Mit einer Plastikgabel und Tomatensoße kann man nicht schreiben. Für Sie ist das wahrscheinlich selbstverständlich, doch Deniz Yücel hat es ausprobiert in seiner türkischen Zelle, aus Verzweiflung darüber, dass man ihm weder Stift noch Papier gab. In dieser Woche ist es ein Jahr her, dass der „Welt“-Korrespondent in der Türkei verhaftet wurde – weil er seinen Job gemacht hat. 365 Tage sind es am Dienstag, auf die Anklage wartet er immer noch. „Ich bin ja nicht zum Spaß hier“, titelte die taz am Wochenende. Zu lesen war darin, wie Yücel es schaffte, das Schreibverbot zu umgehen: Von einem Arztbesuch konnte er einen Kugelschreiber in seine Zelle schmuggeln, seine Frau hatte ihm eine Ausgabe von Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ geschickt, „ohne Hintergedanken“, schreibt Yücel, „außer vielleicht dem, uns beide an den großen Satz: ,Du bist für deine Rose verantwortlich‘ zu erinnern.“ Yücel aber nutzte den vielen Weißraum der Zeichnungen für Aufzeichnungen, die er unter der Schmutzwäsche aus der Haft schmuggelte.
Inzwischen kann er sich im Gefängnisladen Stifte und Papier kaufen. In dieser Woche erscheint sein Buch, am Mittwoch lesen daraus Herbert Grönemeyer, Hanna Schygulla, Anne Will, Mark Waschke und Gustav Seibt im Festsaal Kreuzberg, wo zuvor um 16.30 Uhr ein Autokorso startet. In der Türkei sitzen derzeit 150 Journalisten in Haft, mehr als in jedem anderen Land der Welt.