Noch müssen Berlins Mediziner nicht um Hilfe schreien

auch Bayern kann Berlin, wollte ich erst schreiben; aber so gefährlich drunter und drüber wie im Freistaat geht’s hier in der Hauptstadt dann doch nicht: Von mehr als 85.000 in den vergangenen Wochen durchgeführten Corona-Tests wurden in Bayern 44.000 Ergebnisse noch nicht übermittelt, unter anderem 900 Infizierte nicht informiert. Grund für die erhebliche Verzögerung soll die händische Erfassung der Tests gewesen sein. Regierungschef Markus Söder bezeichnete das Versagen seiner Behörden am Abend als „sehr, sehr ärgerlich“ – und untertrieb damit maßlos.

In Berlin sollten wir gar nicht erst anfangen, so nachlässig zu werden, sagen wir, so rumzusödern: Nach 111 Corona-Infektionen am Dienstag meldete die Gesundheitsverwaltung gestern 125 neue Fälle – der höchste Wert seit dem 19. Juni. Der Unterschied: Damals ließen sich die Infektionen auf wenige Hotspots in Wohnblöcken begrenzen, das sieht heute anders aus. Drei Tage nach den Ferien wurden jetzt in mindestens acht Berliner Schulen Infektionen festgestellt – mehr als hundert Schüler und Lehrer befinden sich deshalb in Quarantäne, das Gerhard-Hauptmann-Gymnasium in Treptow-Köpenick bleibt morgen als erste Schule wieder geschlossen. Bei 50 Prozent der berlinweiten Infektionen sei heute unklar, wo sich die Menschen infiziert hätten, sagt Reinickendorfs Amtsarzt Patrick Larscheid. Zehn Prozent der berlinweiten Infektionen ließen sich auf – oft fahrlässige – Ausbrüche in Bars und Kneipen zurückführen.

Mittlerweile 40 Prozent der Infektionen sind dagegen der beliebten Spezies RaR (Rückkehrer aus Risikogebieten) zuzurechnen. 2,2 Prozent aller RaR wurden in Schönefeld etwa positiv auf Covid-19 getestet. Was ziemlich dramatisch klingt, muss nicht unbedingt schlimm sein: So werden jetzt deutlich mehr symptomlose Fälle schon am Flughafen entdeckt, die sonst vielleicht nie gefunden worden wären – sie erhellen das Dunkelfeld. Larscheid: „Das ist ein klarer Eintrag von außen, der identifiziert und durch entsprechende Kontrollmaßnahmen im Griff ist.“ Anders gesagt: Jens Spahns Testpflicht funktioniert. „Wir sind nicht an dem Punkt, dass wir laut um Hilfe schreien müssen“, sagt der Reinickendorfer Amtsarzt. Berlin hat’s noch im Griff.

Alle Informationen rund um Ausbrüche, Regeln und mögliche Lockerungen lesen Sie in unserem Coronavirus-Liveblog – immer aktuell. Mit unserer App kriegen Sie die wichtigsten Meldungen direkt auf Ihr Smartphone. Welche Kreise zurzeit besonders stark vom Coronavirus getroffen werden und wo es kaum Infektionen gibt, zeigt diese neue Anwendung unseres Tagesspiegel Innovation Lab.