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Wird Franziska Giffey jetzt SPD-Kanzlerkandidatin?In fünf Jahren 15 Einbrüche in die Berliner FörstereienBVG plant Wartehäuschen mit Solar- und Grasdächern

der Wahlkampf 2021 könnte unerwartet spannend werden – die Frage ist nur, welcher Wahlkampf. Und das kommt so: Dr. Franziska Giffey, die ohne Zwischenlandung auf der Landesebene von der Bezirks- in die Bundespolitik durchgestartet ist, darf ihren Doktortitel behalten. Das Präsidium der FU lässt sie mit einer Rüge davonkommen, weil sie in ihrer Dissertation die „Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgehend beachtet hat“. Dieser ausnahmsweise mal vermiedene Totalschaden eröffnet der SPD ganz neue Möglichkeiten.

Eine Option ist Giffeys Spitzenkandidatur fürs Rote Rathaus in zwei Jahren. Michael Müller kann sich dann ohne allzu großen Gesichtsverlust in den Bundestag verabschieden und hätte mit Giffey eine Nachfolgerin, die – wie niemand sonst in der SPD – nicht nur die bekanntlich recht überschaubar gewordene SPD-Stammwählerschaft mobilisieren, sondern auch links und vor allem rechts davon abräumen könnte: Es dürfte eine Menge Leute geben, die sich unter Freiheit etwas anderes vorstellen als die allumfassende Berliner Verwahrlosung und die es auch in Ordnung fänden, wenn hin und wieder mal eine Regel durchgesetzt würde – und die mit der Berliner Dregger-Wegner-Wansner-CDU trotz alledem wenig anfangen können.

Für diese Variante müsste Giffey allerdings unfallfrei die Abgründe des Berliner SPD-Landesverbandes überwinden. Bei dem weiß man ja nie, ob er sich hinter einer Spitzenkandidatin ohne allzu strengen Stallgeruch scharen mag oder doch den prinzipientreuen Untergang vorzieht. Dem könnte Giffey mit der zweiten Variante entkommen, die sich gut vernetzte Koalitionäre ausmalen: Ums Rote Rathaus hätte sich Giffey selbst mit aberkanntem Titel bewerben können, lautet ihre Version. Nun aber kann sie sich den tief gespaltenen und teilweise radikal linken Berliner SPD-Verband ersparen – und auf der Bundesebene bleiben. Als Kanzlerkandidatin. Wenn irgendwer das Zeug habe, die SPD aus dem Jammertal zu führen, dann Giffey: Ost-Biografie, Regierungserfolge (die Gruselgeschichten von kollabierten Behörden kamen nie aus Neukölln), Ehrgeiz, Charisma und diese Kombination aus Empathie und Konsequenz, mit der einst Heinz Buschkowsky berühmt wurde.

Der Vollständigkeit halber sei noch das „Modell Willy Brandt“ als dritte denkbare Variante erwähnt: 2021 ein klarer Sieg für die SPD in Berlin und später die Kanzlerkandidatur. Mag sein, dass diese These steil ist, aber angesichts der aktuellen Konkurrenz sowohl im Land als auch im Bund scheint sie auf den zweiten Blick schon weniger abwegig als auf den ersten.

Passend zu Halloween ein Blick in die Finsternis der Berliner Wälder: Mindestens 15 Mal ist in den vergangenen fünf Jahren in Gebäude der Berliner Forsten eingebrochen worden. Die sind zwar überwiegend rund ums Jahr bewohnt, befinden sich aber naturgemäß meist in eher dünn besiedelten und schlecht beleuchteten Gefilden. Schwerpunkt der Einbruchserie ist der Bereich des Forstamtes Köpenick, gestohlen wurden laut Umweltverwaltung „alle Arten von Motor- und Elektrowerkzeugen, insbesondere Motorsägen und kleinere Maschinen“ (ohne Gewehr). Der Gesamtschaden beläuft sich auf rund 250.000 Euro. Dabei wurden schon etwa 60.000 Euro in Alarmanlagen und Umbauten für mehr Sicherheit investiert.

Diese Bilanz ist in mehrfacher Hinsicht bitter: 1. ist nur ein einziger misslungener Einbruchsversuch aktenkundig, 2. ist nichts von dem Diebesgut wieder aufgetaucht, 3. sind zwar von einem Beutezug zwei Tatverdächtige bekannt, die die Polizei aber nicht aufspüren konnte, 4. wurde nach CP-Informationen in mindestens einem Fall sogar die kürzlich nachgerüstete Alarmanlage lahmgelegt und 5. sind die Objekte nicht versichert, sodass Reparaturen und Ersatzgeräte aus dem laufenden Haushalt finanziert werden müssen. Und der ist angespannt, weil die Forsten wegen des bundesweiten Waldsterbens zurzeit wenig Geld für ihr Holz bekommen, weil ihnen seit 2018 hunderttausende Setzlinge vertrocknet sind und weil das Personal seit dem Spätsommer in Sonderschichten die Bäume an Straßen und Wegen kontrolliert, um Unglücke wie das am Montagabend auf der Koenigsallee zu verhindern.

Von den seit 2017 aufgelaufenen 75 Mio. Euro für Radschnellwege im Etat des Bundesauspuffministers ist bisher noch nicht mal eine Million abgeflossen, berichtet der Berliner MdB Stefan Gelbhaar (Grüne), der die Bundesregierung danach gefragt hat. Der Topf ist also randvoll – und Berlin langt jetzt zu: Gerade wurden dem Land 4,44 Mio. Euro für Planung und Bau des Radschnellweges Königsweg – Kronprinzessinnenweg bewilligt. „Die Gründung der InfraVelo GmbH macht sich insbesondere für die Radelnden im Südwesten Berlins bezahlt“, resümiert Gelbhaar. Wobei die jüngsten Erfahrungen zeigen, dass man neue Radwege lieber nicht vor ihrer Fertigstellung loben sollte.

Während an der Warschauer Straße der Xhainer Baustadtrat die Amazon-Hochhauspläne untergräbt (wobei die Architektenkammer ihm jetzt beisprang), tun es am Alex die Linken: Im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses forderten sie, sich vom seit Jahren geplanten Projekt des 150 Meter hohen Hines-Turmes zu verabschieden. Ihr Hauptargument ist laut „Berliner Zeitung“ ein Restrisiko, dass der darunter liegende U-Bahn-Tunnel kollabiert. Solange das nicht hundertprozentig ausgeräumt ist, wollen auch die Grünen kein Baurecht schaffen. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) sagt, die Sache bedürfe „weiterer senatsinterner Abstimmungen“. Merke: Wer in Berlin hoch hinaus will, sollte die (Zeit-)Rechnung nicht ohne Berlin-Zulage machen.

Telegramm

Falls Sie es gestern Abend nicht mehr mitbekommen haben, weil die Meldung unerwartet spät reinkam: Hertha hat gegen Dynamo Dresden 8:7 gewonnen. Ja, beim Fußball.

Umsonst und für draußen ist ein neuer Newsletter, der sich den Highlights des Berliner Umlandes widmet – den klarsten Seen, den buntesten Blättern, den märkischsten Landgasthöfen. Zur Premiere geht’s in den Grumsiner Forst, einen Urwald im Werden. Natürlich verraten wir auch, bei welchen geistreichen Getränken Sie sich nach der Wanderung aufwärmen können und wo Wurst auf Kunst trifft. Der „Tagesspiegel Berliner – Draußen“ erscheint wöchentlich, zum kostenfreien Abo geht’s hier.

Nur auf Druck des Senats hat die BVG im vergangenen Winter wieder U-Bahn-Stationen als „Kältebahnhöfe“ für Obdachlose geöffnet – nach dem Motto, dass eine schlechte Lösung besser ist als gar keine. Für diesen Winter wurde laut „Berliner Zeitung“ eine Alternative gefunden: In den Räumen des Sozialen Zentrums „Gitschiner 15“ soll Mitte November eine Warte- und Wärmehalle eröffnet werden. Die soll auch jenen Zuflucht bieten, die wegen des Drogen-, Alkohol- und Hundeverbots in keine reguläre Notunterkunft gehen.

Neues aus der Digitalhauptstadt Berlin, heute: das neue elektronische Abstimmungssystem der BVV Neukölln. Nach 20-minütigem Test am Mittwochabend waren die Bezirksverordneten derart verwirrt, dass sie für den Rest der Sitzung lieber ihre Namen anzeigen ließen, um sofort zu sehen, ob sie den richten Knopf (Y/N) gedrückt hatten. Also namentliche Abstimmung aus technischen Gründen. Zwischendurch wollte der BVV-Vorsteher „der Einfachheit halber“ wieder zur Handabstimmung zurückkehren.

Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass BVG-Chefin Sigrid Nikutta demnächst umsteigt in den Vorstand der Deutschen Bahn. Laut RBB stimmte der Personalausschuss des DB-Aufsichtsrates für sie als neues Vorstandsmitglied des Konzerns. Am 7. November könnte sie berufen werden. BVG-Aufsichtsratschefin Ramona Pop will für den Chefposten der BVG möglichst wieder eine Frau finden.

Die übliche Herbstbelebung – nicht zu verwechseln mit der ebenfalls üblichen Frühjahrsbelaubung – fällt auf dem Berliner Arbeitsmarkt in diesem Jahr aus. Im Oktober waren ebenso viele Menschen arbeitslos gemeldet wie im September, nämlich rund 152.000. Die Arbeitslosenquote lag mit 7,8 Prozent sogar einen Prozentpunkt über der vom Oktober 2018.

Kläglich grüßt das Murmeltier: In beiden Berliner Zoos werden Besucher heute womöglich zum Warten vergattert, bevor sie vor verschlossenen Gehegen stehen. Denn die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten zum Warnstreik aufgerufen. Die Versorgung der Tiere sei aber gesichert. Und nun Futter bei die Fische!

Der östliche Berliner Ring muss um die Rüdersdorfer Brücke womöglich bald wieder voll gesperrt werden – wegen Raserei: An einer mit Stahlplatten provisorisch überbrückten Brandstelle gilt Tempo 20, aber weil viele deutlich schneller fahren, lockert sich laut RBB die Befestigung der Platten. Die aktuellen Rekordhalter sind laut Polizei mit 112 (Pkw) bzw. 81 Stundenkilometern (Lkw) über die Platten gedonnert. Da scheint mehr als nur eine Schraube locker zu sein.

Anlässlich der Feiern zum Mauerfalljubiläum gestattet der Senat dem Handel für den 10. November einen verkaufsoffenen Sonntag. Leider gibt es diesmal kein Begrüßungsgeld.

BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:

3073

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.

Zitat

„Nein, das war alles andere als ein Elfmeter. Eher wie ein schön gezirkelter Freistoß ins Tor. Der Senat und Michael Müller haben sich sehr intensiv bemüht. Das hat sich ausgezahlt.“

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), zu der Frage, ob die Standort-Entscheidung für den neuen Siemens-Campus nicht ein Elfmeter für die Berliner Landespolitik war, den sie kaum verschießen konnte.

 

Tweet des Tages

Dieses völlige Unbeeindrucktsein, wenn sich in einer knallvollen S-Bahn Reisende mit Koffern, Fahrräder und besoffene Fußballfans mit Bierflaschen stapeln – das kriegen echt nur Berliner hin.

@ve_mayer

Stadtleben

Essen – Viva México! Der im September eröffnete Street-Food-Container La Santa Lucha Cumbiera in Tempelhof besticht zwar nicht mit attraktivster Lage („hinter Netto”), dafür aber mit Tacos, Enchiladas und knallbuntem Exterieur. Auch die hochgelobten Burritos (Facebook-Bewertung: „OBERGEIL!“) können gleich auf der anliegenden Terrasse bei mexikanischer Musik verspeist werden. Halloween-Fans aufgepasst: Anlässlich des Día de los Muertos zahlen alle Kunden in Kostüm morgen und Samstag nur die Hälfte. Mo-Fr 12-20:30, Fr + Sa bis 21 Uhr, Alarichstraße 12-17, U-Bhf Ullsteinstraße

TrinkenIt’s a bar verbindet Kreuzberger Retro-Chick mit Flat Earth Comedy, Jazz und Elektro. Zwischen Ledersofas und Lichterketten hören die Gäste hier regelmäßig englisches Stand-Up und Live-Auftritte Berliner Künstler – dazu gibt’s bezahlbare Cocktails ohne Chichi. Heute Abend launcht die Bar in einem Halloween-Special ein neues Mezcal-Menü, für Gäste im Kostüm gibt’s 20 Prozent Rabatt. Ab 19 Uhr, Spreewaldplatz 14, U-Bhf Görlitzer Bahnhof
 

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Jörg Asmussen (53), Ökonom, ehem. Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales / Ortrun Egelkraut (67), Autorin, Redakteurin und Liebste - Alles Liebe von Klaus / Engelbert Lütke Daldrup (63), BER-Chef / Ramona Pop (42), Bürgermeisterin von Berlin und Wirtschaftssenatorin / Markus Schächter (70), Journalist und Medienmanager, ehem ZDF-Intendant (2002-12) / Ginka Steinwachs (77), Schriftstellerin, Daniel Kretzschmar (40), Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter

Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.

GestorbenChristian Bellenbaum, Kraftfahrer bei der Berliner Stadtreinigung / Günter Böhm, * 18. März 1933 / Dipl-Ing. Arlid Peltz, * 17. Oktober 1941 / Dr. Martina Rauch / Helmut Sierp, * 28. Oktober 1938

Stolperstein – Heute vor 82 Jahren, am 31. Oktober 1937, wurde Ismar Ring in Berlin geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte Ismar in Pichelsdorf, bevor er im Alter von nur fünf Jahren gemeinsam mit seiner Mutter Minna Ring nach Auschwitz verschleppt und ermordet wurde. Vor ihrer Deportation wohnten sie in der Schönhauser Allee 175 in Prenzlauer Berg. 

Encore

Nächste Folge in unserem großen Hertha-Union-Vergleich vor dem Derby am Sonnabend. Heute: die Songs.

Union Berlin: „Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union!“ Wenn in der Alten Fösterei Nina Hagen aus den Lautsprechern schallt, wissen Fans: Jetzt geht‘s lohos! Gespielt wird das Lied seit 1998/99. Bis dato findet man es nicht auf Spotify. Vielleicht gehört das ja zum Konzept.

Hertha BSC: „Nur nach Hause geh‘n wir nicht“ singt Frank Zander seit 1993. Der Vereinsversuch, „Dickes B“ von Seeed im vergangenen Jahr zu etablieren, kam nicht gut an. Aus Sicht des Förderkreises Ostkurve, so etwas wie ein Sprachrohr vieler Fans, „ein herber Einschnitt in das Stadionerlebnis aller Herthaner“. Für Frank Zander bleibt sein Lied „ein Gebet“. Hörer auf Spotify: 224.991.

Fazit: Die Union-Songzeile ergibt zusammen mit dem Luxemburger Immobilienunternehmen als Hauptsponsor zwar eine interessante Binnenspannung, aber als Gewinner der Herzen kommt in Berlin sowieso nur Frank Zander infrage. Wenn wir nur mehr von seiner Sorte hätten!

Morgen früh reimt Ihnen Robert Ide hier Schauriges und Schönes zusammen. Kommen Sie gut durch Reformation und Halloween!

Ihr Stefan Jacobs

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