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Wohnen in Berlin: Giffey will Miethöhe am Einkommen bemessenSicherheitsdienst auf dem Tempelhofer Feld unterbezahltJustiz arbeitet mit alten und gefährdeten Programmen

auch den ersten Tag dieser neuen Woche beginnen wir mit einem Blick auf die Ereignisse der vergangenen Stunden im Krieg Russlands gegen die Ukraine:

+++ Seit Kriegsbeginn sind von Vermögen russischer Oligarchen auf deutschen Konten inzwischen fast 143 Millionen Euro eingefroren worden. Das berichtet die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Angaben des Bundesfinanzministeriums.

+++ Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Einnahme des ostukrainischen Donbass als „bedingungslose Priorität“ bezeichnet. Noch zu Beginn des Angriffskrieges am 24. Februar hatte Russlands Präsident Wladimir Putin versichert, dass Moskau die ukrainischen Gebiete nicht besetzen wolle, sondern prüfen werde, wie die Menschen reagieren.

+++ Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck befürwortet Waffenlieferungen an die Ukraine – und Gespräche mit Putin. Wichtig sei allerdings, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln. Das habe sich auch „im Kalten Krieg als richtig erwiesen.“

Und damit zu den Meldungen aus Berlin:

Dit könnte jehn“ lautet die Dauerparole, die Naomi Fearn unserer Regiermeisterin für die „Berliner Schnuppen“ ins Checkpoint-Rathauszimmer gezeichnet hat. Aber wie könnte gehen, was Franziska Giffey jetzt im Tagesspiegel-Interview vorgeschlagen hat? Schauen wir erst nochmal darauf, was genau sie sagte:

+ „Stellen Sie sichvor, dass niemand in Berlin mehr als 30 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete zahlen muss. Das wäre fair und eine nachvollziehbare Lösung für alle. Denn was eine leistbare Miete ist, unterscheidet sich – je nachdem, ob eine Verkäuferin, eine Zahnärztin oder die Regierende Bürgermeisterin eine Wohnung mietet. Wenn die 30 Prozent als Maximum für jeden gelten, wäre das eine sehr gerechte Lösung.“

+ „Jeder kann dann prüfen: Ist meine Miete höher als 30 Prozent meines Einkommens? Wenn ja, muss es ein geregeltes Verfahren geben, zum Beispiel eine öffentliche Mietpreisprüfstelle, die die Höhe der Überschreitung feststellt und Mieterinnen und Mieter dabei unterstützt, dagegen vorzugehen.“

+ „Die 30-Prozent-Belastungsgrenze würde das Problem anders angehen als der Mietendeckel es getan hat. Denn der führte dazu, dass auch wohlhabende Mieter einer Wohnung beispielsweise am Ku’damm von der Absenkung der Miete profitierten. Das war nicht gerecht. Wir brauchen einen anderen Weg: Entlastungen müssen an die jeweilige Einkommenssituation gekoppelt sein.“

Während Giffey am Wochenende mit einer Steppjacke bekleidet und dem Tagesspiegel in der Hand lächelnd dem feuchtkühlen Wetter trotzte und ihr eigenes Interview gemütlich auf dem Schaukelstuhl im Blumengarten sitzend noch ein zweites Mal genoss (hier zu sehen), waren Freund und Feind schon damit beschäftigt, ihre „Gute-Mieten-Gesetz“-Idee zu zerpflücken.

+ Sebastian Czaja warnt vor einem „bürokratischen Monster“, das nur Verlierer produziere – an Mieter mit geringem Einkommen würden dann „nur noch staatliche Akteure vermieten“, sagte der FDP-Fraktionschef.

+ Klaus Lederer nennt den Vorschlag „unrealistisch“ – ein Verfahren zur Prüfung von zehntausenden Mietverhältnissen sei nicht praktikabel, sagte der Bürgermeister und Kultursenator von der Linkspartei

Ein paar Detailfragen wären da tatsächlich noch zu klären: Wie sollen künftig Soloselbstständige, Jungfamilien und Fastrentner überhaupt noch die Chance auf den Zuschlag für eine freie Wohnung bekommen – oder anders gefragt: Welcher Vermieter ist wagemutig genug, sich auf so ein Risiko einzulassen? Was passiert, wenn das Einkommen von Mietern stark schwankt? Welche Befugnisse bekommt die Mietpreisprüfstelle – und wie groß muss die sein? Wie viele zusätzliche Stellen braucht die Justiz, um die erwartbare Flut der Verfahren zu regeln? Gibt es einen Härtefallfonds für Kleinvermieter? Was ist mit WGs und Untermietern? Und warum sollte eine Berliner 30%-Regel nicht genauso an der Bundeszuständigkeit scheitern wie der Mietendeckel?

Und so lautet die vorläufige Blitzbilanz: Dit könnte in die Hose jehn.

Umfrage Mietobergrenze

Falls es auf dem Amt heute mal wieder etwas länger dauert: Es liegt sicher nicht am „Gieß-eine-Blume-Tag“ (die Büropflanzenpflege findet aufrufunabhängig täglich zwischen 9 und 17 Uhr statt), sondern am Dauerevent „Behördenpingpong“ – und der Checkpoint-Klassiker gehört jetzt doch tatsächlich zum offiziellen Sprachgebrauch des Senats, wie Staatssekretär Ralf Kleindiek in der „Abendschau“ offenbarte (hier bei 3:57). Der Senatsverwalter hatte auch gleich einen sensationellen Verbesserungsvorschlag mitgebracht:

Ich plädiere dafür, dass wir zunächst mal machen, was in unserem Gesetz steht.“

Wow, jetzt schon? Das Gesetz, auf das Kleindiek anspielt („federführend“, „in einem Schritt“), ist doch erst seit einem Vierteljahrhundert in Kraft! Da ist für diejenigen, die sich daran freiwillig halten, sicher noch ein Frühbucherrabatt drin. Für alle anderen politischen Mitspieler beim Behördenpingpong hier nochmal die Regeln, festgehalten im „Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz“, § 3 (4), beschlossen vom Abgeordnetenhaus, in der aktuellen Fassung vom 22. Juli 1996 (bitte ausschneiden, vervielfältigen, verfaxen und auf alle Berliner Behördenmonitore kleben):

Sind mehrere Verwaltungsstellen zuständig, so wirken sie zügig und erfolggerichtet zusammen. Die federführende Verwaltungsstelle holt die Mitentscheidungen der anderen regelmäßig in einem Zuge ein, also in gemeinsamem Gespräch und nicht schriftlich nacheinander.“

Dazu auch der Checkpoint-Geheimtipp für Neuberliner: Sollten Sie hier mal Ärger mit der Polizei bekommen, benutzen Sie den internen Freispielcode: „Ich plädiere dafür, dass ich demnächst mal mache, was in unserem Gesetz steht.“

Berliner Schnuppen

von Naomi Fearn

Die <strong>Berliner Schnuppen</strong> in voller Länge gibt's täglich mit dem <strong>Tagesspiegel-Plus-Abo</strong> – <strong><a href="https://abo.tagesspiegel.de/digitalangebote/checkpoint-testen-kurzstrecke?utm_source=Comic" target="_blank" rel="noreferrer noopener">hier</a></strong> geht's zur Anmeldung.

Telegramm

Gewonnen hat, wer im Wochenrätsel vom Samstag richtigerweise Antwort c) Digitalmesse Re:Publica tippte – wer die besucht, kann einen Bildungsurlaub geltend machen.

213.103 Euro und 36 Cent kostet in diesem Jahr der „Modellversuch Flaniermeile Friedrichstraße“ – davon gehen 22.365 Euro und 61 Cent für die „verkehrliche Begleituntersuchung“ drauf und 62.832 Euro für die „Gestaltungskonzeption und Begleitung der technischen Umsetzung der Aufbauten“. Ohne Begleitung macht das Flanieren ja auch keinen Spaß.

Von der Friedrichstraße nach Friedrichshain-Kreuzberg: Wir hatten Sie gefragt, was Sie davon halten, den ganzen Bezirk zur verkehrsberuhigten Zone zu erklären. Das Ergebnis: 38% sagen „Ja, das ist vorbildlich und konsequent“, 58% sagen „Nein, das passt nicht zu einer Großstadt“ (4% unentschlossen).

Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ hat die Bearbeitung von Anzeigen wegen Hasskommentaren in allen Bundesländern getestet, und: Berlin schnitt dabei gut abzumindest am Anfang.  Was Böhmermann ansonsten von Berlin hält, steht weiter unten im „Zitat“.

Die SPD will angestellte Lehrkräfte entschädigen, wenn sie nicht mehr verbeamtet werden können oder wollen – und zwar mit zwei Freistunden pro Woche (mehr dazu hier im Artikel von Susanne Vieth-Entus).
Eine Idee, wie Schülerinnen und Schüler entschädigt werden können, die unter senatsgemachtem Lehrkräftemangel und Stundenausfall leiden, hat die SPD allerdings nicht.

Mehr als 16.000 Meldungen registrierte das Ordnungsamt Mitte im vergangenen Jahr – darunter 54 Tierkadaver, 109 Weihnachtsbäume, 643 Autowracks und 1556 Schrotträder. Unangefochtener Spitzenreiter: illegal abgestellter Sperrmüll mit 9693 Meldungen. (Q: Anfrage Tuba Bozkurt, Grüne).

Die Seite wurde nicht gefunden“, lautet die Meldung unter dem Link, mit dem die Polizei laut Amtsblatt (S. 1273) „gemäß § 10 Absatz 2 Satz 1 VwZG“ als „Medium“ die „öffentliche Zustellung von Schriftstücken und/oder Bescheiden durchzuführen“ gedenkt. Es kommentiert Ex-Google-CEO Eric Schmidt: „Das Internet ist das größte Experiment in Sachen Anarchie, das es jemals gab.“

Zitat

Berlin ist wie ein großes Klo: Wenn du da reingehst, wirst du einfach runtergespült.“

– Jan Böhmermann rät im Podcast „Fest & Flauschig“ im Gespräch mit Olli Schulz dringend davon ab, in unserer schönen Stadt zu leben.


Berlin-Bashing, Jan, ist so 2008, echt.“

– Olli Schulz

 

Tweet des Tages

Niemand hat mir je so viel Selbstbeherrschung beigebracht wie die Deutsche Bahn.

@kapitelmanslife

Antwort d. Red.: Der Tweet ist zwar schon vom 20. Mai, gilt aber wie eine Bahncard 100, also: immer. Und es wird sogar noch schlimmer: Was auf die Bahnkunden zukommt, haben hier Caspar Schwietering, Jens Koenen und Daniel Delhaes recherchiert.

Stadtleben

Essen & Trinken – Eine Friedenauer Alternative zum ewig-dominanten Lula aufzutun, ist ein schwieriges Unterfangen. Wir empfehlen einen Blick über die tosende Rheinstraße: Wenn auch auf der falschen Seite des Breslauer Platzes hat hier das kleine MoaMoa seine Glastüren aufgestoßen. Mit überschaubarer Terrasse und minimalistischem Interieur, das fast eher in Kreuzberger Gefilde passt, lädt das koreanische Café zu Bibimbap und Reisrollen. Dazu kommen szenig-schicke Croffles und instagramwürdige Teegläser auf die Designtische (Tipp: Grapefruit-Rosmarin!) . Wer gerade nicht verweilen kann, nimmt eines der Bulgogi-Mealkits samt vorbereiteter Zutaten und Rezepte mit (13,50 Euro) – und reserviert fürs nächste Diner. Di-So 12-19 Uhr, Hauptstraße 81, S-Bhf Friedenau

Berliner Gesellschaft

Geburtstag  Adele Gläser (60), „viele Grüße und viele gärtnerische Glückserlebnisse“ / Harald Glööckler (57), Modedesigner / Monika Herrmann (58), ehem. grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg / Rüdiger Joswig (73), Schauspieler / Dieter Kosslick (74), ehem. Intendant der Berlinale /„Für Petra, der liebsten Mega-Frau, ein neues Jahr der Travel-Life-Love-Work-Balance! Whatever works. Frank“ / Matthieu Praun, Checkpoint-Profi-Rechercheur – alles Liebe vom Team! / Martin Rother (44), Schauspieler und Regisseur / Oliver Schruoffeneger (60), grüner Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf / Erik Spiekermann (75), Gestalter und Typograf

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Manfred Jambroschek, * 12. September 1950 / Pia Monika Keller, * 4. April 1939 / Christel Sanft, * 2. November 1925, Tierärztin / Andreas Schmöckel, verstorben am 21. Mai 2022, Berliner Wasserbetriebe

StolpersteinWilhelm Baerwald (Jg. 1867) lebte in der heutigen Dörpfeldstraße 23 in Adlershof. Der Kaufmann war einer der ersten Angehörigen der 1890 gegründeten Synagogengemeinde Köpenick. Im September 1942 deportierten ihn die Nationalsozialisten gemeinsam mit seiner Frau Margarethe Baerwald (Jg. 1871) nach Theresienstadt. Heute vor 79 Jahren wurde Wilhelm dort ermordet – auch Margarethe überlebte das Lager nicht.

Encore

Masud Akbarzadeh ist der erste „Special Agent for Sustainable Humor“ – ernannt wurde er gestern Abend im Schiller-Theater beim Abschluss des ebenfalls ersten „Comedy for Future Festival“. Und wenn Sie wissen wollen, wie Witze die Welt retten können, sollten Sie sich hier die Kurzgeschichte (1 min) von Christina Schlag zur Klimakatastrophe in unserem Checkpoint-Podcast „Berliner & Pfannkuchen“ anhören – mit dabei: eine Bombe, ein Späti-Bier, Kaminfeuer, ein jaulender Teenager und ein Politiker mit Schnappschussallüren.

Ganz ohne Allüren hat heute Lotte Buschenhagen als Co-Autorin und mit ihrer Recherche dazu beigetragen, Berlin zu retten. Frühproduktion: Kathrin Maurer.Und morgen früh übernimmt hier Robert Ide. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag, bis dahin,

Ihr Lorenz Maroldt

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