Was war das für eine spannende Wahlnacht! In Großbritannien lagen die Konservativen von Premierministerin Theresa May zwar die ganze Zeit vor Labour mit Herausforderer Jeremy Corbyn, aber die angestrebte absolute Mehrheit wackelte von Beginn der Auszählung an: Die Verluste der Torys sind erheblich. Der Ausgang war zwar um 6 Uhr noch offen, aber Corbyn hat schon den Rücktritt der Regierungschefin gefordert, und auch die Konservativen diskutieren darüber. Den Verlauf der Auszählung und die Reaktionen auf den Wahlausgang können Sie hier in unserem Liveblog verfolgen, und die jeweils aktuellste Zusammenfassung der Ereignisse finden Sie hier.
Schloss-Rückseiten-Architekt Franco Stella zweifelt am „ZWEIFEL“ - diesen Schriftzug aus den letzten Tagen des Palastes der Republik wollen die Gründungsintendanten als Ausgleich für das Kuppelkreuz an der Ostseite des Humboldt-Forums installieren. In einer Mail an den Tagesspiegel schreibt Stella, darin sehe er „eine erhebliche Verunstaltung“ seiner Architektur. Wenn das so weiter geht, wird der Streit um die richtigen Symbole am falschen Ort wohl erst mit einer symbolischen Sprengung des politisch aufgeladenen Kastens beigelegt sein (gehört ja irgendwie auch zur originalgetreuen Rekonstruktion der Geschichte). Dazu der Kommentar von Dirk von Lowtzow (Tocotronic): „Im Zweifel für den Zweifel, und gegen allen Zwang, im Zweifel für den Teufel und den zügellosen Drang.“
Apropos Sprengung: Im März 1998 sprachen meine Kollegin Eva Schweitzer und ich mit CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky und Staatssekretär Hans Stimmann über die Stadtentwicklungspolitik des Senats (damals Schwarz-Rot). In der autorisierten Fassung des Interviews für den Tagesspiegel sagte Landowsky: „Man muss den Mut haben, Gebäude wie das Neue Kreuzberger Zentrum oder den Sozialpalast zu sprengen“, und Stimmann ergänzte: „Sie haben recht. Das ist ein Tabu-Thema, aber vielleicht sollte man das NKZ in der Tat abreißen, das versaut die Stadt“. Fast zwanzig Jahre später hat die landeseigene Wohnungsgesellschaft Gewobag das NKZ am Kottbusser Tor gekauft, und gestern kam die Meldung, dass der Sozialpalast in der Pallasstraße unter Denkmalschutz gestellt worden ist.
Was macht eigentlich die „rückhaltlose Aufklärung“ der CDU-Fälschungsaffäre in Zehlendorf, die Monika Grütters als Landesvorsitzende am 3. März versprochen hatte? Immerhin war sie wegen der „Vorgänge“ rund um die Wahl des Bundestagskandidaten ja doch „richtig wütend, richtig wütend“. Na, da fragen wir doch mal nach – hier der offizielle Stand der Dinge: „Dem Landesverband liegen keine neuen Erkenntnisse vor. Sollte es neue Hinweise geben, werden wir diese umgehend den ermittelnden Behörden zur Verfügung stellen. Der aktuelle Sachstand des staatsanwaltlichen Verfahrens ist uns nicht bekannt.“ Hm, liegt da vielleicht ein Transkriptionsfehler vor? War womöglich damals die Rede von rückgratloser Aufklärung?
Vielleicht war aber auch einfach keine Zeit, denn die CDU ist mit noch ganz anderen Sauereien beschäftigt: Sie muss Berlin vor den Wildschweinen retten (sonst macht’s ja keiner). In einem Antrag an das Abgeordnetenhaus (Drucksache 18/0376) wird der Senat zu einer „verstärkten Bejagung“ aufgefordert – da kann die nächste Sitzung ja gleich im Wald stattfinden. Zur Begründung heißt es, die Population habe sich „rasant vermehrt“, richte in den Außenbezirken „erhebliche Sachschäden“ an, sei „eine unmittelbare Gefahr für Menschen“ und trage Nachts perfider Weise auch noch „ein Tarnkleid“. Falls Sie also in den Außenbezirken auf finstere Fellgestalten treffen – Achtung: Es könnte ein Schwein drin stecken.
Brandenburg will 1,1 Mio für eine Imagekampagne ausgeben - das ist ungefähr die Summe, die am BER ein Tag Nichteröffnung kostet. Tatsächlich ist der beste Werbespruch für die Mark längst geschrieben, er stammt von Rainald Grebe und lautet: „Lassen Sie mich durch, ich bin Chirurg, ich muss nach Brandenburg!“ Auch noch immer Spitze ist „Nimm dir essen mit, wir fahren nach Brandenburg“, allerdings hat da das Image einen leichten Knacks bekommen - unsere Gourmets Bernd Matthies und Kai Röger haben doch tatsächlich „10 echte Empfehlungen“ gesammelt, Titel der Geschichte (heute auf S. 12): „Jenseits von Soljanka“. Mahlzeit.
Telegramm
Sinn für schrägen Humor zeigt die „Bauindustrie Berlin-Brandenburg“: Zum Jahresempfang am 22.6. lädt der Verband ausgerechnet in ein Mahnmal des havarierten Handwerks – stilecht auf einem „Boarding Pass“ als Einlasskarte steht sowohl die Zeit für den „Check In“ (18.30) als auch das „Gate“: Die Sause steigt am BER (Nordpier).
Air Berlin bittet um Bürgschaften von Berlin und NRW - aber eigentlich sollte das Unternehmen Schadenersatz von Bayern fordern: Der desaströse neue „Bodendienstleister“, der die Fluggesellschaft an den Rand des Absturzes bringt, ist ein Unternehmen des Berliner Konkurrenzflughafens München.
Wenn in China ein Rad umfällt … egal. Aber wenn das chinesische Unternehmen Mobike zu den Angeboten von Nextbike und Lidl auch noch ein paar hunderte Leihfahrräder in Berlin aufstellen will: große Aufregung. Warum, beschreibt hier mein Kollege Klaus Kurpjuweit.
Bürgermeister Stephan von Dassel kam gestern Abend zum Empfang der Grünen-Fraktion Mitte im Pauls Deli (Lützowstraße) mal nicht mit dem Fahrrad – er war vor ein paar Tagen an einer schlecht gesicherten BVG-Baustelle gestürzt. Das Ergebnis aus medizinischer Sicht: ein verletztes Knie. Und aus verkehrstechnischer Sicht: Die BVG hat aus einem Radfahrer erst ein Unfallopfer und dann einen Kunden gemacht.
Grandioses Ergänzungsmodul für unser beliebtes Betriebsstörungs-Bingo: CP-Leserin Karin Bischoff meldet aus dem IC 2431 nach Cottbus eine „betriebliche Differenz, die noch geklärt werden muss“. Außerdem: Als Joker gilt heute „Der 5. & 6. Wagen sind verschlossen“ (S46 nach Königs Wusterhausen, via @SofaMiri).
Nach den 15 Neuköllner „Hot Spots“ der Vermüllung („Reach for Rubbish in Hipstertown“) heute Berlins 10 gefährlichste Orte (bisher von der Polizei geheim gehalten) - es sind (Überraschung!): Alexanderplatz, Kleiner Tiergarten, Nollendorfplatz, Görlitzer Park, Warschauer Brücke, Kottbusser Tor, Leopoldplatz, Hermannplatz, Hermannstraße, Rigaer Straße. Hinweis für Neuberliner und Touristen: Der Eintritt ist frei.
Im Jahr 2005, also ein Jahr vor der WM und dem ersten Spatenstich für den BER, begann schräg gegenüber der Staatsoper der Umbau der Staatsbibliothek - geplante Wiedereröffnung war 2012, also parallel zum BER, jetzt soll es Ende 2018 soweit sein, und statt 326 Mio wird das Ganze dann mindestens 470 Mio gekostet haben. Morgen, am „Tag der offenen Baustelle“, können sich Besucher ein Bild von den lt. Einladung „teils extremen Herausforderungen“ machen.
So, was haben wir noch … ach ja: Eine Einladung zum „Berliner Rathaus-Dialog“ des Regierenden Bürgermeisters am kommenden Dienstagabend, moderiert von Ex-rbb-Intendantin Dagmar Reim, in Kooperation mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Gemeinsam mit meinen CR-Kollegen Carsten Erdmann (Berliner Morgenpost), Jochen Arntz (Berliner Zeitung) und Jorin Verges (B.Z.) diskutieren wir im Festsaal (Rathausstraße 15, Eingang Hauptportal) über „Die Zukunft des Berliner Zeitungsmarkts“. Los geht’s um 19 Uhr, da begrüßt Michael Müller die Gäste, und nach der Runde gibt es einen Empfang – falls Sie dabei sein wollen: Ein paar Plätze können wir über den Checkpoint besetzen. Bei Interesse bitte eine Mail mit Ihrem vollständigem Namen an checkpoint@tagesspiegel.de.
Und hier gleich noch was aus dem Roten Rathaus: Der Regierende Bürgermeister ehrt auch in diesem Jahr wieder bürgerschaftlich engagierte Unternehmen – Bewerbungen sind möglich bis zum 30. Juni, alles weitere steht hier.
Zur Checkpoint-Weltkarte - die Nadel des Tages steckt in Omaruru, Namibia. Patrick Süß schreibt: „Neben fauchenden Leoparden ist es ganz schön, auch den Checkpoint fauchen zu hören.“
Korrektur – Nein, das war natürlich kein Witz (no name jokes), kein Test, keine bewusste Respektlosigkeit, und lustig ist es auch nicht. Es war nur eine peinliche Panne – im Silicon Valley sind die Funktionäre der DDR nicht bekannt, den Rest nehme ich auf meine müde Kappe, und die Macbook-Namensverhunzung aka „Autokorrektur“ ist jetzt endgültig ausgeschaltet. Also: Die Herren Keßler, Krenz und Modrow heißen so und nicht anders. Die Zahl der Getöteten an der innerdeutschen Grenze war dagegen korrekt (327).
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Auch wenn in manch einer Verwaltung schon vieles in Angriff genommen worden ist, blockiert die in Berlin zu höchster Blüte gebrachte phlegmatische Verwaltung des Mangels jeden echten Fortschritt.“
Die SPD-Abgeordneten Clara West und Fréderic Verrycken plädieren für eine radikale Verwaltungsreform, denn: „Wenn alle ein bisschen entscheiden, ist am Ende niemand verantwortlich.“ (Q: Gastbeitrag im heutigen Tagesspiegel, S. 8)
Tweet des Tages
„Ich glaube in Berlin halten die meisten Autofahrer Zebrastreifen für irgend so ein krasses Streetart-Ding.“
Stadtleben
Neu im Kreuzberger Sterne-Restaurant Richard ist Christian Schagerl. Der neue Küchenchef war Sous-Chef bei Heinz Winkler in Aschau und hat eine Menge geändert. Zum (noch) Besseren, wie Restaurant-Kritiker Bernd Matthies bemerkt, denn der nunmehr „moderne Mainstream“ schmecke "kontrast- und finessenreicher" als vorher. Der Neue kann besonders Gemüse (sautierte Pfifferlinge mit Cima di Rapa und Auberginenpüree) und verleiht sogar dem allseits geliebten Ceviche eine eigene Note (Menüs ab 52 Euro). Fazit Matthies: „erstklassige Talentprobe“. Köpenicker Straße 174 (U-Bhf Schlesisches Tor), Di-Sa ab 19 Uhr, Reservierung unter Tel. 030-49207242
Essen & Trinken Letzte Woche haben die Kollegen aus Steglitz-Zehlendorf auf einer Doppelseite im Tagesspiegel die Biergartensaison eröffnet (war bestimmt eine besonders unangenehme Recherche). Die besten Tipps für Speis und Trank auf Holzbänken, mit Seeblick und einmal sogar mit Kölsch finden Sie hier.