Überwiegend sonnig bei hitzigen 32°C

Berliner Sommer ist so trocken wie noch nieBerlins Einkaufszentren wollen Strom sparen – wenn sie geschlossen sindDiggah, jetzt wird’s wyld: Die zehn Jugendwörter des Jahres

erst mal eine Erfrischung – mit Wasser aus Brasilien. Unser Leser Johannes Schönherr schreibt zu seinem Urlaubsbild: „Auch im Urwald ist der Checkpoint täglich präsent.“ So flüssig war Berlin schon lange nicht mehr.

Foto Johannes Schönherr (Brasilien)

Beach, Berge oder Balkonien – nehmen Sie uns mit! An dieser Stelle zeigen wir während der Sommerferien, wo Sie gerade den Checkpoint lesen. Schicken Sie uns ein Foto mit einem Satz zum Urlaubsort an checkpoint@tagesspiegel.de.

Und damit willkommen in einer überhitzten Stadt voller erhitzter Debatten um Wärme und Kälte, auch soziale. Die Gasumlage, welche die von Russlands Angriffskrieg ausgelöste und von Deutschlands fataler Osteuropa-Politik begünstigte Energiekrise abmildern soll, wird eine vierköpfige Familie wohl mehr als 500 Euro kosten – erhöhte Energiekosten sind noch nicht inbegriffen (Hintergründe hier). Wie also spart man Energie, fragt sich nicht nur unser Leser Dr. Marder. Seine Sparaufgabe der Woche lautet: „Wir wohnen in einer Wohnanlage. Warmwasser kommt aus der Ferne. Ist es da besser, kleine Wassermengen mit den Schnellkocher zu erhitzen anstatt das Wasser 10 bis 20 Sekunden laufen zu lassen, bis heißes Wasser kommt?“ Was denken Sie? Wir werden auf jeden Fall Expertinnen und Experten fragen. Antworten für ein besseres Morgen gibt’s hier morgen.

Ich war gerade im Urlaub auf Menorca, wo eine ähnliche Hitze herrscht und bei laufenden Ventilatoren heiß übers Energiesparen debattiert wird. Nach einem Dekret der spanischen Regierung dürfen ab jetzt Klimaanlagen in Geschäften und Einkaufszentren nicht kühler als 27 Grad eingestellt werden, die Heizung im Winter nicht wärmer als 19 Grad. Eine nächtliche Beleuchtung geschlossener Läden ist untersagt. Der Berliner Senat will heute beschließen, die Soll-Temperatur zumindest in Büros öffentlicher Gebäude und Landesunternehmen auf 20 Grad zu reduzieren, in Fluren sollen künftig 16 Grad ausreichen (Hintergründe hier). Die Stadt macht sich winterfest.

Eine Checkpoint-Umfrage unter Berlins großen Einkaufszentren ergab dagegen vor allem Ratlosigkeit, ausgedrückt in beredtem Schweigen. Allein die Schönhauser Allee Arcaden ersparten uns keine Antwort auf unsere Einspar-Anfrage. Die Düsseldorfer Zentrale des Immobilienkonzerns Unibail-Rodamco-Westfield schickte erste Sparregeln bei ihren Centern – bei manchen fragt man sich allerdings, warum es dafür erst einer Energiekrise bedurfte:

+++ Die allgemeine Beleuchtung in den Centern wird reduziert, insbesondere während der Schließzeiten.

+++ Außenbeleuchtung und Außenwerbeanlagen werden im Sommer ausgeschaltet; ab Herbst nur noch verkürzt eingeschaltet.

+++ In Abhängigkeit von der Außentemperatur werden Lüftung, Heizung und Kühlung manuell geregelt.

+++ Absenkung der Solltemperatur im Winter.

+++ Spätestens 20 Minuten nach Ladenschluss werden die Rolltreppen außer Betrieb genommen.

Alle Räder stehen still, wenn Dein Center es mal will.

Und gestern Abend ein kurzer Segen: längerer Regen. Ungeachtet dessen war noch kein Berliner Sommer so trocken seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 114 Jahren (Hintergründe hier). Bäume werfen Äste ab, um zu überleben, die Parks haben sich in Steppen verwandelt, in den Gärten fällt schon das Herbstlaub. Immerhin hier fangen die Berlinerinnen und Berliner an zu sparen. Statt in der prallen Sonne den Rasen zu sprengen (sollte bei der Dürre sowieso niemand versuchen), haben sich viele Bewässerungsanlagen zugelegt, mit denen sie nachts ihre Pflanzen betröpfeln. Und auch sonst spart die Stadt Wasser ein, wie die Wasserbetriebe herausgefunden haben (Hintergründe hier). Neue Hoffnung, tröpchenweise.

Wir kommen zu den wichtigsten Personalien der Berliner Gegenwart:

+++ Affäre ohne Ende: Der RBB-Rundfunkrat hat Patricia Schlesinger als Intendantin fristlos abberufen. Der Verwaltungsrat muss nun die Vertragsauflösung der wegen zahlreicher Vorwürfe zurückgetretenen ARD-Vorsitzenden vollziehen. Der Schaden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach der Affäre um Geldverschwendung und mögliche Vetternwirtschaft wird länger anhalten als dieses Verfahren.

+++ Schrecken mit Ende: Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel ist sein Amt wohl los. Am späten Montagabend sprach sich sogar seine örtliche Grünen-Fraktion mehrheitlich für einen Rücktritt aus. Sollte von Dassel dem nicht freiwillig nachkommen, will die Fraktion ein Abwahlverfahren einleiten. Von Dassel war wegen seiner möglichen persönlichen Einflussnahme auf ein Stellenbesetzungsverfahren im Bezirksamt stark unter Druck geraten; am Montag bat er die Senatskanzlei um die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst. Das Ende steht für viele längst fest.

+++ Was nach dem Ende bleiben wird: Der russische Maler Dmitri Wrubel liegt nach einer Corona-Erkrankung im Sterben. Nach dem Mauerfall sprühte der Künstler das Graffito „Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben“ an die Berliner Mauer. Das inzwischen weltberühmte Bild der East Side Gallery zeigt einen Bruderkuss zwischen dem damaligen Sowjetchef Leonid Breschnew und DDR-Staatschef Erich Honecker. Es bleibt ein Mahnmal an die inszenierte Harmlosigkeit brutaler Diktatoren – und damit weiter aktuell.

So, Diggah, jetzt wird’s wyld. Wenn Bre mit dem Macher smasht, ist das schon sus. Aber wie slay er tut, voll Gommemode, das ist bodenlos. Oder doch: SIUUUU!

Ach ja, abstimmen über das neue Jugendwort des Jahres können Sie hiercringe Dir was!

Telegramm

Fast ein halbes Jahr hält die demokratische Ukraine der Militärinvasion Russlands stand. Hier die wichtigsten Neuigkeiten aus dem Krieg inmitten von Europa:

+++ Prorussische Separatisten in der Ostukraine haben am Montag fünf Europäer vor Gericht gestellt. Ihnen könnte die Todesstrafe drohen.

+++ Russland verweigert offenbar Inspektion des AKWs in Saporischschja von Kiew aus.

+++ Russland drängt britisches Flugzeug aus Luftraum.

+++ Lettland liefert vier Militärhubschrauber an die Ukraine.

Alle aktuellen Ereignisse können Sie in unserem Live-Blog (hier) und auf unserer Live-Karte (hier) verfolgen. Spenden für die Ukraine in Not können Sie weiterhin hier.

Sie sind die letzten ihrer Art – halbwegs freie Journalistinnen und Journalisten, die trotz Gängelung und Gewalt sowie der geschlossenen unabhängigen Medien in Russland geblieben sind und nun auf Youtube-Kanälen aus ihrem Land berichten, das sich selbst isoliert (Reportage hier). Menschen wie Wassilij Polonskij sind nicht still bleiben wollende Helden in einem verarmenden Reich, dessen Zukunft für ihn so aussieht: „Zweifellos wird diese neue Sowjetunion wie die alte zusammenbrechen. Ob und wohin wir alle aus ihren Trümmern hervorkriechen werden, ist aber völlig unklar.“

Er ist wohl einer der integersten Gewerkschafter in Berlin – und war es schon in der DDR. Die Staatspartei SED wollte Dieter Haase als Schulpersonalrat absetzen, weil er Kinder keinen Wehrunterricht geben wollte. Inzwischen kennt kaum jemand die personelle Lage der Berliner Schulen besser als er. Nun geht der langjährige Vize des Gesamtpersonalrats in den Ruhestand und sagt im Abschiedsinterview: „Die Bildungssituation hat einen katastrophalen Tiefpunkt erreicht.“ Berlin muss noch viele Jahre nachsitzen.

Irgendwann musste das kommen: Computer ersetzen Chefinnen und Chefs. In manchen Kreuzberger Start-ups entscheidet bereits der Algorithmus über die Strategie von Firmen. Wichtig dafür, so zeigt eine Reportage unserer Redaktion „Berliner Wirtschaft“ (E-Paper hier), sind Technikgläubigkeit und Fortschrittsoptimismus bei Mitarbeitenden wie Heinrich Tessendorf: „Ich bin 31 und möchte mich auch mit 41 oder 51 noch wie 31 fühlen.“ Kreuzberger Träume sind lang.

Und ein paar gute Nachrichten haben wir natürlich wieder noch:

Die Feuerwehr hat gestern Abend 350 Menschen aus drei S-Bahnen befreit. Der erste Zug war zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof liegengeblieben und hatte den Einsatz ausgelöst. Notruf Bahnsteigkante.

Die Faxen nicht mehr dicke hat das Straßen- und Grünflächenamt Tempelhof-Schöneberg. Wegen eines durch einen Verkehrsunfall zerstörten Verteilerkastens war das Amt vergangene Woche komplett offline, also ohne Telefon, Mail und sogar Fax. Nun läuft alles wieder, drüben in Post-Berlin.

Das immerhin können wir: eine Welle machen. Schon mehr als 1700 Kinder haben die Ferienkurse der Schwimmvereine besucht. Dabei legten 447 das Seepferdchen, 622 das Bronze- und 217 das Silber-Abzeichen ab. Nicht nur Landessportbund-Chef Thomas Härtel weiß: „Schwimmen lernen ist lebenswichtig.“ Nur rettet sich, wer’s kann.

Ach ja, auch das noch: Die Berliner SPD ist gegen ein Recht auf Rausch, wie es die Grünen fordern. Passend dazu präsentiere ich hier ein in der Pandemie entdecktes Lieblingsgetränk, das auch diesen Checkpoint begleitet hat: ein kaltes, alkoholfreies „Corona Zero“. Mixed by incidence.

Behördle #27

Zitat

„Im Anfang war der Wald, und der Wald wurde Kohle, und die Kohle schmolz Erz zu Eisen und Stahl, und der Wohnsitz der Herren von Eisen und Stahl war wieder tief im Wald, der am Anfang war.“

Erik Reger, Schriftsteller und Journalist, 1931 in seinem fulminant-sachlichen Industrieroman „Union der festen Hand“. Reger war 1945 Gründer des Tagesspiegel als erste freie Zeitung Berlins nach dem Krieg. Sein wichtigstes Buch wird heute neu veröffentlicht (mehr dazu hier). Ein Twitter-Account hält Regers Stimme am Leben (hier) – und zeigt Zitate aus dem Buch unter dem Hashtag #UnionDerFestenHand.

 

Stadtleben

Essen & Trinken  In der ehemaligen Kantine Kohlmann bringt neuerdings das Kante Bar und Restaurant in Einklang. In Anlehnung an die vielen Kanten an den Tischen und an der Bar wurde die Lokalität auf ihren Namen getauft. Die kleine überschaubare Karte listet internationale Klassiker aus regionalen Zutaten, sowie anspruchsvolle eigen kreierte Signature-Drinks. Teilhaber Wilson Ochsenknecht empfiehlt die Burrata aus Brandenburg, die Aubergine oder den Caesar Salad. So-Do 18-3 Uhr, Fr/Sa 18-4 Uhr, Abendessen 18-23 Uhr, Skalitzer Straße 64, Kreuzberg, U-Bhf Schlesisches Tor

Das ganze Stadtleben gibt’s mit dem Tagesspiegel-Plus-Abo.

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – „Liebe Birgit (Bi), alles Liebe und Gute zu Deinem 70. Geburtstag, einen wunderschönen Tag heute in fröhlicher Runde mit Max und weiteren lieben Menschen wünschen Dir Gudrun und Werner!“ / Leslie Clio (36), Sängerin / Andreas Dresen (59), Filmregisseur / Melanie Kühnemann-Grunow (50), für die SPD im AGH / Lucy Reuß (25), Shooting Guard bei ALBA Berlin / Moritz Rinke (55), Dramatiker und Romanautor / Karin Schubert (78), Juristin und SPD-Politikerin / Wolfgang Tillmans (54), Fotograf und Künstler

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Dr. Lothar Brandt, * 27. Januar 1942 / Walter-Michael Haseney, * 25. März 1943 / Ewa Kiedrowski-Walaszewski, verstorben am 8. August 2022 / Dr. Hans-Joachim Koubenec, * 22. Januar 1943 / Helmut Link, * 10. Februar 1918 / Karl Marquardt, * 20. Dezember 1925 / Brunhild Petukat, * 2. August 1935, Krankenschwester, verstorben am 9. August 2022 / Dr. Hans-Jürgen Schönherr, * 16. Oktober 1936 / Dr. Siegfried Suckut, * 10. April 1945

Stolperstein – Martha Weinberg (geb. Littmann, 1875) wuchs mit sechs Geschwistern in der Stadt Neumark (Nowe Miasto Lubawskie) auf. Um die Jahrhundertwende heiratete sie den aus Jakobsdorf (heute Jakubowo Lniano) stammenden Textileinzelhändler Lesser Weinberg und bekam zwei Kinder. 1933 zogen Martha und Lesser in der Wohnung ihrer mittlerweile erwachsenen Kinder am Planufer 26 in ein Zimmer zur Untermiete. Im Spätsommer 1942 deportierten die Nationalsozialisten das Ehepaar mit dem „66. Alterstransport“ aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt. Wenige Wochen nach der Ankunft starb Lesser mutmaßlich an einem „Hirnschlag“. Etwa zwei Jahre später – heute vor 78 Jahren – wurde Martha ermordet. Auf der Johanniterstraße 3 in Kreuzberg erinnert ein Stolperstein an sie.

Encore

An dieser Stelle gibt’s in den Sommerferien jeden Tag einen Neun-Euro-Ticket-Tipp für Kurzentschlossene. Alles, was Sie tun müssen, ist: den Checkpoint lesen, um 9 Uhr am Hauptbahnhof stehen und losfahren. Heute geht es nach M... Zum Probe-Abo hier entlang.

Noch bleiben 14 Tage, bis das Bahnticket wieder zum Bankrott führt. Daher: Auf zum Gleis! Letzte 9-Euro-Tipps hat auch Kollegin Dorothee Nolte im Unterwegs-Newsletter für Sie gesammelt (Anmeldung hier). Außerdem suchen wir Ihre schönsten Neun-Euro-Ticket-Erlebnisse – egal, wie weit Sie gefahren sind. Geschichten und Fotos bitte an lotte.buschenhagen@tagesspiegel.de.

Und damit düsen wir von Strausberg, wo ich mir als Pionier einst die DDR-Volksarmee ansehen musste, die angeblich den Frieden verteidigte, zurück ins Herz der Stadt der Freiheit. Viel Herz gezeigt haben heute hier Thomas Lippold (Recherche), Sophie Rosenfeld (Stadtleben) und Cristina Marina (Produktion). Morgen begrüßen Sie hier Ann-Kathrin Hipp und Lotte Buschenhagen. Ich grüße Sie!

Ihr Robert Ide

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