Schon gemerkt? Berlin geht die Luft aus. Flughafenleiter Elmar Kleinert macht den Abflug nach Bremen, so lange dies vom Bröckelairport Tegel noch möglich ist. Und die Lufthansa, einst in der Hauptstadt gegründet und von der Hauptstadtpolitik großgepäppelt, hat keine Lust hier nach der Pleite von Air Berlin zu landen. Trotz gegenteiliger Versprechungen wird die Fernverbindung nach New York in den Wind geschrieben. Man möge bitte bei seiner Weltreise am Luftknotenpunkt Düsseldorf umsteigen, heißt es. Solche Forderungen gehen in Berliner Ohren natürlich da rhein und hier wieder raus. Wenigstens bietet sich jetzt die Gelegenheit, TXL dicht zu machen, ohne den BER je eröffnen zu müssen. Und die Lufttaxis starten von Tempelhof.
Zum ersten, zum zweiten, zum dritten, zum vierten Mal wird heute Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt. 171 Tage nach der Wahl hat Deutschland wieder eine richtige Regierung und eine geschrumpfte, aber immerhin verjüngte große Koalition. Im Kleinen kommt Berlin da groß raus, denn neben Familienministerin Franziska Giffey, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Wirtschafts-Staatssekretär Ulrich Nußbaum wird noch Björn Böhning als Staatssekretär im Arbeitsministerium zum vierten Berliner im Bunde. Für den 39-Jährigen kommt der Ausstieg zum Aufstieg zur rechten Zeit, kam er doch als Chef der Senatskanzlei nicht mehr recht weiter und muss sich zudem anhaltender Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung erwehren. Die ehrgeizige SPD-Spitzenkandidatin Eva Högl geht dagegen leer aus und könnte nach dem Vergießen einiger Grokodilstränen das Rote Rathaus ins Visier nehmen. Hier ist Michael Müller auf Nachfolger-Suche (für Böhning). So bleibt ihm wenig Zeit, sich schwarz-rot zu ärgern.
Bedenkliche Meldung aus der Berliner Feuerwehr: Der langjährige Leiter der Jugendfeuerwehr ist wegen des Verdachts auf strafbares Fehlverhalten zurückgetreten. Zusätzlich veranlasste seine Branddirektion ein „Verbot der Dienstausübung“. Die Hintergründe sind noch unklar, es soll sich aber um schwere Vorwürfe handeln. Die Feuerwehr sprach von einem „möglichen strafbaren Fehlverhalten mit Bezug zur Tätigkeit als Jugendfeuerwehrwart“ und kündigte „die Unterstützung und Betreuung von betroffenen Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr und der Jugendfeuerwehr durch Experten“ an. In der Berliner Jugendfeuerwehr sind rund 1000 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren aktiv. Ihre Leiter sind ehrenamtlich tätig.
Im Berliner Verkehr läuft schon lange was verkehrt, nicht nur wegen rücksichtsloser Raser. Am Montagabend wurde ein 22 Jahre alter Fußgänger, der auf einem Zebrastreifen im Treptower Ortsteil Bohnsdorf über die Straße lief, von einem Mercedes umgefahren und gegen ein anderes Auto geschleudert. Er verstarb noch am Unfallort. Die genauen Umstände werden nun untersucht, in Fahrtrichtung des Unfallwagens ist kurz vor dem Zebrastreifen noch Tempo 50 erlaubt. „Diejenigen, die sagen, es muss erst was passieren, haben leider recht“, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann. (Weitere Hintergründe gibt es hier, eine Analyse im Tagesspiegel-Podcast gibt es hier). Sicher ist auf Berlins Straßen nur eines: dass niemand hier mehr sicher ist.
Für Pendler aus der Mark geht die Fahrt oft ins Bein. Sie müssen täglich in übervollen Zügen stehen, weil zwar Berlin und Brandenburg aufeinander hocken, verkehrstechnisch aber eine Fernbeziehung führen. Nun sollen die Gleisarme zärtlicher miteinander verschränkt werden, beschlossen beide Regierungen beim Kabinettsdate in Neuhardenberg. Für weniger Kuschelatmosphäre zwischen Stadt und Speckgürtelhausen sollen künftig Doppelstockzüge sorgen, etwa auf den Strecken nach Wustermark, Falkensee und Nauen. Die Bahn versprach sogar, das Gleisbett der S-Bahn etwas auszuschütteln. Das kostet allerdings ziemlich viel Schotter.
Nachtigall, ick hör Dir strapsen. Die Posse um den von Berlins Umweltverwaltung untersagten Gruppensex von frei umherfliegenden Nachtigallen zum Aufbau einer wissenschaftlichen Zucht, die Lorenz Maroldt hier im Checkpoint aufgeblättert hatte, ist nun beim Senat reingeflattert. Der Regierende Wissenschaftssenator Michael Müller verlangte am Dienstag von der Umweltverwaltung, sie solle das von der EU geförderte Forschungsprojekt, das dem besseren Verständnis autistischer Erkrankungen bei Kindern dienen soll, durch eigene „Servicegedanken“ unterstützen. Bisher hatte die Umweltverwaltung von der betreffenden Biologin einen kompletten Neuantrag verlangt, der Freien Universität droht wegen der Verzögerungen der Verlust des Projekts. Nun sollen Wissenschafts- und Umweltverwaltung es in einem gemeinsamen Gespräch nochmal miteinander versuchen. Das gibt’s bei Vögeln auch selten: ein langes Vorspiel, das ein Nachspiel hat.
Damit schalten wir schnell um nach Kiezhausen: Hier in Prenzlauer Berg werden gerne gut gemeinte Bergpredigten gehalten: Bio-Produkte sind gesünder. Regionale Waren sind besser für die Umwelt. Die Mietpreisbremse schützt vor Gentrifizierung. Für unsere Seite „Berliner Wirtschaft“ (heute im gedruckten Tagespiegel oder hier im E-Paper) holt Autor Jan-Philipp Hein diese Mythen aus dem Himmelreich hinab ins Tal der ökonomischen Realität. Trost spendet Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln: „Wäre ich Marxist, würde ich sagen, dass Prenzlauer Berg den Kapitalismus hinter sich gelassen hat.“ Das zergeht einem doch auf Engels‘ Zungen.
Telegramm
Er war ein großer Physiker und ein kleines bisschen auch ein Popstar: Stephen Hawking, der sich von seiner Muskel- und Nervenkrankheit ALS nicht aufhalten ließ und uns das Universum in der Nussschale näher brachte, ist am frühen Mittwochmorgen gestorben. Er wurde 76 Jahre alt.
Liebe Kundin, lieber Kunde, Sie lesen hier den Checkpoint. Ist doch eigentlich ganz einfach, liebe Sparkasse, oder?
Zurücktreten bitte! Donald Trump hat seinen Außenminister Rex Tillerson per Twitter gefeuert. Der Deutsche Fußball-Bund hat Frauen-Bundestrainerin Steffi Jones durch einen Mann abgelöst. Horst Seehofer hat sich nach zehn Jahren als bayerischer Ministerpräsident selbst nach Berlin entlassen. Er wird neuer bayerischer Außenminister.
Lust auf einen Treppenwitz? „Liebe Patienten, aus Sicherheitsgründen dürfen Kinder unter 12 Jahren den Fahrstuhl nicht benutzen. Auch nicht in Begleitung der Eltern.“ (Foto via @FrauKulli) Ach ja, der Aufzug befindet sich im Kinderärztehaus in der Aßmannshauser Straße in Wilmersdorf. Damit schließt sich die Tür.
Gute Nachrichten aus Korea: Bei den paralympischen Spielen in Pyeongchang (unser Liveblog hier) holen die deutschen Athletinnen und Athleten weiterhin viele Medaillen. Den Respekt für ihre Leistungen haben sie sowieso schon gewonnen.
Schlechte Nachrichten aus Großbritannien: Die Frist der Regierung an Russland, den Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal aufzuklären, ist heute Nacht verstrichen. Unterdessen wurde ein weiterer russischer Exilant tot in London aufgefunden; die britische Anti-Terror-Polizei leitete Untersuchungen ein. Nicht nur der Krieg der Worte wird kalt.
Jetzt noch eine tröstliche Meldung aus dem Tierpark (via „Berliner Kurier“): Die Eisbären Tonja und Wolodja haben nach dem Tod ihres Kindes Fritz offenbar wieder Sex. Sind ja auch keine Nachtigallen.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Hallo, Cottbus!”
Die Hauptrednerin der AfD-Demo gegen Islamisierung und Überfremdung begrüßt am Montagabend ihr Publikum.
“Nein, Rostock!”
Das Publikum in Rostock antwortet ihr – ein Video gibt es hier.
Tweet des Tages
„Ich bin die Krone der Erschöpfung.“
Stadtleben
Essen bei Mo’s Falafel-Imbiss in der Urbanstraße 68 (U-Bhf Hermannplatz). Dort verkauft eine charmante, ältere Dame aus einem Fenster herausselbstgemachte Falafel und Halloumi im Brot. Aber auch der „Vegalloumi“mit Käse aus Sojamilch für 4 Euro ist die Fahrt nach Kreuzberg wert. Der Laden ist zwar leicht zu übersehen, bietet keine Sitzgelegenheiten, und man muss etwas länger als gewohnt auf die Bestellung warten, doch all das lohnt sich. Besonders empfehlenswert ist es, das Essen mit einem syrischen Tee mit Salbei (1 Euro) abzurunden. Geöffnet täglich 12-23 Uhr.
Trinken in einer Berliner Kneipe, die noch nicht von Touristen überlaufen ist. Die Westend Pinte in der Reichsstraße 6 (U-Bhf Theodor-Heuss-Platz) ist jeden Abend ein Sammelbecken für junge und ältere Charlottenburger, die dort Bier und Wein genießen. Bei Billard und Darts kann man sein Geschick unter Beweis stellen, wer aber schon etwas tiefer ins Glas geschaut hat, sollte ein nettes Gespräch mit den Stammgästen am Tresen vorziehen. Geöffnet täglich ab 9 Uhr.