Guten Morgen, wir beginnen heute mit einem aktuellen Programmhinweis: Die angekündigte Meldung „An der Volksbühne haben sie ein Rad ab“ entfällt aus aktuellem Anlass. Selbst mit zwei Kranwagen konnte gestern Abend das Wahrzeichen des umkämpften Theaters nicht aus dem Boden gezogen werden - die Arbeiterklasse, angeführt vom vertriebenen Intendanten Frank Castorf, gab sich vorerst geschlagen.
Wir bleiben noch kurz beim Thema, denn kurz vor Beginn des Bildersturms outete sich die Senatskulturverwaltung als Kollaborateurin: Sie hatte der Demontage zugestimmt - in Deutschland haben eben auch anarchistische Theateraktionen ihre gute Ordnung. Der Vereinbarung zufolge soll das „Räuberrad“ zunächst mit der Volksbühnentruppe nach Frankreich rollen, um dann nach der Rückkehr saniert zu werden - „für die Dauer eines Jahres“. Moment mal - ein Jahr? Für die paar Rostspeichen? Na gut - wir unterbrechen unser Programm für eine aktuelle Meldung: „Die Kulturverwaltung hat ein Rad ab.“
Die „Clubcommission“ teilt zur Pimper-Pinkel-Party-Posse unserer Polizei in Hamburg (CP von gestern) mit: „Das Berliner Einsatzteam ist seiner Vorbildfunktion gerecht geworden.“ Zuvor hatten die Berliner Beamten gerne gestanden: „Ja, wir haben gefeiert!“ Richtig so. Was können wir denn dafür, wenn Hamburger und Wuppertaler Polizisten offenbar keinen Sex haben, nichts trinken und deshalb natürlich auch nicht gegen einen Zaun pullern können. (Mehr zur PPPP-Affäre unter „Korrekturen“.)
Überlassen wir das „klare hanseatische Auftreten“ (Polizeisprecher HH) lieber gleich den Hanseaten und schauen mal ins Berliner Amtsblatt: Das Rathaus Tempelhof-Schöneberg sucht eine/n Trainee (S. 2972) und preist den Bezirk an als „einen der buntesten, vielseitigsten und geschichtsträchtigsten Berlins“ (logo, darunter geht’s nicht): „Von hip und angesagt wie Schöneberg bis hin zu ruhig und beschaulich wie Lichtenrade ist bei unsalles zu finden. Genauso vielseitig ist die Arbeit im Bezirksamt.“ Okay Leute, ich fange dann mal an in der Abteilung „Ruhig und beschaulich“. Außerdem wird im Amtsblatt noch der Dienstausweis eines Justizwachtmeisters als „in Verlust geraten“ gemeldet (Nr. VII 239) und zugleich die eine oder andere Stelle in der Justizvollzugsanstalt Tegel ausgeschrieben - hoffen wir mal für den kartenverlustigen Herrn M., dass da kein Zusammenhang besteht.
Sie erinnern sich an den berühmten Kiosk an der Ecke Potsdamer Straße/Teltower Damm? Der einstige Landeskonservator Helmut Engel hatte hier ein Zeugnis für das „Kunstwollen der fünfziger Jahre“ gesehen (offenbar als Antipode zum Kunstkönnen) - und einen Abriss verhindert, sehr zum Ärger von Ex-Bürgermeister und Senator a.D. Jürgen Klemann (CP v. 31.3.17). Jetzt soll neues Leben in die Bude kommen: Das BA Steglitz-Zehlendorf sucht Betreiber für die 15 qm (davon 3,1 qm WC, „ortsübliche Miete“), Interessenten sollen u.a.das geplante Warenangebot benennen (Bedingung: nicht heiß, nicht fettig), und ja: Auch das könnte ich mir gut vorstellen (falls die Sache mit der beschaulichen Trainee-Stelle in Tempelhof nicht klappt) – aber woher soll ich wissen, was die Leute in Zehlendorf an dieser Ecke gerne kaufen würden? Zeitungen? Zigaretten? Zischbrause? Ziegelsteine? Zartbitterschokolade? Oder ganz was anderes? Vielleicht schreiben Sie es mir bitte mal zur besseren Disposition (checkpoint@tagesspiegel.de), ist ja auch für die Konkurrenz ganz interessant – und morgen früh schauen wir dann gemeinsam in Ihren Wunschwarenkorb.
Nach der Meldung gestern zum Abend mit Sven Regener: Jede Menge tolle Kreuzberg-Geschichten in der Checkpoint-Mailbox. Auch Tscharlie Häusler ist dabei, er schickt einen Auszug aus seinem Roman und schreibt: „Selbst erlebt!“ Na dann … „Ein schwäbischer Redeschwall ergoss sich wie eine Flutwelle über alle Mitreisenden. Zwei Stationen später schnarrte der Busfahrer in sein Mikro: ‚Jehts ooch n kleen bisschen leiser? Dat gilt vor allem für dit Damenkränzchen mit dem Migrationshintergrund!‘ Schon war es mucksmäuschenstill.“ Sehr schön - und auch auch gut geeignet für die Rubrik „Berlin, aber Schnauze“ (davon gibt’s später noch eine Zugabe, natürlich im „Encore“).
Telegramm
Staatssekretärin Sawsan Chebli und ihr Brandenburger Kollege Thomas Kralinski spielen die Hauptrollen in einem Minikurzfilm (02:22 min) - der Plot: Die beiden schleichen sich wie Taschendiebe ganz cool im genretypischen Outfit (Lederjacke, Jeans, Sonnenbrille, Turnschuhe) an engagierte Bürgerinnen und Bürger heran - hier eine unbedacht offen stehende Handtasche, dort ein scheinbar versehentlicher Rempler, und … ja, dann jubeln sie den ahnungslosen Helfern unbemerkt jeweils eine der neuen Ehrenamtskarten unter. Das Video gibt’s hier zu sehen, und da ist dann auch zu erfahren, wie das Ganze funktioniert.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider treibt die Entmachtung der Bezirke voran: Per Gesetzentwurf, den er Linken und Grünen überbrachte, soll die Verantwortung beim Schulbau komplett auf Senat und Parlament übertragen werden - das könnte auch einModell für andere Bereiche sein. In den Rathäusern regt sich schon Widerstand - die „feindliche Landnahme“ soll abgewehrt werden.
Die ganze Nacht hindurch demonstrierten in der Neuköllner Friedelstraße Sympathisanten gegen die angekündigte Räumung des Kiezladens „Friedel 54“ - die Kundgebung sollte offiziell zunächst bis 2 Uhr laufen. Inzwischen hat die Polizei mit der Vorbereitung der Räumung begonnen, der Gerichtsvollzieher wird mit Unterstützung einer Hundertschaft um 9 Uhr erwartet. (Dazu heute auch das „Zitat“ weiter unten).
Ein kurzer Blick in den Zoo - wie geht’s unseren Pandas? Anscheinend prima, Träumchen (Meng Meng) und Schätzchen (Jiao Qing) sitzen mampfend in ihren Wohnzimmern. „Wenn Sie sich da nicht wohl fühlen würden, hätten wir auch Mist gemacht", sagt Panda-Chefbetreuer Christian Toll - hier das Video im Panda-Blog.
Mitten auf dem Radweg wurde quer ein Gitter einbetoniert? Na, das klingt doch nach einer Meldung aus Spandau, und richtig - der Baustadtrat erklärt: „Das Gitter wird als Poller wahrgenommen“. Na dann ist ja alles gut.
Flughafenseelsorger Justus Münster beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe von „BER aktuell“ mit dem Thema Zeit („Gut Ding will Weile haben“, schreibt er) – und auch die Schöpfung sei nicht mit einem Fingerschnipsen erledigt gewesen. Gott hat immerhin jeweils einen Tag gebraucht für seine Taten, und die hatten es in sich: Licht: ein Tag, Land: ein Tag, Himmel: ein Tag, Sterne: ein Tag … tja, nur für einen Flughafen hat die Zeit am Ende dannleider nicht mehr gereicht.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Ich habe so etwas weder gesagt, noch würde ich so etwas je sagen.“
Katrin Schmidberger, Abgeordnete der Grünen, zu einem Beitrag in „Bild“ und „B.Z.“ – dort hieß es, sie habe Autonome, die gegen die Räumung des Neuköllner Kiezladens Friedel 54 demonstrieren, als „Rigaer-Straße-Wichser“ bezeichnet. Heute stellt die „B.Z.“ klar: Es war eine Verwechslung - das Zitat stammt von der Grünen-Abgeordneten Anja Kofbinger.
Tweet des Tages
„Oh, gerade ist Banksy-Ausstellung in Berlin. Den kennen sogar wir! Haben schon drei Werke von ihm weggeputzt.“
Antwort d. Red.: Dazu folgender Hinweis: Um sich die u.a. vor der BVG-Putzkolonne geretteten Werke des (nicht nur) Street-Art-Künstlers Banksy im „Felix“ anzusehen, ist noch ein bisschen Zeit – die Schau läuft bis zum 31.10.17. Und Sie können sich darauf verlassen: Der Checkpoint wird Sie rechtzeitig im „Stadtleben“ unter „Noch hingehen“ warnen, wenn die letzten Tage tatsächlich angebrochen sind.
Stadtleben
Essen Anfang des Monats ist das Lok 6 ins Erdgeschoss des rot leuchtenden Wohnkomplexes Lokdepot am Kreuzberger Ende des Gleisdreieckparks gezogen. Wände, Decke und Boden des Lokals wurden farblich der Außenfassade angepasst. Auf der Karte hingegen findet sich ein buntes Potpourri aus regionalem Gemüse, Fisch und Fleisch.Brandenburger Burrata wird mit Spargel aus der Markthalle 9 serviert, die Räucherforellekommt mit Kartoffeln, Erbsen und Kapuzinerkresse auf den Teller (9,50 Euro), zum Nachtisch Obst-Meringue mit Mascarpone (4,50 Euro). Am Lokdepot 6 (S+U Yorckstraße), Di-Sa 11.30-21 Uhr.
Trinken mit Blick über Berlin und die Plattenbau-Skyline von MaHe: Das Café Wolke Sieben auf der Aussichtsplattform Wolkenhain der IGA lädt jeden Donnerstag bis Samstag zum Sundowner bei Lounge-Musik und Cocktails. Ein Abgang im Schwebezustand ist sicher: Die Seilbahn fährt an diesen Tagen bis 21.30 Uhr (Eintritt 20 Euro, Donnerstag + Sonntag ab 17 Uhr mit Abendtickt für 10 Euro).