Guten Morgen, zum Start heute mal eine kleine Alliteration: Machtmensch Merkel marodiert munter weiter - erst der „Anschlag auf die Demokratie“ (Martin Schulz), jetzt der „Anschlag auf die Bürokratie“ (Checkpoint): Ihr Ja-Wort zur „Ehe für alle“ gibt den angeschlagenen Berliner Standesämtern garantiert den Rest – sie hatten ja auch nur 25 Jahre Zeit, sich auf den Tag XX rsp. YY vorzubereiten. Am Freitag ist es nun endlich soweit: Der Bundestag stimmt ab über ein Gesetz, dessen Beratung im Rechtsausschuss alleine in dieser Legislaturperiode von Union und SPD sensationelle 30 Mal verschoben wurde, Motto: „Drum prüfe, wer sich ewig windet“. Merkel hebt dafür sogar den verfassungsrechtlich gar nicht existenten Fraktionszwang auf und erklärt das Votum zur „Gewissensentscheidung“ – die Abgeordneten müssen nun also ganz alleine mit sich und gegebenenfalls noch mit dem lieben Gott ausmachen, ob sie das den Berliner Standesämtern wirklich antun möchten (psst…Ja!!!).
Zu den weiteren Meldungen von heute: „Erste G20-Chaoten nach Hause geschickt“ titelt der „Kurier“, und die „B.Z.“ begrüßt ihre Leser mit der schöne Zeile „Prost Prollizei“ - alle sind empört über die Hundertschaften aus Berlin, die vor ihrem Hamburg-Einsatz in ihren Unterkünften bei Bad Segeberg ein bisschen Party gemacht haben. Aus dem Bericht der geschockten Wachschützer: „Ein Polizistenpärchen hatte Sex an einem Zaun“, andere „urinierten wild“, es gab „ein großes Gelage“, eine „Schlägerei mit einer Einheit aus Wuppertal“, und dann tanzte auch noch eine Beamtin „in einem Bademantel mit einer Waffe in der Hand auf dem Tisch“. So ähnlich liest sich das auch im Chatverlauf von Beteiligten: Da ist die Rede von „Tanzen auf Containern“, „Fickerei“ und „Strippen mit Waffen“, außerdem:„Pissen im Zugverband“ (Q: rbb) - etwas Restordnung gab es also noch. Der Senat erklärte nach intensiver Recherche, dass sich die Polizisten nicht mit Ruhm bekleckert hätten - wenigstens das also blieb uns erspart. So leicht lassen wir uns nicht unseren Ruf ruinieren.
Sie erinnern sich an die „Blumenhalle“, dieses Biest der Berliner Bürokratie? Der Senat hatte sie 2015 hektisch der IGA abgekauft (Kosten: 2 Mio) und als Flüchtlingsunterkunft aufs Tempelhofer Feld verfrachtet - dafür wurde sogar das Thf-Volksentscheid-Gesetz geändert. Es stellte sich heraus: zum Wohnen ungeeignet. Dann sollte sie als Freizeitbereich genutzt werden, es fehlte nur noch die Bauabnahme. Vor einem Jahr hieß es: Die Inbetriebnahme verzögert sich. Vor einem halben Jahr: Die Halle soll abgebaut werden - natürlich blieb sie stehen. Gestern nun fragte im Senat Justizsenator Dirk Behrendt, was da los ist. Allgemeine Ratlosigkeit. Am Ende lamentierte der Regierende über die schwerfällige Verwaltung und stellte fest: In dem Ding kann man nicht mal Fußball spielen. Tja, vielleicht versuchen sie es demnächst besser mit Blümchen - ein paar Beete Vergissmeinnicht rein, und dann funktioniert das Ganze als Denkmal für die Flüchtlingspolitik.
Vorgestern der Versuch einer vorsichtigen Kontaktaufnahme mit der Pressestelle der Verkehrsverwaltung - die einfache Frage (auf Bitte auch schriftlich eingereicht): Wie steht es denn mit folgendem Satz aus dem Koalitionsvertrag (S. 43): „Die Koalition wird ein Konzept für den Reisebusverkehr erarbeiten, mit dem das Parken und Abstellen von Reisebussen in der Innenstadt stadtverträglich geregelt und eingeschränkt wird.“ Antwort bis heute früh: keine. Offenbar steht nicht nur das Konzept im Stau (vor ihm ein paar Dutzend Reisebusse im Mitte-Nebenstraßen-Chaos).
Kleines Rätsel: Wie viele orthographische und sachliche Fehler finden Sie in den folgenden drei Punkten unter der Ankündigung „Juristische Schritte zur Rettung Tegels“ auf der FDP-Website?
Neuer Planfestellungsbeschluss
Wiederruf des Entwicklungsbescheides
Korrektur des Landesentwiklungsbescheides
Tilman Heuser, Geschäftsführer des BUND und Volksentscheid-Profi, fand sechs: 1) Planfeststellung (plus ein st), 2) Widerruf (minus ein e), 3) Entwidmungsbescheides (statt Entwicklungsbescheids), 4) Änderung (statt Korrektur), 5) Landesentwicklungsbescheides (plus ein c), 6) Landesentwicklungsplans (statt -bescheides).
Heusers Kommentar (per Twitter): „Liebe FDP: Eure Argumentation zu TXL ist echt genau so gut wie Eure Rechtschreibung und Verwendung korrekter Begriffe.“
Zerknirschte Antwort der FDP: „Ups. Zheit für ein bässeress Bildunkssisthem!!! (Wird korrigiert, danke für den Hinweis.)“
Und wie viele Fehler finden Sie in diesem Checkpoint? Antworten bitte an checkpoint@tagesspiegel.de Auflösung morgen unter „Korrekturen“ (und nein, ich nehme alles auf meine Kappe, die FDP hat damit nichts zu tun).
Gestern Abend in der Berliner Wohnung von „KiWi“-Verleger Helge Malchow: Sven Regener liest aus seinem neuen Buch „Wiener Straße“ (erscheint am 7. September) - darin ein Wiedersehen mit Frank Lehmann, der durch das düstere Kreuzberg der frühen achtziger Jahre stolpert, jede Menge herrliche Dialoge, Erinnerungen und Beobachtungen. Ein Auszug: „Dort, wo die Bürknerstraße auf den Kottbusser Damm mündete, aber auf der gegenüberliegenden, der Kreuzberger Seite, wurden H.R. dann doch die Arme etwas schwer, vor allem die Kettensäge zerrte an seinen Gelenken…“ Na wie man da eben so rumläuft.
p.s.: Unter allen Einsendern knackiger Kreuzberg-Zitate (kleine Geschichten zählen auch) verlosen wir ein Exemplar der „Wiener Straße“ - bitte an checkpoint@tagesspiegel.de.
Telegramm
Wie wichtig ein Kurs „Stadtkunde für Neuberliner“ ist, zeigt folgende Meldung: Die Bundespolizei übernimmt die komplette Kaserne Spandau, originelle Begründung: dieschnelle Anbindung ans Regierungsviertel über die Heerstraße. (Hinweis für Neuberliner: Wenn Sie nicht als solcher erkannt werden möchten, an dieser Stelle bitte laut lachen und mit Pendlerzeiten ab 1 h aufwärts prahlen).
Falls Sie noch 749.000 Euro übrig haben und nicht wissen, was Sie mit ihrem 800-qm-Loft anstellen sollen: Bei ebay wird gerade die angeblich drittgrößte Modelleisenbahn der Welt verkauft – sie heißt Loxx, und zu besichtigen ist sie im Alexa (dort soll sie weg). Aus der Beschreibung: „Die Steuerung und Überwachung des Verkehrs und der Event-Modi (Tag/Nacht/Unwetter) erfolgt über ein Zweileiter-Digitalsystem mit rund 30 Rechnern und 80 Kameras.“
Schön, bei so viel Technik können Sie damit sicher auch unser Betriebsstörungs-Bingo spielen - die Modulerweiterung des Tages hat uns CP-Leser Claus Dobler geschickt, der gestern das Durcheinander im Bahnhof Karow erlebte, die übermittelte Begründung: „Der Computer des Fahrdienstleiters ist abgestürzt.“ Vermutlich hatte er gerade versucht, zwischen zwei Zügen mit Minecraft den BER nachzubauen.
Wir schreiben den 28. Juni 2017, der Senat buhlt um Startups aus London sowie ausgebildete Arbeitnehmer aus aller Welt und teilt auf Anfrage mit: 1) Es liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft im Jahr 2016 ihren Wohnsitz in Berlin angemeldet haben. 2) Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie hoch der Anteil mehrsprachiger Formulare in der Berliner Verwaltung ist. 3) Es liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, wieviele Mitarbeiter*innen Kundenkontakte auf Englisch führen können. 4) Eines weiß der Senat aber genau: „Mustervordrucke stehen ausschließlich in deutscher Sprache zur Verfügung.“
Immerhin gibt es Zahlen bis 2015, erfragt hat sie der FDP-Abgeordnete Bernd Schlömer unter dem Titel „Thänk you for chusing Berlin - Anmeldung nicht-deutschsprachiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Berliner Unternehmen“ - demnach sind es inzwischenpro Jahr mehr als 100.000. Schlömer fordert deshalb, dass Formulare in englischer Sprache bereitgestellt und englischsprachige Bürgeramtssprechstunden eingeführt werden: „Berlin muss seine Weltoffenheit endlich auch beim Behördenkontakt zeigen.“
Dabei fällt mir ein: Lange nichts mehr gehabt in der Rubrik „Amt, aber glücklich“. Aber jetzt mal wieder! Unsere Kollegin Lone Duff schwärmt „von der tollsten Beamtin, die ich in 37 Jahren Berlin getroffen habe“ - die Checkpoint-Medaille (wahlweise mit Kreuz oder Kran) geht heute an Frau Jahnke von der Staatsangehörigkeitsbehörde Friedrichshain-Kreuzberg. Statt der angekündigten 9 Monate nach Antragstellung im Januar 2017 (das wäre zu spät gewesen für die Teilnahme an der Bundestagswahl) zog sie das Verfahren in 6 Monaten durch – „zuvorkommend, freundlich, reibungslos, effizient“. Gestern war der Einbürgerungstermin, und zur Krönung gab’s noch am selben Tag einen Termin für den Personalausweisantrag. Noch vor einem Jahr hätte zu so einer Geschichte hier jeder gesagt: Träum weiter.
Eher bekannt dagegen kommt uns diese Geschichte hier vor: Wegen „neuer Software“(Platz 1 beim Behördenbingo) verschickt das BA Charlottenburg-Wilmersdorf ab sofort keine Bewohnerparkausweise mehr – die Leute sollen sich die Plaketten jetzt selbst abholen. Hingewiesen wird zudem auf einen Stau von 800 Anträgen – wahrscheinlich drehen die Leute derweil Tag und Nacht in Schichten ihre Runden um den Block, damit sie keine Knöllchen bekommen.
Die Nadel des Tages auf der Checkpoint-Weltkarte steckt heute in Ondangwa (Namibia) - Klaus-Dieter Elstermann von Elster schreibt: „Jeden Morgen freue ich mich auf den nächsten Checkpoint: Neuigkeiten aus der schönsten Stadt der Welt, meiner Heimatstadt, in der ich über 25 Jahre auf der Plumpe (Gesundbrunnen) meine Hausarztpraxis hatte.“
Noch mal die Erinnerung an unsere Geschichtensammlung zur Bundestagswahl - es geht um’s erste Mal. Wenn Sie uns erzählen möchten, wie es bei Ihnen war, schicken Sie eine Mail an wahl@tagesspiegel.de.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Kein Service“
Klare Ansage auf einem Gastronomieschild bei der Internationalen Gartenausstellung. Checkpoint-Hinweis: „Kein Service“ ist auch dort, wo scheinbar Service vorhanden ist. Das muss also auch noch wachsen (wie die Besucherzahlen).
Tweet des Tages
„Wer hat denn da die Volksbühne besetzt?“
Antwort d. Red.: Der frühere Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt postet dazu ein Foto des Zeltlagers rund um das berühmte Rad, das die Volksbühne demnächst auch noch ab hat (der Dachschaden durch das demontierte „OST“ ist ja bereits dokumentiert).
Stadtleben
Burritos essen in Kreuzberg Seit 2015 bieten die Freunde Frida, Oswaldo und Schlomberta im Chupenga am Gendarmenmarkt (Mohrenstraße 42) einen bezahlbaren Imbiss in Form von rundgerollten Burritos an (6-8 Euro). Seit Kurzem gibt es die mit Huhn, Schwein, Rind oder Gemüse, Bohnen und Quinoa gefüllten Teigtaschen auch in der Charlottenstraße 4 – mit Blick auf Kai Diekmanns Penis gegenüber vom taz-Haus (U-Bhf Kochstraße). Genauso nackt kann man sich auch den Burrito liefern lassen, also ohne Teig. Vorsicht mit der grünen „El Yucateco“, die auf jedem Tisch steht, der Schärfegrad liegt im Kamikaze-Bereich. Da helfen dann auch keine Aguas Frescas mehr, die man für zwei Euro immer wieder nachfüllen kann. Mo-Fr 8-20 Uhr
Trinken in der Derby Klause ist gleichzeitig ein Ausflug ins Grüne, denn die Kneipe mit großem Biergarten (bis zu 90 Personen finden hier Platz) in Zehlendorf liegt zwischen dem Museumsdorf Düppel und der Tierklinik der FU, direkt neben Pferdekoppeln. Seit 38 Jahrenbewirten Astrid Tebel und ihr Sohn Sascha Groß ihre Gäste mit Bier und Bauernfrühstück - das ist so urig, wie es klingt (angenehm weit weg vom hippen Hipster-Chic). Zu finden in der Robert-von-Ostertag-Straße 30 (S-Bhf Mexikoplatz), geöffnet tgl. ab 12 Uhr. Mehr Tipps aus Steglitz-Zehlendorf gibt es morgen wieder im Bezirks-Newsletter von Boris Buchholz.