Der Sonntagabend endete mit einem Donnerschlag, die Erschütterung ist noch heute früh zu spüren: Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher erklärt ihren Rücktritt – und im Senat wackeln die Wände.
Die Erosion begann am 3. Juli mit einer schriftlichen Anfrage der AfD-Abgeordneten Kristin Brinker zu den „Aufsichtsratsposten von Regierungsmitgliedern“. In der Antwort von Finanzstaatssekretär Fréderic Verrycken vom 21.7. sind in einer Tabelle die Mandate sowie die zusätzlichen Einkünfte aus dem Jahr 2019 aufgeführt – und in einer zweiten Tabelle die von den Senatsmitgliedern für das Jahr 2019 an die Landeskasse abgeführten Beträge. Denn mehr als 6135,50 Euro pro Jahr dürfen nicht behalten werden (gemäß Ablieferungspflicht § 7 i.V.m. § 6 Nebentätigkeitsverordnung (NtVO) sowie i.V.m. § 7 Abs. 2 Senatorengesetz).
Was sofort auffällt: Obwohl Lompscher auf zusätzliche Einnahmen von 8100 Euro kommt (7500 IBB, 600 Tempelhof Projekt GmbH), fehlt ihr Name in der Abgabenliste. Die Anfrage landet, noch unveröffentlicht, vorab bei Hildburg Bruns (Bild/B.Z.), und die fragt nach. Am 29.7. erscheint ihr Artikel unter dem Titel „Der Fall Lompscher“ – die Senatorin lässt eine Sprecherin verlautbaren: „Nach Anfrage der B.Z. ist der notwendige Betrag heute überwiesen worden.“
Es bleibt verhältnismäßig still. Die meisten denken, es gehe allein um 1964 Euro, die aus Versehen nicht abgeführt wurden – denn die offizielle Erklärung lautet: Lompschers Büro habe 2017 „intern“ angefragt, ob die Senatorin selbst abrechnen müsse. Damals habe die Antwort gelautet: Nein, das mache die Verwaltung selbst. Klingt nach einem Missverständnis – obwohl bei den anderen Senatsmitgliedern alles glatt lief und Lompscher bereits von 2006 bis 2011 Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz war (und damit erfahren).
Aber von da an waren es schon drei Jahre (2017, 2018, 2019) und 5892 Euro, die vorschriftswidrig nicht abgeführt wurden. Bruns blieb dran und fragte weiter – diesmal, ob die zusätzlichen Einkünfte versteuert wurden. Sie traf ins Schwarze: „Bedauerlicherweise musste ich feststellen, dass ich das versäumt habe“, gab Lompscher jetzt zu – und zwar insgesamt in einer Höhe von 15.427 Euro für die Jahre 2017 und 2018. Nach einer stundenlangen Telefonkonferenz der Linken-Führung am Sonntag erklärte sie am Abend ihren Rücktritt als Senatorin.
Politiker sind schon trotz größerer Verfehlungen im Amt geblieben und wegen kleinerer Vergehen gegangen. Im Fall Lompscher wurde gleich spekuliert: Steckt da noch mehr dahinter? Zwei Gründe sprechen dagegen:
1) Was das Geld betrifft, vertritt die Linkspartei einen hohen moralischen Anspruch – bereits der Anschein einer Bereicherung würde den kommenden Wahlkampf belasten.
2) Was die Wohnungspolitik betrifft, hat Lompscher im Sinne ihrer Partei das Maximum rausgeholt – und viel Kritik der Opposition, aber auch aus der SPD und der eigenen Verwaltung ertragen. Wenn Sie jetzt geht, verlässt sie den Senat für viele als Heldin im Kampf gegen die Spekulation. Über das Schicksal des Mietendeckels entscheidet das Verfassungsgericht, aber so oder so wird es Enttäuschungen geben – und wenn der Deckel zum Bumerang wird, müssen ihn jetzt andere auffangen.
„Wir leben bis zum Hals im Kapitalismus, das ist das Problem“, hatte Lompscher zu Beginn ihrer Amtszeit gesagt. Die FDP wollte vom Senat damals schriftlich wissen, ob er diese Einschätzung teilt – die offizielle Antwort: „Der Senat hat sich zu diesem Grundproblem noch keine abschließende Meinung gebildet.“
Wir werden uns also gedulden müssen – auch, was die Nachfolgefrage betrifft. Die Kapitalismus-Antwort gab übrigens Lompschers Staatssekretär Sebastian Scheel, der gestern als möglicher Kandidat genannt wurde. Doch es ist auch gut möglich, dass im Senat jetzt noch mehr ins Rutschen kommt, ein Jahr vor der Wahl.
Wir starten heute in die letzte Ferienwoche – und kommen damit auch zu unserer letzten Fortsetzungsgeschichte. Den Auftakt macht heute Berit Glanz, deren hinreißender Roman „Pixeltänzer“ zu meiner (viel zu späten) Sommerlektüre gehörte. Mehr dazu weiter unten, jetzt aber erstmal zu den weiteren Meldungen des Tages.
„Ärgerlich ist zu wenig gesagt“, sagt der Regierende Bürgermeister, vom rbb flugs zum „Regierenden Oberbürgermeister“ befördert, über die Corona-Demos vom Sonnabend. „Für die Freiheit“ (übrigens auch der Titel eines NS-Propagandafilms von Leni Riefenstahl) lautete eine der Parolen, unter denen 20.000 Menschen, die meisten angereist, weitgehend maskenlos drängelnd einen zweiten Lockdown provozierten – bei weiterhin steigenden Infektionszahlen.
In der Nacht zum Sonntag hatte es die Polizei dann in Neukölln mit linksextremistischer Randale zu tun. Falls Sie mal erfahren wollen, wie es von innen aussieht, wenn ein Pflasterstein die Fahrer-Seitenscheibe eines Streifenwagens durchschlägt – hier ein kurzes Video.
Vor 25 Jahren scheiterte die Länderfusion (damals idiotischerweise „Länderehe“ genannt) u.a. an der Ankündigung des Berliner CDU-Fraktionschefs Klaus-Rüdiger Landowsky, in Brandenburg „die sozialistischen Wärmestuben auszufegen“, und zwar „mit eisernem Besen“ – so ließen sich die Leute beim Volksentscheid jedenfalls nicht hinterm Ofen hervorlocken, aller sonstigen Argumente zum Trotz. Spätere Versuche einer besseren politischen Abstimmung waren untauglich, gesetzeswidrig oder reine Symbolik. Doch jetzt starten die Fraktionschefs der Linken aus Berlin (Carsten Schatz) und Brandenburg (Sebastian Walter) eine neue Initiative: Sie schlagen vor, Themen wie Verkehr, Pendlerströme, Wohnen, Kitas, Schule und Wirtschaft auf der Ebene der Fachausschüsse miteinander zu verhandeln – und eine Regionalversammlung zu etablieren. Fehlt nur noch das gemeinsame Wappentier (Bär und Ader lassen sich bekanntlich schlecht paaren, siehe oben). Team Checkpoint schlägt deshalb eine lahme Ente vor.
„Erzähl mal weiter“ – gemeinsam mit AutorInnen und Ihnen wollen wir während der Sommerferien Fortsetzungsgeschichten schaffen. Den Auftakt der letzten Woche macht heute Berit Glanz.
Stalagmit
von Berit Glanz
Hätte sie wenigstens das Licht angemacht, bevor sie die Kellertreppe hinunterlief. Aber meist rannte sie bloß im Dunkeln die Stufen hinab, der Lichtkegel aus dem Flur des Mietshauses war gerade genug, um sich die Flaschen aus ihrem Verschlag zu greifen. In der Kellerfeuchte blieben sie zumindest ein wenig kühl. Doch dieses Mal war die Feuerschutztür zugefallen und ließ sich nicht mehr öffnen, vielleicht hatte sie sich verhakt. Erschreckt hatte sie sich mehrfach gegen die Tür gestemmt, geklopft und dann sofort versucht, Milan anzurufen. Er war natürlich nicht ans Telefon gegangen. Nun saß sie auf dem Betonfußboden in einer kleinen Insel aus Smartphonedisplaylicht. Sie hatte Milan sicherheitshalber eine Reihe von Nachrichten geschickt, hoffentlich würde er kommen, bevor es völlig dunkel wurde. Sie fröstelte und stellte den Bildschirm etwas dunkler, um Batterie zu sparen. Ihre Lichtinsel wurde kleiner. Zumindest war der Akku noch voll genug, um sich ein wenig abzulenken, dachte sie und öffnete...
Und jetzt sind Sie gefragt – Wie soll es weitergehen? Schicken Sie uns Ihre Fortsetzung (maximal 600 Zeichen) bis spätestens heute um 16 Uhr an checkpoint@tagesspiegel.de. Die beste Idee veröffentlichen wir morgen im Newsletter. Und die gesamte Geschichte (deren Ende wiederum Berit Glanz am Freitag schreiben wird) lesen Sie am Wochenende im Tagesspiegel und auf Tagesspiegel.de.
Nach 42 Jahren in der Krankenpflege, u.a. als Leiterin der Rettungsstelle im Berliner Wenckebach-Krankenhaus und zuletzt in der Notaufnahme des Benjamin-Franklin-Krankenhauses, ist Birgit Liehr (Foto) am Freitag in den Ruhestand verabschiedet worden. Der Checkpoint hat mit ihr über ihren Beruf (nicht nur) in Corona-Zeiten gesprochen, das gesamte Interview finden Sie heute auf tagesspiegel.de – hier ein paar Auszüge:
„Das ist wirklich ein schöner Beruf, der einem ganz viel bietet, man hat ein super abwechslungsreiches Aufgabenfeld.“
„Wir haben ständig neue Situationen in der Notfallaufnahme und müssen uns immer wieder auf neue Dinge einstellen. Corona ist da nur ein Beispiel. Ob Ebola, SARS oder Fukushima, wir mussten uns immer überlegen, wie wir am besten mit solchen Situationen umgehen.
„Uns macht es große Sorgen, wenn wir sehen, wie sich die Bevölkerung zum Teil verhält. Das ist kein beruhigender Gedanke, wir rechnen mit einer zweiten Welle und stehen dauerhaft in Habachtstellung.“
„Was wir brauchen, ist mehr Selbstständigkeit. Durch die Akademisierung der Pflege erlangt unser Beruf neue Befähigungen, die aber nur durch eine entsprechende Gesetzgebung zur Anwendung kommen können.“
„Wer das Chaos nicht liebt und nicht damit umgehen kann, ist hier fehl am Platz.“
„Ja, das ist schon erfüllend, keine Frage. Aber manchmal auch etwas überfüllt.“ (lacht)
„Das ist schon sehr heftig, gerade, wenn jetzt in den letzten Tagen alle Kollegen ankommen und sagen, dass sie mich vermissen werden. Das ist nicht einfach für mich.“
Der Checkpoint sagt respektvoll Danke für den leidenschaftlichen Einsatz von Birgit Liehr sowie dem ihrer Kolleginnen und Kollegen, die allesamt mehr Aufmerksamkeit verdienen – nicht nur während einer Pandemie.
Berliner Schnuppen
Telegramm
„Nur alle zehn Minuten mit der U7 nach Rudow“, meldet die BVG – nach einem Kabelbrand im U-Bahnhof Hermannplatz ist die Stromversorgung stark eingeschränkt. Ok, aber was soll ich alle zehn Minuten in Rudow?
Falls Sie Herrn Nur Aldin Hamo kennen („letzte Anschrift: ohne festen Wohnsitz“), sagen Sie ihm bitte, dass die Polizei sein Handy kaputt machen will. Steht jedenfalls so im Amtsblatt (S. 4147): „Hiermit wird angekündigt, dass die dem oben angegebenen Genannten gehörende Sache, ein Handy (iPhone) vernichtet wird.“ 14 Tage hat Herr Hamo noch Zeit, um sein Gerät zu retten.
Aus der neuen Unfallverhütungsvorschrift „DGUV Vorschrift 38 ‚Bauarbeiten‘“, § 9 „Absturz“ (seit dieser Woche in Kraft): „Eine Absturzgefahr besteht bei einer Absturzhöhe von mehr als 1,00 m“. Und damit also an allen Berliner Tresen – gut, dass das auch mal geklärt ist.
Der Trend geht zum Miet-Huhn – angeboten werden die Tiere auf Onlineplattformen, und auch immer mehr Berliner verlegen ihre Versorgung vom Supermarkt in Hinterhöfe und Gärten. Einen Namen hat das Ganze natürlich auch: „Urban Livestock Farming“ heißt das zur besseren Vermarktung. Da brat mir doch einer… ein Ei.
84 Fahrzeuge hat das „Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben“ wegen Unordentlichkeiten der Eigentümer in seinen Besitz gebracht – am 11. September werden die Kisten an die Meistbietenden umverteilt. Von Alfa Romeo bis zum VW New Beetle Cabrio ist fast alles dabei, was in Berlin auch sonst so im Weg herumsteht. Wenn Sie wissen wollen, ob Ihr Wagen dabei ist: Die komplette Liste mit Kennzeichen und Herstellernummern finden sie im Amtsblatt ab Seite 4171.
Neukölln bleibt Berlins größter Mülleimer: 10.186 Kubikmeter illegal abgestellten Krimskrams vom Babybett bis zum Wandschrank (und mittendrin ein Motorblock) sammelte die BSR hier im vergangenen Jahr von der Straße. Zum Vergleich: das ist etwas mehr als die geschätzte Gesamtmenge an Gold, das bisher von Menschen geschürft worden ist. Tja, in New York sagt Sarah Jessica Parker dazu („Sex and the City“): „Wenn du jemanden braucht, der den Müll runterträgt, heirate.“ In New Kölln heißt es: Fenster auf und raus damit.
Auf den Plätzen folgen übrigens Friedrichshin-Kreuzberg (7161), Mitte (4829) und der Michael-Müller-Distrikt Tempelhof-Schöneberg (2406). BSR-Chefin Stephanie Otto will „für diejenigen, die einfach zu faul sind, ihren Müll wegzubringen“, jetzt „gute Angebote“ schaffen – eines davon: das Gebrauchtwaren-Kaufhaus „NochMall“ in Reinickendorf. Und nochmal Stephanie Otto: „Wenn der Regierende etwas los werden will, kann er sich gerne melden.“ (Q: Mopo).
Was waren das noch für Zeiten, als gefräßige Kaimane und Killerwelse aus dem Sommerloch auftauchten, Angst und Schrecken erzeugten – und pünktlich zum Schulbeginn wieder verschwanden. Heutzutage übernehmen bräsige Schildkröten den Job rund um die öffentlichen Gruselseen. Da tut es gut, zu wissen, dass es anderswo ähnlich zugeht. Und so stürzten sich Medien aus aller Welt auf unseren Fuchs mit Schuhsammeltick: Berichtet wurde in England, Frankreich, Ungarn, Polen, den USA… und, na klar, auch Fox News berichtete. Es kommentiert Victoria Beckham: „In flachen Schuhen kann ich mich einfach nicht konzentrieren.“ Offenbar ist sie damit nicht allein.
Nachdem das Mysterium der geklauten Schuhe gelöst ist, zieht jetzt offenbar auch ein Gummistempelfetischist durch die Stadt: Jede Woche meldet eine andere Verwaltung den Verlust eines Siegels. Diesmal dabei: die Bezirksämter Steglitz-Zehlendorf (20 mm, Nr. 169) und Treptow Köpenick (35 mm, Nr. 3, Aufschrift „Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt“). Aber vielleicht wollen die Diebe oder Finder ja auch nur helfen, damit es mit der einen oder anderen Genehmigung etwas schneller geht.
Rolf Kiefer hatte ich in Bonn kennengelernt, Anfang der neunziger Jahre, da war er noch Sprecher der CDU. Später trafen wir uns in Berlin wieder; als freier Berater versuchte er, Friedbert Pflüger bei dessen Kandidatur gegen Klaus Wowereit zu helfen (ein hoffnungsloses Unterfangen, wie sich bald herausstellen sollte). Eine der Traueranzeigen im Tagesspiegel, die am Sonntag erschien, ist überschrieben mit den Worten „Rheinländer, Kollege, Freund“ – alle anderen werden zumindest mit großer Achtung an ihn denken.
Das Projekt @wasihrnichtseht macht Rassismuserfahrungen von Schwarzen sichtbar. Wir machen das durch eine Kooperation an dieser Stelle auch.
Wer kennt Charlie Keller? Seit Jahren befinden sich im Besitz von „Tapete Records“ Tonbänder der Marke „Orwo“, gekauft auf einem Flohmarkt, aber erst jetzt wurden sie wiederentdeckt – und für toll befunden. Zu hören und zu sehen sind Aufnahmen aus den 70er-Jahren (hier ein Video), ein Lied heißt „Ich, Sigmund Jähn“, und gesungen wird es eben von jener Charlie Keller. Per Facebook sucht „Tapete Records“ jetzt für eine geplante Veröffentlichung Hinweise auf die Sängerin – wer etwas von ihr gehört hatte: Bitte an info@tapeterecords.de wenden.
„Onkel Toms Hütte“ ist ausverkauft, jedenfalls in der „Onkel-Tom-Ladenstraße“ in Zehlendorf – die Buchhändlerin muss nachbestellen. Moses Pölking, der eine Petition zur Umbenennung des gleichnamigen U-Bahnhofs initiierte, hat das Buch von Harriet Beecher Stowe, erschienen 1851, vor fünf Jahren gelesen. Im Gespräch mit unserm Kollegen Lars Spannagel sagt er: „Wenn ich hier aussteige oder herumlaufe, fühle ich mich immer unwohl.“ Pölking will ins Gespräch kommen mit jenen, die skeptisch oder ablehnend sind, um sie „zu sensibilisieren“. Heute Abend ist dazu Gelegenheit: Der Checkpoint hat zu einem Gespräch eingeladen über das Buch, den Bahnhof und den ganzen Rest – Moses Pölking ist dabei, und wir freuen uns darauf.
Nachtrag zur Meldung „Ohne Smartphone kein Test“ (CP vom 1.8.) – ein Senatsmitglied schreibt: „Sonst heißt es im Checkpoint immer, wir sind nicht digital genug. Jetzt machen wir die Tests an den Flughäfen über eine App, und nun ist es auch wieder nicht recht.“ Ganz recht!
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Frau Esken, sind Sie verrückt?“
Einstiegsfrage von Stephan Haselberger und Hans Monath im Tagespiegel-Interview mit der SPD-Vorsitzenden.
„Das ist eine ungewöhnliche Einstiegsfrage, aber…“
Einstiegsantwort der SPD-Vorsitzenden im Tagesspiegel-Interview, das Sie hier lesen können.
Tweet des Tages
Bitte Behördenpingpong nicht mit Behördenmikado verwechseln.
Stadtleben
Lesereise – Janika Gelinek, Leiterin des Literaturhauses Berlin, nimmt uns mit in die gleißende Sonne Roms – auf Goethes „Italienische Reise“: „Mit 22 Jahren nahm ich mir vor, dieses vermutlich völlig überschätzte Buch von diesem vermutlich völlig überschätzten Autor zu dekonstruieren. Und fand einen Schatz, von dem ich bis heute zehre: Indem man nicht nur tief in Rom und Italien eintaucht, sondern die eigene Wahrnehmung durch die Lektüre so geschärft wird, dass es für viele weitere Reisen reicht – wohin auch immer. Unbedingt die wunderbar kommentierte Münchner Ausgabe anschaffen: Man spart den Rom-Reiseführer!“ Ein Exemplar des berühmten Berichts erhalten Sie für 47 Euro hier (Hanser, 1992).
Urlaub ganz nah – Die Gluthitze Roms bleibt Berlin noch erspart. Wer Stadtlärm und Schwüle dennoch entfliehen möchte, lässt sich im Schatten des Tiergartens nieder: Am Fuße des marmornen Goethe-Denkmals laden Bänke und Wiesen zum Blättern in poetischen Reisegeschichten – und zum Sehnen in toskanische Villengärten. Um nicht auf leeren Magen zu schmökern, geht es zuvor fix nach Prenzlauer Berg: Im frisch eröffneten Viani (Schönhauser Allee 46) stellen sich Hungrige den eigenen Antipasti-Korb zusammen. Wir empfehlen Oliven plus Zitrone – und zum Nachtisch süße Torrone! Mo-Sa 10-20 Uhr, U-Bhf Eberswalder Straße. Das Goethe-Denkmal finden Sie in der Eberstraße 18, U-Bhf Brandenburger Tor.
Mehr Ideen für den Urlaub vor der Haustür finden Sie auf tagesspiegel.de.
Essen & Trinken – Kebab mit Cocktail und Spiegelei verputzen Foodies abseits des Kudamms: Mitten auf der Kantstraße hat das Ø27 die gläsernen Türen aufgestoßen. Offizielle Eröffnung feiern die Köche erst Donnerstag – Ungeduldige flitzen bereits jetzt ins Lokal, das Dönerkultur stilvoll hipsterisiert. Statt Fleisch im Brot kredenzt der Imbiss instagramreife Kebab-Bowls, bei denen selbst Sesam und Ei nicht fehlen. Die edlen Schalen werden zwischen Marmor, Beton und Neonröhren serviert, dazu gibt's Spritz und Ayran Colada. Mitten am Fenster prangt in leuchtenden Lettern „Not your ordinary Kebab“ – Checkpoint-Urteil: Mit alles, bitte! Mo-Do 11.30-22, Fr-Sa 11.30-2, So 12-22 Uhr, Kantstraße 143, S-Bhf Savignyplatz
Das ganze Stadtleben – mit täglich neuen Ideen für den spontanen Urlaub vor der Haustür – gibt's mit Tagesspiegel-Plus-Abo.
Rausfahren – Ins grüne „Erhol-Dich-Gut“: Mitten im Naturpark Uckermärkische Seen lockt das Gutshaus Boltenhof müde Städter zur Entschleunigung. Die wandern gemütlich durch Wald und Wiesen, schnabulieren frische Eier und füttern Kühe, Gänse und Hängebauchschwein. Nach Kräuterrundgang und Fahrradtour geht es auf die luftige Riesenschaukel, ins Freiluftkino oder zum Kuchen ins Hofcafé. Wem ein Tag auf dem Gut nicht genügt, der bleibt einfach über Nacht – und bezieht ein Zimmer im Landhotel-Stil. Unbedingt vormerken: Ab Mitte August lädt das neu restaurierte Lokal GutEss zu High Cuisine in den Wintergarten. Koffer gepackt und losgefahren! Mehr Infos erhalten Sie auf der Website des Draussen-Magazins. Lindenallee 14, 16798 Fürstenberg/Havel (Foto: Gut Boltenhof)
Neu am Hansaplatz sind die Felsen der Schweiz: Seit Sonnabend erhebt sich die Spitze des Matterhorns acht Meter über den Köpfen der Vorbeiziehenden. Jan Köchermanns Installation „Horu“ spiegelt sich im Becken vor der Hansabibliothek – dem Bergsee – und bringt alpines Eis in die Straßen Berlins. Neugierige können in die Höhle des künstlichen Berges kraxeln und von innen den Passanten entgegenblicken. Wer sich lieber der Stadt zuwendet, durchstöbert den zugehörigen Souvenir-Shop: Zeit, Postkarten zu verschicken! Abends taucht eine Laterne den Gletscher ins Flutlicht – zu bewundern bis zum 20. September. Altonaer Str. 15, U-Bhf Hansaplatz
Noch Hingehen – Zu Google und Facebook, TikTok und Zoom: Bis zum 16. August zeigt der Kreuzberger Kunstraum Bethanien die Ausstellung „Eintritt in ein Lebewesen“. In Installationen und Videoclips lassen 40 Künstler den Alltag in Homeoffice und Onlinewelten Revue passieren – und üben scharfe Kapitalismuskritik. Wer überwacht uns und wohin mit den Daten? Auf einen Rundgang entlang Likes und Algorithmen begeben Sie sich am Mariannenplatz 2. Alle Infos finden Sie hier – der Eintritt ist frei. So-Mi 10-20 Uhr, Do-Sa bis 22 Uhr, U-Bhf Kottbusser Tor
Last-Minute-Konzert – (Ein Tipp von Ticket-Kollegin Sandra Luzina) Zum Jugendorchester-Treffen „Young Euro Classic“ können in diesem Sommer keine Nachwuchskünstler*innen aus dem Ausland anreisen. Dafür legen sich nun Studierende der Berliner Hochschulen ins Zeug; sie treten Corona-bedingt nur in kammermusikalischen Besetzungen im Konzerthaus auf. Heute Abend präsentieren vier Jungstars der Barenboim-Said Akademie um 20 Uhr ein Programm mit Berliner Note. Aufgeführt wird das Streichquartett Es-Dur von Fanny Hensel, die zeit ihres Lebens im Schatten ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy stand. Zum direkten Vergleich lädt dessen Streichquartett c-Moll op. 80 ein, das als Reaktion auf Fannys Hensels überraschenden Tod mit 42 Jahren entstand.
Karten sichern – Zwielicht-Romantik auf der Tempelhofer Freiheit: Ab Mittwochnacht wandeln Berliner durch tausende Kerzen am Rande des Flugfelds. Mit einem Labyrinth aus Lichtern ruft das Theater Anu zur „Großen Reise“ – entlang von Narren, Vogelmenschen und Träumern. Besucher flanieren in Gruppen über das Feld, auf dem Jahrmarktbuden und Koffertürme auf neugierige Betrachter warten. An jedem Abschnitt stehen Hygienestationen bereit, alle Hocker sind streng mit Abstand platziert: immersives Theater trotz Weltpandemie. Begangen werden darf das Labyrinth noch bis zum Abend des 15. Augusts, Tickets sind beinahe ausverkauft. Restkarten ergattern Sie für 28/18 Euro unter diesem Link – oder bei uns: Bis 12 Uhr verlosen wir zwei Tickets für einen Slot nach Absprache. Wer möchte?
Insel-Check
Team Checkpoint hat die Segel gehisst und alle Berliner Inseln besucht – es sind mehr als 50. An dieser Stelle und auf Instagram stellen wir Ihnen täglich eine davon vor. Und oben drauf gibt’s unser Inselquartett – zum Ausschneiden für lange Autofahrten in den Ferien und Sommer-Sehnsucht im Winter.
Weiße Leinenhosen, Polo-Shirts und blaue Slipper – so stellt man sich die Menschen vor, die sich eines der Luxushäuser auf der Humboldtinsel geleistet haben. Die 1908 aufgeschüttete Insel liegt am Hafen, kurz vor der Einmündung des Tegeler Fließ in den See. Bis vor einigen Jahren wehten hier Deutschlandfahnen und Bratwurstgerüche über den Köpfen von Schrebergärtnern. Heute können zahlungskräftige Neu-Reinickendorfer sogenannte „Floating Homes“ (garantiert unsinkbar!) erwerben, die Stadtvillen mit Wasserblick und die schnieken Doppelhäuser mit Anleger und weißem Schnellboot davor sind alle schon verkauft. Vom zubetonierten Ufer aus hat man einen schönen Blick auf die rotgetünchte Sechserbrücke, dahinter beginnt der kristallklare Tegeler See. Mit etwas Glück taucht zwischen den Stadtvillen mal ein Eisvogel auf.
Text: Julius Betschka
Berlin heute
Verkehr – S-Bahn: Die S5 ist bis zum 13.8. (1.30 Uhr) zwischen Wuhletal und Lichtenberg unterbrochen. Bitte steigen Sie hier auf die U5 um. Der S-Bahnhof Biesdorf ist über einen Ersatzverkehr per Bus zu erreichen. Die Linien S7 und S75 sind bis zum 13.8. zwischen Lichtenberg und Springpfuhl eingestellt, es gibt SEV.
Mitte: Wegen einer Demonstration (s.u.) ist rund um Alexanderplatz, Unter den Linden, Regierungsviertel und Pariser Platz mit Verkehrseinschränkungen zu rechnen (14-18 Uhr) und aufgrund einer Fahrraddemonstration (s.u.) kann es entlang der Route von Invalidenpark über Altonaer Straße und Großen Stern, Straße des 17. Juni, Brandenburger Tor, Behrenstraße, Glinkstraße und Unter den Linden bis zum Alexanderplatz zu Verkehrsbeschränkungen kommen (16-18.30 Uhr).
Turmstraße (Moabit): Aufgrund einer Kundgebung kommt es zu Sperrungen (12.30-16 Uhr).
Stralauer Straße (Mitte): Auf Höhe Littenstraße ist in Richtung Alexanderstraße nur ein Fahrstreifen verfügbar (bis Anfang November).
Kolonnenstraße (Schöneberg): Zwischen Naumannstraße und Hohenfriedbergstraße steht in beiden Richtungen nur eine Spur zur Verfügung (bis 19.8.).
Hauptstraße (Schöneberg): Zwischen Dominicusstraße und Eisenacher Straße ist in Richtung Zentrum nur ein Fahrstreifen verfügbar (bis Anfang September).
Landsberger Allee (Lichtenberg): Zwischen Rhinstraße und Arendsweg sind nur zwei Bahnen befahrbar (9-15 Uhr, bis Freitag).
Grünauer Straße - Am Falkenberg (Altglienicke): Zwischen Köpenicker Straße und Drössestraße ist die Fahrbahn an zwei Baustellen auf einen Streifen verengt (bis Ende August).
A103 (Steglitz-Zubringer): Wegen nächtlichen Markierungsarbeiten ist zwischen Filandastraße und Saarstraße nur eine Spur verfügbar (20-5 Uhr).
A114 (Pankow-Zubringer): Nächtliche Sperrung zwischen Pasewalker Straße und Schönerlinder Straße (20-5 Uhr).
Demonstration – Zu einem Aufzug mit dem Titel „Gedenkfeier an das ezidische Volk – Völkermord am 3.8.2014, Shingal – Nordirak“ werden heute Nachmittag 1000 Personen erwartet. Die Teilnehmenden ziehen vom Neptunbrunnen bis zum Platz der Republik (14-18 Uhr, Anmelder ist der „Kongress der Eziden weltweit“). Die Parents4Future rufen zur Fahrraddemo „hinsichtlich der verheerenden Entscheidungen zur Klimakrise mit dem Kohleausstiegsgesetz und den Verhandlungen zum EU-Budget in den vergangenen Wochen“ und radeln von Invalidenpark zum Alexanderplatz (16-18.30 Uhr). Dort treffen sie 300 Demonstrierende unter dem Motto „Aufforderung an Regierung und Parlament für eine konsequente Klimaschutzpolitik bzw. Protest gegen die aktuelle, völlig unzureichende Klimaschutzpolitik“ (18-20 Uhr, angemeldet durch Berlin4Future). Vor dem Amtsgericht Tiergarten in der Turmstraße demonstrieren 50 Personen mit einer „Solidaritätskundgebung für die angeklagten Aktivist_innen des Rheinmetall-Entwaffnen-Bündnisses“ (12.30-16 Uhr).
Gericht – Weil sie vor rund drei Jahren eine Veranstaltung in der Humboldt-Universität durch Zwischenrufe gestört und trotz Aufforderung nicht verlassen haben sollen, wird drei 32- bis 43-Jährigen der Prozess gemacht (9 Uhr, Kriminalgericht Moabit, Turmstraße 91, Saal 571).
Universität – An Berliner Frischluft schreiben sich lästige Hausarbeiten fast wie von selbst. Das findet auch die Amerika-Gedenkbibliothek – und verlegt daher Arbeitstische und Liegestühle kurzerhand auf die Wiese vor dem Haus. Bei Abstand und Wind sollen Besucher sorglos lesen, für Arbeitende gibt es Draußen-Wlan. Gepaukt werden darf zunächst von Mo-Fr von 12-18 Uhr, in den kommenden Wochen will die Freiluft-Bib jedoch weiter wachsen. Frohes Schaffen! Blücherplatz 1, U-Bhf Hallesches Tor
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – Wilhelm Bender (76), Wirtschaftsmanager / Marica Bodrožić (47), Schriftstellerin / Christoph Geiser (71), Schweizer Schriftsteller / „Meiner Isi einen wunderschönen Geburtstag! Love, health, money and a big hug. Liebe Grüße von der ollen Tante.” / Wolfgang Nagel (76), ehem. Berliner Bausenator (1989-1996) / Stefan Peno (23), Basketballspieler bei Alba / Katrin Schmidberger (37), für die Grünen im AGH / Kristina Schröder (43), ehem. Bundesfamilienministerin (2009-2013) / Robert Stadlober (38), Schauspieler / Nachträglich: Andreas Laqueur, Alt- und Neuberliner
Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Gestorben – Johannes Brüggemann, * 15. Januar 1950 / Ursula Eichert, * 14. April 1927 / Kurt Nentwig, * 2. Januar 1937, Justizoberamtsrat a.D. / In memoriam: Heiner Urhausen, * 20. Oktober 1949, verstorben am 3. August 2019
Stolperstein – Elisabeth Alexander (Jg. 1909) lebte gemeinsam mit ihren Eltern Frieda und Paul in der Charlottenburger Mommsenstraße 47. Während es ihren Geschwistern gelang, noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs auszuwandern, scheiterte Elisabeth an der Genehmigung eines Visums. Ab Winter 1942 leistete sie Zwangsarbeit, die sie in eine tiefe Krise stürzte. Einige Monate später erhielten Paul und Frieda Alexander die Ankündigung ihres baldigen Transports nach Theresienstadt. Einen Tag vor der Deportation ihrer Eltern – am 3. August 1942 – sprang Elisabeth aus dem Fenster im 3. Stock ihres Wohnhauses. Am heutigen Tag jährt sich ihr Todesdatum zum 78. Mal.
Encore
Zum Schluss eine Mitteilung des Amtsgerichts Charlottenburg: „Der im Vereinsregister eingetragene Verein Frustschutz e. V. (Aktenzeichen VR 13152 B) ist durch Beschluss der Mitgliederversammlung aufgelöst. Gläubiger werden aufgefordert, ihre Ansprüche anzumelden.“ Wir werden trotzdem (oder gerade deswegen) weiter fröhlich durchs Leben ziehen.
Ich wünsche Ihnen einen frustfreien Start in die neue Woche. An diesem Checkpoint mitgewirkt haben Lotte Buschenhagen (Stadtleben), Vivien Krüger (Interview) und Kathrin Maurer (Produktion), und morgen begrüßt Sie hier Ann-Kathrin Hipp. Bis dahin,
Ihr Lorenz Maroldt