Regen, Gewitter, 14 bis 21°C

Berlin fehlen hunderte WarnsirenenBau der Einheitswippe steht seit Monaten stillBezirke bangen um Stellen in den Wahlämtern

Zum Start gleich mal eine Warnung. Nicht wegen des heutigen Vormittags im Regen, der für die spätsommerlich aufgeheizte Stadt mal wieder zum Segen wird. Sondern wegen des morgigen Vormittags. Da wird‘s laut – aber bitte nicht aufregen! Beim bundesweiten Warntag schrillen am Donnerstag ab 11 Uhr alle Alarmglocken auf den Handys und Sirenen auf den Häusern, sofern es sie für den Katastrophenfall noch gibt. Wie viele Warnsignale in Deutschland noch aus Kalte-Kriegs-Zeiten übrig sind, weiß nicht einmal das Bundesamt für Bevölkerungsschutz.

In Berlin sollten eigentlich bis Jahresanfang mehr als 400 neue Sirenen installiert werden, etwa auf Feuerwachen und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Bisher sind von den 411 Sirenen nur etwa 110 aufgebaut worden, teilt die Innenverwaltung auf Checkpoint-Anfrage mit. Als Gründe werden „Lieferengpässe und statische Probleme bei der Montage“ genannt. Und: „In Berlin werden am Warntag die Sirenen nicht ausgelöst, da es noch keine Möglichkeit gibt, die Sirenen über das Modulare Warnsystem auszulösen.“ Erst zum nächsten Jahresanfang soll hier vollständig Alarm gemacht werden können. Bis dahin gilt hoffentlich wie auch morgen Mittag: Entwarnung!

„Liebe Fahrgäste! Wir wollen pünktlich für Sie abfahren.“ Mit diesem schönen Vorhaben begrüßt die S-Bahn ihre Kundinnen und Kunden alltäglich aufs Neue, um dann in Durchsagen mitzuteilen, man solle doch beim Einsteigen bitteschön die gesamte Länge des Zuges nutzen und nach dem Einsteigen bitteschön den gelb markierten Türbereich räumen, damit die Türen automatisch schließen können. Sind also am Ende die Fahrgäste daran schuld, dass die Züge andauernd zu spät kommen? Eine Anfrage des Checkpoint dazu ließ die S-Bahn am Dienstag unbeantwortet. Stand da vielleicht jemand falsch in der Tür?

Seit Jahren wippt es schon hin und her, das Verfahren um den Bau der Einheitswippe. Das Freiheits- und Einheitsdenkmal vor der überflüssigen Stadtschloss-Attrappe macht Berlin durch jahrelange Debatten und Bauprobleme langsam überdrüssig. Dabei ist die Idee einer großen Wippe, die vom Volk bewegt wird, ja wenigstens einmal eine originelle. Originalgetreu für Berlin kommen aber nun Verzögerungen und Verteuerungen hinzu. Nach Checkpoint-Informationen aus kulturpolitischen Kreisen bewegt sich bei der Fertigstellung seit Monaten nichts, da offenbar ums Geld gestritten wird. Lieferprobleme und Kostensteigerungen treiben den Preis, zudem ist noch immer nicht ganz klar, ob für das bewegliche Denkmal die Bauvorschriften einer Brückenkonstruktion einzuhalten sind.

Der Bau des Denkmals geht bald selbst in die Geschichte ein, denn vom Bundestag beschlossen wurde er bereits 2007. Danach brachten Wettbewerbe, Meinungsverschiedenheiten im Siegerteam über die Konstruktion, Bedenken von Denkmal- und Tierschützern etwa wegen wilder Fledermäuse sowie Finanzierungslücken die Wippe zum Stehen. Die vorvorletzte Eröffnung war 2019 geplant, die vorletzte 2022, die letzte im vergangenen Jahr, die allerletzte in diesem Jahr. Als nächster Termin steht nun der Herbst des kommenden Jahres im Raum. Aber auch das wird angesichts des neuerlichen Stillstands immer schwieriger.

Offiziell zuständig ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), deren Haus auf Checkpoint-Anfrage allerdings auf den Generalübernehmer verweist. Dieser habe „mit Schreiben von Ende August mitgeteilt, dass das Freiheits- und Einheitsdenkmal nicht zum 3. Oktober 2023 fertiggestellt werden kann“. Gründe seien demnach Schwierigkeiten mit einem Stahlbauunternehmen. In Baukreisen heißt es allerdings, dass diese Lage bereits seit Winter bekannt sei. Das für den Bau beauftragte Stuttgarter Architekturbüro Milla & Partner lässt auf Checkpoint-Nachfrage wissen, man sei weiterhin an einer konstruktiven Lösung mit dem Bund als Bauherren interessiert, um endlich alle offenen Fragen zu besprechen. Eine Sprecherin Roths versichert, dass sich „alle Beteiligten weiterhin um eine baldige Fertigstellung bemühen“, lässt aber vielsagend wissen: „Konkrete Zahlen in Bezug auf mögliche Kostensteigerungen können zu diesem Zeitpunkt nicht genannt werden.“

Roth, die schon beim Documenta-Skandal die richtigen Entscheidungen zur Aufklärung scheute, weiterhin die dringend nötige Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verschleppt und zuletzt mit der Berlinale Deutschlands größte Kulturveranstaltung ins personelle Chaos stürzte und dafür weltweit kritisiert wird (Analyse von Christiane Peitz hier), scheint auch beim Einheitsdenkmal wieder abzuwarten, wie lange sie warten kann. Nur, auf was? Dass jemand endlich Kulturpolitik macht? Eine Wippe bewegt sich nicht, ohne dass man selbst den Anstoß gibt.

So, das war’s erst mal mit dem Sommer – zumindest bis zum Wochenende. Zeit, sich an besondere Momente der Hitzigkeit zu erinnern. Zum Beispiel diesen hier: „Sie sollten sich was schämen! Dreckspack!“ Dieser Wutausbruch eines Familienvaters mit drei Kindern hat sich am Strandbad Wannsee ereignet, der Grund: Ohne Personalausweis durfte die Familie nicht planschen. Auch vor anderen Bädern wurde gebrüllt, gestritten und geweint – und drinnen kam es auch in diesem Jahr zu Rangeleien, Prügeleien und Beschwichtigungseinsätzen der Polizei. Zum Ende der Freibadsaison möchten wir daher Ihre Geschichten hören: Was haben Sie diesen Sommer in Berlins Freibädern erlebt? Eindrücke, Lobeshymnen und Kritik bitte an checkpoint@tagesspiegel.de. Damit der nächste Sommer nicht ins Wasser fällt.

Telegramm

Berlin ist voller guter Meldungen. Glauben Sie nicht? Bitte sehr:

40 Menschen haben gestern in Spandau mit bloßen Händen einen Linienbus in Spandau angehoben, um einen 18-Jährigen zu befreien, der unter die Räder geraten war. Nächster Halt: Zusammenhalt.

Die Straßenbahn fährt seit dem Wochenende vom Hauptbahnhof weiter nach Moabit – und ist bereits beliebt. Die Fahrerinnen und Fahrer der M10 „berichten uns einstimmig, dass die Strecke bereits sehr gut angenommen wird“, lässt die BVG auf Checkpoint-Anfrage wissen. Bald soll die verlängerte Strecke noch bis Jungfernheide verlängert werden. Bitte fahren Sie weiter, es gibt viel zu sehen!

Berlinerinnen und Berliner ab 16 Jahren dürfen bald wählen gehen. Das hat gestern der Senat beschlossen (nicht „beschossen“, wie wir gestern hier geschieben haben). Die Demokratie macht sich zwei Jahre jünger – und damit lebendiger.

Im Alter von 101 Jahren hat die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer eine Stiftung zur Förderung von Freiheit und Demokratie gegründet. Die Berliner Ehrenbürgerin sagte dazu: „Ich spreche für die, die nicht mehr sprechen können. Für die sechs Millionen Menschen, Männer, Frauen, Kinder, die man umgebracht hat, nur weil sie Juden waren.“ Auch in einer Zukunft ohne Zeitzeugen soll die Stiftung weiterhin Zeugnis geben, was von Berlin aus geschehen ist und nie wieder geschehen darf.

Huch, Pankow sucht Mitarbeitende im Bezirkswahlamt „zur Abwicklung von Wiederholungswahlen im Land Berlin“, befristet von September bis Dezember. Ist schon wieder ein Jahr rum?

In der Zeitschleife wähnt sich zumindest der Bezirks- und Kreiswahlleiter von Lichtenberg, Axel Hunger. In einem Brandbrief an Abgeordnete und das Bezirksamt, der dem Checkpoint vorliegt, warnt er vor der Streichung von geplanten 36 Stellen in den Bezirkswahlämtern im neuen Landeshaushalt. Mit den bisher nicht genehmigten Stellen sollten „die Bezirkswahlämter auch personell in die Lage versetzt werden, die künftigen Wahlen (und es werden in den nächsten Jahren diverse Wahlen stattfinden) ordnungsgemäß vorzubereiten und durchzuführen“, schreibt Hunger und warnt: „Nur so werden wir das Vertrauen auf die funktionierende Demokratie auch in der Bevölkerung wieder zurückgewinnen.“ Und in eine Verwaltung, die nicht nur in Dauerschleife den Personalmangel verwaltet.

Sonst noch was? Der Berliner Feuerwehr muss die Gürtel immer enger schnallen. Sie sucht per Ausschreibung 600 Gürtel aus „Rind- oder Rindvollleder“ in verschiedenen Längen von 90 bis 105 cm. Zur Not tut’s vielleicht auch ein Schlauch.

„Lieber Oskar!“ So beginnt eine neue Geschichte von zwei alten Herren. Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine suchen nach 24 Jahren offenem Zerwürfnis die Versöhnung und schicken sich öffentliche Geburtstagsglückwünsche (via „Stern“). Der Titel für eine Verfilmung steht auch schon: Liebesgrüße aus Moskau.

Das hat der Friedrichstraße noch gefehlt: Nach Durchgangsparkplatz, Radschnellstrecke, Fußgängerödnis, Wahlkampfpiste und Autoschneise wird sie nun zur Wildwasserbahn. Wegen eines Rohrbruchs ist die Straße auf der Kreuzberger Seite bis Ende September für Autos gesperrt.

Wir schließen daher mit dem Gedicht „Meeres Stille“, das Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1795 der Friedrichstraße gewidmet hat:

Tiefe Stille herrscht im Wasser, /
Ohne Regung ruht das Meer, /
Und bekümmert sieht der Schiffer /
Glatte Fläche ringsumher. //
 
Keine Luft von keiner Seite! /
Todesstille fürchterlich! /
In der ungeheuern Weite /
Reget keine Welle sich. //

Zitat

„Es war ein Gefühl … man weiß gar nicht, was morgen ist, weil die Welt sich durch eine Nacht komplett für uns in Europa verändert hat.“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der nachdenklichen Dokumentation „Ernstfall“ über die Nacht des Überfalls Russlands auf die Ukraine – zu sehen in der ARD-Mediathek.

 

Tweet des Tages

Die letzte Halbzeit Rudi Völler, bevor die Grünen es verbieten.

@dax_werner

Stadtleben

Trinken – Bekannter Name, neuer Ort: Ursprünglich war „Not only Riesling“ eine preisgekrönte Kombination aus Weinhandel und Weinbar am Marheinekeplatz. Jetzt gibt es einen neuen Laden direkt am Parkeingang zur Hasenheide. Der ist wieder vieles: Weinbar mit Tresen, eine Feinkostvitrine vereint italienische Wurstwaren mit den regionalen Käsen von Fritz Blomeyer, guten Espresso gibt es auch. Mit dabei sind viele Flaschen von Winzerinnen und/oder aus Bio-Produktion. Außerdem: Weinseminare, ab und zu auch Lesungen. Mo bis Sa 14-22 Uhr, Hasenheide 78, Südstern

Kiekste

Riesenraubvogel am Platz des 18. März gesichtet. Ach so, halt, wir sind ja gar nicht mehr im Sommerloch. Also nochmal: Spatzenfrühstück am Brandenburger Tor. Bezeugt und abgelichtet von Kollege Lars von Törne. Auch Ihre spektakulären Berlinbilder erreichen uns per checkpoint@tagesspiegel.de!

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Berliner Gesellschaft

Geburtstag – „Der lieben Gesa Bahrenberg alle guten Wünsche zum Geburtstag. Herzlichen Gruß Hartmut“ / „Rainer Rees hat heute Geburtstag! Wir wünschen von  ♥️ alles Gute und vermissen dich sehr in Berlin. Dein Goldfasan mit Gefolge“ / Maria Furtwängler (57), Schauspielerin („Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm), spielt auch Theater, u.a. im Berliner Theater am Kürfürstendamm / „Dem geschätzten Kollegen vom Front-Office, Thomas Heth, alles Gute zum Jubeltag“ / Burghart Klaußner (74), Schauspieler („Die fetten Jahre sind vorbei“, aktuell im Kino: „Die Unschärferelation der Liebe“), er hatte u.a. Engagements an der Schaubühne am Halleschen Ufer und am Maxim-Gorki-Theater in Berlin / Norbert Leisegang (63), Musiker, Mitbegründer der Gruppe Keimzeit / Olaf Nicolai (61), Künstler, Professur an der Akademie der Bildenden Künste München / „Die ehemalige Kostümbildnerin und Checkpointleserin Martina „Tini“ Sudikatus feiert ihren 77. Geburtstag! Der weltbesten Köchin und dem, ganz nebenbei, klugen Geburtstagskind alles, alles GUTE, das wünscht in Liebe Dein Sudi ❤️“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie uns bis Redaktionsschluss (11 Uhr) einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Claus Boje, * 26. Mai 1958, Produzent, Verleiher, Kinobetreiber / Wolfgang Herter, * 16. November 1935 / Kurt Erich Leonhard Kreppner, * 8. März 1938 / Monika Petrick, geb. Schneider, * 14. Juli 1938 / Hannelore Seiter, geb. Frey, * 4. Juli 1940, Rechtsanwältin und Notarin a. D.  / Peter Umbsen, * 29. Dezember 1939

StolpersteinKlara Adler wurde am 26. Juli 1872 in Niedamowo bei Danzig geboren. Sie war verheiratet mit dem Musiker Julius Dienegott Adler. Das Paar hatte fünf Kinder. Um 1915 zog die Familie nach Berlin. Als Angehörige einer Familie von Roma und Sinti wurden das Paar und seine Kinder ab 1933 immer stärker diskriminiert. Am 23. März 1943 wurden Klara und Julius Adler verhaftet und Ende März 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Klara Adler wurde am 13. August 1943 dort ermordet, Julius Adler bereits am 24. Mai. An beide erinnert ein Stolperstein in der Großen Hamburger Straße 40 in Mitte.

Encore

Sprüche machen kann jeder, erst recht in Berlin. Aber Sprüche schreiben, die 700 Jahre halten – wem gelingt das schon? Blättern wir mal in altem Pergament und siehe da: „Zweierlei Wissen gibt es in diesem Leben über das ewige Leben. Das eine beruht darauf, dass Gott es dem Menschen selber sage oder durch einen Engel entbiete oder es ihm durch eine sonderliche Erleuchtung dartue. Das geschieht selten und wenigen Leuten.“ Der Mystiker Eckhart von Hochheim, bekannt als Meister Eckhart, hat dieses Fragment um 1300 in Thüringen geschrieben. Nun wurden seine Gedanken zu Gott und der Welt auf Pergamentresten an der Universitätsbibliothek Leipzig entdeckt (via Deutschlandfunk). Ein Fund, der uns neu suchen lässt nach Worten, die bleiben.

Welchen Spruch wird man in 700 Jahren einmal über das heutige Berlin finden? Was glauben Sie?

Mit mir nach den richtigen Worten gesucht haben diesmal Lotte Buschenhagen (Recherche), Antje Scherer (Stadtleben) und Florian Schwabe (Produktion). Morgen setzt hier Stefan Jacobs den richtigen Punkt. Ich grüße Sie!

Ihr Robert Ide

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