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Papier der Sozialverwaltung sorgt für Rumoren im LAFImmer mehr Lärm von Partybooten auf der HavelOhne Smartphone keine Corona-Tests an Berlins Flughäfen

seit mehr als zehn Jahren versucht die SPD, Thilo Sarrazin auszuschließen – eine der wenigen Konstanten im jüngeren Leben der Partei. Und auch nach der Entscheidung des Bundesschiedskommission wird der frühere Berliner Finanzsenator den Genossen nachlaufen wie ein immer länger werdender Schatten, der das schöne Selbstbild verzerrt: Er zieht jetzt in eigener Sache vors Berliner Landgericht. „Das Kapitel Sarrazin ist für uns beendet“, verkündete zwar Generalsekretär Lars Klingbeil, aber da hat er das Nachwort übersehen. Und Sarrazins Parteibuch, das bekommt die SPD so oder so nicht zurück – der Ausgeschlossene sagt, er könne es nicht mehr finden. Das Ergebnis: Alle Beteiligte wirken ziemlich verloren.

Würden im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten zum heutigen 4. Gründungstag Kerzen angezündet, sie flackerten wohl im Sturm der Empörung: Gestern wurde dort der Inhalt eines aktuellen, noch unveröffentlichten Papiers aus der Sozialverwaltung mit dem Titel „Zielstruktur GStU – Gesamtstädtische Unterbringung Wohnungsloser“ bekannt, und das hat es in sich. Demnach könnten etliche Aufgaben herausgelöst und wieder dem Lageso zugeschlagen werden. Gerade erst hatte das LAF, gegründet nach dem Chaos von 2015, die Startschwierigkeiten überwunden und zur Ruhe gefunden. Und jetzt kommt wieder alles neu für die 520 Bediensteten? Wird das Amt vielleicht sogar aufgelöst? Noch im August könnten die Weichen gestellt werden, im ersten Quartal 2021 müssten Senat und Parlament entscheiden.

In der Sozialverwaltung hieß es gestern Abend, die Diskussion hätte gerade erst begonnen, entschieden sei noch nichts. „Derartige Reformen setzt man in Berlin nicht mit Basta und einem Ruck um, sondern Schritt für Schritt und im Dialog.“ Denn immerhin soll hier mit der GStU „eine der größten Unterbringungsplattformen Europas“ entstehen, das LAF könne sich dann auf seine Kernaufgaben in der Flüchtlingsunterbringung konzentrieren. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass die Wohnungslosenunterbringung besser organisiert werden muss – und da sprechen viele Stellen mit, u.a. die Bezirke. Da lautet die Aufgabe jetzt wohl vor allem, nicht die eine organisierte Unzuständigkeit (oder Vielzuständigkeit) einfach nur in die nächste zu überführen.

Über allen Gipfeln ist Ruh’, schreibt unser Gastautor Johann Wolfgang von Goethe – aber Gipfel haben wir hier ja nicht. Stattdessen: viel Fluss – und noch mehr Krach. Partyboote sind hier die Bierbikes der Wasserstraßen. Boris Buchholz, André Görke und Gerd Appenzeller haben sich umgehört, was an den Havelufern von Steglitz-ZehlendorfSpandau und Reinickendorf so los ist – und das Echo war gewaltig. Wir haben deshalb die Polizei gefragt, wie sie die Lage einschätzt – hier die Antwort:

Seit einigen Jahren stellt die Wasserschutzpolizei eine deutliche Veränderung im Freizeitverhalten auf dem Wasser fest. Während früher der vereinsgebundene Wassersport mit soliden seemännischen Fähigkeiten das Bild bestimmte, dominiert heute eine Party- und Eventszene die Wasserstraßen. ‚Seemännische‘ Fähigkeiten sind dabei oft nur rudimentär vorhanden. Den Menschen an Bord fehlt zum Teil das Gefühl für die Lautstärke und Hörweite des Schalls. Oftmals handelt es sich auch um Touristinnen und Touristen. Die Situation wird durch die Vermietung der Boote verschärft. Jeden Tag bzw. jede Nacht feiern andere Menschen im gleichen Gewässerbereich.“

Und was würde helfen? Hierzu nochmal die Polizei: „Ein Höchstgrenzwert für Lärmemissionen für Boote auf Bundeswasserstraßen.“ Und wäre Berlin ein Gedicht, hieße es dann wohl Über allen Wellen ist Ruh’.

Nachdem es im Borchardt Promi-Bonus zum Nachtisch gab (garantiert bußgeldfrei trotz offensichtlicher Verstöße gegen die Corona-Verordnung), schauen wir uns doch mal die Zwischenbilanz der Bezirke an (abgeschlossene Verfahren, Stand bis 10.7., Q: Sts Martin Matz, Anfrage MdA Joschka Langenbrinck):

Charlottenburg-Wilmersdorf: 137
Tempelhof-Schöneberg: 0
Mitte: 0
Treptow-Köpenick: 94
Marzahn-Hellersdorf: 97
Lichtenberg: 21
Friedrichshain-Kreuzberg: 305
Reinickendorf: 0
Pankow: 28
Steglitz-Zehlendorf: 0
Neukölln: 0
Spandau: keine Rückmeldung
 

Auch was die Tests betrifft, bleibt Berlin so rätselhaft wie das Virus selbst. Wer nicht gerade Bezirksbürgermeister mit direktem Draht zur Amtsärztin ist, wird trotz Warnhinweisen von der Corona-App oder nachweisbarem Kontakt zu Infizierten je nach bezirklicher Willkür hin- und hergeschickt – mit anderen Worten: Die Politik und ihre Apparate schieben die Verantwortung ab.

Beispiel Flughafen: Am Dienstag hatte der Senat noch behauptet, die Anmeldung für die kostenlosen Tests erfolge „digital mithilfe einer WebApp oder manuell.“ Doch da machten viele Rückkehrer ganz andere Erfahrungen – ohne Smartphone ging nichts. Und tatsächlich bestätige uns gestern eine Sprecherin der Charité: „Es stimmt, dass die Anmeldung zum Test nur mithilfe der WebApp erfolgt.“ Tja, von wegen „oder manuell“. Eher ein Fall für das Antidiskriminierungsgesetz.

Umfrage zur Maskenpflicht in Schulen

Außerdem heute u.a. in der Checkpoint-Abo-Ausgabe:

Wo das Grauflächenamt Tempelhof-Schöneberg wieder zugeschlagen hat.

Wie der Regisseur Andres Veiel das „Molinari“ im Bergmannkiez retten will.

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Wir wünschen Ihnen ein schwungvolles Wochenende,

Ihr Lorenz Maroldt

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