Eine 44 Jahre alte Radfahrerin ist tot. Sie wurde am Montag in Wilmersdorf von einem Betonmischer überrollt. Die Ursachen des Unfalls sind nicht aufgeklärt, die Schuldfrage erst recht nicht. Für viele stand Minuten nach der Meldung über den Tod der Frau fest: Die Klima-Demonstranten der „Letzen Generation“ sind mindestens mitschuldig. Waren die Retter wegen der Blockaden der Klima-Aktivisten zu spät zum Einsatzort gekommen? Hätte die Frau ohne den Protest gerettet werden können? Was war wirklich? Mein Kollege Henning Onken und ich haben die Fahrt des Einsatzwagens rekonstruiert (Abo). Fakt ist: Die Aktivisten haben nicht bewusst einen Rettungswagen blockiert. Sie saßen seit über einer Stunde auf einem Autobahnschild, als ein Wagen der Feuerwehr über die Stadtautobahn fuhr und wohl durch den Stau einige Minuten ausgebremst wurde.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Klima-Aktivisten nehmen mit der Blockade kritischer Infrastruktur – nichts anderes sind Straßen – in Kauf, dass Menschen zu Schaden kommen. Die Haltung der Demonstranten: Es gibt ein größeres Gut als Leid oder Unmut in der Gegenwart. Wer die Zukunft verbessert, rettet die Menschheit. Denkt man diese Haltung zu Ende, landet man bei einer Gesellschaftsform, die mit einer Demokratie nicht mehr viel zu tun hätte: Im Angesicht einer imaginierten unausweichlichen Vernichtung aller erlischt der Wert des Einzelnen. Diese Ideologie kann für die Demokratie so brandgefährlich werden wie die Klima-Katastrophe selbst.