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Bundestag beschließt teilweise Wahlwiederholung in BerlinAttacken auf Berliner Wahlkreisbüros häufen sichNachtragshaushalt in rekordverdächtigem Tempo abgesegnet

helau, alaaf und hereinspaziert in den heutigen Checkpoint! Ja, Sie lesen richtig: Auch in Berlin ist Karneval (ab 11.11 Uhr). Mag ja sein, dass jeder Landkreis im Rheinland mehr Karnevalsvereine hat als Berlin – laut des Festkomitees Berliner Karneval sind es zurzeit 17. Dennoch freut sich dessen Präsident, Klaus Heimann (natürlich ein Exil-Rheinländer), auf den 11.11. „Wir hatten immerhin zwei Jahre Zeit, uns vorzubereiten“, sagt Heimann am Checkpoint-Telefon mit Blick auf die Corona-Beschränkungen der vergangenen Jahre.

Ganz besonders freut sich Heimann auf die traditionelle Erstürmung des Rathauses heute Vormittag. Wobei sich hier das Fremdeln der Stadt mit dem Karneval dann doch ganz gut zeigt. Die Karnevalisten stürmen nicht etwa das Rote, sondern das Charlottenburger Rathaus. Und empfangen werden sie dort nicht von der Regierenden, ja nicht mal von der Bezirksbürgermeisterin, sondern von der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin, Heike Schmitt-Schmelz. Na ja, trösten wir uns mit dem herrlich bräsigen Berliner Karnevalsgruß – ein dreifaches: HeJo!

Wo wir schon mal bei Jahreszeiten sind: Die Karnevalssaison fällt seit einigen Jahren mit einer anderen, hoch emotionalen Periode zusammen: der Böllerverbotsdebatten-Saison. Die ersten alt- und gutbekannten Argumente (Umwelt, Sicherheit vs. irgendwas mit Freiheit) sind auch in diesem Jahr bereits ausgetauscht. Unter anderem die Berliner Grünen-Fraktion fordert ein Knaller-Verbot, die Deutsche Umwelthilfe sowieso. Schützenhilfe kommt von der Gewerkschaft der Polizei, die laut „Berliner Zeitung“ zumindest ein Böllerverbot im Innenstadtbereich will. Die Senatsinnenverwaltung probiert sich an einem Kompromiss und hat gestern drei Böllerverbotszonen am Alexanderplatz, im Schöneberger Steinmetzkiez und in Alt-Moabit angekündigt. Das wird die Debatte auch in diesem Jahr (leider) nicht beenden. Deswegen hier jetzt der endgültige Checkpoint-Bürgerentscheid:

Umfrage zu Böllerverbot

Hier eine Quizfrage: Wie lange braucht man, um 2,6 Milliarden auszugeben? Antwort: knappe sechs Tage. Im rekordverdächtigen Tempo macht das Abgeordnetenhaus gerade einen Milliardenbetrag locker, um Entlastungen wie das 29-Euro-Ticket bis Ende März zu finanzieren. Die erste Lesung im Hauptausschuss fand am Mittwoch statt. Gestern folgte eine Sondersitzung des Parlaments. Noch am selben Abend ging es wieder zurück in den Ausschuss, wo in handgestoppten zwölf Minuten der Nachtragshaushalt abgesegnet wurde. Am Wochenende guckt dann jeder nochmal in den Sofaritzen nach, ob da noch ein Groschen liegt, und am Montag ist schon wieder Parlamentssitzung, samt Entscheidung.  Hoffentlich verrutscht da kein Komma…

Der Nachtragshaushalt in Berlin ist am Donnerstag in rekordverdächtigen 12 Minuten abgesegnet worden. Grund für die Eile ist ein nicht ganz unwichtiger Termin am kommenden Mittwoch. Da will der Berliner Verfassungsgerichtshof bekannt geben, ob das Abgeordnetenhaus bei der Wahl 2021 überhaupt rechtmäßig zustande gekommen ist. Tendenz der Richterinnen und Richter: eher nein. Auf die Gefahr, ein Parlament ohne Legitimation mal schnell noch einen 2,6-Milliarden-Euro-Haushalt beschließen zu lassen, wollten es die Spitzen von SPD, Grünen und Linken dann doch nicht ankommen lassen.

Etwas schneller in Sachen Wiederholungswahl war der Deutsche Bundestag, der am Donnerstag Abend um Punkt 23.44 Uhr entschied, dass rund 500.000 Berlinerinnen und Berliner nochmal zur Bundestagswahl antreten dürfen. Sollte die Entscheidung Bestand haben (sie kann noch vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden), beträfe das allein in Pankow über 80 Prozent aller Wahllokale. Berlinweit ist etwa jedes fünfte betroffen. Wenn Sie Ihre Wahlbezirksnummer (entspricht dem Wahllokal) noch zur Hand haben, können Sie in diesem Dokument ab Seite 43 (PDF) nachschauen, ob auch Sie nochmal ranmüssen… äh… dürfen.

Wir springen nochmal kurz zum 2,6-Milliarden-Euro-Nachtragshaushalt zurück. Insgesamt 200 Millionen sind dabei auch für die Unterstützung der Berliner Betriebe vorgesehen. Bereits vor ein paar Wochen hatte der Senat ein Kreditprogramm für Unternehmen vorgestellt, die aufgrund steigender Energiekosten in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Und wie schaut’s da aus?

Offenbar besser als erwartet. Bisher wurden bei der zuständigen Investitionsbank Berlin lediglich 29 Anträge angelegt und zwei vollständig eingereicht, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz meinem Kollegen Kevin Hoffmann und mir bei einem Gespräch unter der Woche (das ganze Interview können Sie am kommenden Montag im Tagesspiegel lesen). Für Schwarz ein Grund zur Erleichterung. Für die FDP jedoch nicht genug. Die fordert in einem Antrag, der dem Checkpoint vorliegt, weitere Entlastungen für Unternehmen, wie etwa Steuerstundungen. „Die kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Selbstständigen unserer Stadt brauchen jetzt Entlastung“, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja dem Checkpoint. „Andernfalls droht vielen von ihnen das endgültige Aus.“

Telegramm

Wir blicken auf die neuesten Entwicklungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine:

+++ Die Ukraine hat nach Aussage von Präsident Wolodymyr Selenskyj 41 Siedlungen im Süden des Landes von Russland zurückerobert.

+++ Der russische Abzug aus dem südukrainischen Cherson wird ukrainischen Angaben zufolge mindestens eine Woche dauern. Die Regierung in Moskau habe 40.000 Soldaten in der Region stationiert, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow der Nachrichtenagentur Reuters.

+++ Spanien wird zwei weitere Raketenwerfer des Typs „Hawk“ an die Ukraine senden, sagte die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles. Das berichtete das ukrainische Medium „Kyiv Independent“ am Donnerstagabend.

Alle aktuellen Ereignisse können Sie in unserem Live-Blog (hier) und auf unserer Live-Karte (hier) verfolgen. Spenden für die Ukraine in Not können Sie weiterhin hier.

Demokratischer Protest: Statt Karnevalisten (siehe Meldung oben) empfängt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey heute (unfreiwillig) wütende Eltern der Schüler vom Gymnasium am Europasportpark. Die haben einen Schulmarsch zum Roten Rathaus angekündigt, um vor der Gefahr der Schließung wegen herausfallender Fernster zu demonstrieren.

Undemokratischer Protest: Fünf Attacken auf Abgeordneten-Büros von fünf verschiedenen Parteien gab es in Berlin allein im November. Mein Kollege Robert Kiesel fasst hier zusammen, was zu den Hintergründen bekannt ist.

Wie klingt das für Sie? Ein verschneiter Sonntag im Februar mit Freunden, ein gut beheizter Raum, vielleicht das ein oder andere Getränk. Und das alles für 240 Euro – also für Sie, obendrauf. Na, Interesse? Der Landeswahlleiter jedenfalls macht in Schreiben an ehemalige Wahlhelfer:innen explizit auf die Möglichkeit aufmerksam, „sich mit anderen Freiwilligen gemeinsam für einen Wahlvorstand zu melden“. Stimmenzählen mit dem Stammtisch, gibt schlechtere Angebote.

Aus der Reihe gefühlte Wahrheiten: 862 Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren in Zusammenhang mit E-Scootern wurden in diesem Jahr bereits eingeleitet und damit jetzt schon mehr als 2020 und 2021 zusammen (393). Zur tatsächlichen Wahrheit gehört dazu: Der Anstieg ist zum Großteil auf die neuen Abstellpflichten zurückzuführen (Q: Schriftliche Anfrage der SPD-Abgeordneten Nina Lerch).

Aber gut, Ordnungswidrigkeit bleibt Ordnungswidrigkeit. Um nicht sämtlichen Kredit bei allen Wohlmeinenden zu verspielen, haben sich nun einige E-Scooter-Anbieter zusammengetan und die Plattform scooter-melder.de ins Leben gerufen. Die Meldeseite soll örtliche Behörden entlasten, sagte eine Sprecherin auf Checkpoint-Anfrage. Mittelfristig hoffentlich auch die Gehwege.

Kurze Spielpause: Erinnern Sie sich an Wordle, das Wortratespiel, das Anfang dieses Jahres einen kleinen Hype auslöste? Der New Yorker Softwarenetwickler Sunny Ng hat nun eine Variante des Spiels für den Berliner Nahverkehr entwickelt: Ubahndle. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach… zumindest, wenn man sich im C-Bereich auskennt.

Immobilität I: Klimaaktivisten von „Scientist Rebellion“ blockierten gestern das Privatjet-Terminal am BER. Ein Flughafenmitarbeiter aus dem Terminal kam heraus und bot den Aktivisten einen Klebestift an. Mein Kollege Julius Geiler war dabei und dokumentierte: „Allgemeines Gelächter.“ Schließen wir uns an.

Immobilität II: Es fährt kein Bus nach nirgendwo… Wie auch? Der BVG fehlen massenhaft Fahrerinnen und Fahrer. Jetzt will das Unternehmen auch im Ausland nach Mitarbeitern suchen. Zu spät kommen, können sie woanders schließlich auch.

Da wir niemanden kleiner machen wollen, als er oder sie ist, eine Mini-Korrektur zum gestrigen Checkpoint: Meike Niedbal ist selbstverständlich Verkehrsstaatssekretärin und nicht Verkehrsstadtsekretärin, zu der wir sie degradiert hatten. Sorry! Generell halten wie es aber mit dem Ex-Fußballer Andy Möller: Stadt oder Staat, Hauptsache Berlin.

So, als Belohnung dafür, dass Sie es bis zur letzten Meldung des Tages geschafft haben, hier die Auflösung zur Frage, die Sie bestimmt schon den gesamten Checkpoint quält: Wofür in Gottes Namen steht der Berliner Karnevalsgruß HeJo? Antwort: Heiterkeit & Jokus. Und vielleicht ist damit ja auch schon alles über den Berliner Karneval gesagt.

Zitat

„Die eine Sache ist, innerhalb von mehr als zehn Wochen keine neuen Schilder anzubringen. Die andere allerdings, es nicht mal für nötig zu halten, mir den aktuellen Sachstand mitzuteilen. Dafür erhält sie von mir den Sonderpreis für besonders lahmes Arbeiten.“

Der CDU-Abgeordnete Stephan Schmidt ist not amused, dass die Reinickendorfer Bezirksstadträtin Korinna Stephan die offenbar geklauten Ortsteilschilder „Konradshöhe“ und „Tegelort“ nicht schnell genug ersetzt, und greift dabei zu Mitteln, die sonst dem Checkpoint vorbehalten sind: Er lobt Fantasie-Preise aus.

 

Tweet des Tages

WM boykott hin oder her – ich muss zugeben diese 11 Uhr Anstoßzeiten holen mich schon ein bisschen ab innerlich

@MarcelLindenau

Stadtleben

Trinken – Mezcal ist nicht einfach ein Schnaps, Mezcal ist ein Bekenntnis. Der mexikanische Brand aus Agaven steht für Tradition und Handwerk, für unabhängige kleine Destillerien und stolze Familienunternehmen. Deren rare Produkte finden nur selten den Weg nach Europa. Berlin aber verfügt über ein lebendiges Mezcal-Netzwerk, das mit der Palabra Bar eine neue Bühne bekommen hat. Unweit des Frankfurter Tors bietet sie die größte Auswahl an Spirituosen aus 100 Prozent Agave in der Stadt. In die rauchige Vielfalt kann man mit einem 3er-Tasting mit Bränden aus verschiedenen Agavensorten und Regionen einsteigen, die Kurator Alonso Lopez Mota Velasco auf Wunsch einfühlsam kommentiert. Do 19-1 Uhr, Fr/Sa 19-3 Uhr, Frankfurter Allee 23, U-Bhf Frankfurter Tor

Berliner Gesellschaft

Geburtstag –  Minu Barati (47), Filmproduzentin und Drehbuchautorin / Juppy Becher (74), Mitbegründer der ufaFabrik in Tempelhof / Anette Brücher Herpel, „Allet, Juute zum Jeburtstach, Kommunikationsgenie und Schätzchen vom Schatzmeister – juut jeschossn, geht doch!“ / Carola Bühnemann (57), „schweizerisch-deutsche theologische Ökonomin aus Schmargendorf“ / Tino Eisbrenner (60), Liedermacher, Theaterdarsteller / Katja Flint (63), Schauspielerin / Unda Hörner (61), Schriftstellerin / Holger Krestel (67), für die FDP im AGH / 

„Unserem Freund Manuel aus der 6. ! zum 38. Geburtstag! Liebe Grüße, Tom und Paule“ /Lieber Michael, Freund und Bbr. wir gratulieren dir sehr herzlich. ad multos annos: vivat, crescat, floreat! Beatrix und Wolf-Dietrich“ / Cornelia Schmalz-Jacobsen (88), Politikerin (FDP) / Marcus Ulbricht (52), Regisseur und Drehbuchautor

SonnabendKonrad Endler (51), Schriftsteller und Musiker / Judith Holofernes (46), Musikerin, früher Sängerin und Gitarristin der Band „Wir sind Helden“ / Alexandra Maria Lara (44), Schauspielerin / Karl-Theodor Paschke (87), ehem. Generalinspekteur der Vereinten Nationen (1994-99), deutscher Diplomat

SonntagRebecca Immanuel (52), Schauspielerin / Martin Klesmann (52), Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung / Achim von Borries (54), Filmregisseur und Drehbuchautor, u.a. „Babylon Berlin“ / Eberhard Diepgen (81), CDU-Politiker, ehem. Regierender Bürgermeister (1984-1989 und 1991-2001) / Annemone Haase (92), Schauspielerin / Nils Körber (26), ehem. Torwart bei Hertha

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Friederike Badekow, geb. Dunker, * 7. November 1936 / Ingrid Freymann, * 10. November 1931 / Angelika Großekettler, * 23. Juni 1944 / Ilse Haftenberger, geb. Meyer, * 30. April 1936 / Hans Joachim Rieseberg, * 7. November 1941

Stolperstein Simon Deutschkron kam am 1. November 1864 in Betsche (heute Pszczew, Polen) zur Welt. Im Jahr 1888 heiratete er Sara Lewin in Soldin. Die Eheleute bekamen drei Kinder die gesamte Familie zog von Soldin nach Berlin, wo Simon Deutschkron ein Haus für seine Familie kaufen konnte. Zur NS-Zeit war die Familie gezwungen, das Haus zu verkaufen. Sara und Simon Deutschkron wurden am 10. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Sara Deutschkron kam dort am 25. Oktober ums Leben, Simon Deutschkron heute vor 80 Jahren, am 11. November 1942. An der Flughafenstraße 24 in Neukölln erinnert seit 2015 ein Stolperstein an Simon Deutschkron und seine Frau Sara.

Encore

Fürs Machen, Schaffen, Anpacken hat die Berliner Mundart eine ganze Reihe von Ausdrucksformen. Eine davon hat es Linken-Politiker Klaus Lederer besonders angetan: „Ran an’n Sarch und mitjeweent!“ Für ihn die „perfekte Kombination aus Herz und Schnauze“. Und Lederer, ganz der Kultursenator, liefert gleich noch eine sprachliche Exegese mit: „Das drastische Bild einer hochemotionalen Situation verliert durch den Dialekt an Schärfe, wirkt beinahe komisch… und die Angesprochenen können sich der – liebevollen – Aufforderung nicht entziehen.“

Mit Herz und Schnauze hat Thomas Lippold für diesen Checkpoint recherchiert. Das Stadtleben hat Sarah Borufka kuratiert. Kathrin Maurer war die Heldin der frühen Stunde. Morgen ist Wochenende! In das begleitet Sie wie gewohnt Thomas Wochnik.

Auf bald,

Ihr Daniel Böldt

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