der Bremerhavener Fischgroßhändler Ulrich Nußbaum angelt mal wieder im Trüben. Dieses Mal: im Berliner Sumpf. In Ausübung seines Hobbys als Beamter im Wirtschaftsministerium vermutet er, dass viele, viele Millionen Corona-Soforthilfe in Berlin versickert sind – das hat er jedenfalls seinem Nachfolger im Amt des Berliner Finanzsenators Matthias Kollatz und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop geschrieben. Grundlage für den Verdacht ist eine Rechnung, die Absolventen des Kurses „Mathe mit dem Checkpoint“ mühelos nachvollziehen können: Berlin bewilligte demnach 210.000 Anträge, laut Nußbaum gab es aber maximal 170.000 Antragsberechtigte. Jetzt droht der Bund dem Senat mit „signifikanten Rückforderungsansprüchen“.
Zwischen 9.000 und 15.000 Euro Soforthilfe konnten Soloselbstständige und Kleinstunternehmen erhalten – und die IBB zahlte schneller aus, als die Antragsteller ihr Konto checken konnten. Jetzt soll der Senat möglichen Missbrauch prüfen. Nicht berechtigt waren:
a) Vereine oder andere, „die nicht wirtschaftlich und dauerhaft am Markt tätig sind“.
b) Antragsteller, die mit der Soforthilfe „Kosten der privaten Lebensführung“ beglichen haben.
c) Antragsteller, die von der Corona-Krise wirtschaftlich gar nicht betroffen waren.
d) Antragsteller, die so ihre Personalkosten deckenwollten.
Nur Betriebskosten durften berücksichtigt werden – und das auch nur dann, wenn ein entsprechendes Betriebskonto vorlag. In Regierungskreisen hieß es gestern: „Das in Berlin ist eine Katastrophe.“ Wochenlang habe sich der Senat auf die Bitte um Aufklärung und auf Mails gar nicht gerührt – dabei hatte Berlin von allen Bundesländern die absolut meisten Genehmigungen erteilt (und war stolz darauf). Nun sei das Maß voll, es gehe immerhin um Bundesmittel – das Ganze wird ein Fall für den Rechnungshof. Nußbaum setzte dem Senat jetzt eine Frist zur Beantwortung offener Fragen bis zum 10. Juni. Kommentar aus der Bundesregierung: „Es ist typisch Berlin.“
Typisch für Berlin sind allerdings auch die Überlebenskünstler, die nicht ein Büro unterhalten, sondern die Stadt und ihre Touristen – und die ihre Einnahmen nicht auf einem Betriebskonto parken, sondern gleich Weiterreichen an den Vermieter ihrer Wohnung und den Supermarkt um die Ecke. Für die war der Lockdown ein Knockdown – und die Soforthilfe eine Art Glücksinfusion. Ohne ihre Überlebenskünstler wäre Berlin viel ärmer, als Nußbaum je berechnen könnte.
Rassismus ist eine Pandemie, die Millionen Menschen ein Leben lang begleitet und der viele zum Opfer fallen, Jahr für Jahr. Aber anders als bei Infektionskrankheiten steht der Verursacher fest – und jeder, der sich davon hat anstecken lassen, ob aus Fahrlässigkeit, Dummheit oder Niedertracht, ist schuldig an der Weiterverbreitung. Und noch etwas ist anders, diametral anders: Rassismus wird nicht durch Abstand bekämpft wie ein Virus, sondern durch Nähe. Den Verursachern und Verbreitern dieser menschenverachtenden Haltung darf eine Zivilgesellschaft keinen Raum geben, nicht auf der Straße, nicht im Büro, nicht im Laden, nicht im Stadion, nicht in der Familie. Und die von Rassismus Betroffenen brauchen ebenfalls Nähe, schützende Nähe, und das nicht nur symbolisch oder gelegentlich deklamatorisch.
Vor diesem Hintergrund war die Massenkundgebung in Berlin unter dem Motto „Black Lives Matter“ für viele begeisternd – aber auch bedrückend zugleich. Nach dem potenziellen Superspreader-Meeting auf dem Alexanderplatz mit vielen tausend dicht gedrängt stehenden Menschen (viele davon ohne Maske) wirken in Covid-19-Zeiten alle Bemühungen um Abstand (Kitas, Schulen, Läden u.a.) ebenso lächerlich wie die noch bestehenden peniblen Hygienevorschriften. „Lasst uns einen langen Atem beweisen“, twitterte Senatorin Ramona Pop, die sich „überwältigt“ gab. Sie meinte die Menge. Einen Tag später fiel ihr ein: „Alle müssen verantwortlich handeln.“ Ja, alle – sonst könnte vielen der Atem bald ganz fehlen, und zwar sehr konkret. Den Kampf gegen Rassismus und Covid-19 müssen wir jedenfalls anders führen.
Testosteron als Treibstoff:Mit 233 km/h raste ein Autofahrer auf dem Wedding-Zubringer der Polizei in die Falle – Rekord. Nicht weniger gefährlich: das Rennen, das sich eine Audi-Fahrerin mit zwei Motorradfahrern auf der Landsberger Allee lieferte – mit einem Tempo von weit über 100 km/h, mitten in der Stadt. Und täglich kommen neue Fälle dazu, obwohl die Raserei als Mordversuch verfolgt werden kann. Ganz schlimm war es vor Ostern, in der Justiz auch „Carwoche“ genannt: 32 Verfahren wurden danach eingeleitet. Viele der Fahrer verwechseln den Führerschein (wenn sie denn einen haben) offenbar mit einem Waffenschein (den sie nicht bekommen würden).
Berlins CDU wird das Rad nicht neu erfinden – aber sie will noch schnell aufspringen: Bei ihrem ersten Digitalparteitag mit 400 Beteiligten (hat gut funktioniert) bekannte sie sich zu einer Politik auch fürs Fahrrad (und den ÖPNV und die Fußgänger und die Autos…). Klingt nach der Quadratur des Kreises – da könnte manchem SUV-Stadtrat und auch dem auspuffpolitischen Sprecher der Fraktion („Kampfradler!“) durchaus schwindelig werden. Für solche Fälle empfiehlt Prof. Dr. Albert Einstein: „Das Leben ist wie Fahrrad fahren, um die Balance zu halten, musst du in Bewegung bleiben.“
Nach den schönsten Plätzen der Stadt hatten wir Sie hier am Freitag gefragt – und wir haben über‘s Wochenende Ihre Stimmen gezählt und gezählt und gezählt… und dann stand’s fest:
Der Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg ist Checkpoint-Platz Nr. 1 – mit großem Vorsprung. Als Laudator haben wir CP-Leser Bernd Oertwig ausgewählt, er schreibt: „Na, wenn‘s nicht der Viktoria-Luise-Platz ist,welcher soll‘s denn wohl sonst sein? Schicke alte Häuser, Springbrunnen, sechs Straßen, die auf den Platz münden. Und dann die Leute: Billy Wilder wohnte am Platz, Max Slevogt malte in der Nähe, Egon Erwin Kisch erholte sich von rasenden Reportagen in seiner Wohnung, Erich Kästner hatte seine Butze in der Nähe, Claire Waldoff übte in ihrem Wohnzimmer um die Ecke. Also: Wenn nicht der Viktoria-Luise-Platz – welcher wohl dann?“
Na, vielleicht der Mexikoplatz in Zehlendorf – immerhin ein klarer 2. Platz: „Schöne Mischung aus stilvoller Architektur, gepflegten Grünflächen, S-Bahn-Bauwerk und diversen Sträßchen“, schreibt Elke Brumm.
Platz 3: der Rüdesheimer Platz. Thomas Knuth hätte ihn gerne ganz vorne gesehen, denn: „Wenn es nicht so wäre, hätte auch die New York Times die Rüdesheimer Straße nicht unter die 10 schönsten Straßen Europas genommen.“ Und Manfred Maurenbrecher hätte sein „Paradies Rüdi“ nicht besungen.
Auf den weiteren Plätzen mit mehreren Nennungen: Prager Platz, Ensemble Ludolfingerplatz/Zeltinger Platz, Savignyplatz, Stuttgarter Platz, Ludwigkirchplatz… alles tief im Westen! Aber wir haben auf unserer Liste auch den Teutoburger Platz, den Arkonaplatz, den Arnswalder Platz, den Kollwitzplatz… es nimmt gar kein Ende.
Und was ist mit Neukölln? „Körnerpark und Richardplatz sind echt gute Plätze“, lesen wir da, „aber aus Rixdorf wähle ich den Böhmischer Platz. Natürlich gibt‘s noch einen der schöner ist, aber das soll ein Geheimnis bleiben ;-)“.
Der Wedding darf natürlich nicht vergessen werden – zweimal wurde der Nettelbeckplatz genannt – Sabrina schreibt: „Auf den ersten Blick schwer nachzuvollziehen, das gebe ich zu. Eine bunte Mischung lauter (meist unter Drogen stehender) Menschen, Kinder die in den Brunnen kacken, abgerundet vom Hipster-Café (denn der Wedding kommt!) mit seinen Mac Books. Und doch war es hier, in einer lauen Sommernacht, dass wir uns das erste Mal küssten. Und ich kehre immer wieder gerne zurück.“ Unterstützung bekommt sie von Kai Heller: „Unterschätzt weil verkehrsumtost und bevölkert von merkwürdigem Volk. Aber: auf keinem Platz sonst kann man acht Stunden verbringen und sich wirklich gar nicht langweilen.“
Für Checkpoint-Frühdienstredakteur Florenz Gilly ist der schönste Platz aber noch ein ganz anderer, und zwar: „Am Tagesspiegel-Newsdesk, weil man da am meisten mitbekommt, was in der Stadt so alles passiert ;)“ Und langweilig wird’s da auch ganz bestimmt nicht.
Berliner Schnuppen
Telegramm
40 Jahre nach dem Einsturz der Kongresshalle (21. Mai 1980) gibt die Bauverwaltung bekannt, dass sie „Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure für Standsicherheit anerkennen wird“, und zwar „demnächst“ (Hinweis für Neuberliner: „Demnächst“ ist ein ziemlich dehnbarer Begriff, auf dessen Standsicherheit sich niemand verlassen sollte). Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure dürfen übrigens seit kurzem bis zu ihrem 70. Lebensjahr arbeiten (Bauordnung § 86 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2, Satz 2 Nummer 3) – vorausgesetzt, sie erhalten sich die notwendige Standsicherheit.
Mit der Sanierung des Hauses der Statistik am Alex hat der Senat allerdings vorsichtshalber die „Berliner Immobilienmanagement GmbH“ (BIM) beauftragt, die wiederum per Ausschreibung einen Generalübernehmer beauftragt. Am 31. Dezember 2024 soll alles fertig sein – statistisch gesehen für Berlin eine Ansage ohne Standsicherheit.
Wir unterbrechen kurz für zwei wichtige Suchmeldungen:
Biesdorf (I): Ein kleiner Junge hat in der S-Bahn seinen Teddy verloren – als er am Bahnhof mit seiner Oma ausstieg, war der Teddy nicht mehr zu finden. Sachdienliche Hinweise bitte an @FeineFrauSteffi, ein Foto des Vermissten finden Sie hier.
Biesdorf (II): Ein kleiner Junge hat bei einer Radtour sein Wildschwein verloren – es hört auf den Namen Rudi, und wie er aussieht, sehen Sie hier. Hinweise in diesem Fall bitte an @Berolinin.
Die Stiftung Klassenlotterie Berlin hat offenbar Glück gehabt – sie kann sich jedenfalls die Anschaffung von 13 neuen Leasingfahrzeugen leisten (Jahreskilometerlaufzeit laut Ausschreibung: zwischen 15.000 und 40.000 km).
Ein neues Auto bekommt auch die Verwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz – ausgeschrieben hat sie die „Lieferung eines Geländewagens oder SUV mit Plug-in-Hybrid Antrieb“, ausgestattet mit Standheizung und „mindestens 5 Sitzplätzen“. Moment mal, ein SUV?
Sind das nicht diese Dinger, die Umweltsenatorin Regine Günther als „besonders negative Ausprägung von klimaschädlichen und platzfressenden Fahrzeugen“ sieht?
Und Plug-in-Hybrid: Das sind doch diese Pseudo-Elektrokisten mit Verbrennungsmotor, bei denen wegen der erbärmlichen Reichweite die Stecker oft noch nach Jahren originalverpackt sind. Also, die Frage für Berlinkenner: Was geht hier vor?
Ok, wir lösen auf: Der Wagen ist fürs Fischereiamt und bekommt auf die Türen links und rechts einen entsprechenden Sticker (Schriftgröße: 5,4 cm). Er soll übrigens min. 1.500 kg Anhängerlast ziehen können – für den Fall, dass mal ein großer Fisch anbeißt.
Durchsage des Zugbegleiters im ICE Berlin- Interlaken: „Zum Schluss noch ein Hinweis an alle Verschwörungstheoretiker bei uns an Bord: Denken Sie bitte daran, dass die Bundesregierung heimlich Speichelproben sammelt, um Klone von Ihnen zu produzieren, die Sie dann ersetzen sollen. Tragen Sie daher dauerhaft Ihre Mund-Nasen-Bedeckung, um zu verhindern, dass die Regierung an Ihre DNS kommt. Vielen Dank auch im Namen aller Mitreisenden.“ (Q: SZ)
Die Ergebnisse unserer Umfragen von Freitag und Samstag (bei jeweils hoher Beteiligung):
1) George-Floyd-Straße statt Mohrenstraße: 44 % sagen „prima Idee, das kann so bleiben“, 47 % meinen, „da fällt uns was Besseres ein“.
2) Kita-Öffnung für alle jetzt: 40 % sagen „nein, das können die Kitas unter den aktuellen Bedingungen nicht leisten“, 52 % meinen, „ja, für die Eltern ist die Situation nicht mehr tragbar“.
Die Bäderbetriebe wollen „die Servicequalität weiter optimieren“ – neu besetzt wird deshalb „die zentrale Führungsposition Leitung Bädermanagement“.
„Reh rennt bei Berliner Straßenlauf allen auf und davon“ ist als Meldung nur auf den ersten Blick irritierend (und das auch nur für Leichtathletik-Muffel) – gemeint ist Alina Reh vom SSV Ulm, die den weltweit ersten internationalen 10-km-Straßenlauf seit Beginn der Corona-Pandemie gewann (wenn auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit).
8.146 Haftbefehle können in Berlin nicht vollstreckt werden – in Bayern sind’s allerdings noch mehr (relativ und absolut – Q: Mopo). Da bekommt der Begriff „Freiabo“ doch gleich eine andere Bedeutung. Es kommentiert Oberstaatsanwalt Ralph Knispel: „Die lachen uns aus.“
Aus für die Sabine-Christiansen-Kinderstiftung – der Beirat hat am 6. März leise die Auflösung beschlossen, von der Öffentlichkeit bisher völlig unbemerkt. Dabei war das soziale Engagement der Moderatorin viel beachtet, sie erhielt dafür u.a. das Bundesverdienstkreuz und die Bayerische Staatsmedaille. Die Stiftung der langjährigen UNICEF-Botschafterin kümmerte sich vor allem um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Die Welt staunt über Berlin – dank eines Artikels von Katrin Bennhold in der „New York Times“ über unseren Umgang mit Corona. Wem sie plötzlich allen ihre Telefonnummer gibt – dabei will sie gar nicht flirten! Herrlich die Szene, wie die Autorin im Schwimmbad einen Mann überholt. Dessen Reaktion: „Abstand!“ Bennholds Ehemann, ein Brite, ist überzeugt: Wir lieben die neuen Regeln, die wir nun auch allen anderen aufzwingen können. Aber ist das wirklich unser Berlin?
Der Instagram-Account @wasihrnichtseht macht Rassismuserfahrungen von Schwarzen Menschen sichtbar. Gemeinsam machen wir das an dieser Stelle auch.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Frank Castorf lässt sich zu nichts bringen, er bringt sich höchstens selbst dazu.“
BE-Intendant Oliver Reese erklärt in der FAZ, warum sich der Theaterregisseur jetzt doch an die Corona-Verordnung hält: um die Premiere des Erich-Kästner-Stücks „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ bald möglich zu machen. Ende April hatte Castorf noch verkündet, er wolle sich „von Frau Merkel nicht mit weinerlichem Gesicht sagen lassen, dass ich mir die Hände waschen muss“.
Tweet des Tages
...wenn du lange zwischen Köln und Berlin pendelst, blickt Bielefeld auch in dich hinein.
Stadtleben
Neu in Pankow – Prenzlberg statt Langstreckenflug: Das Aroy bringt die Dämpfe Bangkoks in die Straßen Berlins. Im Neonlicht kredenzen die Köche feuriges Street Food, Suppen und Sushi – mit Abstand und Maske. Nicht verpassen: „Mama’s Thai Soup“, Tintenfisch in pinker Brühe, Reisnudeln und Wasserspinat (ca. acht Euro). Noch schärfer gefällig? Papayasalat! Den gibt’s sogar in extra spicy. Die schwarzen Bowls verputzen die Gäste auf langen Bänken an nacktem Beton – zu Hip Hop und Elektro-Beats. Wanderlust trifft Hauptstadt-Schick! Mo-So 12-23 Uhr, Schönhauser Allee 74, S + U-Bhf Schönhauser Allee
Doch lieber Pasta? Dann ab in unsere Genuss-Redaktion: Felix Denk verrät sein Rezept für Spaghetti burro e alici – reingeklickt und losgekocht.
Das ganze Stadtleben gibt's mit Checkpoint-Abo.
Erfindergeist retten – Das beste Gadget der Corona-Zeit? Georg Muthenthaler lacht. „Das war für mich ein kleiner Schlüsselanhänger, der ‚MobiDo‘. Das ist ein Haken, der die Tür öffnet.“ Neben der mobilen Klinke sammelt Muthenthaler in seinem Erfinderladen seit Jahren Kuriosa, die die Leben der Städter erleichtern sollen – von der Samenbombe bis zum Leuchtrucksack. Lange blieb der Laden geschlossen, nun hat auch Muthenthaler seine Pforten wieder aufgestoßen. Er blickt mit Spannung auf die kommenden Monate: „Wir werden abwarten, wie der Sommer wird. Ob die Touristen kommen und ob die Leute Geld ausgeben, für etwas, das nicht notwendig ist.“ Derzeit halten die Nachbarn den Laden über Wasser, kaufen Geschenke und wühlen durch die Prototypen. Muthenthaler ist optimistisch. „Es bringt nichts, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und zu jammern. Wir leben mit der Situation.“ Gerade hat das Team eine lang geplante Youtube-Show gestartet: In kurzen Videos erklärt es die Basics des Patentrechts und die Chancen der Krise – ein Crashkurs für Erfinder, sozusagen. Die melden ihre Ideen dann gleich bei Muthenthalers Entwicklerberatung. Seit Corona gibt es mehr Anfragen als sonst: „Vielleicht macht die Not tatsächlich erfinderisch.“
Wer selbst durch die Corona-Gadgets stöbern möchte, der fährt fix in die Lychener Straße 8 (Öffnungszeiten während der Krise am Mo, Mi und Sa von 13-16 Uhr, U-Bhf Eberswalder Straße). Noch zu Hause? Dann rein ins Netz: Auch auf unserer Tagesspiegel-Kiezhelfer-Seite freut sich das Team über Unterstützung. Zum „MobiDo“ geht es hier entlang. (Foto: Promo)
Auch Ihr Lieblingsladen braucht Hilfe? Schreiben Sie uns an checkpoint@tagesspiegel.de.
Last-Minute-Stream – (ein Kunsttipp von Birgit Rieger) „Kino Siemensstadt“ heißt eine neue Initiative des Künstlers Jaro Straub. Straub, der einen Projektraum in Siemensstadt betreibt, hat sich mit dem Videokunst-Experten Olaf Stüber zusammengetan, der ja schon mit der Reihe „Videoart at Midnight“ viele Fans gewonnen hat. Jetzt geht es wieder um Künstlerfilme, dieses Mal mit dem Schwerpunkt Architektur und Stadt. In einem 13-wöchigen Online-Programm präsentieren die beiden jede Woche neue Filme. Im Moment (bis 11.6.) sind drei Werke des Künstlerduos Korpys/Löffler zu sehen, unter anderem der 16-Minüter „Die Stadt von Morgen“ zum Berliner Hansaviertel. Wer mal schauen mag, klickt sich hier in die Mediathek.
Geschenk – Gefallene Engel, bare Körper und schwarz-weiße Exzentrik: Auf 200 Seiten stürzt sich Kristian Schuller auf die Nächte der Stadt. Im neuen Bildband „Anton‘s Berlin“ lässt der Fotograf Nackte auf Friedhöfen rasten, Models vor der Platte tanzen und Dandys in Netzstrumpfhosen posieren. Viele Ideen sind im Berghain entstanden, zeigen DJs, Künstler, Tänzer des Clubs. Neben grotesker Extravaganz inszeniert Schuller auch leise Porträts, samt Falten, Dellen und Schönheitsmakeln – ein Nachtleben weitab jeglicher Norm. Ein eigenes Exemplar (48 Euro) erstehen Sie hier – oder bei uns: Für Checkpoint-Leser haben wir einen Band ergattert. Wer mag?
Karten sichern – Keiner kommt, doch alle sind dabei: Am 24. Juli feiert Berlin ein riesiges Festival – ganz ohne Zelte, Glitzer und Exzess. Mehr als 190 Kunstschaffende sind bereits Teil des Nicht-Fests, darunter Peaches, She She Pop und Sasha Waltz. Statt Bühne und Bass gibt es bei „Niemand kommt“ nur einen digitalen Spendentopf: Mit Soli-Tickets sollen Feiernde helfen, die freie Kulturlandschaft zu retten. Alle Einnahmen gehen direkt an Künstler, Säle und Theater der Hauptstadt – damit Berlin Berlin bleibt, auch nach der Pandemie. Karten gibt’s ab elf Euro hier, wer selbst Unterstützung braucht, folgt diesem Link.
Audio-Tüfteln – Wissenschaft für die Ohren: In einer anderen Welt wären wir am Samstag quer durch die Labore Berlins gesaust. In Virus-Zeiten gibt es die Lange Nacht der Wissenschaften nun virtuell: Per Science-Podcast streiten Forscher*innen um die Zukunft der Welt, um Visionen, Virus und Krisen. Thema heute: Berlin nach Corona – was macht die Seuche mit der Stadt? Ulrich Panne, Christine Eisenmann und Jürgen Radel sezieren Fake News, Home-Office und Mobilität. Welcher Wandel bleibt? Einmal pro Monat soll eine neue Folge auf den Screens der Hauptstadt aufpoppen – bis zur Langen Nacht im nächsten Jahr. Anhören!
Heimkino – (ein Tipp von Ticket- Kollege Jörg Wunder) Die Ironie dürfte Nancy Sinatra bewusst gewesen sein, als sie in der 16. Folge der letzten Staffel der Serie „The Sopranos“ einen Gastauftritt hat: Wenn die Tochter von Frank Sinatra, der wie kein zweiter die dubiosen Verbindungen zwischen Organisiertem Verbrechen und der Unterhaltungsindustrie von Las Vegas symbolisierte, beim Zusammentreffen fiktiver Mafia-Familien ihr Lied „Bossman“ singt, schwingt ein maliziöser Unterton mit. Wenn dann auch noch Mobster Phil Leotardo, gespielt vom grandiosen Frank Vincent, im Nachgang erzählt, wie Frankieboy anno '76 das zerstrittene Komikerduo Jerry Lewis und Dean Martin versöhnt hat, wird einem vor multiplen Bedeutungsebenen schwindelig. Nancy Sinatra, die massive Spuren in der Pophistorie hinterlassen hat, wird heute 80 Jahre alt. Alle Staffeln von „The Sopranos“ sind im Streaming-Abo von Sky enthalten.
Mit diesem Stadtleben wünscht Lotte Buschenhagen einen ereignisreichen Montag!
Berlin heute
Verkehr – Gartenstraße (Mitte): Sperrung zwischen Invalidenstraße und Bernauer Straße in Richtung Wedding, Fuß- und Radverkehr frei (6-20 Uhr).
Kiefholzstraße (Plänterwald): Sperrung zwischen Eichbuschallee und Dammweg in Richtung Alt-Treptow, Radverkehr wird umgeleitet, Fußgänger frei (bis Anfang Juli).
Überfahrt Wrangelstraße/Skalitzer Straße (Kreuzberg): Sperrung bis April 2021, Fuß- und Radverkehr frei.
Neue Kantstraße (Charlottenburg): Stadteinwärts steht zwischen Messedamm und Dernburgstraße nur ein Fahrstreifen zur Verfügung.
Lewishamstraße (Charlottenburg): Zwischen Gerveniusstraße und der Einfahrt zum Tunnel Adenauerplatz ist in Richtung Brandenburgische Straße nur eine Bahn befahrbar (bis Freitag).
Rudower Chaussee (Adlershof): Zwischen James-Franck-Straße und Hermann-Dorner-Allee ist in Richtung Eisenhutweg nur eine Spur frei (bis Freitag).
Mühlenstraße (Friedrichshain): Bis Ende Juni ist stadteinwärts nur eine Spur verfügbar.
Lindenstraße (Köpenick): Zwischen Bahnhofstraße und Alt-Köpenick ist die Fahrbahn in beiden Richtungen verschwenkt (bis Ende Juli).
Kolonnenstraße (Schöneberg): Zwischen Czeminskistraße und Julius-Leber-Brücke ist die Fahrbahn in beiden Richtungen auf eine Spur verengt (bis Donnerstagabend).
Brunsbütteler Damm (Spandau): Auf Höhe Haberlandweg ist in Richtung Klosterstraße nur eine Spur verfügbar (bis Mitte Juli).
Müllerstraße (Wedding): Auf Höhe Lynarstraße ist nur eine Fahrbahn frei (8-16 Uhr, bis Dienstag).
Seestraße/Osloer Straße (Wedding/Gesundbrunnen): Zwischen Dohnagestell und Bösebrücke gibt es ab heute in beiden Richtungen eine temporäre Busspur, dem Kfz-Verkehr steht nur noch eine Spur zur Verfügung (6-20 Uhr, bis Ende November).
Schönhauser-Allee-Brücke (Prenzlauer Berg): Ab 18 Uhr gilt für den Schwerlastverkehr dauerhaft eine Gewichtsbeschränkung von 16 Tonnen.
Friedrichstraße (Mitte): Nächtliche Sperrungen zwischen Georgenstraße und Dorotheenstraße in Richtung Leipziger Straße, Fuß- und Radverkehr kann passieren (jeweils 22-5 Uhr, bis 11./12.06.).
A100: Nächtliche Sperrungen zwischen AS Schmargendorf und AS Jakob-Kaiser-Platz bzw. Heckerdamm (A111) in Richtung Wedding (22-5 Uhr).
Heerstraße (Westend): Zwischen Jafféstraße und Teufelsseestraße wird der Verkehr stadteinwärts über eine Nebenfahrbahn geführt, das Linksabbiegen in die Teufelsseestraße ist nicht möglich (18-7 Uhr, bis 11./12.06.).
BVG: Auf den Linien M13 und 50 fährt zwischen Björnsonstraße und Virchow-Klinikum bis Ende Oktober ein Ersatzverkehr. Die M17, 27 und 37 sind bis Ende November zwischen Hegemeisterweg und Marksburgstraße unterbrochen, hier fahren Busse. Auch auf den Tram-Linien 27, 61, 62, 63, 67 und 68 ist im Bereich Köpenick ein Ersatzverkehr eingesetzt (bis Juli). Auf der Linie 60 fahren zwischen S Schöneweide und Haeckelstraße ebenfalls Busse, ein Enddatum steht noch nicht fest.
Demonstration – Der „Blackland Pub“ ruft in Prenzlauer Berg zum Protest auf: In der Lilli-Hennoch-Straße 1 treffen sich ca. 50 Personen zur Kundgebung „Kultur braucht ein Zuhause“ (14-16 Uhr). Am Rathaus Zehlendorf an der Ecke Kirchstraße/ Teltower Damm halten 99 Teilnehmende eine „Mahnwache zur Einhaltung der Menschen- und Grundrechte in Deutschland“ (16-18 Uhr). Vor der Christophorus-Kirche in Friedrichshagen demonstrieren ca. 50 Protestierende unter dem Motto „Singen ist erlaubt! Artikel 4 GG ist unverletzlich“ (19.30-20.30 Uhr, Bölschestraße 27).
Gericht – Ein Autofahrer, der sich eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben soll, kommt auf die Anklagebank. Der 29-Jährige, der nicht in Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen sei, habe zwei parkende Autos touchiert, dann eine Radfahrerin leicht verletzt und einen Polizeiwagen gerammt (9 Uhr, Amtsgericht Tiergarten, Kirchstraße 6, Saal 2108).
Heimuniversität – Zu Hause in der Welt: Wie funktioniert Erasmus, wenn verreisen gerade nicht möglich ist? In ihrer International Week erklärt die FU, wie der Austausch klappt – trotz Pandemie. Ab heute startet die Messe mit Coachings, Debatten und aktiven Pausen: digital, versteht sich. Auf nach Kenia, oder lieber Taiwan? Zum Fernweh geht’s hier.
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – Naomi Fearn, „Alles Liebe zum Geburststag wünschen Team Checkpoint und Kevin – auf viele weitere gemeinsame Schnuppen-Abenteuer!“ / Niels Giffey (29), Basketballspieler bei Alba Berlin / Dipl.Ing. Klaus Keller „Weiter so in bewegten Zeiten, herzlich Björn & Elisabeth“ / Beate Lau, Autorin / Jürgen von der Lippe (72), Fernsehmoderator, Showmaster und Musiker / Erich Pätzold (90), Politiker (SPD), ehem. Berliner Innensenator und Senator für Gesundheit und Umweltschutz / Frauke Poolman, Schauspielerin, Sprecherin und Vorleserin, „Eine wunderbare Stimme hat Geburtstag: Alles Liebe von der Nachbarin“ / Jochen Schümann (66), Segelsportler, begann seine Segelkarriere auf dem Berliner Müggelsee / Lutz Seiler (57), Schriftsteller / Ulf Stolterfoht (57), Schriftsteller, Gründer des Verlags „Brueterich Press“ / Jasmin Tabatabai (53), deutsch-iranische Schauspielerin und Musikerin
Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Gestorben – Gotho Behm, * 09. Dezember 1928 / Lutz Georg Artur Holzheimer, * 05. September 1943 / Dipl.-Math. Reinhard Reuter, * 04. September 1944, Versicherungsmathematiker und Direktor der Deutschen Ärzteversicherung AG
Stolperstein – Clara Wollenberg (Jg. 1873) lebte am Alboinplatz 8 in Tempelhof. Während ihre Geschwister im Zuge der zunehmenden Entrechtung in die USA emigrierten, blieb Clara in Berlin. 1939 wurde sie zu einem Umzug in die Charlottenburger Giesebrechtstraße 8 gezwungen, wo sie beobachtete, wie ihre Nachbarn nach und nach verschleppt wurden. Als sie im Sommer 1942 zur Abgabe einer Vermögenserklärung aufgefordert wurde, wusste Clara, dass auch ihre Deportation bevorstand: Um dem KZ zu entgehen, nahm sie sich daher am 8. Juni 1942 mit Schlaftabletten das Leben.
Encore
Zum Abschied schauen wir uns heute mal an, was in Berlin so alles zum Tausch angeboten wird (via ebay) – vielleicht ist ja was für Sie dabei. Bitteschön:
1) „Tauschen 8 Glasflaschen (sauber ausgespült) gegen 3 x frischen Dill oder frische Petersilie für unsere Meerschweinchen.“
2) „Tausche Windeleimer gegen 2 Überraschungseier.“
3) „Tausche Brotbackautomat gegen 5x Kaffee“.
4) „Tausche Wii-Zubehör gegen Süßes.“
5) „Tausche Kinderspielzeug Vtech tut tut babyflitzer gegen einen 6er-Träger Eistee von Rewe.“
Hinter jeder dieser Anzeigen steckt eine Geschichte, und ich fürchte: oft auch eine traurige.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in die Woche – und dass Sie auch mit Abstand die richtige Nähe zu Ihren Mitmenschen finden. Morgen früh schaut sich hier Stefan Jacobs an, was es Neues gibt in unserer Lieblingsstadt. Bis dahin,
Ihr Lorenz Maroldt