Am BER ist nicht nur eine Schraube locker (CP von gestern), sondern auch ein Stühlchen frei – und das bleibt auch so: Der Aufsichtsrat wird heute keinen 4. Geschäftsführer berufen. FBB-Chef Lütke Daldrup fand wieder nicht genug Freunde für seinen Wunsch, Carsten Wilmsen (bisher Flughafen München) ins obere Management zu befördern, Chefaufseher Bretschneider zieht seine Vorlage zurück. Damit ist die Operation zum zweiten Mal gescheitert – aber Wilmsen kommt jetzt doch: als Technikchef und Nachfolger des üppig abgefundenen Jörg Marks. Nachtrag zu gestern: Finanz-GF Heike Fölster bestreitet den Satz, der beste Weg zu Geld für den BER sei Steuergeld – und außerdem ist er bereits im Frühsommer gefallen.
Das war kein guter Tag für Innensenator Geisel – was sollte er bloß zuerst dementieren: dass er ein Disziplinarverfahren gegen seine damalige Polizeivizepräsidentin Koppers mit einem Trick verhindert hat, damit sie Generalstaatsanwältin werden kann, wie die „Abendschau“ meldet? Oder dass Verfassungsschutzchef Maaßen ihn davon überzeugen wollte, die Existenz eines V-Manns im Umfeld des Breitscheidplatz-Attentäters zu verschweigen, wie „Kontraste“ und „Morgenpost“ berichten? Zunächst wurden die „unterstellten Mutmaßungen“ im Fall Amri zurückgewiesen; später twitterte Geisel-Sprecher Martin Pallgen dann: „Für heute Abend halten wir erst mal fest: Ein Innensenator trickst nicht.“
Zwischen den Koalitionspartnern schwelt ein Konflikt über den Umgang mit den Ex-Besetzern der Gerhart-Hauptmann-Schule: Das BA Friedrichshain-Kreuzberg hat die Finanzierung der Heimplätze für die Geflüchteten noch einmal bis Ende September verlängert – eigentlich wäre heute Schluss gewesen, sie hätten keine Adresse mehr gehabt, an die z.B. Aufforderungen zur Ausreise geschickt werden können (CP von gestern). Die Grünen werfen Sozialsenatorin Breitenbach vor, sie wolle sich „sauber halten“ und betreibe in der unklaren Lage ein „Schwarzes-Peter-Spiel“, die Linken sind (wie die Grünen) verärgert über Innensenator Geisel, der entgegen der Koalitionsvereinbarung unabgestimmt fünf der Ex-Besetzer abschieben will, denen er schwere Gewalttaten vorwirft.
Die CDU-Fraktion sortiert sich neu: Am Montag will der Vorstand um Burkhard Dregger ein paar Personalien glattziehen. Veränderungen wird es bei den Parlamentarischen Geschäftsführern geben – von denen hat die Union mehr als andere (3), was den Spielraum erhöht. So kann Generalsekretär Stefan Evers 1. PGF werden und die bisherige Nr.1 Heiko Melzer trotzdem weitermachen. Bleibt die Frage, wer Platz macht. Ich tippe auf Sven Rissmann – Rechtsanwalt ist ja auch ein schöner Beruf.
Kleiner Ausflug in die Journalistenschule, heute: die Nachricht. „Sarrazin hat kein Buch geschrieben“: Das wäre eine Nachricht (ist aber nicht sehr wahrscheinlich). „Sarrazin hat ein neues Buch geschrieben“: keine Nachricht (siehe auch: „Hund beißt Mann“ vs. „Mann beißt Hund“). Aber vielleicht eine Geschichte: Die „SZ“ zählte bei der Lektüre ungefähr so viele sachliche Fehler wie Seiten, Fazit: „Deutschland braucht dieses Werk so dringend wie einen Ebola-Ausbruch.“
So, wie schaffen wir jetzt bloß den Sprung zur AfD… ach na klar: Parteichef Meuthen trägt dem traurigen Westend-Einzelgänger die Mitgliedschaft an (die SPD will den Ex-Finanzsenator ja wieder mal loswerden). Und da wir gerade bei der Alternative für Sarrazin sind: Eine AfD-Besuchergruppe aus dem Wahlkreis von Fraktionschefin Weidel ist aus der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen geflogen – wegen antisemitischer und revisionistischer Äußerungen. Es kommentiert Weidels Co-Vorsitzender Gauland: „Nur ein Fliegenschiss.“
In Berlin gibt’s ja nichts, was es nicht gibt – aber dass dazu auch das Verschwinden einer Insel gehört, darauf hätte ich nicht gewettet: In aller Ruhe ließ der Eigner des Schmöckwitzer Rotsch-Hafens ein solches Eiland wegbaggern, es war ihm im Weg, das Umweltamt sah zu. Die Erklärung des AfD-Stadtrats Bernd Geschanowski ist dagegen wieder typisch Berlin: Für eine Kontrolle solcher eigenmächtigen Uferbauarbeiten (wie z.B. auch illegale Stege) „haben wir nicht genug Personal“ (was in diesem Fall Quatsch ist), der alarmierten Mitarbeiterin sei „der Zutritt auf ein Privatgelände verboten“ (was in jedem Fall Quatsch ist) und „wir können nur nachgelagert agieren, weil viele Infos und Handlungsspielräume auf Senatsebene sind“ (Schuld sind immer die anderen). Besonders blöd: Gerne würde man den Stadtrat auf eine Insel verbannen, aber…(siehe oben).
Berliner Schnuppen

Telegramm
Bäder-Chef Andreas Scholz-Fleischmann klettert aus dem Becken – per Mail teilt er mit: Mitte April zieht er den Stöpsel, sein Vertrag läuft aus, verlängern will er nicht. Das verkorkste Bäderkonzept soll dann wer anders ausbaden.
Jetzt ist‘s amtlich – Berlins aufregendster Abenteuerspielplatz ist der im Volkspark Humboldthain: Gestern wurde hier eine 2 Meter lange und 9 Kilo schwere Würgeschlange Marke „Boa Constrictor“ verhaftet (hier zu sehen). Der Aufenthalt ist solchen Tieren in Berlin übrigens verboten – aber woher sollen sie das auch wissen (steht ja auf keinem Schild).
Allerdings steht ja auch auf keinem Schild, dass am Arminplatz-Spielplatz (Pankow) keine Reißzwecken, Nähnadeln und Rasierklingen ausgelegt werden dürfen – gemacht wird‘s trotzdem, „von einem Kinderhasser“, wie Stadtrat Kuhn vermutet.
Erfolg für Finanzsenator Matthias Kollatz: Knapp 20 % der Versorgungsrücklage (184,6 Mio) investierte das Land in Aktien des Nachhaltigkeitsindex BENEXX – der Renditevorteil gegenüber der Benchmark sonstiger Anlagen liegt bei sauberen 4,60 % (Kursindex) bzw. 4,97 % (Performanceindex). Mit anderen Worten: In Berlin wächst grünes Geld an den Bäumen. (Q: Anfrage MdA Georg P. Kössler, Antwort Margaretha Sudhof)
In einem Brief an den Regierenden Bürgermeister plädieren Prominente, Kulturmacher und ehemalige DDR-Bürgerrechtler, darunter Marianne Birthler, André Schmitz, Rainer E. Klemke, Thomas Krüger u.a., für den Bau eines Museums am Checkpoint Charlie – im Einvernehmen mit dem Investor Trockland. Eine Wahrnehmung des Vorkaufsrechts entziehe dem Land Mittel in dreistelliger Millionenhöhe.
Gute Frage des FDP-MdA Bernd Schlömer: „Ist das Land Berlin im Besitz von Kryptowährungen?“ Und tatsächlich: „Die Staatsanwaltschaft Berlin verfügt über Bitcoins (BTC), die im Rahmen der Vermögensabschöpfung bei einem Strafverfahren wegen illegalen Handels mit Betäubungsmitteln im Darknet eingezogen worden sind.“ Der Wert der Landes-BTC schwankt stark, zurzeit liegt er bei etwa 380.000 Euro. Damit lässt sich ein halber Tag Baustelle BER betreiben (für Neuberliner: Der BER ist Berlins Krypto-Flughafen).
Ansonsten klappt das mit der Vollstreckung sichergestellter Verbrechensgelder nicht so gut: Von 19 Millionen Euro blieb im vergangenen Jahr gerade mal 1 Million übrig. Die Erklärung dafür laut Staatsanwaltschaft: „Unsere Rechtspfleger wissen überhaupt nicht, wie das geht.“ Mit anderen Worten: Das Verfahren ist ihnen zu kryptisch.
Für das Joker-Wort der Woche steigen wir mit unserem Betriebsstörungsbingo heute in den Bus – Mitteilung der BVG zum 248er: „Die Linie wird in beiden Richtungen zwischen Ostbahnhof und Warschauer Straße eingestellt. Ursache: Sperrung wegen Falschparker.“ (Mit Dank an CP-Leser Matthias Bierstein)
Am nächsten Freitag ist Michael Müller mal wieder ziemlich busy: Er kommt zu unserem „Creative Bureaucracy Festival“ in die HU (mehr dazu und der „Amt, aber glücklich“-Party im nächsten Checkpoint), und er begrüßt mit Angela Merkel die Teilnehmer des „Katar-Deutschland Business und Investment Forums“ vom „Handelsblatt“ im Maritim (u.a. mit Sheikh Tamim Bin Hamad Al Thani, Emir des Staates, und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing). Ein detailliertes Programm mit Anmeldelink gibt’s hier.
Die Bewerbungsfrist für den „Berliner Unternehmerpreis“ läuft: Der Regierende Bürgermeister, IHK und HWK ehren Unternehmerinnen und Unternehmer kleiner wie großer Betriebe sowie kooperative Zusammenschlüsse von Unternehmen für besonderes gesellschaftliches Engagement mit der Mendelssohn-Medaille. Weitere Infos hier.
Korrektur zur Meldung „Justiz-Referatsleiter bedroht“ (CP von gestern): Checkpoint-Leserin Babette Metz weist zurecht darauf hin, dass „Schließerin“ keine adäquate Berufsbezeichnung ist – es heißt „Justizvollzugsbeamtin“, denn: „Die Arbeit besteht aus sehr viel mehr als ‚nur‘ Schließen.“ Sorry!
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Für die Realisierung von Wohnungsneubau ist mitunter eine Waldumwandlung notwendig.“
Aus dem Handlungsprogramm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher.
Zitat
„Verzweiflungstat.“
Kommentar von Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek zum Handlungsprogramm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher.
Tweet des Tages
„Der Presseball Berlin schlägt in einem gesponserten Post vor, zum Presseball Berlin mit schönen Frauen und interessanten Unternehmern zu kommen. Für manche ist das Aufschrei-Sexismus. Ich möchte lieber schlicht wissen: Gibt‘s da auch heiße Männer und interessante Unternehmerinnen?“
Stadtleben
Kulinarische Stadtforschung haben unsere Kollegen Bernd Matthies und Kai Röger betrieben und reisen in die gastronomische Geschichte der Kantstraße – natürlich nicht, ohne auch die Highlights der Gegenwart zu würdigen. Wir verraten schon mal, dass sich darunter ein alter Bekannter findet: die zweite Filiale von Shiso Burger ist seit Kurzem in der Kantstraße 51 beheimatet und steht dem Original an der Auguststraße in Nichts nach. Der ungeschlagene CP-Redaktions-Favorit auf der Speisekarte ist nach wie vor der Shiso Burger mit mariniertem Thunfisch, Chili-Mayo und Teriyakisauce (So-Do 12-23 Uhr, Fr/ Sa 12-24 Uhr). Die ganze Kantstraßen-Spurensuche gibt's am Samstag auf den „Mehr Genuss“-Seiten im Tagesspiegel.