heute vor 100 Jahren wurde das moderne Berlin gegründet. Um 12 Uhr 30 eröffnete der Parlamentspräsident die Preußische Landesversammlung zur Entscheidung über die kommunale Verwaltungsreform – von den 313 Abgeordneten stimmten 165 dem Gesetz zur „Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ zu, acht mehr als nötig. Das Sitzungsprotokoll vermerkt „Beifall bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei“ sowie „Zischen rechts“. Als der linke Abgeordnete Weyl ruft: „Es lebe das neue Berlin!“, entsteht „große Unruhe“. Unser Kollege Kai Müller hat die dramatische Zeit für die Tagesspiegel-Seiten „Mehr Berlin“ nachgezeichnet – seinen Bericht finden Sie hier.
Willy Brandt, der 1955 Regierender Bürgermeister der Einheitsgemeinde werden sollte, war gerade mal sieben Jahre alt, als zusammengestöpselt wurde, was nicht zusammengehörte. Bis heute ist Berlin eine Stadt aus verschiedenen Städten und leidet trotz nachfolgender Reformen daran, dass der märkische Sand zwischen dem Senat und den Bezirken (und auch Brandenburg) oft ebenso knirscht wie zwischen den Zähnen der Kinder am Strandbad Wannsee. Dennoch steht fest: Der parteilose Bürgermeister Adolf Wermuth hat damals die Grundlage geschaffen für das beste Berlin, das es gibt: das von heute.
Und das schauen wir uns jetzt mal genauer an:
Klaus Lederer, Kultursenator und Bürgermeister, beschreibt in einem großen Stück für den Tagesspiegel, wie das so ist, das „Regieren in der Krise“. Frei von den üblichen Politsprechblasen, wie sie auf Sprechzetteln stehen und in Social-Media-Kanäle fließen (wo sie von den Urhebern als „Kommunikation“ verkauft werden), reflektiert der Jurist und Linken-Politiker die Entscheidungen des Senats („Da sind wir in mancher Frage zu weit gegangen“), aber auch seine Zweifel und Gedanken, wie z.B. nach einem Gang durch den Weinbergspark („Diese Sicherheitssuggestion ist trügerisch und gefährlich“). Ein Blick zurück, ein Blick nach vorne: Transparenz schafft Vertrauen und ermöglicht Kontrolle.
Die Frage hinter der Maske: Galt sie zu Beginn der Pandemie als überflüssig, weil es zu wenige davon gab? Von heute an gilt jedenfalls in Berlin eine Mundschutzpflicht in Bussen und Bahnen. Für alle, die meinen, dann müsse der Staat auch die Maskenversorgung sichern, hier ein Service-Hinweis des Neuköllner SPD-Bezirksverordneten Marco Preuß: „Der Staat schreibt euch vor, in der Öffentlichkeit nicht nackig rumzurennen, und stellt euch trotzdem keine Hosen!“
Der Senat bringt dennoch 147.000 Stoffmasken unters Volk – nur wie, das steht noch nicht fest. Hoffen wir mal, dass sich nicht die Methode Eulenspiegel durchsetzt (alle auf einen Haufen).
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci will übrigens die Maskenpflicht auch in Geschäften einführen – es ist ein folgerichtiger Gedanke (und wird in allen anderen Bundesländern so gemacht). Nur in Restaurants dürfte es ohne Modell mit virensicherer Nahrungsschleuse schwierig werden. Cocktails in Bars ließen sich dagegen zur Not intravenös verabreichen, früher oder später landet der Alk ja ohnehin im Blut – und die Idee ist so bestechend, dass sie von Donald Trump verspritzt werden könnte wie vor ein paar Tagen das Desinfektionsmittel.
Die Gesundheitsverwaltung unterstützt übrigens die Herstellung von Community-Masken durch die Theater-Werkstätten, z.B. die der Komischen Oper: Sie bestellt und kauft den Schutz dort zur Verteilung ans eigene Personal und den Krisenstab.
Stephan von Dassel hat bekanntlich Beef mit „Foodwatch“ und „Frag-den-Staat“ – die Organisationen reichten im Rahmen der Kampagne „Topf secret“ eine Untätigkeitsklage ein mit der Begründung, ihnen würde die Akteneinsicht über Lebensmittelkontrollen verwehrt. Jetzt drehte der Mitte-Bürgermeisters den Spieß um: Die Aufsicht habe im Bezirk einen „hohen Stellenwert“, von 645 Anträgen seien immerhin 238 abgeschlossen. Doch auch damit ist der Zustand unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen (zwei Monate) bestenfalls als „medium“ zu bezeichnen, „well done“ ist das nicht – manche Anträge liegen seit 14 Monaten vor.
Am Donnerstag hatten wir hier einen Tweet von Donald Trump im Original veröffentlicht, der einigen Leserinnen und Lesern schwer verständlich vorkam. Versuchen wir es heute mal mit einem Text aus der Wirtschaftswoche, in der die „arrogante Larmoyanz“ gegenüber dem US-Präsidenten in der Corona-Krise gegeißelt wird (ebenfalls im Original, also auf Deutsch). Es sind nur zwei Sätzchen, geht also schnell – wir lesen:
„Gerade jetzt, wenn sich das lineare Fortschrittsversprechen einer diesseitsgläubigen Moderne einmal mehr als Chimäre erweist und der pumperlgesunde Zuversichtszwang solutionismusfrommer Tech-Conferenciers am Fels des Schicksalhaften zerschellt (Thanks, Covid!), wenn die politischen Akteure sich uns als Hüter und Schäfer anbieten, obwohl wir merken, dass die ‚halykonischen Tage‘ nicht ewig währen und unser Sekuritätstraum ans Vermessene grenzte – gerade jetzt also kommt es darauf an, dass wir uns nicht nur als ängstliche, eingeschüchterte Wesen erfahren, die ihrer Regierung Gehorsam bezeigen und in beachtlicher Geschwindigkeit neue Choreografien der maskierten Distanz und Achtsamkeit einüben. Sondern dass wir uns in diesen Wochen auch als das ‚noch nicht festgestellte Tier‘ (Friedrich Nietzsche) neu erfahren, dass wir die ‚Insecuritas humana‘ zum archimedischen Punkt unserer Freiheit, zum Spielraum unseres selbstbestimmten Handelns erklären, dass wir uns, gleichsam im erzwungenen Wartestand, als ‚Wesen mit unendlichen Möglichkeiten‘ entwerfen, verdammt dazu, sich im Spannungsfeld von ‚Ungewissheit und Wagnis‘ beständig auf den Weg zu machen, uns als ‚Sucherwesen auf gefährlicher Wanderschaft‘ zu verstehen, um es mit dem christlichen Existenzphilosophen Peter Wust zu sagen.“
Kleine CP-Sprachkritik: Der Punkt nach „einüben“ und vor „Sondern“ hätte leicht durch ein Komma ersetzt werden können, der flüssigeren Lesbarkeit wegen. Autor Dieter Schnaas, Textchef der „Wiwo“, fügte übrigens noch an: „Wust standen diese herrlich wuchtigen Sätze im Jahr 1937 noch zur Verfügung – Sätze, die uns Pathosfernen heute nicht mehr leicht über die Lippen kommen wollen.“ Natürlich nicht.
Es kommentiert der große amerikanische Alltagsphilosoph Donald Duck: „Uff, ächz, seufz.“
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Telegramm
Heute in einer anderen Welt wäre ich in Düsseldorf bei der Jury-Sitzung des renommierten Grimme-Online-Awards. Stattdessen sitze ich heute und morgen im Homeoffice und bin mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Jury per Videokonferenz verbunden. Gestern hätte in dieser anderen Welt übrigens auf dem Gelände der Domäne Dahlem die „Berliner Bratwurstmeisterschaft“ stattgefunden – aber das war mir ohnehin, nun ja – Sie wissen schon.
Die Polizeibilanz des Corona-Wochenendes: „Wir ermitteln gegen mehr als 170 Personen nach Straftaten und mehr als 40 Personen nach Ordnungswidrigkeiten aus der Covid19-Verordnung.“ Festnahmen zur Personalfeststellung gab es u.a. bei der „Hygiene“-Demo – hier stellte Angelika Barbe (ex-SPD-MdB und Bundesvorstandsmitglied, heute CDU) „als Biologin“ fest: „Den gibt’s gar nicht“ (Corona als „tödlichen Virus“). Außerdem wurden mehrere unangemeldete „Fahrraddemos“ und eine „Ladies Night“ in Spandau aufgelöst.
Berlins Corona-Bilanz (Mitte März bis Mitte April, Vorjahresvergleich): 54% weniger Autoverkehr, 10 % weniger Strom verbraucht, 5,4% weniger Verbrechen; 20 % mehr Wein verkauft, 55% mehr Vibratoren verkauft, 55% mehr Videotelefonie und 330% mehr Anmeldungen bei Lieferdiensten (Q: Bewegungsdaten von Google, „Berlin, wie haste dir verändert“ von Sidney Gennies im Tagesspiegel).
„Räuber entkam mit BVG-Bus“ ist auch eine Meldung, die zeigt, was heute plötzlich alles möglich ist: Vor Corona wäre eine solche Flucht nach hundert Metern an einem Falschparker oder im Stau gescheitert.
Falls es bei Ihnen piept: Es geht wieder los! Berlin ist Deutschlands größtes Brutgebiet für Nachtigallen – aber wer sich an der Natur stört, kann ja aufs Land ziehen.
Auch die Füchse fühlen sich immer wohler in Berlin – so wie die kleine Familie mit acht Welpen, die der rbb auf einem verwaisten Sportplatz in Prenzlauer Berg beim Wochenendspaziergang getroffen hat (Video 0:59 min hier).
Apropos tierisches Berlin: Am Dienstag öffnen Zoo und Tierpark wieder – Tickets und Time-Slots gibt’s nur online, und Achtung: An die Pandas lässt Direktor Knieriem Sie nicht ran.
Bankenkrise in Charlottenburg: Am Schloss und rund um den Lietzensee wurden die Sitzgelegenheiten abgebaut. Das Motto hier: Hinlegen statt Anlegen.
„Das Ding wird abgerissen und neu gebaut“, hatte Lufthansa-Vorstand Thorsten Dirks vor zwei Jahren über den BER orakelt. Jetzt steht der Flughafen vor der Eröffnung – und die Lufthansa ist selbst reif für den Abriss: Ohne staatliche Zuschüsse kann die Fluggesellschaft nicht überleben, mit bis zu zehn Milliarden Euro soll der Staat einspringen. Soviel hat nicht mal der BER gekostet…
… und deshalb gilt: Ganz ohne Gegenleistung sollten wir der Kranichtruppe nicht unsere Kohle in den Ofen stopfen. Nach jahrzehntelanger Kumpanei zwischen CSU-Verkehrsministern und Lufthansa zugunsten der Flughäfen München und Frankfurt braucht es jetzt ein klares Bekenntnis zum BER und zu Berlin – zehn neue Langstrecken wären das Mindeste (am besten notariell beurkundet).
Hinweis: Die aktuelle Amtsblatt-Ausschreibung 3481/42201/005 der Stelle „Gruppenleitung für schwierige Fälle“ bezieht sich nicht auf die Neubesetzung des Postens „Regierender Bürgermeister von Berlin“, vulgo „Senatschef“. Es geht um Ordnungsaufgaben in Lichtenberg, Anforderung (u.a.): „Belastbarkeit“.
Reinickendorf sucht „Standesbeamte in Allzuständigkeit“ – aber keine falschen Hoffnungen bitte: An die Ringe werden Sie auch künftig selber denken müssen.
Klaus Lipinsky war ein echter, ein großer Berliner: Rübezahl-Grundschule und Ranke-Gymnasium in Wedding, Studium an der TU, Referatsleiter in der Wissenschaftsverwaltung, gleich nach der Wende für acht Jahre U-Bahndirektor, dann zwölf Jahre Chef der Bäderbetriebe, zuletzt Geschäftsführer seiner eigenen Firma. Gestern meldete das Netzwerk „Außergewöhnlich Berlin“, dass Lipinsky gestorben ist.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Es gibt Außerirdische! Aber wie finden wir sie?“
Eine Meldung aus der „B.Z.“ von heute – kleiner Tipp: Vielleicht mal in Außerirdistan suchen.
Tweet des Tages
Je länger das Ganze dauert, desto weniger will ich aus dem Haus.
Stadtleben
Die Welt auf einem Teller – Syrisches Streetfood direkt an die Haustür gibt’s beim Lieferdienst „Refueat“ (Motto: „We speak food“). Mit vier Foodbikes bringt das Jungunternehmen Halloumi, Labneh und Hummus nach ganz Berlin, verrät mein Kollege Gerd Nowakowski in seinem aktuellen Ehrensache-Newsletter. „Refueat“ ist ein Ort, an dem sich Geflüchtete und Deutsche begegnen sollen – 2015 mussten die Gründer selbst aus Syrien fliehen. Seitdem verköstigen sie hunderte Hungrige auf Partys und Events (normalerweise), seit März steht auch der Online-Shop. Unser Favorit derzeit: Die Home-Office-Nervennahrung mit Datteln, Baba Ghanoush und Weinblättern (13,50 Euro). Geliefert wird täglich von 9-22 Uhr, zur Bestellung geht’s hier.
Doch lieber Thai? Ab sofort stellen unsere Genuss-Experten ihre Lieblingslieferdienste im Kiez vor: Los geht’s mit feurigem Curry aus Mitte.
Breakdance gegen Virus-Blues – Die Spielplätze dicht, doch die Kleinen quirlig? Statt sandigen Schuhen und quietschenden Schaukeln gibt’s bei den Flying Steps Hip-Hop und Afro – im Wohnzimmer. In schweißtreibenden Videos lernen Tanznovizen spielend einfache Choreos, die dabei noch richtig gut aussehen: auch ohne Erfahrung (selbst erprobt!). Täglich um fünf gibt es neue Tutorials, alle Choreos finden Sie hier. Heute lieber im Bett? Die Moves der Profis sind hier zu bestaunen – bequem von den heimischen Federn aus.
Kiezhelfer werden und Cupcakes verputzen – Bis März ragten Paul Scharfs handgemachte Törtchen dem prunkvollen Kronleuchter seines Cafés entgegen. Seit dem Shutdown bleiben Brownies, Mousse und Vintage-Dekor jedoch hinter den hohen Fenstern verschlossen. Das sonst florierende „Kastanientörtchen“ ist dicht – auf unbestimmte Zeit. Gerade erst lief der Laden richtig an, das Café wollte sich vergrößern: „Doch dann kam Corona“, sagt Scharf (Foto). Ein To-go-Geschäft lohne sich nicht, und selbst wenn: Er und seine Hauptarbeitskraft haben Kinder – ohne Anspruch auf Betreuung. Im Juni sollte der Mietvertrag des Cafés verlängert werden: „Eigentlich hätten wir unsere Fläche verdreifacht, großen Umbau gemacht, wir wären ein riesiger Laden auf der Kastanienallee gewesen.“ Jetzt lässt Scharf den Vertrag auslaufen. „Dann gibt’s uns erstmal nicht mehr.“ Das Café legt eine Pause ein, Scharf will abwarten, bis sich die Lage verbessert. Voreilige Lockerungen der Einschränkungen, gar die reguläre Öffnung der Cafés, hielte er für inkonsequent: „Das würde mich richtig sauer machen.“ Nach Corona will Scharf die Suche nach neuen Räumen beginnen und so bald wie möglich wieder Törtchen stapeln. „Es macht doch mehr Sinn, jetzt den Laden zu schließen“, sagt er. „Und dann, wenn die Welt sich wieder halbwegs normal dreht, dann öffnen wir das Kastanientörtchen neu.“
Für alle, die unterstützen möchten: Gutscheine für das Kastanientörtchen – und andere Kiezläden – finden Sie auf unserer Tagesspiegel-Kiezhelfer-Seite. Die Voucher sind natürlich auch nach der Neueröffnung gültig.
Ihr Laden braucht Hilfe? Schreiben Sie uns an checkpoint@tagesspiegel.de.
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Berlins heimliche HeldInnen
Während andere ihre Samstagabende auf der Couch verbringen, steht der Medizinstudent Sascha Heidrich in der Notunterkunft für Obdachlose am Containerbahnhof hinter dem Ring-Center an der Frankfurter Allee. Als Ehrenamtlicher des Ambulanzteams der Berliner Stadtmission sichert er dort derzeit zwei bis drei Mal pro Woche die medizinische Versorgung für Obdachlose. „Uns sind durch die Pandemie viele Ehrenamtliche weggebrochen, entweder weil sie zur Risikogruppe gehören, selbst in Quarantäne sind oder in ihren Krankenhäusern gebraucht werden“, erzählt der 26-Jährige. Schon vor der Pandemie war er regelmäßig für die Stadtmission im Einsatz, in den letzten Wochen hat er seinen Einsatz erhöht. „Ich habe gerade genug Zeit, weil ich mir ein Freisemester für meine Doktorarbeit genommen haben“, erklärt er. Sein Ehrenamt hilft ihm, den praktischen Nutzen seines Studiums nicht aus den Augen zu verlieren. „Außerdem kann ich so Menschen unterstützen, ihr Recht auf Gesundheit durchzusetzen“. Das Ambulanzteam bietet drei Tage pro Woche eine medizinische Sprechstunde in der Unterkunft an. Außerdem helfen sie im Umgang mit Arztbriefen und leisten im Ernstfall Erste Hilfe. Der Umgang mit Corona-Verdachtsfällen sei derzeit nicht einfach. Tests vor Ort gebe es nicht, der Kassenärztliche Notdienst stehe nur Versicherten zur Verfügung und Obdachlose haben keinen Ort für Quarantäne. Sascha Heidrich hatte bereits mit Patienten zu tun, die Angst davor hatten, sich mit dem Virus infiziert zu haben. „Die haben mich um Mundschutzmasken gebeten, da waren auch Leute aus der Risikogruppe dabei.“ Dazu zählen laut Heidrich viele der Menschen ohne Obdach, einige hatten bereits Tuberkulose, sind alt, schlafen wenig, rauchen oder haben Asthma. „Außerdem ist es eine schwierige Situation, weil sie auf der Straße kaum noch Geld einnehmen und als Infektionsquelle wahrgenommen werden.“ Derzeit ist er froh, dass es noch zu keinem Corona-Ausbruch in einer Massenunterkunft gekommen ist. (Text: Nina Dworschak/ Foto: Berliner Stadtmission/Breuer).
Berlin heute
Berlin vor 75 Jahren – 27. April 1945 (Tag 7 der Schlacht um Berlin): „Seit 4 Uhr größtes Kampfgelärm um uns. Die Russen sind überall vorwärtsgekommen. Sie sind oben in der Delbrückstraße, also 500 m von hier, vorn nach Halensee zu wird gekämpft und besonders schon in Wilmersdorf, sodass sie in Kürze auf dem Kurfürstendamm sein werden. Dort nehmen sie die Panzersperren von der Seite, die für den Alten Fritzen gebaut sind. – Ja, was würde wohl der Alte Fritz dazu sagen? – Es ist nun ganz klar, dass die Russen am 1. Mai ihre große Siegesparade in Berlin aus feiern können. Stalin spricht dann vom Balkon der Reichskanzlei... Verflucht – kracht das hier um unser Haus. Wir sind hier so richtig eingekesselt. – Mein Bruder Gerhard ist in Wilmersdorf beim Kraftfahrpark. Dort toben schwere Kämpfe. Ich sende ein stilles Gebet zum Himmel für ihn, dass er gut aus diesem Wahnsinn herauskommt. – Ja, so kämpft Herr Hitler bis zum letzten Deutschen. (…)“
An dieser Stelle lesen Sie bis zum 75. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai Auszüge aus den Tagebüchern des Berliner Verlegers Curt Cowall.
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – André Förster (47), Verleger in Berlin-Pankow / Hans-Joachim Gerke (69), „Tollster Bruder Nr. 1“ / Miguel Góngora (18), Berliner Landesschülersprecher / Max Koch (39), Architekt in Berlin, „Maxolino, Maxoletto, mein allerfeinster Mäxwell ... einem wunderbaren Sohn mit vielen feinen Namen gratuliert mit großer Freude sein Mütterchen ;-)“ / Stefan Komoß (56), ehem. Kreisvorsitzender der SPD in Marzahn-Hellersdorf / Kerstin Konnopka (42), „Alles Gute von Deiner Ma und Achim (Wir gratulieren auch zum ganz besonderen Geburtstagsgeschenk!)“ / Mehmet Kurtuluş (48), Schauspieler / Thomas Nehls, „Alles Liebe von der Nachbarin über den Platz.“ / Lars Oberg (41), bis 2016 für die SPD im Abgeordnetenhaus/ „Liebe Oma, alles Liebe zu Deinem Geburtstag und bleib so wie Du bist! Nächstes Jahr feiern wir groß! Deine 4 Enkel Rubi, Pandi, Malvi und Toto“ / Klaus Vogelgesang (75), Maler / Nachträglich: Ruth Recknagel (90), Richterin am Kammergericht im Ruhestand und Gründungsstudentin der Freien Universität, „Die Ernst-Reuter-Gesellschaft gratuliert sehr herzlich zum 90. Geburtstag“ / Pia Sachs (13)
Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Gestorben – Norbert Blüm, * 21. Juli 1935, ehem. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und Bundestagsabgeordneter der CDU / Manfred Christian, * 24. April 1930, Bezirksstadtrat und stellv. Bezirksbürgermeister a.D. / Christa Kastner, * 07.10.1934 / Detlef Werner Krause, * 27. September 1946 / Barbara Loer, * 16. Dezember 1941 / Detlev Preuß, * 11. September 1949
Stolperstein – Johanna Schwarz (Jhg. 1897) zog 1928 mit ihrem Mann Josef Seché und ihrem Sohn René in die Konstanzer Straße 4 in Wilmersdorf. Unter dem Druck des Antisemitismus musste sich das Paar jedoch wenige Jahre später trennen. 1936 gelang es Schwarz, ihren Sohn in Kroatien in Sicherheit zu bringen – Sie selbst bemühte sich vergeblich um eine Ausreise in die USA. 1942 wurde Schwarz zunächst in das Konzentrationslager Ravensbrück und später in die Tötungsanstalt Bernburg/Saale verschleppt, wo sie heute vor 78 Jahren ermordet wurde. Ihr Sohn konnte vor den Nationalsozialisten fliehen und überlebte die Shoah.
Encore
Vergangene Woche hatten wir hier wehmütig an unsere Bewerbung als Inselblogger auf Norderney erinnert – jetzt schickten alle sieben ostfriesischen Inseln einen Corona-Hilferuf an die Politik, per Facebook-Video mit Bildern von menschleeren Stränden und Promenaden (hier zu sehen). Heute ist übrigens passender Weise „Morse-Tag“ – unser Beitrag zur Insel-Rettungs-Meldung deshalb hier mal stilecht als Versprechen mit Punkt und Strich:
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… und das gilt auch für diesen schönen Platz hier, den morgen früh für Sie Ann-Kathrin Hipp bezieht. Bis dahin,
Ihr Lorenz MaroldtLesen Sie gerne den Tagesspiegel Checkpoint?
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