Was kostet die Welt, wie wir sie kannten? Das ist nun ziemlich genau zu beziffern: zwischen 10 Euro und 25.000. Auf den Corona-Maßnahmen klebt nun ein Preisschild, der Bußgeldkatalog ist beschlossen, nachdem Rot-Rot-Grün die ganze Woche... sagen wir mal angeregt diskutiert hatte (die Wortwahl schwankt je nachdem, wen man fragt, zwischen „ein heftiger Streit“ und „Wir sind uns einig“). Für die nächsten drei Wochenenden (inkl. Ostern) und die dazwischenliegenden Wochen gelten nicht nur weiterhin die Regeln der „Kontaktbeschränkung“, die Konsequenzen sind nun für jeden offen nachlesbar (z.B. hier im Detail): +++ Rausgehen ohne Grund: 10-100 Euro +++ Zu viel Nähe (unter 1,50 Meter): 50 bis 500 Euro +++ Teilnahme an einer Veranstaltung: 50 bis 500 Euro +++ Durchführen einer Veranstaltung oder Versammlung: 500-2500 Euro +++ Gruppenbildung (nicht Familie): 25 bis 250 Euro +++ Touristen beherbergen: 1000 bis 10.000 +++ Warteschlangen ohne Sicherheitsabstand: 100-2500 Euro +++ Öffnen von Geschäften, Restaurants, Fitnessstudios... 1000-10.000 Euro (bei Wiederholung bis zu 25 000 Euro) +++ ...
Die Liste ist lang und das ist auch gut so. Denn was ist eine Verordnung wert, wenn nicht mehr als böse Blicke, weisende Worte, ermahnende Erinnerungen daraus folgen? Wer weiß, wie lange dieser Stillstand noch dauert, dauern muss? Wird die Disziplin nicht automatisch abnehmen mit steigenden Temperaturen auf der einen und Dauer der Maßnahmen auf der anderen Achse (übrigens: verlängert bis 19. April)?
Und dennoch haben sich die Koalitionäre bemüht, den verständlichen Bedürfnissen der Großstädter gerecht zu werden. Die Parks bleiben geöffnet – wenn es voll wird, kann allerdings der Zugang beschränkt werden. Und Innensenator Geisel, von dem bislang sehr wenig zu hören war, sitzt mit Regiermeister Müller (beide SPD) gedanklich auf derselben Picknickdecke: Wenn ein Abstand von 1,5 Metern (Bank) bzw. fünf Metern (Wiese) eingehalten wird und keiner grillt (oder sonst was anbrennen lässt), ist das Rumlümmeln in der Sonne erlaubt – allerdings nur zur Erholung von Spaziergang oder Sport. Der Weg ist das Ziel, nicht der Park.
Geisel stellte aber auch klar: „Man kann nicht alles bis ins letzte Detail regeln. Die Polizei arbeitet mit Augenmaß und ist nicht primär unterwegs, um zu bestrafen, sondern um aufzuklären und Gefahren abzuwenden. Und wenn zwei Personen kurz auf einer Bank sitzen und der Abstand eingehalten wird, ist das nicht das größte Problem.“ (Q: Mopo)
Das größte Problem ist: Wenn wir jetzt nachlassen, war womöglich alles vergeblich, Wetter hin oder her. Auch bei allem vorsichtigen Optimismus bei der Zahl der Intensivbetten und flacheren Kurve: Niemand sieht derzeit einen Grund, die Maßnahmen zu lockern. Deswegen gilt weiterhin: Zuhause bleiben ist kostenlos. (Netflix und Spotify nicht inklusive).
Gestritten wurde gestern andernorts (dazu gleich mehr), im Senat zeigte man sich versöhnlich: Die Linke hätte gern noch verhandelt, dass man keine Gründe für den Aufenthalt auf der Straße mehr nennen muss, doch diese Regelung bleibt. Dafür wurde die Ausweispflicht wieder gestrichen, was vor allem den Grünen wichtig war. Und der Innensenator Andreas Geisel freute sich, dass die Regelungen eher konkretisiert als aufgeweicht wurden, um der Polizei die Arbeit nicht noch zu erschweren.
Seit Mitte März hat die fast 2000 Objekte überprüft, mehr als 1400 im Freien und dabei etwa 900 Verstöße festgestellt. Auch ohne Bußgeldkatalog galt bereits: Die Verstöße nehmen täglich ab.
Apropos Polizei: Wenn Ihnen die Polizisten ein wenig leid tun, die Ihnen nun Dinge verbieten müssen, die bis vorgestern noch ganz selbstverständliche waren, bringen Sie ihnen einen Keks vorbei (dürfen Sie eh nicht draußen essen!). In einer internen Anordnung für Polizeidienstkräfte hieß es gestern: „In der aktuellen COVID-19 Einsatzsituation bestehen keine Bedenken gegen die Annahme von angebotenen Verköstigungen (Kaffee, Softgetränke, Energieriegel, Essen – natürlich to go!).
Nach anfänglichem Chaos bewährt sich Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) derzeit als Krisenmanagerin. Nicht nur, dass es ihr gelungen ist, nach Cheforganisator Albrecht Broemme den zweiten Rentner für ihr Notkrankenhaus in der Messehalle 26 zu reaktivieren (offizieller Name: „Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße): Wulf Pankow, 67 Jahre alt, war zuletzt Chefarzt der Pneumologie im Vivantes-Klinikum Neukölln (Ärztekammerpräsident Günther Jonitz nennt ihn: „ein hochverdientes Mitglied“). Es breitet sich auch vorsichtiger Optimismus aus, dass die Rechnung aufgehen könnte: „Die Infektionsgeschwindigkeit verläuft so, dass die medizinischen Einrichtungen Schritt halten können“, sagte Michael Müller (SPD) im Abgeordnetenhause. „Wir sind aber noch längst nicht über den Berg.“ Die Deutsche Bank hat 100.000 OP-Masken im Keller gefunden (einst für Sars angeschafft) und spendet sie ans Land. Und 600 Mediziner haben sich für den Einsatz gegen Corona gemeldet: Ärzte im Ruhestand, in Teilzeit, in Weiterbildung, aus dem Studium, aus geschlossenen Praxen. Was fehlt ist weiterhin: Pflegepersonal.
Während Müller und Kalayci derzeit eher zur Beruhigung der Lage beitragen, hat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) in dieser Woche gleich zweimal unnötig Verwirrung verursacht. Im neuen Videopodcast des Regierenden Bürgermeisters lobte Behrendt (im Geschichtenonkelsound mit Kleinstreifenschal, CP von gestern) am Mittwoch die neue Kooperation zwischen dem ihm unterstellten Landeslabor und Bayer, durch die täglich 1000 zusätzliche Coronavirus-Tests durchgeführt werden könnten. Ein Viertel höher als in der letzten Woche sei damit die Testkapazität. Kurz mal nachgerechnet, kann das stimmen? Nachfrage bei der Gesundheitsverwaltung: Auch am Mittwoch war Berlin bereits in der Lage 8150 Tests durchzuführen. Nachfrage bei Behrendts Sprechers: „Gerade jetzt gibt es Momente, in denen nicht jede Zahl aktuell parat ist, insbesondere in freier Rede.“ Da sagen wir doch: Lieber zu viel als zu wenig. Die zusätzlichen 1000 werden übrigens von 140 Bayer-Mitarbeitern ausgewertet. Von wem die Initiative zur Zusammenarbeit kam, ließ sich gestern nicht klären, aber dann doch so viel: Gerade wird noch aufgebaut, los geht es am Montag. Ob wir die 1000 dann nochmal draufrechen müssen, klären wir dann in Ruhe.
Als etwas schräg stellte sich auch eine andere Ankündigung heraus, die Behrendt am Montag im Tagesspiegel gemacht hatte: Er wolle minderjährige Geflüchtete aus Moria herausholen – notfalls eben ohne den Bund. 72 Stunden später muss er im Abgeordnetenhaus eingestehen, was dem Juristen eigentlich hätte klar sein können: Ohne den Bund geht nichts.
Mindestens peinlich war das, was sich gestern Nachmittag auf Twitter abgespielt hat, nachdem das Abgeordnetenhaus die Erhöhung des Vergabe-Mindestlohns auf 12,50 Euro beschlossen hatte, den bundesweit höchsten. Ein Grund zu feiern, wenn auch virtuell? Eher nicht. Die SPD-Fraktion um Raed Saleh gab eine alleinige Pressemitteilung heraus und twitterte: „Geschafft! Der faire Mindestlohn! Jetzt 12,50 Euro (Daumen-hoch-Bild). Danke an Linke und Grüne, dass sie unsere Idee unterstützten.“
Die Reaktionen kamen prompt und heftig:
Arbeitssenatorin Elke Breitenbach: „Früher hätte r2g angesichts des Erfolges eine gemeinsame Pressemitteilung gemacht und gefeiert.....“
„.... heute lebt die Profilneurose (Hand-vor-Stirn-Emoji)“.
Sabine Bangert (MdA, Grüne): „Liegt vielleicht an der Krise“
Regina Kittler (MdA, Linke): Sollen wir jetzt die Schweizer Kräuterbonbonfrage wirklich in der Schwitzhütte stellen?
Katina Schubert (Linken-Chefin): „Wenn das nur eure Idee war, könnt ihr das ja jetzt auf Bundesebene auch machen. Ich finde, sowas müssen wir uns nicht geben, ganz ernsthaft.“
Ülker Radziwill (SPD): "Am Ende gutes Teamwork & Erfolg für #r2g,#Landesmindestlohn ist als erstes Bundesland nun auf 12,50 erhöht, mit dem Vergabegesetz soeben synchronisiert, gut so. Ja, gerne auch auf Bundesebene, an der SPD scheitert es nicht, eher an den Schwarzen.“
Georg P. Kössler (MdA, Grüne) versuchte noch zu schlichten: „Ich habe Hoffnung, dass wir das in Zukunft wieder machen. Beim Anblick der Opposition gibt es keine Alternative zu #R2G!“
Die Sache ist deswegen besonders brisant, weil der Streit um die Urheberschft zwischen Linken und der SPD schon seit mehr als einem Jahr brodelt – seit sich der Regierende himself im November 2018 im Tagesspiegel für die Erhöhung auf 12,63 ausgesprochen hatte. Mein Kollege Ulrich Zawatka-Gerlach hat allerdings damals schon genauer hingeschaut und herausgefunden: Die Linken haben recht. Bereits im Mai hatte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Linke) mitgeteilt, dass rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 Euro erforderlich sei, „um bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden über 45 Jahre versicherungspflichtige Beschäftigung hinweg“ anschließend eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung im Alter zu erhalten. Ende 2017 waren das 814 Euro für Ruheständler, die außerhalb von Pflegeeinrichtungen leben. Müller war erst skeptisch – und machte sich das Mindestlohnprojekt dann zu eigen. Und Linken-Landeschefin Katina Schubert befand schon damals: „Das haben uns die Sozialdemokraten geklaut.“
Weiterhin ungeklärt ist die Frage, ob die MedizinstudenInnen in zwei Wochen nun ihr Staatsexamen schreiben oder nicht. Weil es den SPD-Staatssekretären Steffen Krach (Wissenschaft) und Martin Matz (Gesundheit) bislang nicht gelungen ist, diese Frage zu beantworten, hat die Fachschaftsinitiative Medizin Berlin gestern in einem Offenen Brief gefordert, den Studierenden ein „Hammerexamen“ kurz nach dem Praktischen Jahr zu ersparen. Mit einer Wahllösung (wie in Sachsen beschlossen), könnten die Studierenden ihr Examen schreiben, „in Einzelfällen, in denen die Studierenden sich aufgrund der COVID-19 Pandemie jedoch nicht in der Lage sähen, den Termin wahrzunehmen, wäre somit aber dennoch der Beginn des vorzeitigen Praktischen Jahres möglich und eine Studienzeitverlängerung ausgeschlossen.“ So oder so wollen sie vor allem eins: Klarheit. „Aufgrund der Tatsache, dass es zunächst eine nationale Entscheidung (...) geben sollte, das Bundesgesundheitsministerium diese nun jedoch den Ländern überlässt, befinden sich die Studierenden mitten in der Lernphase schon seit mehreren Wochen in Ungewissheit, ob ihre Prüfung tatsächlich stattfinden wird. Wir bitten Sie daher dringendst darum, möglichst zügig zu entscheiden.“ Es kommentiert Christian Lindner (sinngemäß): Es ist besser falsch zu entscheiden, als gar nicht.
In den Berlins Schulen werden schon Handgriffe an Fenstern und Türen desinfiziert und die Tische auf Abstand gebracht, damit am 20. April der Latein-LK mit dem Abitur beginnen kann. Da die anderen Länder mit den frühen Ferien (Hamburg, Brandenburg, Schleswig-Holstein) die Sache jetzt durchziehen, spricht wenig dafür, dass Schulsenatorin Scheeres (SPD) den Berliner Kindern das Notabitur zumutet (oder gönnt – je nach Stoffbewältigungslage).
In Brandenburg hat Bildungsministerin Britta Ernst schon einen ganzen Katalog an Maßnahmen herumgeschickt, die gelten, falls der Schulbetrieb am 20. April nicht (wie derzeit geplant) wieder aufgenommen werden kann, hier einige Ausschnitte:
1) Die Schule wird die Prüflinge auf elektronischem Weg über ein zeitlich gestaffeltes Eintreffen am Prüfungstag in der Schule informieren, um Gruppenbildungen zu vermeiden.
2) Für die schriftlichen Prüfungen müssen alle geeigneten Räumlichkeiten der Schule, ggf. auch Turnhalle, Mensa, Aula zur Verfügung gestellt werden.
3) Um den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten sollten sich bei einer angenommenen Raumgröße von 60 Quadratmetern nicht mehr als vier bis fünf Prüflinge und eine Lehrkraft im Raum aufhalten.
4) Die Lehrkräfte sollten bei der Sichtung und der Übergabe der Prüfungsunterlagen nach Möglichkeit Handschuhe tragen.
5) Die Schülerinnen und Schüler sind angehalten, das Schulgebäude und das Schulgelände unmittelbar nach Abgabe der Prüfungsunterlagen zu verlassen. Ein - zwar verständlicher - Austausch über die Prüfungen zwischen den Schülerinnen und Schülern in Gruppen ist zu unterbinden.
Abitur im Jahr 2020. Bitte gehen Sie (in gebotenem Abstand) weiter, es gibt nichts zu sehen.
Wie bei vielen anderen Unternehmen derzeit, ist auch beim Tagesspiegel die wirtschaftliche Lage sehr schwierig: Anzeigen sind storniert, Veranstaltungen sind abgesagt, online bekommen Sie alle wichtigen Informationen rund um Corona & Co bei uns noch gratis. Umso mehr sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen: Helfen Sie mit, dass es unseren unabhängigen Journalismus weiterhin geben kann. Mit einem Abo für den Checkpoint, das E-Paper, die gedruckte Zeitung oder alles drei. Wir würden uns sehr freuen!
Berliner Schnuppen
Telegramm
Was macht eigentlich Tesla? Wissen Sie noch, dieses andere Giga-Thema, das uns zuvor infiziert hatte? Eine gute und eine schlechte Nachricht (entscheiden Sie selbst): Einen Termin für den Spatenstich gibt es zwar aus Gründen noch nicht, die Bauarbeiten auf dem Gelände in Grünheide laufen aber nach Plan. Der Wald ist weg, jetzt wird aufgeräumt, mein Kollege Kevin P. Hoffmann ist gestern mal vorbeigefahren und hat hinter der grünen Folie jede Menge Aktivität festgestellt (Planierraupen, Reptilien und erste Kabelbäume! Mehr dazu demnächst im Tagesspiegel). Elon Musk bleibt allerdings vorerst in den USA.
Während das Tesla-Gelände schon während der Bauarbeiten digital angeschlossen ist, sucht das Abgeordnetenhaus nun seit mehreren Wochen eine Lösung für die Anwesenheitspflicht in vielen Bereichen. Vorläufiger Höhepunkt: Die Verwaltung verschickte gestern eine Mail, in der sie ankündigte, die Ausschusssitzung am Montag im Videostream zu übertragen – allerdings nur in Raum 113. Im Abgeordnetenhaus.
Neuköllns Bezirksbürgermeister ist Umsetzungsweltmeister – und zwar wörtlich genommen: „In diesem Monat steht alles unter der Überschrift #corona“, twitterte Martin Hikel. „Ich finde es aber großartig, dass unser #Ordnungsamt die anderen Aufgaben nicht aus den Augen verliert. 300 Umsetzungen im März zeigen, dass Verkehrsbehinderungen immer noch heftig sind.“ Fragt sich nur: Wo wollen die Leute alle hin?
Die Überschrift „Pankower bekommen am meisten Besuch“ (Q: Mopo) kommt einem vor wie aus dem letzten Jahrtausend, der Bezirk hat 5296 Gästevignetten verkauft – viermal so viele wie in Mitte.
Hertha BSC feiert derweil einen großen Erfolg: Seit fünf Wochen ungeschlagen.
Apropos Fußball: Giovanni Trapattoni kommt jetzt noch mal groß raus. Wegen der Hamsterkäufe klagen die Getränkemärkte über fehlendes Leergut. Für einen Discounter grinst die sogenannte „Fußballtrainer-Legende“ nun von der Anzeige: „Flasche leer? Hilf mit: Bring dein Leergut zurück.“
Eine traurige Wiedereröffnung feierte der Gleimtunnel gestern: Erst fährt da seit zwei Jahren nix (Folge eines größeren Wasserschadens), dann darf wieder was fahren, fährt aber nix und nun will Pankow gleich wieder dichtmachen: Der Tunnel soll zur Fahrradstraße werden. Mal sehen, ob vorher noch mal ein Auto vorbeikommt.
Weitere Bezirksnachrichten gibt es werktäglich in unseren Bezirksnewslettern, bestellbar unter leute.tagesspiegel.de (heute: Charlottenburg-Wilmersdorf)
Apropos Wasser: Die Wasserbetriebe haben bei Twitter auf das coronabedingte Verschieben der morgendlichen Duschkurve aufmerksam gemacht: „Hunderttausende Homies verschieben die morgendliche Wasserspitze um anderthalb Stunden.“ (erläutert vom Chef-Wasserfrosch Stefan Jacobs hier). Offenbar will das Social-Media-Team von den BVG-Buddies lernen und hat das so kommentiert: „Wer heute etwas länger pennt, gehört schon zum Establishment.“
Befürchtungen über volle U1-Züge, die seit gestern wieder zwischen Gleisdreieck und Uhlandstraße fahren und dabei nur im 10-Minuten-Takt verkehren, haben sich zunächst nicht bestätigt. CP-Leser Wolfgang S. hat gestern den ganzen Tag aus dem Fenster geschaut, direkt an der Brücke am Gleisdreick („Wir sehen sozusagen jeden Zug“) und die große Leere festgestellt: „Meist waren in jedem Wagen gerade mal zwei bis drei Personen.“
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, appellierte am Freitagmittag an öffentliche Verkehrsbetriebe, den Takt für Busse und Bahnen eher noch zu erhöhen und mit mehr Waggons zu fahren. Im öffentlichen Nahverkehr hatte er zu wenig Abstand zwischen den Menschen ausgemacht. Es liege aber auch an den Passagieren selbst: Sie sollten sich verteilen und nicht bevorzugt in die vorderen oder hinteren Waggons einsteigen. Die BVG hat auf einigen Linien die Frequenz verringert, um ihr Personal vor einer möglichen Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen. "Wir müssen noch eine Weile durchhalten", sagt eine Sprecherin dazu.
Derweil hat die BVG still und surrend den ersten E-Schlenkbus in Betrieb genommen, 16 weitere sollen folgen (auch der 200er). Und wo wir gerade bei den guten gelben Nachrichten sind: Das Aktionsgebiet des Berlkönigs (derzeit exklusiv und gratis für Klinikpersonal), wird ab heute noch einmal um etwa 60 Quadratkilometer ausgeweitet, hinzu kommen Steglitz, Lichtenrade, Neukölln, Marzahn, Wittenau und Tegel, so könne man 75 Prozent der Krankenhausbetten anfahren, hieß es von der BVG. Die Nachricht transportieren wir doch gern weiter.
Apropos BVG: Eine Maskenpflicht könne sie nicht durchsetzen, hieß es in dieser Woche. Checkpoint-Kollege Björn Seeling hat sich aber daran erinnert, dass die BVG früher mal lustige Unterwäsche mit Aufdruck verkauft hat („Rohrdamm“, „Krumme Lanke“) und zuletzt sogar Turnschuhe. Warum also nicht Masken im BVG-Tarnmuster? Das wäre das Mask-Have der Saison. (Bitte am Gewinn beteiligen)
Früher haben wir die Tage seit der Nichteröffnung gezählt, heute zählen wir die Passagiere. Gestern waren es 23 – am ganzen Tag in Schönefeld. (Q: Bild)
...aber die Tage zäh wir natürlich weiterhin, bitteschön:
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Ich schlafe jetzt zwölf Stunden pro Tag, und ich habe dabei eine wunderbare Entdeckung gemacht: Der beste Schlaf kommt, wenn man nach dem Frühstück etwas Warmes im Magen hat, direkt wieder ins Bett geht und weiterschläft.“
Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden, über die Vorzüge seiner vorrübergehenden Arbeitslosigkeit.
Tweet des Tages
April bis 2019: „frühlingshaft“ April 2020: „Frühlingshaft“
Stadtleben
Koch- und Kneipentipp – Freitag! Um den gewohnten Wochentakt nicht zu verlieren, empfiehlt es sich, heute auszugehen. Nicht weit weg, denn die Kneipentour findet in den eigenen vier Wänden statt. Die Zimmer der Wohnung werden kurzerhand in kleine Lokale umgewandelt: Die Tour beginnt im Irisch Pub in der Küche. Damit Guinness nicht auf nüchternen Magen triff, serviert Ihnen unser Kollege Felix Denk in der täglichen Tagesspiegel-Rezeptkolumne das passende Rezept aus Irland: Hasselback Potatoes (Zutaten: Speck, Kartoffeln, Bier).Ein Zimmer weiter geht es beim Mexikaner bereits wilder zu: Laute Musik trifft auf Nachos und Tequila. Als Digestif gibt's Grappa in der „Bar al Bagno“ – und der Heimweg im Anschluss fällt beglückend kurz aus.
Schüttel den Speck –Berlin soll fit bleiben. Dafür wollen Landessportbund Berlin und RBB mit „move at home“ sorgen. Vorgeturnt wird täglich im Live-Stream um 9.30 und 14 Uhr von Trainer*innen aus Berliner Sportverbänden, immer mit sportliche Abwechslung: Während Margitta vom SC Siemensstadt zur gemeinsamen Yoga-Session aufruft, tanzt Susi vom TSV Spandau mit Stoffbär Brummi für Kinder und Martin vom TSV Berlin-Wittenau gibt beim Power-Training Gas. Die Videos sind jederzeit online abrufbar. Aufgeben und still sitzen, für Berliner Vereine keine Option.
Schatzsuche – Ein Tipp für alle Hobby-Pirat*innen: Der me Collectors Room in Berlin gewährt Einblick in seine Schatzkammern. In einer digitalen Führung stellt Thomas Olbricht seine Sammlung aus Barock und Renaissance vor. Da eine Plünderung von zu Hause aus nicht möglich ist, müssen sich Jungpirat*innen auf ehrliche Weise ihre Belohnung verdienen – dazu sollen zwölf Fragen zu der Führung richtig beantwortet werden. Den Schatz gibt es, wenn das Museum wieder geöffnet ist. Die Schnitzeljagd ist auf mehreren Sprachen verfügbar: Deutsch, Englisch und Französisch.
Roaring Twenties – Berlin, Ende der 20er Jahre: Lotte lebt mit ihren Eltern in der Lehrter Straße, direkt neben dem Gefängnis in Moabit. Ihre Nächte verbringt sie mit Freundin Greta in Tanzlokalen, tagsüber versucht sie als Stenografin bei der Polizei Geld für ihr Studium zu verdienen. Als ihr Vater, ein Gefängniswärter, in ein Attentat verwickelt wird, ändert sich das Leben der jungen Frau. In Moabit gibt Autor Volker Kutscher einen Einblick in das Leben von Charlotte Ritter, bevor sie als Charly in den Krimi-Romanen um Kommissar Gereon Rath auftritt. Diese Geschichte kennen die meisten aus dem ARD Serien-Hit „Babylon Berlin“. Zu hören ist das knapp einstündige Prequel „Moabit“ zurzeit in der ARD-Audiothek und auf Spotify. Ideal für einen mentalen Spaziergang durch die Stadt.
Beatbox statt Soundbox – Mund und Mikrofon, mehr brauchen die Künstler der Band The Razzzones auf der Bühne nicht. Das Ganze nennt sich dann beatboxen. Und damit sind sie ziemlich erfolgreich, letztes Jahr holten sie den ersten Platz der Deutschen Beatbox Meisterschaft. Defintiv mehr als einfaches „Puff-Tschack“ kann daher heute Abend bei ihrem Konzert im Ufa Live-Stream erwartet werden. Um 20.30 Uhr geht’s los, der Eintritt in den virtuellen Konzertsaal ist frei. Als kleinen Vorgeschmackfür Neugierige empfehle ich ihre Interpretation von „Let me love you“. Großer Respekt vor dieser Mund-Akrobatik.
Einen guten Start ins Wochenende wünscht Ihnen Nina Dworschak.
Berlins heimliche HeldInnen
Als Gesine Spanke ans Telefon geht, sitzt sie gerade vor ihrem Rechner und versucht, einen Antrag auf Soforthilfe bei der Investitionsbank Berlin zu stellen. Doch der Server ist überlastet, das Unterfangen dürfte eine Weile dauern. Die Ergotherapeutin betreibt vier Praxen im Südosten Berlins, zwei in Treptow und je eine in Schöneweide und am Baumschulenweg. Sie behandelt Kinder mit ADHS, hilft Schlaganfallpatienten bei der Bewältigung des Alltags und bietet psychiatrische Behandlungen für Menschen mit Depressionen an. Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus sagen nun viele Patienten ihre Termine ab. Trotzdem möchte Spanke ihre Mitarbeiter auf keinen Fall in Kurzarbeit schicken. „Ich versuche alles zu tun, um unsere Existenz zu sichern.“ Müsste sie ihre Praxis schließen, wäre das für die Ergotherapeutin nicht hinnehmbar. Deshalb fordert sie, wie der Spitzenverband der Heilmittelversorger auch, eine Rettungsfinanzierung durch die Krankenkassen, die die Ausfälle der Praxen übernehmen sollen. Da Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel knapp werden, näht eine befreundete Schneiderin jetzt Masken für die Praxis – immerhin übergangsweise. Auch die „Ad-hoc-Digitalisierung“, um Videotherapien für die psychiatrischen Patienten anbieten zu können, war eine Herausforderung. „Der Alltag ändert sich gerade drastisch“, sagt Spanke. „Wir möchten die psychosozialen Folgen für unsere Patienten abfedern, schließlich sind wir nicht umsonst Experten für den Alltag.“ (Text: Maria Kotsev; Foto: privat)
In den kommenden Tagen wollen wir an dieser Stelle Menschen vorstellen, die Berlin aktuell am Laufen halten. Wem wollen Sie danke sagen? Schreiben Sie uns gerne: checkpoint@tagesspiegel.de
>Berlin heute
Verkehr – S-Bahn: Ab 22 Uhr bis 11. April ist die S1 zwischen Birkenwerder und Oranienburg unterbrochen. Die S25 fährt von 22 Uhr bis Montagmorgen nicht zwischen Schönholz und Hennigsdorf, ebenso wie die S7 zwischen Babelsberg und Potsdam Hauptbahnhof. Bei allen drei Strecken-Sperrungen gibt's SEV mit Bussen.
Nahverkehr: Wegen Brückenbauarbeiten fährt der RE1 ab 22 Uhr bis Montag 5 Uhr nicht im gewohnten Takt. Außerdem fallen alle Züge zwischen Ostkreuz und Erkner bis 25. April aus.
A113 und A 100: Am Autobahndreieck Neukölln ist für eine Woche die rechte Spur gesperrt.
Helmholtzstraße (Charlottenburg): Bis Mai steht bei der Abzweigung Morsestraße in beide Richtungen nur ein Fahrstreifen zur Verfügung.
Hildburghauser Straße (Lichterfelde): Die Straße ist zwischen Weskammstraße und Steinheilpfad bis Anfang Mai für Rad- und Autofahrer gesperrt. Die Umleitung führt über den Lichterfelder Ring.
A 115: Zwischen Kreuz Zehlendorf und Spanischer Allee steht auf der Autobahn von 9-16 Uhr stadteinwärts nur ein Fahrstreifen zur Verfügung. Die Ausfahrt Spanische Allee ist zeitweise gesperrt.
A 10: Von 20-3 Uhr kommt es zwischen Birkenwerder und dem Kreuz Oranienburg in Richtung Dreieck Havelland immer wieder zu Fahrbahnsperrungen von 20 Minuten.
Gorkistraße (Tegel): Um 22 Uhr wird der Bahnübergang für mehrere Tage für Autofahrer gesperrt. Die Umleitung führt über die Ziekowstraße.
Gericht – Ein 57-Jähriger, der für Überfälle auf eine Schreibwarenhandlung und auf zwei Drogeriemärkte verantwortlich sein soll, kommt auf die Anklagebank. Er sei bei allen Taten bewaffnet gewesen. Dem Mann wird schwere räuberische Erpressung zur Last gelegt (9.30 Uhr, Kriminalgericht Moabit, Turmstraße 91, Saal 739).
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – Annekathrin Bürger (83), Schauspielerin / „Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, liebe Anemone, bleib' gesund und optimistisch - das wünschen Dir Deine Lesefreundinnen!“ / „Meiner liebsten warmherzigen Freundin Liselotte H. zum 75. Geburtstag. Sehr, sehr herzliche Glückwünsche! Wir holen alles nach! Virenfreie Grüße von deiner Iris“ / Dagur Sigurðsson (47), ehem. Handballtrainer der Füchse Berlin / Derrik Walton Junior (25), Basketballspieler bei Alba Berlin / Robert (32), „Herzliche Glückwünsche und weiterhin viel Erfolg. Bleib gesund, Rita und Uwe“ / Volkhard Simons (90), „Es gratuliert die weltweite Simons-Familie!“
Samstag – Pierre Besson (53), Schauspieler / Ulrike Biermann (37), „Schätzelein, alles Gute zum Geburtstag! Ida, Clara und Lars” / Michael Burda (61), Professor an der HU / Angelica Domröse (79), Berliner Schauspielerin und Regisseurin / Ärztin Gertrud Eggers-Biffar, „Alles Liebe und Gute zu deinem Geburtstag wünscht Horst“ / Jochen Gerz (80), Konzeptkünstler / Jutta Heinrich (80), Schriftstellerin / Melanie Metzler (46), „Herzlichen Glückwunsch! Alles Liebe und viele Bisous von MaPa. Wir stoßen auf Dich an!“ / Bastian Pastewka (48), Schauspieler und Comedian / Michael Ruetz (80), Fotograf der westdeutschen Studentenbewegung / Xenia Seeberg (53), Schauspielerin / Rudolf Thiel (92), Bauleiter der Neuen Nationalgalerie
Sonntag – Franziska van Almsick (52), Schwimmerin / Bora Ćosić (88), serbischer Schriftsteller / Andreas Gram (65), ehem. für die CDU im AGH (1991-2016) / Peter Kurth (60), ehem. CDU-Finanzsenator (1999-2001) / Carola Pinnow (64), „Gesundheit, Glück, Gelassenheit und Lebensfreude für die nächste entschleunigende Runde! Herzlichst Johanna“ und Meisterköchin, Fels in der Brandung und unersetzbare Mutmacherin - zauberhafte Glückwünsche zum Geburtstag für eine außergewöhnliche Frau von deinen Töchtern“ / Irmgard Schwaetzer (78), Vorsitzende der ev. Kirche in Deutschland / Tüvvel, „Geburtstags-Sonnenkäfer hüpfen für das großartige Tüvvel um die Wette, von Berlin bis Dortmund reicht ihre Kette und singen ,Wir stoßen an auf dein neues Lebensjahr, du bist als Mutter einfach wunderbar'“
Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Gestorben – Hannelore Isbruch, * 25. Mai 1929, Mitarbeiterin im Jüdischen Krankenhaus Berlin / Michael Maiwald, * 24. Februar 1948, Architekt und Stadtplaner / Christa Elisabeth Luise Schuster, * 18. Januar 1931 / Ove Stephansson, Gründungsmitglied und Gesellschafter der geomecon GmbH
Stolperstein – Emil Simonsohn (Jhg. 1865) und seine Familie mussten 1938 ihre Heimat Ließau verlassen und flohen gemeinsam nach Berlin. Emil, seine Frau Johanna und die Tochter Erna bezogen dort in der Templiner Straße 17 in Prenzlauer Berg ihr neues Quartier. Zwei Jahre später musste die Familie in der kleinen 1,5-Zimmer-Wohnung zwei weitere Flüchtlinge aufnehmen. Am 12. August 1942 wurde der 76-Jährige Emil Simonsohn gemeinsam mit seiner Frau in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 3. April 1943 – heute vor 77 Jahren – wurde er dort ermordet.
Encore
Weil Trübsal bekanntlich auch nicht hilft (wissenschaftlich bewiesen!), tanzen wir nun jeden Abend in der Küche, die jetzt ja quasi Litte-Berlin ist: Start-up, Restaurant, Tankstelle, Kino, Imbiss, Zirkus, Konzerthalle, Feuerwache – und natürlich Club. Die Schule beginnt eh, wann wir wollen – und mal ehrlich: Die Kurve der Wasserbetriebe kriegen wir noch ein bisschen flacher, oder? Die passende Playlist hat meine Kollegin Nadine Lange zusammengestellt.
Stefan Franzke, Chef von Berlin Partner tanzt heute Abend zu Musik von „La Boum“. Die geplante Engtanzparty anlässlich seines 50. Geburtstags musste er aus Gründen verschieben. Eine Mitarbeiterin schrieb ihm: „Dance like no one is watching“. Wie jeden Tag.
In Frankfurt am Main hat die Polizei nun die Abendunterhaltung übernommen und die Straßen mit „Circle of Life“ von Elton John beschallt (Beweis). Vorschläge für Berlin?
Vielleicht „Dreams are My Reality“ (um wieder zu La Boum zurückzukehren). Augen zu und durch. Träumen Sie weiter!
Morgen findet hier auf jeden Fall Lorenz Maroldt den richtigen Sound. Au revoir,
Ihre Anke Myrrhe