Wir starten heute mit einem kurzen Ausflug nach Spremberg, genauer: ins alte Klubhaus des Energieunternehmens Leag, wo am Tag vor dem ersten Treffen der Berliner Kohlekommission Wirtschaftsminister Peter Altmaier beim „Lausitzdialog“ mit den Ministerpräsidenten Woidke und Kretschmer einen Kurzauftritt hatte. Seine vorzeitige Abfahrt erklärte der Merkel-Vertraute so:
„Ich habe da noch ein kleines Problem in Berlin, also was derzeit zwischen CDU und CSU geschieht. Ich dachte mir aber, ich grüße Sie trotzdem ganz herzlich von Ihrer Bundesregierung. Man weiß ja nie, wie lange es sie noch gibt.“
Einmal in Fahrt, frotzelte der Minister gleich weiter: „Und seien Sie mir nicht böse, Herr Woidke, wenn ich das jetzt sage: Mein Ehrgeiz ist der, dass der Strukturwandel in der Lausitz schneller zum Erfolg kommt als die Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg. Aber auch der wird sicher eröffnet. Spätestens unsere Kinder und Enkelkinder werden das erleben.“
Zum echten Aufreger wurde gestern der „Morgenpost“-Bericht über die Verteilung der restlichen SED-Gelder in Berlin (15 Mio) – die Finanzverwaltung hatte die Ost-Bezirke um Vorschläge gebeten, der heißeste kam von Mitte-Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne): Er möchte von der Parteikohle fest installierte Elektrogrills mit Münzeinwurf für den Monbijoupark anschaffen – so lässt sich DDR-Geschichte natürlich auch verwursten…
… oder eben auch nicht, bei den Grünen gibt es in der Sache jedenfalls Beef: Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto fordert seinen Parteifreund von Dassel auf, die SED-Gelder für die Aufarbeitung der Diktatur zu verwenden, „nicht für skurrile Einfälle“. Wer da wen oder was grillt, ist also noch offen – fest steht nur eins: „Well done“ ist das nicht.
Beim „Spiegel“ passieren manchmal seltsame Dinge… Da hatten sie doch so ein schönes Interview mit Ex-Volksbühnen-Intendant Frank Castorf über (u.a.) das kulturelle Leben des Regierenden Bürgermeisters – und jetzt ist die knalligste Passage weg, einfach gestrichen aus der Onlineversion und auch aus dem Epaper des Magazins (Ausgabe 17/2018). Anstatt einer längeren Philippika steht dort nur noch ein Satz: „Müller hatte nie was von uns gesehen.“ Die im Original folgenden 12 Zeilen: Ausradiert wie Leo Trotzki aus einem Foto mit Lenin – aber der wurde immerhin noch von Holzstufen ersetzt. Hier dagegen: ein einziges Nichts. Nicht mal ein Hinweis. Exemplar 17/2018 in der gedruckten Originalfassung mit Untertiteln könnte noch wertvoll werden (ich habe noch eins hier, falls jemand Genaueres wissen will…).
Was aus dem ICC werden soll (seit vier Jahren geschlossen), ist der Koalition noch immer nicht klar – dafür weiß sie immer besser, was sie dort nicht haben will: Die Idee eines Einkaufszentrums ist schon länger passé, und im neuen Interessenbekundungsverfahren (Kosten: 3,5 Mio) werden weitere Branchen ausgeschlossen: Keine Bordelle, keine Waffenhändler, keine Spielbanken, lautet die Vorgabe (die Glücksspiellobby ist enttäuscht). Hm, zentraler Drogenumschlagplatz wäre demnach vielleicht noch möglich (auf der Negativliste nicht genannt), aber am Ende bleibt wohl nur eins: Aus dem Internationalen Congress Centrum wird ein Kongresszentrum – Vorschlag für die erste Tagung: Wege zur Beschleunigung politischer Entscheidungsprozesse.
Wir kommen zur Fortsetzung der Serie „Ordnungsamt Online“: Nachdem wir hier gestern festgestellt haben, dass die Bezirksämter absprachewidrig mit den Müllmeldungen in ihrer App umgehen, wie sie wollen (und jedes anders), schauen wir uns heute mal an, was „in Bearbeitung“ und was „erledigt“ auf der Website eigentlich bedeuten kann:
Hier gleich mal eine prototypische Antwort aus Charlottenburg-Wilmersdorf: „Anliegen, welche weitergeleitet werden, erhalten den Status ‚Bearbeitung‘. Nach Eingang der entsprechenden Rückmeldungen erfolgt eine Änderung des Status auf ‚erledigt‘. Eine Qualitätsprüfung erfolgt nicht.“ Einen anderen Aspekt bringt Friedrichshain-Kreuzberg ins Spiel: „Aufgrund der Menge der Meldungen ist eine zeitnahe Bearbeitung nicht zu schaffen. Daher werden die Anliegen weitergeleitet und mit Status ‚erledigt‘ versehen.“ Lichtenberg: „Da nicht alle Organisationen die Erledigung eines Anliegens zurückmelden, wird vereinzelt der Status auf ‚Erledigt“ gesetzt, bevor das Problem tatsächlich behoben wurde.“ Neukölln: „Meldungen, die an eine Behörde außerhalb des Bezirksamts übermittelt werden, werden grundsätzlich auf den Status ‚erledigt‘ gesetzt.“
Motto: App in die Tonne, bloß runter vom Tisch – die Leute sind doch selbst schuld, wenn sie so viel Müll melden (es sind 10.000 Fälle pro Monat).
Der vom Senat zur Untersuchung der Zustände an der Polizeiakademie eingesetzte bayerische Sonderermittler Josef Strobl hält die miserablen Deutschkenntnisse der Anwärter (CP von gestern) für erklärbar (Aufgaben zu schwierig), Kommakenntnisse für überflüssig („Schnauze“ geht ja auch tatsächlich ohne), wundert sich aber über die hiesigen Umgangsformen - im Innenausschuss klagte er gestern, er werde weder gegrüßt, noch zurückgegrüßt. Erklärender Kommentar des SPD-Abgeordneten Florian Dörstelmann: „Daran erkennen wir Auswärtige.“
Apropos Auswärtige - beim ZDF ist das Berlinbild erschüttert, und das kam so: Nach der interreligiösen Tandemfahrt hatte eine TV-Mitarbeiterin ihr Rad am Bebelplatz vergessen – unangeschlossen. Als sie um 1 Uhr nachts zurückkam, war es natürlich weg. Anruf bei der Polizei, dort die Auskunft: „Steht bei uns auf der Wache, hat ein Pärchen hier abgegeben.“ ZDF-Kommentar (per Twitter): „Unglaublich“. In Mainz wäre das wohl nicht passiert.
Telegramm
Die WM-Spiele von heute: Dänemark-Frankreich (ARD) und Australien-Peru (ONE), beide 16 Uhr; Island-Kroatien (ONE) und Nigeria-Argentinien (ARD), beide 20 Uhr.
Urteil 1: Vier Wochen Dauerarrest und eine Führung im Haus der Wannsee-Konferenz ist die Strafe für einen 19-jährigen Syrer, der aus antisemitischen Motiven einen jungen, Kippa-tragenden Mann mit einem Gürtel verprügelte.
Urteil 2: Lebenslange Haft ist die Strafe für einen 18-jährigen Tschetschenen, der die Kunsthistorikerin Susanne Fontaine im Tiergarten erwürgt hatte. Das Gericht lehnte die Anwendung von Jugendstrafrecht ab, Begründung: Dem jungen Mann sei nicht mehr zu helfen, er sei „ein zutiefst antisozialer Mensch“.
Die „Berliner Zeitung“ meldet: „Kerstin frisst sich durch den Mauerpark“. Die „B.Z.“ meldet: „Michael durchbohrt jetzt den Mauerpark.“ Hm, ja was denn nun? Also, mal sortieren: Kerstin ist der Bohrer, Michael ist der Bohrerfahrer, und wenn beide fertig sind, gibt’s hier einen neuen Abwasserspeicher. PS: Im Gleimtunnel können dann auch nach Starkregen nie wieder Schlauchboote zu Wasser gelassen werden.
„Mutter kann nicht Vater werden“, lautet eine der Schlagzeilen von heute - ein Berliner Transsexueller ist mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Blick durchs Guckloch: Heute beschließt der Senat einen „wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge“, der „die Lebens- und Aufenthaltsqualität der Berlinerinnen und Berliner und ihrer Gäste“ ganz ohne Verdrückung steigern soll: Zum neuen Klokonzept gibt’s jetzt auch einen Betreiber (Spoiler: Es ist der alte).
Gestern früh mal wieder die Klassiker-Meldung der BVG zum Flughafenbus TXL: „…unterbrechen wir jetzt wegen zu hohem Verkehrsaufkommen und Stau zwischen S+U Hauptbahnhof und S+U Alexanderplatz“, plus Empfehlung des Konkurrenzunternehmens: „Zur Umfahrung bitte die S-Bahn nutzen.“
Gestern Mittag dann eine Warnung der Verkehrsinfo-Zentrale: „Vorsicht auf der A113 Richtung Schönefeld - Zwischen Schönefeld-Nord und Schönefeld-Süd überquert eine Entenfamilie die Autobahn!“ Waren wohl auf dem Weg zur Startbahn am BER (schön ruhig da). Ob sie’s geschafft haben, konnte die Polizei leider nicht sagen – hoffen wir also mal, dass sie Schwein gehabt haben.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
"Jeder gleitet so dahin."
Aus dem bereits oben erwähnten Bericht des Sonderermittlers Josef Strobl über die Zustände an der Polizeiakademie – sein Fazit: Es herrscht dort „zu viel Laissez-faire“.
Tweet des Tages
"Oh, nächster verfügbarer Termin im Bürgeramt ist ja schon am... 31.7. In Marzahn. \o/"
Antwort d. Red.: (Anmerkung: Jetzt nicht mehr…)
Tweet des Tages
"Ich glaube, der Berliner hat das Montagslächeln erfunden."
Stadtleben
Essen & Trinken auf dem Tempelhofer Feld: Die Karte des Luftgarten bedient die klassische Biergarten-Bandbreite von diversen Fass- und Flaschenbieren über Saft- und Weinschorle bis zu Heißgetränken. Hungrige - Fleisch- wie Pflanzenesser - werden beim BBQ vom Lavasteingrill fündig, wo u.a. Salsiccia, Merguez und Steak (ab 3,50) Euro und vegetarische Beilagen (ab 2 Euro) auf dem Menü stehen. Dazu werden alle Spiele der WM übertragen und zur Abwechslung braucht sich mal niemand sorgen, in den hinteren Reihen den Hals recken zu müssen - die Leinwand ist fast genauso groß wie der Biergarten selbst, die Sicht von jedem Platz aus optimal. Trotz wieder milder Temperaturen sicherheitshalber eine Jacke einpacken - windig ist es hier irgendwie immer! U-Bhf Boddinstraße, Eingang Columbiadamm, Öffnungszeiten sind wetterabhängig, regulär Mo-So ab 11 Uhr
Auch wenn die Temperaturen wieder steigen, die nächste Kaltfront kommt bestimmt – das Berliner Label Case Studies hilft mit Merinowolle und Jacquardstrick schon mal bei der passenden textilen Einstimmung. Die fließenden Farbverläufe der Kissen und Decken erinnern dabei eher an zeitgenössische Kunst und sind als solche bis 30. Juni in einer Schaufensterausstellung im Bikini Berlin zu bewundern. Ab Oktober dann auch im Handel, bei Konk in Mitte gibt es Mode des Labels schon jetzt. Kleine Hamburger Straße 15 (U-Bhf Rosenthaler Platz), Mo-Fr 12-19 Uhr, Sa 12-18 Uhr