Guten Morgen, weltweit sind nach Angaben der UN 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror, Unterdrückung und Elend, 40,3 Millionen innerhalb ihres Landes - das sind mehr als je zuvor gezählt wurden. Zum heutigen Weltflüchtlingstag haben wir im Tagesspiegel auf den Seiten 1, 2 und 3 die Fluchtursachen und -bewegungen nachgezeichnet, Sebastian Leber beschreibt in einer Reportage (hier bei Blendle) denÜberlebenskampf im Mittelmeer, und Anna Sauerbrey kritisiert in ihrem Leitartikel die Zahlungen an korrupte, zerfallende Staaten wie Libyen zur vermeintlichen Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Lagern. Ihr Fazit: „Es geht um die Menschenwürde – und um die Würde Europas.“
Wir bleiben noch kurz beim Thema, denn die UNO-Flüchtlingshilfe, deutscher Partner des UNHCR, ruft heute zur Unterzeichnung einer Petition auf und bittet um Spenden zur Unterstützung ihrer Arbeit. Die Aktionen zum Weltflüchtlingstag werden heute von vielen deutschen Medien begleitet, unter anderem mit einer „Bloggerparade“ unter dem Hashtag #WithRefugees.
Die zwölf Kabelbrände bei der Bahn gestern gelten definitiv NICHT bei unserem Betriebsstörungsbingo - sie waren offenbar das Werk selbsternannter Revolutionäre (vermutlich eine Übung für G20 in HH, aber wir haben ja alle mal klein angefangen). Der S-Bahn-Verkehr ist deswegen auch heute noch eingeschränkt, hoffentlich wird die Welt dadurch wenigstens ein kleines bisschen gerechter. Verbindungen zur Randale in der Rigaer Straße liegen so gewichtig auf der Hand wie ein Pflasterstein - Innensenator Geisel nennt die Täter „brutale Gangster“ und stellt fest, dass die meisten gar nicht in Berlin wohnen, sondern nur zu Besuch sind. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann kommentiert per Twitter: „Touris der besonderen Sorte - Augen auf bei der Zimmervermietung!“ Ob Geisel die Sache im Griff hat, dazu heute auch der Kommentar um kurz nach 8 bei Radioeins.
Ziemlich schmallippig reagierte Finanzstaatssekretärin Margaretha Sudhof auf Fragen von CDU-Generalsekretär Stefan Evers (gerade mit 79,6 % im Amt bestätigt) zum neuen Flughafen-Berater, dem früheren SPD-Sprecher Lars Kühn: „Der Senat kann nicht erkennen, dass sachfremde Erwägungen angestellt worden wären“ ist einer der längsten Sätze. Die konkreteste Auskunft betrifft das Personal der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - hier gibt’sinsg. 24 „Vollzeitäquivalente“. Nicht ungewöhnlich für ein Unternehmen wie die FBB - aber der „Fortschrittsbericht Mai“ ist immer noch nicht veröffentlicht.
Schätzen Sie mal, wie viele Kinder der Facharzt Steffen Lüder am Montag vor einer Wocheinnerhalb von sechseinhalb Stunden in seiner Praxis am Prerower Platz (Hohenschönhausen) behandelt hat? Na? Auflösung: Unfassbare 82. Der Grund dafür ist aber nicht etwa eine Epidemie, sondern die ungleiche Verteilung der Mediziner auf die Bezirke (betrifft alle Fachrichtungen). Die Gesundheitsstadträte von Neukölln (Falko Liecke, CDU) und Lichtenberg (Katrin Framke, für die Linke) wollen das jetzt ändern - mit kommunalen Praxen. Wie das funktionieren soll, beschreibt hier mein Kollege Hannes Heine.
War mal wieder jede Menge los in Brandenburg – aus dem Polizeibericht: „Ein dreister Dieb begab sich auf ein Feld bei Reuden und ‚erntete‘ unberechtigt 14 Gurken“ (Festnahme, die Kripo ermittelt), „Aufgrund fehlender Thermik musste ein 16-jähriger Segelflieger in einem Kornfeld notlanden“, „Opelfahrer mit 4,29 Promille auf der Autobahn unterwegs -
der PKW wurde zum Zwecke der Einziehung als Tatmittel sichergestellt“ und: „Auf einem verlassenen Grundstück zog die Polizei acht Cannabispflanzen aus der Erde“. Hinweis für Neuberliner zur letzten Meldung: Bei uns ist für sowas das Grauflächenamt Mitte zuständig, auch wenn es sich um unrauchbare Gänseblümchen handelt.
Sein großes Thema war das Klima, die Erderwärmung, die drohende Katastrophe, und wenn er anrief, war klar: Irgendwo war ihm mal wieder eine Zahl zu klein oder auch falsch dargestellt, ein Kompromiss zu wohlwollend kommentiert, eine Entwicklung nicht dramatisch genug oder gar, schlimmster Fall, optimistisch beschrieben worden. Lutz Wicke, 1943 geboren, nach dem Studium Wissenschaftlicher Direktor im Bundesumweltamt, dann, von 1991 bis 1996, Umweltstaatssekretär in Berlin, später Professor an der TU, war so viel leidenschaftlicher als lästig, dass es zwar zuweilen ein wenig anstrengend war mit ihm, aber nie langweilig, immer interessant und oft erhellend. Manchen in seiner Partei, der CDU, war er mit seinem umweltpolitischen Rigorismus etwas suspekt, aber er wirkte authentisch in seiner Sorge, die ihn nie ruhen ließ, weil seiner Welt die Zeit davonzulaufen schien. Hoffentlich hatte er unrecht - es wäre sein größtes Glück. In der Todesanzeige heute im Tagesspiegel schreibt seine Familie: „Mit unendlich viel Dankbarkeit, ein wenig Stolz und großem Bedauern nehmen wir Abschied von einem mit Glück übervoll gefüllten Leben. Einem Leben, das Familie, Freunden, Kolleg/innen, doch vor allem dem Weltklima und den nachfolgenden Generationen gewidmet war.“
Telegramm
Berlin hat seinen Titel als deutscher Meister in der Disziplin „Längster Koalitionsvertrag“ mit der Rekordmarke von 187 Seiten erfolgreich verteidigt – die diesjährigen Herausforderer Schleswig-Holstein (114), Nordrhein-Westfalen (125) und Saarland (154) scheiterten jeweils deutlich.
Dagegen ist die Ausrichtung eines echten Mega-Events an uns vorbeigegangen – die Agentur „tas“ („Emotional Marketing“) meldet: „Sportholzfäller-Elite kommt nach Magdeburg“. Na gut, aber wir machen mit – am besten tritt das Team „Grauflächenamt Mitte“ an („Alles wird von uns entfernt“).
Dabei fällt mir ein: Die Linke will am Donnerstag in der BVV das Bezirksamt per Antrag auffordern, „Bürger*innenengagement zur Begrünung und Bepflanzung von Baumscheiben in ihren Kiezen zu fördern statt weiter zu behindern“ - das Motto in Mitte: Schluss mit dem Gänseblümchenmassacker!
„Der Eindruck, dass es zu Aktenmanipulationen gekommen ist, verfestigt sich“, sagt Sonderermittler Bruno Jost zum Fall Amri. Zusammengefügt sind die Puzzlestücke aber noch nicht.
Wegen der langen Wartezeiten bei den Standesämtern bietet Staatssekretärin Sabine Smentek den Bezirken jetzt Hilfe an - sie können eine „Notfallbestellung“ beantragen (ähm, sorry, ganz so eilig war’s dann doch wieder nicht, „Normalfallbestellung“ reicht völlig aus). Außerdem im Hilfspaket: Die Ausbildung der Standesbeamten kann verkürzt werden - wie wäre es dann gleich mit einer Berliner Blitzzeremonie: „Wolln’se? Jut. Is jebongt. Abmarsch, die Nächsten bitte!“
Falls Sie für Ihre Erfindung (haben Sie doch sicher, oder?) noch „massive Medienresonanz“ und „Awareness in der innovativen Community“ brauchen: Die Investitionsbank lädt heute zum „Innovationsfrühstück“.
Falls Sie aber lieber am Bahnhof Südkreuz rumlaufen, 25 Euro brauchen und wissen wollen, ob die Gesichtserkennungssoftware der Polizei funktioniert - es werden noch freiwillige Tester gesucht. Für alle anderen gilt: Meiden Sie den markierten Bereich. Und falls Sie garantiert gar nicht gefilmt oder verfrühstückt werden wollen: Ziehen Sie sich die Decke über den Kopf und schlafen Sie einfach weiter.
Unsere Checkpoint-Weltkarte füllt sich – heute ist Peter Wunsch aus Saigon dabei, er schreibt: „Vieles im Checkpoint lese ich mit sehnsuchtsvoller Wehmut, vor allem das ‚Stadtleben‘ lässt mich Berlin vermissen! Für eine Currywurst ginge ich meilenweit...“ Wenn Sie auch noch eine Nadel für uns haben, bitte per Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
In der Staatssekretärs-Konferenz haben die Koalitionäre gestern eine halbe Stunde lang „Plumpsack“ gespielt - keiner wollte am Donnerstag bei der Aktuellen Stunde die Hauptverteidigungsrede zur TXL-Schließung halten. Das Motto: Wer sich umdreht oder lacht, kriegt von der Opposition den Buckel schwarz gemacht. Am Ende blieb das Ding bei den Linken liegen - es spricht also Stadtentwicklungssenatorin Lompscher, formal zuständig für „Koordination und Kommunikation der fachlichen Fragen“, Verkehrssenatorin Günther und Regierungschef Müller halten es dagegen lieber mit Ulrich Roski: „Seid nicht feige Leute, lasst mich hintern Baum!“