… Achja! Die Vielleicht-Expo! Nachdem IHK-Präsident Daniel-Jan Girl die Debatte über eine Bewerbung fürs Jahr 2035 angestoßen hatte (CP von gestern), hat Kollegin Anke Myrrhe Sie nach Ihrer Meinung gefragt. Das Ergebnis: entschlossene Unentschlossenheit bei den gut 1000 Teilnehmer:innen! „Klar, Hannover 2000 war der Hammer!“, sagen 41 Prozent. „Nee, das ging ja schon bei Olympia in die Grütze“, sagen 53 Prozent. Berlin-Kenner und jetzt Hannover-Regionspräsident Stefan Krach (SPD) jedenfalls findet die Idee spannend und bietet über den Checkpoint Entwicklungshilfe an: „So eine Weltausstellung kommt nicht ohne Risiken, kann aber ein Erfolg sein. Wir beraten gerne, von Metropole zu Metropole.“
Aus der einzig wahren Metropole berichtet hier am Montag wieder Lorenz Maroldt. Heute am Checkpoint mitgewirkt haben Lotte Buschenhagen (Recherche) und Cristina Marina (Frühdienst). Kommen Sie gut durch’s Wochenende!
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