Europa öffnet wieder: An den Übergängen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz sollen von Samstag an nur noch Stichproben statt der bisherigen dauerhaften Kontrollen durchgeführt werden. Gleichzeitig wird es über die Regelungen für Berufspendler und den Warenverkehr hinaus mehr Ausnahmen für einen Grenzübertritt geben. SchülerInnen aus Frankreich etwa dürfen in Deutschland zur Schule gehen. Verliebte sich besuchen. Ein vollständiger Wegfall der Kontrollen wird vorerst für den 15. Juni angestrebt. Es wächst zusammen, was zusammengehört.
Bis zur vollständigen Rückkehr zum Alltag ist der Weg weiterhin lang – und mit Vorsicht zu begehen. „Das Coronavirus bleibt eine Gefahr für jede und jeden von uns“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch zum Auftakt der Bundestagsfragestunde. „Es wäre doch deprimierend, wenn wir, weil wir zu schnell zu viel wollen, wieder zu Einschränkungen zurückkehren müssten.“ Wenn ein Rückfall verhindert werden könne, „haben wir alle mehr davon“. Steuererhöhungen schloss Merkel zum jetzigen Zeitpunkt aus. Ob das später doch passieren werde, könne sie nicht sagen – „sonst wären wir ja Zukunftsvorherseher, und das maße ich mir nicht an“. Dann doch lieber aufmerksamer „Zeit-Mensch“.
In Abstandszeiten werden die Differenzen größer: In einem Offenen Brief an Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) haben sich die zwölf Amtsärzte der Bezirke von deren Kurs zur Bewältigung der Coronakrise distanziert. Die Gesundheitsämter seien von „geplanten Maßnahmen vorab fachlich-medizinisch in keiner Weise angehört oder eingebunden“ worden. Das Ampelsystem sei medizinisch „nicht nachvollziehbar“. Amtsärzte würden unter Druck gesetzt und einzelne Bezirke gegeneinander ausgespielt. Als einer der ersten reagierte Mitte-Gesundheitsstadtrat Ephraim Gothe (ebenfalls SPD) mit einer Mail an seine Amtskollegen auf das „für ihn überraschende Schreiben“: „Öffentliche Schuldzuweisungen sind kontraproduktiv. (…) Lassen Sie uns weiter daran arbeiten, dass Berlin glimpflich davonkommt.“ Mit herzlichen Grüßen.
Keine Grüße aus dem Rechtsausschuss: Weil der Senat die neuen Corona-Beschlüsse am Mittwoch nicht rechtzeitig (genau genommen 29 Minuten zu spät) vorgelegt hat, konnten Änderungen im Hinblick auf Versammlungsrecht und das Recht auf Religionsausübung nicht beraten werden. Schreit nach einer Sondersitzung in der kommenden Woche. Wütender Parlamentsschrei, versteht sich.
So viel Ärger war selten. Selbst der sonst im Ton eher moderate Dachverband der Kinder- und Schülerläden machte seinem Ärger Luft.Die Berliner Kitas würden mit dem neuen Senatsbeschluss „vor eine unmögliche Aufgabe gestellt – und dabei alleingelassen“, lautet die Analyse der Vertretung von 800 Einrichtungen. Es sei nicht möglich, Kinder von Eltern aus systemrelevanten Berufen bedarfsorientiert zu betreuen und gleichzeitig alle Kinder schrittweise aufzunehmen sowie auch noch auf den Infektionsschutz zu achten. Dass es am heutigen – Tag 1 der Umsetzung – vermutlich zu Ressourcenkämpfen und Reibereien zwischen KitaleiterInnen und Eltern kommen wird, ist absehbar. Die Jugendverwaltung setzt auf „möglichst einvernehmliche, solidarische Lösungen“ vor Ort, schaltet aber ab 9 Uhr auch eine Hotline für Eltern. Zum Ausschneiden und Mitnehmen hier schon mal die Nummer: 030/90227-6600.
Opposition I: Die Berliner CDU will „Schule neu denken“. In einem frisch vorgelegten Strategiepapier fordern die Schwarzen einen „Quantensprung“ in Sachen Digitalisierung und Laptops oder Tablets für Berlins 360.000 SchülerInnen und 33.000 LehrerInnen (Investitionsbedarf 100 Millionen Euro). Schulen sollen zudem flächendeckend mit Breitbandanschlüssen und leistungsfähigem W-Lan ausgestattet werden und LehrerInnen in den Sommerferien einen „Digitalen Führerschein“ machen müssen. Außerdem auf dem politischen Stundenplan: Samstagsunterricht.
Opposition II: Die Berliner FDP hat ein umfassendes Konzept für die Wiederaufnahme des gesellschaftlichen, öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens vorgelegt (Q: Berliner Morgenpost). Darin: Corona-Drive-in-Teststationen in jedem Bezirk, pauschale Finanzhilfen für Unternehmen und „halbe Klassen“ im Schul-Unterricht, die alle zwei Wochen im Wechsel vor Ort in den Schulen unterrichtet werden. Von der digitalen CDU-Strategie haben sie vermutlich zu spät gelesen.
Mit Blick auf die für Freitag vorgesehene Öffnung der Restaurants hat Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) kürzlich noch von „sehr, sehr, sehr vielen offenen Fragen“ gesprochen. Die Antworten hat die Wirtschaftsverwaltung immerhin zwei Tage vor Freitag geliefert: Das Abstandsgebot gilt demnach für Personen aus zwei Haushalten, „soweit die Umstände dies zulassen“, auch zum gemeinsamen Essen. Die Mund-Nasen-Bedeckungspflicht gilt im Gastraum für das Personal. Gästen wird das Tragen „dringend empfohlen“. Eine Reservierungspflicht besteht nicht, ebenso wenig die Pflicht zur Aufnahme der persönlichen Daten von BesucherInnen. Beides wird lediglich „dringend empfohlen“. Die maximale Anzahl der Gäste eines Restaurants soll sich aus Größe und Bauart des Betriebes ergeben. Nicht geregelt ist die Höchstaufenthaltsdauer.
Wie viel über die offiziellen Angaben hinaus bedacht werden muss, zeigt eine vom Dehoga bereitgestellte „Checkliste“ mit Handlungsempfehlungen zur Wiedereröffnung gastgewerblicher Betriebe in Berlin. Darin abzuhaken sind unter anderem: Ggf. dem Gast Desinfektionstücher am Platz reichen / Verzicht auf Zucker-, Salz- und Pfefferstreuer auf den Tischen / Verzicht auf mehrseitige Speisekarten; alternativ Kreidetafel, laminierte Speisekarte o.ä. nutzen, evtl. digitale Speisekarte (als Download auf Gäste-Smartphone per QR- Code) / Speisenangebot ggf. minimieren / Regelmäßiges Austauschen der Tischwäsche und fachgerechtes Waschen oder Einsatz von (Papier-)Tisch-Sets / Fachgerechtes Waschen (desinfizierendes Waschverfahren) der Servietten oder Einsatz von Papierservietten / Besteck und Gläser mit Servierhandschuhen eindecken / alternativ Besteck auf Teller (ggf. mit Folie abdecken) mit an den Tisch bringen / Ggf. Getränketablett auf den Tisch stellen und die Gäste ihr eigenes Getränk selbst vom Tablett nehmen lassen / evtl. auf gezapfte Getränke verzichten / Wo möglich, Tellergerichte anstatt Plattenservice und Beilagenschalen / Nach dem Abtragen von Tellern und Gläsern die Hände waschen bzw. desinfizieren / Wo möglich, Laufwege als Einbahnstraße markieren. Soweit, so viele ggfs. und evtls.
#UnitedWeStream – mehr als 450.000 Euro sind seit Beginn der Spendenkampagne für Berlins Clubszene zusammengekommen. „Mit Hochdruck“ arbeitet die Clubcommission jetzt an der Vergabe der ersten 300.000. 60.000 Euro sollen an die VeranstalterInnen der Live-Stream-Konzerte gehen, 240.000 (Minus 10 Prozent für den „Stiftungsfonds Zivile Seenorrettung“) anhand eines Punktesystems an KulturproduzentInnen. Und das funktioniert so: Jeder Club erhält 50 Basispunkte, dazu kommen maximal 25 für harte Kriterien (Anzahl der Jahre, die der Club in Berlin existiert bzw. an denen am derzeitigen Standort Clubkultur existiert UND Anzahl der fest angestellten MitarbeiterInnen und MinijobberInnen) sowie 25 für weiche Kriterien (Inklusivität, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit, Awareness gegen alle Formen von Diskriminierung und Gewalt, sozio-kulturelles Engagement, ökologische Nachhaltigkeit). Die harten Kriterien werden direkt in Punkte übersetzt, die weichen Kriterien durch einen 10-köpfigen Jury-Beirat bewertet. Die beantragte Summe wird ins Verhältnis zur ermittelten Punktzahl sowie dem zur Verfügung stehenden Spendenvolumen gesetzt. Daraus ergibt sich die jeweilige Summe. Vergabe folgt.
Sollten Sie in Zeiten wie diesen den Glauben verlieren, müssen Sie es trotzdem noch ein Weilchen in der Kirche aushalten. Zumindest in einigen Bezirken. Der Grund: Ein Austritt kann (dem Wohnsitz engsprechend) nur persönlich beim Amtsgericht beantragt werden. Weil aktuell die meisten Amtsgerichte ihren Besucherverkehr eingestellt haben, hat der Checkpoint mal nachgefragt. Nicht ausgetreten werden kann derzeit in den Amtsgerichten Wedding, Spandau, Tempelhof-Kreuzberg, Charlottenburg („nicht vor dem 19. Mai“), Pankow-Weißensee („nicht absehbar, wann wieder“), Köpenick („bis auf Weiteres“). Ein Austritt mit schriftlichem (notariell beglaubigtem) Antrag ist in den Amtsgerichten Mitte und Schöneberg möglich. Kirchenaustritte mit persönlichem Erscheinen bieten die Amtsgerichte Neukölln und Lichtenberg. Halleluja!
Viele von Ihnen haben in den vergangenen Tagen an unserer „3-für-3-Aktion“ teilgenommen und ein Checkpoint-Probeabo (drei Monate für je drei Euro) abgeschlossen. Danke dafür! :-) Wir freuen uns über Ihr Vertrauen und recherchieren, schreiben, machen weiter.
Berliner Schnuppen

Telegramm
Heute in einer anderen Welt hätten die Berliner Füchse den TBV Lemgo Lippe in der Max-Schmeling-Halle empfangen. Wer sich hinträumen will: Der Fuchsbau lässt sich durch eine 360-Grad-Tour zumindest virtuell besuchen.
Heute ist übrigens auch der (katholische) Gedenktag der Heiligen Corona – der Schutzpatronin gegen Seuchen. Das kann doch kein… doch!
Die Berliner Stadtmission hat die bundesweit erste Quarantäne-Station für Menschen ohne festen Wohnsitz vorgestellt. 16 Infizierte können dort unterkommen. Kommende Woche wird eröffnet.
Zwei Tage nach der offiziellen Eröffnung und „Betriebnahme“ durch Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wird die Corona-Klinik am Messegelände heute dem Bundespräsidenten vorgestellt. Parallel läuft laut Gesundheitsstadtrat Detlev Wagner (CDU) die Bauabnahme – und gegebenenfalls Betriebsgenehmigung. „Willkommen, Herr Steinmeier. Aber setzen Sie lieber einen Helm auf!“ Es drängeln sich Bezirks- und höchstes Staatsamt.
Verkehrswende in Coronazeiten: Nach Xhain soll jetzt auch Neukölln sechs autofreie temporäre Spielstraßen bekommen. Für die Umsetzung werden AnwohnerInnen gesucht, die freiwillig unterstützen. Los geht’s an Pfingsten – in knapp zweieinhalb Wochen.
Verkehrswende in normalen „Berliner“ Zeiten: 2018 hat das Straßen- und Grünflächenamt Treptow-Köpenick die Planung eines Radwegs an der Rummelsburger Landstraße beauftragt. Aktuell werden „die Abstimmungsergebnisse und die Ergebnisse der Fachbeiträge in den Entwurf eingearbeitet“. Von November 2020 bis Ende Mai 2021 sollen die vorbereitenden Maßnahmen (Fällarbeiten und Abfangung von Zauneidechsen) ausgeführt werden. Mit einem Baubeginn kann „nicht vor Juni 2021“ gerechnet werden“ (Q: Anfrage Stefan Förster /MdA FDP). Bauzeit selbst: drei Monate.
Stichwort Bauzeit! Folgende S- und U-Bahn-Aufzüge sind in Berlin aktuell außer Betrieb: U Attilastraße, S/U Bundesplatz, S/U Friedrichstraße (mehrfach), S Gesundbrunnen, S/U Hauptbahnhof, S Hennigsdorf, U Hohenzollerndamm, S Hoppegarten, S/U Innsbrucker Platz, S/U Lichtenberg, S Lichterfelde Ost, S Mahlow, S Mexikoplatz, S Nikolassee, S Ostbahnhof, S Röntgental, S Schichauweg, S Schlachtensee, S/U Schönhauser Allee, S Sonnenallee….
…Moment, es geht noch weiter…. S Südkreuz, S Tegel, S Waßmannsdorf, S/U Zoologischer Garten (mehrfach), U Berliner Straße, U Bismarckstraße (mehrfach), U Bülowstraße, U Friedrichsfelde, U Karl-Marx-Straße, U Paracelsus-Bad, U Reinickendorf, U Ruhleben, U Schwartzkopffstraße, U Stadtmitte, U Südstern, U Vinetastraße, U Wittenbergplatz, S/U Pankow, U Reinickendorfer Straße. Macht nach „Mathe mit dem Checkpoint“: definitiv zu viele.
Weil die Prüfung der Volksinitiative stockt, gehen die Aktivisten von „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ gegen den Berliner Senat vor Gericht. Mehr als 300 Tage nach der Übergabe der ersten Unterschriften liegt „eine abschließende Stellungnahme der Senatsverwaltung für Inneres und Sport noch nicht vor“. Die Deutsche Wohnen erzielt derweil im ersten Quartal höhere Mieten. Trotz Deckel.
Wunderbäume für die Stadt: „City Trees“ mit Bio-Hightech-Filtern wandern in den kommenden Monaten durch Berlin und sollen im Rahmen eines Pilotprojekts Schadstoffe minimieren. Klarer Vorteil: Keine Fällung aus Umplatzierungsgründen nötig.
Eine tierisch schöne Meldung: Im Aquarium des Zoos sind neun Pantherchamäleons geschlüpft. Manchmal sind es die kleinen Dinge.
Eine Meldung, die nicht untergehen sollte: 3.790 rechte Delikte wurden von Januar bis einschließlich März 2020 bundesweit gezählt, darunter 154 Gewalttaten. Macht 42 rechte Delikte pro Tag.
Brandenburgs AfD-Landeschef Andreas Kalbitz hat erstmals zugegeben, dass er entgegen früherer Angaben doch auf einer Liste der verbotenen militanten „Heimattreuen Deutschen Jugend“ stehen könnte. Die Mitglieder verstanden sich als eine Art paramilitärische Elite, die Drill und ideologische Schulung für die Jüngsten anboten: Rassenkunde, Hitler-Verehrung, Antisemitismus, Blut-und-Boden-Ideologie und NS-Brauchtum. Am Freitag berät der Bundesvorstand über einen Parteiausschluss.
Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) ist erfolgreich gegen einen rechten Blogger vorgegangen, der ihren Namen und ihr Konterfei für kommerzielle Zwecke genutzt hatte. Der Mann hat eine Unterlassungserklärung unterzeichnet, in der er aufgefordert worden war, den Verkauf entsprechender Tassen, Bierkrüge, T-Shirts und anderer Artikel zu beenden.
Fast die Hälfte aller Frauen in Deutschland wurde schon einmal sexuell belästigt. „Auch in den aktuellen Krisenzeiten dürfen andere wichtige Themen nicht untergehen“, schreiben Joko und Klaas und widmen #Männerwelten 15 Minuten Primetime auf ProSieben. Privatfernsehen von seiner sinnvollsten Seite.
Was fehlt: Zeit Online gründet eine Non-Profit-Unternehmung für #MyCountryTalks (Plattform für politischen Dialog) und sucht Mitarbeiter/in Nr. 1.
Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg stellt wieder ein! Das neue Jobportal war zum Beginn der Coronakrise fertig geworden und strotzte nur so vor Leere. Jetzt sind wieder ein paar Stellen ausgeschrieben, wie etwa Koordinator (m/w/d) Unternehmenssicherheit, Referenten (m/w/d) Immobilienentwicklung / Projektentwickler (m/w/d) oder Leiter (m/w/d) Kaufmännischer Business Support Real Estate.
Ratespaß zum Schluss: Worum handelt es sich bei der Brandenburger Polizeimeldung „Der Geruch verriet es“? Ungegoogelte Ideen gerne an checkpoint.tagesspiegel.de. Auflösung gibt’s morgen.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Sie rennen mit den Maskierten in den Leseraum, brüllen ‚Überfall‘ und feuern über die Köpfe der Justizwachtmeister, die Baader bewachen sollen. Ein wildes Gerangel entsteht, Goergens und Schubert prügeln sich mit einem Wachtmeister. Da ist Andreas Baader bereits durchs Fenster geflüchtet. Und, völlig unplanmäßig, Ulrike Meinhof springt hinterher. Warum, weiß in diesem Moment nur sie.“
An diesem Donnerstag jährt sich zum 50. Mal die Befreiung von Andreas Baader und damit die Geburtsstunde der RAF. Kollege Frank Bachner erzählt die Geschichte der Planung und Ausführung. Henning Onken hat die Chronik der RAF in einer Fotostory zusammengefasst.
Tweet des Tages
Was mir am allerallerallermeisten fehlt ist, Leute zu umarmen. Wenn das wieder geht, mache ich zehn Tage lang nur das.
Stadtleben
Essen & Trinken – wird ab morgen wieder in Restaurants und Cafés möglich sein, wenn auch unter anderen Bedingungen als gewohnt. Aber was ist schon normal in diesen Zeiten? Vermutlich machen viele Gastronomen aus der Not eine Tugend, schon jetzt lassen sie sich einiges einfallen, um Berliner Foodies bei Laune zu halten: Stadtweit zeigen jetzt Plakate Rezepte von Hauptstadtköchen als Inspiration zum Nachkochen in den Hauptstadtküchen – oder als Erinnerung, dass man sich auch was anderes bestellen kann als Pizza und Pasta. „Joghurt-Mango-Törtchen mit Jasmin & Haselnuss“ aus der Jubel Parisserie in Prenzlauer Berg zum Beispiel, oder „gegrillten Lachs mit Gurken & Senf“ aus dem Christopher´s in Charlottenburg. Initiator der Rezepterundschau ist das Team der Berlin Food Week, die in diesem Jahr leider ausfällt. Möglich wurde die Aktion, weil viele Plakatflächen derzeit coronabedingt leer bleiben und mietfrei zur Verfügung gestellt wurden. Alle Rezepte aus dem „größten Kochbuch der Welt“ finden Sie auch online. Unser Favorit: der Blumenkohl mit Pale Ale Glasur von BRLO.

Kiezladen unterstützen – Von Normalisierung mag sie noch nicht sprechen, aber eins hat die Krise Miriam Eva Kebe deutlich gezeigt: Ihr Laden ist fester Bestandteil in der Nachbarschaft von Lichterfelde Ost. Ein unaufgeregter Kiez mit vielen schönen Ecken, ebenso gemischt, wie das Sortiment der Kebe Living Manufaktur für Lebensmittel: In den Regalen reihen sich Balsamessige und Senfe neben Chutneys und Tapenaden, Gelées, Gewürzsalzen und ein Lemon Curd, das einzigartig sein dürfte in Berlin. „Bei uns finden Genußmenschen handgefertigte Lebensmittel, die ihrem Essen eine besondere Note geben.“ Alles ist selbstgemacht, die Zutaten meist bio und – je nach Produkt – aus der Region. Ein heute gängiges Konzept, das die Inhaberin bereits seit 2004 umsetzt. Zur Manufaktur in der Lorenzstraße 58 gehört ein Café samt Kaufladen und eine kleine Eisfabrik – ein Feinkostkosmos mit zwölf Mitarbeitenden, der coronabedingt wochenlang zu zweit gewuppt wurde. „Das Café ist das emotionale Herzstück der Firma, bis alles wieder normal läuft, ist es noch ein weiter Weg!“ In der Küche steht die Inhaberin trotzdem jeden Tag, denn Kuchen wird stark nachgefragt. „Die Menschen scheinen sich etwas Gutes tun zu wollen in dieser Zeit, wo viele zu Hause sind. Ich bemerke ein bewussteres Miteinander und viel Wertschätzung – ich würde mir wünschen, dass das bleibt. Und dass meine Händler durchhalten!“ Wer unterstützen möchte, kommt am besten vorbei oder bestellt online Wohlfühllebensmittel für zu Hause. Das selbstgemachte Eis gibt es allerdings nur vor Ort – derzeit der Renner: Walnuss mit Dattelsirup. (Foto: Miriam Eva Kebe) Gutscheine für's Kebe – und andere Kiezläden – finden Sie auf www.tagesspiegel.de/kiezhelfer. Und das komplette Stadtleben mit Checkpoint-Abo.
Wieder geöffnet – „Porträts asozialer Frauen“. Das klingt mit Verlaub … ziemlich asozial. Der Berliner Maler Hans Baluschek (1870-1935) hat es aber nicht abschätzig gemeint, als er 1923 eine Zeichenserie mit Prostituierten, Opiumsüchtigen und Alkoholikerinnen veröffentlichte. Vielmehr wollte er auf die gesellschaftlichen Missstände hinweisen, die die Frauen ins soziale Abseits beförderten. „Zu wenig Parfüm, zu viel Pfütze“ heißt die Ausstellung, die das Bröhan Museum Hans Baluschek zum 150. Geburtstag widmet (bis 27. September). Berlin, du graue alte Arbeiterstadt! Hier sieht man, wie es damals zuging. Und freut sich fast über das Heute. Tickets für 8 Euro können online gebucht werden (3 Tage im Voraus!) – oder Sie gewinnen welche bei uns. Wir verlosen bis 12 Uhr 2x2 Freikarten, die bis Ende Juni eingelöst werden können. Schlossstraße 1a, Charlottenburg, Di-So 10-18 Uhr
Ganz ohne Gedrängel – Wie sich der Kunstgenuss mit Zeitfenster und Mund-Nase-Schutz anfühlt, hat die Kultur-Redaktion in fünft Museen getestet – ihren Erfahrungsbericht finden Sie hier.
Wissenschaft im Wohnzimmer – Was haben ein Solarzellenforscher, eine Neurowissenschaftlerin und eine Archäologin gemeinsam? Genau, sie alle greifen gewissermaßen nach den Sternen, wenn sie heute Abend um 20.30 Uhr nacheinander auf der Bühne im Zeiss Großplanetarium ihre Forschungsprojekte präsentieren – in nur 10 Minuten. Die ZuschauerInnen verfolgen den Science Slam mit ausreichend Sicherheitsabstand per youtube-Livestream. Im Anschluss wird abgestimmt, wer Slampion wird. Welche intergalaktischen Formate die Stiftung Planetarium Berlin in den kommenden Wochen geplant hat, steht hier.
„Wildes Berlin“ hat ausnahmsweise nichts mit Kreuzberg zu tun, sondern ist der Titel einer neuen Videoreihe der Stiftung Naturschutz Berlin. Darin zu sehen: Derk Ehlert, Wildtierexperte der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, wie er durch die Reviere von Fuchs und Habicht streift – mitten in Berlin. In der ersten Folge trifft er im Tiergarten auf ehemalige Gefangene, fährt eine runde Karussell mit Eisvögeln und rückt invasiven Arten zu Leibe – da behaupte nochmal einer, hier gibt es nur Nachtigallen und Wildschweine.
Apropos Singvögel: Im Naturkundemuseum wird heute die Frage geklärt, ob Nachtigallen berlinern. Der Vortrag zur Sprache der Vögel beginnt um 17 Uhr und wird auf Facebook gestreamt.
Last-Minute-Stream (ein Tipp von „Ticket“-Kollege Jörg Wunder) – Kein Statement gegen das Kino soll die Online-Edition des DOK.fest München sein, sondern ein Lebenszeichen für außergewöhnliche Dokumentarfilme, die sonst nirgendwo zu sehen sein würden. Die Organisatoren von Deutschlands wichtigstem Dokumentarfilmfestival haben sich bewusst gegen die vermeintlich urheber- und kostenlose Content-Kultur im Netz entschieden: Die Ticketpreise für den Onlinefilmgenuss sind mit 4,50 pro Filmund 50 Euro für den Festivalpass aber moderat. Das Themenspektrum der über 120 Filme ist gewaltig: Body-Positivity in Dänemark, Walfang der Tschuktschen, ein Pop-Star als Minenarbeiter, Pferdeflüsterer in Kanada, orthodoxe Juden am Strand von Tel Aviv, die Welt der Swingerclubs oder die Geschichte der legendären Rockgruppe „The Band“ sind nur ein kleiner Ausschnitt eines cineastischen Universums, das noch bis zum 24. Mai zu erkunden ist.
Mit diesen Tipps wünscht Stefanie Golla einen erlebnisreichen Donnerstag.
Berlin heute
Verkehr – BVG: Bis Montagfrüh, 3 Uhr, ist die U5 zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz unterbrochen. Ersatzweise fahren Busse, die in Richtung Alexanderplatz allerdings nicht an der Schillingstraße, dafür aber an der Straßenbahnhaltestelle „Büschingstraße“ halten.
A10 (Südlicher Berliner Ring): Für Markierungsarbeiten steht in Richtung Dreieck Potsdam (Magdeburg) zwischen Michendorf und Ferch tagsüber nur ein Fahrstreifen zur Verfügung.
A111 (Reinickendorf-Zubringer): Wegen dringender Fahrbahninstandsetzungsarbeiten in der Trogstrecke vor dem Tunnel Tegel Ortskern wird die A111 ab 6 Uhr bis Montag, 5 Uhr, in Richtung Oranienburg zwischen Holzhauser Straße und Waidmannsluster Damm gesperrt.
Grunerstraße/ Otto-Braun-Straße (Tunnel Alexanderplatz): Wegen Wartungsarbeiten ist die Fahrbahn Richtung Greifswalder Straße von mittags an auf einen Fahrstreifen verengt (bis Freitag ca. 16 Uhr).
Demonstration – In der Bernhard-Weiß-Straße, in der Nähe der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, ist ein „(Schul)Streik in Kritik an der Schulöffnung“ mit 50 Teilnehmenden in der Zeit von 10 bis 14 Uhr angemeldet. Auf dem Platz der Republik treffen sich ebenso viele Menschen zu einer „Kundgebung gegen Verschwörungstheoretiker“ (11-17 Uhr). In der Invalidenstraße übergibt Campact e. V. eine Petition unter dem Motto „Coronasoforthilfe reicht nicht aus – lasst uns nicht im Regen stehen“ (13.30-15 Uhr). „Ein Konzert auf Distanz“ soll stattfinden vor dem Seniorenpflegeheim Wiesengrund in Spandau von 16 bis 18 Uhr. In der Schillerstraße 71 startet um 18 Uhr zur „Happy Hour“ ein „gemeinsamer Spaziergang zum Bundestag“. Und in Dahlem treffen sich zur gleichen Zeit 15 Menschen Am Erlenbusch unter dem Motto: „Wir setzen uns für die Einhaltung der Abstandsregeln in öffentlichen Parks und Grünflächen ein“ (bis 20 Uhr).
Gericht – Neustart im Prozess gegen einen Judotrainer (42) wegen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Verein. Der erste Prozessanlauf war Ende April geplatzt, nachdem die Verteidigung eine Schöffin erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte (13 Uhr, Kriminalgericht Moabit, Turmstraße 91, Saal B 219).
Heimuniversität – „Digital ist man weniger allein?“, lautete die Frage beim Digitalen Salon im Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) am 29. April. Mit dabei war auch Wenzel Mehnert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für zeitbasierte Medien der UdK. Ob digitale Kommunikation trotz Social Distancing uns näher zusammenbringt oder körperliche Kontakte uns mehr fehlen, als wir denken, erfahren Sie hier.
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – Klaus Jürgen Bade (76), Historiker, Migrationsforscher und Publizist / „Meiner lieben Freundin Elfie zum 60. nur das Beste + einen guten Start zum Jobwechsel. Bleib, wie Du bist, Du bist klasse ❤“ / Erik Gerntke (21), Handballspieler bei den Füchsen Berlin II / Vera „Veruschka“ Anna Gottliebe Gräfin von Lehndorff (81), Schauspielerin und Model / Gerhard Haase-Hindenberg (67), Schauspieler, Regisseur, Publizist und Buchautor / Helga, „alles Liebe zum Geburtstag aus Charlottenburg und viele weitere erholsame Spaziergänge im Britzer Garten“ / Max Kaase (85), Politikwissenschaftler / Oliver Polak (44), Comedian und Autor / Jens Sparschuh (65), Schriftsteller / Jörg-Otto Spiller (78), SPD-Politiker (1999-2008 finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion)
Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Gestorben – Rudi Biebl, verstorben am 18. März 2020 / Dr. med. Gerhard Linke, * 27. November 1926 / Alexander Stedtfeld, * 13. März 1957, Oberregierungsrat und Wirtschaftsreferent in der Deutschen Botschaft Neu-Delhi
Stolperstein – In der Martin-Luther-Straße 107 in Schöneberg erinnert ein Stolperstein an Toni Leiser, die am 8. November 1880 in Berlin als Toni Maschke geboren wurde. Wenig ist überliefert über die Malerin und Grafikerin, die Zwangsarbeit leisten musste und am 5. August 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Heute vor 77 Jahren wurde sie dort ermordet.
Encore
Auf Abstand, aber nicht allein: Wie man Nachbarschaft in Coronazeiten neu denken kann, zeigt der Berliner Schauspieler Sebastian Urzendowsky mit einem kleinen Social-Distance-Corona-Network-Projekt in Friedrichshain. Gemeinsam mit anderen Hinterhof-Bewohnern („Wir kannten uns vorher nicht wirklich gut“) hat er aus rund 50 Metern Wäscheleine, 40 Metern Nylonseil, zwei / drei Körben und ein paar Nudelhölzern die unterschiedlichen Etagen von Fenster zu Fenster mit selbstgebauten Seilbahn-Verbindungen vernetzt. Drei Tage wurde gebaut. Jetzt werden sich über den Hof Äpfel, Wein und Briefchen geschickt. Das Video (zum Nachbauen) gibt's hier. Für mehr Fernvielsamkeit.
Unsere Verbindung zu Ihnen bleibt auch morgen wieder stabil. Lorenz Maroldt übernimmt. Machen Sie's gut!
Ihre