Überwiegend dicht bewölkt bei max. 14°C

„Soll das ein Witz sein?“ Berliner Linke wollen nicht zur Wagenknecht-Partei„Ich hoffe, dass wir so Ihren Erwartungen entsprechen“: So reagiert Verleger Holger Friedrich auf einen Leser-Brief von Diether Dehm zu einer Antisemitismus-KolumneGefährderansprache und Flyer: So bereitet sich Berlins Polizei auf Silvester vor

von Ann-Kathrin Hipp
Lotte Buschenhagen

die Welt feiert heute den offiziellen Sei-ein-Punk-Tag. Heißt für Berlin: alles wie immer. Und damit zu den Meldungen des Tages…

„Es braucht eine starke politische Kraft, die sich für Frieden und Diplomatie einsetzt.“ Mit diesen Worten hat Sahra Wagenknecht am Montag die Gründung ihrer Bald-Partei angekündigt. Und? Könnten Sie sich vorstellen, sie zu wählen? Das wollten wir von Ihnen wissen. Mehr als 4.600 Checkpoint-Leser:innen haben sich an der Umfrage beteiligt: Stand 5:56 Uhr sagen 19 Prozent „ja“, 77 Prozent verneinen, vier Prozent bleiben unentschlossen.

Höchst entschlossen zeigen sich viele Linke im Berliner Abgeordnetenhaus: Zehn von 22 Abgeordneten (Elif Eralp, Ferat Koçak, Klaus Lederer, Carsten Schatz, Sebastian Schlüsselburg, Niklas Schenker, Niklas Schrader, Katina Schubert, Tobias Schulze, Damiano Valgolio) schreiben auf unsere Anfrage, dass sie dem Wagenknecht-Bündnis wahlweise „nicht“, „selbstverständlich nicht“ oder „auf keinen Fall“ beitreten werden. Ex-Kultursenator Klaus Lederer fragt: „Soll das ein Witz sein?“ Und die Pressestelle der Linken-Fraktion erklärt: Die Abgeordneten, die nicht gleich antworten, sind wahrscheinlich im Urlaub. „Das heißt aber nicht, dass die alle bei uns austreten.“

Dass folgender (in der Links-Partei durchaus unerwünschte) Politiker beim Wagenknecht-Bündnis dabei sein will, ist hingegen nicht unwahrscheinlich: Liedermacher, Musikproduzent und Ex-MdB Diether Dehm, dessen Wikipedia-Artikel vor allem durch „Positionen und Kontroversen“ dominiert wird (u.a. bezeichnete er die Bundespräsidentschafts-Wahl zwischen Wulff und Gauck indirekt als eine Wahl zwischen „Stalin und Hitler“). Um ihn wird’s in dieser Meldung gehen. Aber eins nach dem anderen…

Wir starten mit einer Kolumne der „Berliner Zeitung“: „Antisemitismus ist kein muslimisches Problem in Deutschland, es ist ein Problem der meisten Deutschen“, meinte hier der Journalist Thilo Mischke und verglich den Judenhass in Neukölln mit dem Judenhass auf den Corona-Demos. Wenige Tage nach der Veröffentlichung konnte man unter seinem Text folgende Anmerkung lesen: „Dies ist ein Kolumnentext. Kolumnentexte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.“ So weit, so binsenwahr. Bemerkenswert allerdings ist, dass der Hinweis, der unter den 62 anderen von Mischke verfassten Kolumnennicht zu finden ist, Inhalt eines Mailwechsels mit Holger Friedrich, Eigentümer und Verleger der Zeitung, war.

Aus Gründen des Anstands, aber auch der Kommerzialität wäre anzuraten, dass Sie als Eigentümer den Fragen eines Berliner-Zeitung lesenden Arbeiters schnell ein wahrnehmbares Zeichen der Einsicht setzen“, hatte Diether Dehm (siehe oben) in einer Mail an Friedrich geschrieben und die Kolumne als „regierungsamtliche Antifa-Pose“ bezeichnet. Friedrich selbst stimmte zu. Der Text sei „deutlich erkennbar ein Unfall, wenn nicht sogar eine Entgleisung“. Die Redaktion „sollte mittlerweile einen Disclaimer gesetzt haben, dass dieser Text nicht der Ansicht der Redaktion, auch nicht meiner Ansicht entspricht. Ich hoffe, dass wir so Ihren Erwartungen entsprechen.“ Viele Grüße.

Disclaimer: Auf Tagesspiegel-Anfrage stellte der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Tomasz Kurianowicz, klar, dass er sich zu „redaktionsinternen Vorgängen“ nicht äußern werde.

Der nächste Knaller: In 67 Tagen ist schon wieder Silvester! Wir erinnern uns ans letzte Jahr: 406 Straftaten hatte die Polizei 2022 registriert.60 Anklagen wurden seitdem erhoben, 108 Verfahren eingestellt. Nur konsequent, dass Berlins Regierender da bereits jetzt (nach dem dritten Gipfel gegen Jugendgewalt) klarmacht: „Auch in der Silvesternacht werden, wie an allen anderen Tagen im Jahr, Recht und Gesetz auf Berliner Straßen gelten und das werden wir auch durchsetzen mit einer starken Polizei.“

Was die Polizei zum Jahreswechsel plant, zeigt die Antwort der Innenverwaltung auf eineAnfrage der Grünen: Schwerpunkte sollen demnach in der Silvesternacht in Nord-Neukölln, Gesundbrunnen, Kreuzberg, Schöneberg-Nord, Lichtenrade, Gropiusstadt und die Party am Brandenburger Tor („Celebrate at the Gate“) gesetzt werden. In Brennpunkten sollen Beamte zudem vorab den Feuerwerksverkauf kontrollieren, Feiernde und Gefährder ansprechen und (mit Flyern, Plakaten und Social Media) Präventionsbotschaften verbreiten. Verbotszonen fürs Feuerwerk werden aktuell geprüft.

Ganz anderes Thema: Neun von zwölf Bezirksbürgermeistern leisten sich einen Dienstwagen. Zwei Drittel davon fahren rein elektrisch – den teuersten fährt Oliver Igel(SPD) in Treptow-Köpenick für 804,40 Euro im Monat (Q: Anfrage Tommy Tabor, AfD). Warum kein Rad? „Der Dienstwagen erfüllt die Funktion als mobiler Arbeitsplatz, an dem Vorlagen und Protokolle gelesen und korrigiert sowie (vertrauliche) Dienstgespräche per Mobilfunk geführt werden“, heißt es aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Die meisten anderen Bezirke sehen das ähnlich. „Vor dem Hintergrund der nicht nur angestrebten, sondern verinnerlichten Einhaltung der Straßenverkehrsordnung wäre dies bei der Nutzung eines Fahrrades zur Wahrnehmung dienstlicher Termine nicht abbildbar“, schreibt Marzahn-Hellersdorf. In Pankow, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg arbeiten sie dann wohl einfach weniger.

Telegramm

Am Montag und Dienstag sind bundesweit bei mehreren Einrichtungen Bombendrohungen eingegangen. In Berlin betroffen waren unter anderem der Hauptbahnhof, RTL und das Willy-Brandt-Haus. Entwarnung kam vom Staatsschutz: „Die Ernsthaftigkeit konnte glücklicherweise verneint werden.“

Zunehmend ernst wird‘s für den freigestellten Lichtenberger Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD): Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgrund des Verdachtes des Verrats von Dienstgeheimnissen aufgenommen. Hönicke selbst erklärte am Dienstagabend, er wolle an der Aufarbeitung der Vorwürfe umfassend mitwirken.

Eingestellt wurde derweil das Ermittlungsverfahren in der Causa Aquadom. Obwohl Gutachter mehr als 700 Bruchstücke untersucht haben, konnte nicht geklärt werden, warum das Becken im vergangenen Dezember platzte.

Mehr als 1.000 Einzelspenden sind in dieser Woche bei Julian Herwig, Vater der 2022 bei einem Unfall totgefahrenen Louisa, eingegangen. Herwig hatte um Unterstützung gebeten, um (trotz Kostenrisiko) gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Revision gehen zu können. Das Gericht hatte den Fahrer, der mit Tempo 65 bis 70 über eine schon 24 Sekunden rote Ampel gerast und die Elfjährige ungebremst gerammt hatte, zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt – ausgesetzt zur Bewährung.

Bis zu 1.000 Euro kann man in Berlin mit dem Versagen der Behörden verdienen: Das zeigt die Geschichte eines IT-Fachmanns, der (selten verfügbare) Termine bei der Ausländerbehörde verkauft. „Ich habe gesehen, dass viele Menschen Probleme haben. Und ich dachte: Ich kann den Menschen gegen ein bisschen Geld helfen“, sagt er. Die ganze Recherche meiner Kollegin Anna Thewalt lesen Sie hier.

Was macht dieser Tage eigentlich der Senator für (Kultur) und gesellschaftlichen Zusammenhalt? Fragten wir uns und fragten mal nach. Die Rückmeldung: Akute „Feuerlösch“-Aktionen oder direkte Maßnahmen zur Deradikalisierung liegen „in anderen Ressorts“. Die Senatsverwaltung selbst setze auf „mittel- und langfristige Investitionen in Strukturen des Miteinanders“.

Zur Frage des Mensch-Tier-Miteinanders: Gibt es in allen Wassertonnen der Bezirksfriedhöfe Ausstiegshilfen für versehentlich hineingefallene Igel? Das wollte die Gruppe „Mensch-Umwelt-Tierschutz“ in der BVV Marzahn-Hellersdorf vom Bezirksamt wissen. Rückmeldung: Die Mitarbeitenden stellten zwar Stöcke in die Tonnen, doch es gebe „immer wieder Besucher, die diese wieder entfernen“. Die gute Nachricht: Für die Tierchen werden extra Trinkschalen aufgestellt.

Zum Sport: „Forza Napoli, Napoli, Napoli!“, sang schon Nino D’Angelo. Am Dienstagabend musste sich Union Berlin in seinem dritten „Champions League“-Spiel gegen den SSC geschlagen geben.

Und zurück zum Punk: Vor genau 40 Jahren hatte einer namens Udo Lindenberg seinen ersten und einzigen Auftritt in Ost-Berlin. 15 Minuten dauerte das Kurz-Konzert beim Friedensfestival der „Freien Deutschen Jugend“. Als „feindlich-dekadent“ bezeichnete ihn damals die Stasi. Bis heute macht er sein Ding.

Zitat

„Wir müssen anerkennen, dass wir mit dem, was wir bisher versucht haben, gescheitert sind.“

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zum bisherigen Umgang mit dem Nahostkonflikt an Berlins Schulen.

 

Stadtleben

Essen & Trinken – Das Ecklokal „Sale e Pane“ bietet authentische italienische Küche und besticht seine Gäste im Südwesten Berlins mit klassischen und saisonalen Gerichten. Vor der Hauptspeise werden Antipasti wie Calamaretti oder Carpaccio gereicht. Für den Hunger danach serviert die Belegschaft bspw. argentinisches Rumpsteak oder Lachsfilet vom Grill auf dem Teller. Die Pizza mit Knusperrand kommt aus dem Steinofen. Einen umfangreichen Blick auf die Speisekarte und feine Weine bekommen Sie hier. Täglich ab 12 Uhr, Markelstraße 52, U-Bhf Walter-Schreiber-Platz

Kiekste

So macht selbst Frühsport Spaß: „Ein schöner Ausblick beim morgendlichen Joggen von der Mäckeritzbrücke in Siemensstadt“, schreibt Checkpoint-Leser Burkhard Rösner zu diesem stimmungsvollen Foto. Vielen Dank! Schicken Sie Ihre Berlin-Bilder gern an checkpoint@tagesspiegel.de.

>

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Gülşen Değener (55), Karambolagespielerin, aktuell u.a. für die Billard Akademie Berlin / „Es gibt Freunde im Leben und es gibt Freunde fürs Leben. Flo, alles Gute zum Geburtstag wünscht dir Anja.“ / Harald Gindra (66), Bezirksverordneter in Tempelhof-Schöneberg für die Linke / Eveline Hall (78), Model, Schauspielerin und Tänzerin, u.a. als Showgirl in Las Vegas / Fabian Hambüchen (36), deutscher Weltmeister und Olympiasieger im Kunstturnen / Jakob Hein (52), Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Berlin-Kreuzberg und Schriftsteller / Matthias Jabs (68), Gitarrist der Band „Scorpions“, im Mai 2023 zuletzt in der Mercedes-Benz Arena / Thomas Natschinski (76), Komponist und Sänger, der vor allem in der DDR maßgebend aktiv war / Birgit Prinz (46), ehem. deutsche Fußballspielerin und dreimalige FIFA-Weltfußballerin / „Sebastian Rößler (34,9), Alles Gute zum Zwischengeburtstag! Deine Lina und Rhea.“ / „Karin Rolke, engagierte Lehrerin i.R.“ / Niklas Schrader (42), für die Linke im AGH / Ingo Schramm (61), Schriftsteller, u.a. von „Fitchers Blau“ (Berlin, 1996) / Rainer Strecker (58), Schauspieler und Hörbuchsprecher bspw. für Cornelia Funkes „Herr der Diebe“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben  Brigitte Berners, * 12. Februar 1952 / Ingrid Bürstenbinder, geb. Marquardt, * 13. August 1941 / Hellmut Lanz, * 12. Mai 1934 / Lothar Kipf, * 28. Juli 1935, Dipl.-Ing., Postdirektor i.R. / Wolfgang Paul, * 18. August 1950

Stolperstein – Der Berliner Wolfgang Luft (Jg. 1934) sollte 1938 mit einem Kindertransport in die Niederlande geschickt werden, leider ohne Erfolg. Stattdessen deportierten die Nationalsozialisten Wolfgang Luft 1942 zunächst ins Durchgangslager Westerbork. Von dort ins Ghetto Theresienstadt und schließlich ins Vernichtungslager Auschwitz. Mit knapp 10 Jahren wurde er zwei Tage nach der Ankunft, am 25. Oktober 1944, ermordet. Auf der Karl-Marx-Straße 16 in Neukölln erinnert ein Stolperstein an Wolfgang Luft.

Encore

Ja, ist denn bald schon Weihnachten? Kommende Woche jedenfalls (04.11.) gibt Berlins Regierender Kai Wegner in den Späth’schen Baumschulen in Königs Wusterhausen den Startschuss (oder Buzzer) für den Weihnachtsbaum-Verkauf. Wir haben mal nachgefragt, was die diesjährigen Trends sind. Die Rückmeldung: Weihnachtsbäume mit Wurzelballen (wieder einpflanzbar) und kleinere Weihnachtbäume (die „possierliche Zuckerhutfichte“ wird nur rund 60 cm groß). Insbesondere in Großstädten und Singlehaushalten gilt: Drinnen nur Tännchen.

Große Ideen und Inhalte für diesen Checkpoint geliefert haben heute Julius Geiler, Thomas Lippold, Sabine Schmidt und Sophie Rosenfeld (Stadtleben). Das Päckchen in Ihr digitales Postfach gebracht hat Florian Schwabe. Morgen sorgen hier Margarethe Gallersdörfer und Lotte Buschenhagen wieder für Überraschungen. Machen Sie’s gut!

Ihre Ann-Kathrin Hipp

Berlin braucht guten Journalismus!

Finden Sie auch? Unterstützen Sie uns!
JETZT GRATISMONAT STARTEN

Seit 2014 berichten wir exklusiv aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir stellten Berlins marode Schulen vor, bis die Politik reagierte. Wir standen vor dem Bürgeramt, bis es wieder Termine gab. Wir recherchieren hartnäckig und gründlich.

Das finden Sie gut? Dann unterstützen Sie uns mit dem neuen Tagesspiegel Plus-Abo! Für 14,99 € im Monat erhalten Sie den ungekürzten Checkpoint-Newsletter, den Checkpoint am Wochenende und das Beste vom Tagesspiegel im Web und in der App. Und Sie ermöglichen uns, auch weiterhin vor Ort zu sein, genau hinzuschauen und unabhängig zu bleiben. Die Anmeldung dauert nur eine Minute. Wir würden uns freuen!