beginnen wir den Samstag mit einem aktuellen Überblick der Nachrichten aus der Hauptstadt:
+++ Bonuszahlungen beim RBB: Ex-Rundfunkratschefin verstrickt sich in Widersprüche. Im Untersuchungsausschuss sagte die frühere Vorsitzende des Kontrollgremiums aus. Dabei ging es auch um die Direktoren-Gehälter.
+++ Initiator von „Berlin 2030 Klimaneutral“: „Unser Volksentscheid ist schon ein Kompromiss“. Stefan Zimmer von der Bewegung Klimaneustart spricht über die Ziele des Volksentscheids, eine mögliche Umsetzung und erklärt, warum er nicht sofort klagen würde, wenn das Gesetz gebrochen wird.
+++ Koalition, Opposition oder Revolution: Was kann die Berliner SPD retten? Darüber sprechen die Kolleg:innen Lorenz Maroldt und Ann-Kathrin Hipp in der neuen Podcastfolge „Berliner & Pfannkuchen“ u.a. mit Juso-Chefin Sinem Taşan-Funke, Ex-Staatssekretär Mark Rackles und der stellvertretenden SPD-Landesvorsitzende Rona Tietje. Jetzt hier und überall, wo es Podcasts gibt.
Unser Berlin-Ressort von tagesspiegel.de hält Sie fortlaufend über alles Wichtige in und um Berlin auf dem Laufenden.
Zum 175. Mal jährt sich dieses Wochenende die Berliner Märzrevolution, das Festival Maerzmusik erfährt einen Wechsel – und vielleicht eine kleine Revolution – an seiner Spitze und unter dem Motto, „was von anderen hiesigen Revolutionen übrig blieb“, können Sie beim Mauerpark-Flohmarkt in materiellen Zeitdokumenten wühlen oder sich in einer Ausstellung auf dem Pfefferberg zwischen Plattenbauten verlieren. Willkommen im Wochenende!
Samstagmorgen – Dass sich die Märzrevolution 1848 zum 175. Mal jährt, feiert die Stadt mit einem „Wochenende der Demokratie“. So wird an der Ecke Friedrichstraße/Jägerstraße eine Barrikade in Anlehnung an das historische Vorbild errichtet, die keinen Beitrag zur autofreien Stadt leisten, sondern als Ausgangspunkt für stündlich startende Führungen, Spaziergänge und als Infozentrale fungieren soll. Am Brandenburger Tor wird um 12 Uhr mit Ansprachen den Ereignissen um den 18. März gedacht und Künstler Jim Avignon leitet historische Spaziergänge. Wie und wo darüber hinaus noch revolutioniert wird, erfahren Sie hier und hier.
Samstagmittag – Aus der Vergangenheit in die Zukunft: Das Forecast Festival will ein künstlerisches Schlaglicht auf die Zukunft von Körper-Welt-Beziehungen werfen. Eine Reihe etablierter Mentor:innen, darunter Florentina Holzinger, Alia Ibrahim oder Dalisa Chaponda, haben dafür Nachwuchskünstler:innen auserwählt und sie, mitsamt ihrer Produktionen, unter ihre erfahrenen Fittiche genommen. Herausgekommen sind dabei misstrauenswürdige, täuschende Körper (Tom Cassani), der Körper als Tor zum Absurden (Mia Stark), die Natur als Person (Luciana Decker Orozco) oder ein traditionelles pakistanisches Kinderspiel als Quell übernatürlicher Kräfte (Hamza Baig). Aufführungen, Workshops, eine Diskussionsrunde und ein performativer Spaziergang führen ab 15 Uhr im Radialsystem ein in die Ästhetik der kommenden Welt.
Samstagabend – Aus der Zukunft wieder in die Vergangenheit, diesmal in die Renaissance. Wie kaum ein Komponist nach ihm, hat sich der Laute zupfende Barde John Dowland mit Titeln wie „In Darkness let me dwell“, „Come, heavy Sleep“ oder „Flow my Tears“ der Melancholie verschrieben, was unzählige Musikschaffende nach ihm Sympathien für den alten Mittagsdämon hegen ließ. Weltweite Aufmerksamkeit erfuhr er übrigens 2006 durch ein Dowland-Album Stings, sowie durch unzählige Anspielungen des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick. Nach all den Herren nimmt sich nun in der Villa Elisabeth um 19 Uhr Harfenistin Margret Koell des alten Stoffes mithilfe ihrer traditionellen, dreireihigen Harfe an und spielt, neben Dowland, auch den Dowland-inspirierten Henry Purcell sowie ein neues Werk von José Maria Sánchez Verdú.
Sonntagmorgen – Apropos Vergangenheit: Wer mit dem Lauf der Dinge im Allgemeinen nicht einverstanden ist, muss ihn eben in neue Bahnen lenken. Das geht so: Um Punkt 10 Uhr auf dem Mauerpark-Flohmarkt historische Gegenstände zusammenraffen und durch neuartige Zusammenstellung – in der Kunst heißt das Assemblage – bislang unentdeckte Zusammenhänge hervorbringen und sogar ganz neue erschaffen. Das Resultat dann zeigen, vorführen, weitererzählen. Geschichtsrevisionismus der unterhaltsamen Art.
Sonntagmittag – Völlig durcheinander gerät das Spiel aus Vor- und Nachzeit beim Reden über vergangene Zukünfte. Die Musterstadt Ost ist so eine verblichene Zukunftsvision, die den eine Architektur gewordenes Zeugnis gesellschaftlichen Zerfalls ist, den anderen ein Ort voller Kindheitserinnerungen, zwischenmenschlicher Verflechtungen und Zukunftsträume. In Zeiten von Wohnungsnot und Inflation drängt sich die Neubetrachtung der Platte sowieso auf, wieso also nicht auch ihre Re-Ästhetisierung?
Ebendas tun die Künstlerinnen Wenke Seeman, bekannt aus dem Performance-Kollektiv She She Pop, und Marthe Howitz in der Ausstellung „Musterstadt Ost. Eine Neubetrachtung“ mit Fotografien, immersiven Fotomontagen und skulpturalen Arbeiten, in denen auch die eigenen Plattenbiografien verarbeitet werden. Und das weitgehend frei von klischeebehafteter Ostalgie. Heute von 14 bis 19 Uhr ist übrigens die letzte Gelegenheit für den Besuch. Der Eintritt im Meinblau Projektraum (auf dem Pfefferberg) ist frei.
Sonntagabend – Apropos melancholisches Bardentum: Mit dem Seattler Singer-Songwriter Brian Fennell aka SYML steht heute Abend um 21 Uhr eine zeitgenössische Verlängerung der von John Dowland ausgehenden Traditionslinie auf der Bühne des Neuköllner Heimathafens. Wie es sich für einen Melancholiker gehört, handelt das Gros seines Œuvres von unmöglicher Liebe und, so das aktuelle Album, vom Tod: The Day My Father Died ist nicht etwa mit schmerzhaften Klängen und großen zerstörerischen Gesten vorgetragene Untergangsmusik, sondern ein sich geradezu heiter, mit eingängigen Melodien, leicht gezupfter Gitarre und nostalgisch tragenden Streichern der Melancholie ergebendes Sentiment.
Der Höhe- oder Tiefstpunkt, wie man will, der Trauer dürfte eintreffen, falls es nicht mal mehr an der Abendkasse Karten geben sollte. Nicht nur in dem Fall bietet sich John von Düffels Inszenierung von August Strindbergs Totentanz am Berliner Ensemble an.
Mein Wochenende mit
Kevin, unser liebstes Wildschwein in der Rotte, kennt jeden Flecken Land in Berlin und Brandenburg. An dieser Stelle gibt er wöchentlich Ausflugstipps ins Umland.
„Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass man, um eine jedwede Region der Welt wirklich kennenzulernen, vor allem die einheimischen Menschen kennenlernen müsse. So ein Quatsch! Ich kann Ihnen sagen: Aus meiner bodennah unverklärten, um nicht zu sagen, absolut objektiven Perspektive, sind Menschen eigentlich immer gleich. Ungelenk stehen sie auf den Hinterpfoten herum, bewegen sich aerodynamisch ungünstig vorwärts und was sie in der Natur fallen lassen, heben sie aufgrund der Entfernung zum Boden in der Regel nicht wieder auf. Der Rücken, oh weh, der Rücken! Nein, will man eine Region kennenlernen, muss man sich selbstverständlich Flora und Fauna anschauen. Ich selbst pflege ja, einfach dem Riechorgan ins Dickicht zu folgen. Auch die Qualität der Trüffel verrät mir viel über Regionen! Aber zugegeben, wir sind nun mal nicht alle mit gleichermaßen zartfühligen Nasen ausgestattet. Darum empfehle ich den Besuch eines der zahlreichen Brandenburger Naturlehr- und Erlebnispfade, die nicht nur Kinder, sondern eben auch allzu erwachsene (und damit bodenlose) Zweibeiner:innen wieder näher an das Unterholz heranführen, auf dem wir doch alle stehen. Meine jüngste Entdeckung: Der Naturerlebnispfad Guttau. Wunderschöne Natur, dabei auf zwei Beinen gut gangbar, und vor allem: Abgelegener als viele altbekannte Pfade und dadurch bei Wolkenwetter so gut wie menschenleer. Das empfehle ich, mit freundlichen Grunzen.“
Leseempfehlungen
Alte Platte – Die im Hohenschönhausener Plattenbau aufgewachsene, heute in New York lebende Künstlerin Sung Tieu gibt mit ihren minimalistisch strengen, aber fast immer politisch aufgeladenen Arbeiten Denkimpulse. Elke Linda Buchholz (T+) hat sie porträtiert.
Schreibstätten – Was glauben Sie, wie viele Checkpoint-Beiträge und Zeitungsartikel nicht im Büro oder am heimischen Schreibtisch, sondern in Cafés entstehen? Diese Zeilen, zum Beispiel, im Alt-Treptower La Fève, weil Ortswechsel den Verstand durchaus stimulieren können, der andernfalls von der immergleichen Arbeit träge wird. Das wissen Schriftsteller:innen schon seit Jahrhunderten, die Wiener Kaffeehauskultur etwa wäre ohne die dort entstandene Kaffeehausliteratur wohl kaum Teil des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. In Berlin scheint das nun zu enden, wie Silvia Silko (T+) bemerkt: Immer mehr Cafés werden zu ausdrücklich arbeitsfreien Zonen.
Gangsterromantik – Das Image Berlins hängt schon immer davon ab, wen man fragt. Fragt man Film- und Serienmacher:innen, ist Berlin ein Hotspot der Klan-Kriminalität, voller nicht integrierbarer ausländischer Männer, die außerhalb rechtlicher Rahmen mit ausgefahrenen Ellbogen „Business“ machen. Wie falsch und verzerrend dieses Bild ist und was es für Menschen bedeutet, die dem Klischee nicht entsprechen, aber mit ihm identifiziert werden, schreibt Büşra Delikaya (T+).
Wochenrätsel
Während die Beliebtheit lauter Rollkoffer berlinweit eher abnimmt, sucht die Steuerverwaltung ebenda ihr Glück: 200 Stück sollen angeschafft werden. Allerdings lässt sich die Behörde nicht mit irgendwelchen Trolleys abspeisen: Für ihre Mitarbeitenden muss es schon dieses 130 Euro teure Modell sein:
a) „Exacompta Exoskeletor Extra Exact“
b) „Exacompta Trolley Exatrolley Exactive“
c) „Extrakomfort Trolley Extra Extrema“
Tipp: Wer den Checkpoint letzte Woche aufmerksam las, ist im Vorteil!
Schicken Sie uns die richtige Lösung und gewinnen Sie einen Checkpott.
Jetzt mitmachenDiesen Checkpoint hat Ihnen Kathrin Maurer (Frühproduktion) auf den Bildschirm geflochten, am Montag entknotet Ihnen Lorenz Maroldt an dieser Stelle Berlins dichteste Verwaltungsknäuel. Haben Sie ein schönes Wochenende.
Ihr Thomas Wochnik