Die neue „Große Koalition“ ist zwar nicht die größte, die es jemals gab - aber eine größere Bundesregierung hatten wir noch nie: Mit 35 parlamentarischen Staatssekretären (inkl. Staatsministern) überholt das Kabinett Merkel IV die bisherigen Rekordhalter (Kohl IV und Merkel III, jeweils 33). Auch gab‘s bisher nur einmal 7 Staatsminister (3 im AA, 4 im BK). Interessant ist, wo und wie aufgestockt wird: Es gibt eine 3. Staatsministerin im SPD-geführten AA für Kultur und Bildung (Michelle Müntefering, die sich in Status und Aufgabe mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters messen wird) und einen 3. Staatssekretär in Seehofers Triple-Amt (Innen, Bau und Heimat). Der Wunsch nach Statussymbolen lässt sich eben nicht nur in Dienstwagen-PS messen.
Gipfeltreffen in der Affäre Nachtigall: Nach komplizierten Gesprächsanbahnungen wie zwischen Nord- und Südkorea (strittig: wer, wie, wann, wo) konnten sich die Verwaltungen für Wissenschaft (SPD-geführt) und Umwelt (grün-geführt) auf ein gemeinsames Ziel einigen: Sie wollen zu einem „guten Ende“ kommen - piep, piep, piep, fast haben sich alle wieder lieb. Ein neuer Antrag soll „zügig bearbeitet“ werden, eine Entscheidung wie im Flug bahnt sich an. Im Umweltausschuss hatte Staatssekretär Tidow kurz zuvor noch getobt, es handle sich hier nicht um eine Posse seiner Verwaltung, sondern um „ein wissenschaftliches Trauerspiel“ – bei seiner Erklärung unterschlug er allerdings die Information, dass seine Mitarbeiterin viel früher als jetzt behauptet von dem schockierenden Plan der Biologinnen wusste, drei freilebende Männchen mit drei gezüchteten Weibchen zu sexuellen Handlungen verführen zu wollen.
Dass an der FU nicht nur an Nachtigallen gedacht wird, zeigt folgende sensationelle Eilmeldung aus Dahlem:
„Es gelang den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nachzuweisen, dass hochkristalliner Graphit mit wohldefinierter Schichtabfolge besonders geeignet ist, um in eine sogenannte Interkalationsverbindung überführt zu werden, bei der Moleküle und Ionen zwischen den Kohlenstoffschichten eingelagert werden. Dies gelingt besonders leicht, wenn die Graphenlagen zusätzlich partiell elektronisch oxidieren. Moleküldynamik-Simulationen zeigen, dass die Schichtfolge der Graphenlagen im Graphit zusammen mit deren elektronischer Oxidation die Reibung der Moleküle zwischen den Lagen drastisch vermindert. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine hohe Reibung von Molekülen im Schichtmaterial deren Beweglichkeit einschränkt und deshalb Graphit nicht aktiviert werden kann. Die Aktivierung ermöglicht es Wassermolekülen im folgenden Schritt mit dem aktivierten Graphit zu reagieren. Dadurch werden Alkoholgruppen auf die Oberfläche von Graphen angebunden, wodurch es möglich wird, einzelne Lagen von Graphen abzulösen und in Wasser zu stabilisieren. Diese abgelösten polaren Graphen konnten schließlich auf Oberflächen übertragen und zu ungeladenem Graphen reduziert werden. In der Folge konnte das Team die Struktur des gewonnenen hochqualitativen Graphens mit atomarer Auflösung sichtbar machen.“
Abgelöste Pole, Alkoholgruppen, atomare Auflösung – klingt irgendwie verboten. Da bahnt sich ein neuer Fall für die Umweltverwaltung an.
Post von Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa: Er sieht sich im Checkpoint von gestern fälschlich als „Mäkler“ dargestellt: „Ich muss gestehen, dass ich leicht verschnupft bin, derart reduziert rüberzukommen. Auch deshalb, weil ich mindestens seit 2007 nachweisen kann, nicht nur richtig gelegen zu haben, sondern immer auch Vorschläge zur Problemlösung (Flughafensystem, 3. Piste, Entkernung, Weiternutzung Tegel, etc.) frühzeitig vorgeschlagen zu haben. Der Masterplan jedenfalls ist perspektivlos, lösungsresistent und verhindert die Inbetriebnahme des FGT.“
Apropos FGT: Hier die Abkürzungen, die auf der Baustelle BER offiziell im Einsatz sind – aber bitte nicht weitersagen, die Liste ist als „vertraulich“ gekennzeichnet: AP, AvL, BER, BKN, BMZ, BOA, BS, DTP, EGV, ELT, ER, FBB, FGBR, FGT, FIT, HA, IBN, IBS, JF, LB, LK, LS, MKA, MPM, MPN, MSR, NA, oBS, ORAT, OÜ, PB, Ph, PrüfSV-G, RTP, STP, SV, TGA, TIBN, ÜSSPS, ÜSV, VOB, VT, WMP und WPP sowie im Bereich Fokus Anlagengruppen LTA, COW, MRA, NRA, SLA, ERA, SIL, FLA-S, FLA-G, FLA-NS, BMA, EANWS, SSV, SiBel, BOS, 20KV, LWL, FT, EVT und EBT. Na, alles klar? Roger, alles klar. Wir begrüßen Sie herzlich auf unserem Flug zum Baustellenairport „Babylon BERlin“ und wünschen Ihnen eine gute Unterhaltung (falls Sie was verstehen).
„FGT“ steht übrigens für Fluggastterminal, und um das ging es u.a. gestern auch bei der Anhörung im Beteiligungsausschuss. Sabine Beikler hat die Sitzung verfolgt, ihren Beitrag („Da haben manche den Schuss noch nicht gehört“) finden Sie hier.
Die Erregung der Verkehrsverwaltung über den Wechsel des Kurzeit-Chefs der so genannten Verkehrslenkung (Axel Koller) auf einen Abteilungsleiterposten bei der BSR (dritte Ebene) hat via Michael Müller und „B.Z.“ die Öffentlichkeit erreicht – von Abwerbung durch einen „teuren Headhunter“ ist die Rede. Tatsächlich war es wohl eher eine Flucht – der schwer zu besetzende Führungsjob in der Chaos-Behörde VBL ist jedenfalls durch die ausgebreiteten Umstände des Abgangs („Müller böse, weil Berlin Berlin den Mitarbeiter klaut“) nicht attraktiver geworden: Wegen des Gehalts ist Koller jedenfalls nicht gegangen – er wird bei der BSR nach Tarif bezahlt.
Telegramm
Mit Heimatminister Horst Seehofer schreitet die Bayerifizierung Berlins voran – zum Richtfest des Hauses „Wave Waterside Living Berlin“ (Stralauer Allee 14) bringt die Bauwerk Capital nach eigenen Angaben „bayerische Gastlichkeit und Stimmung mit an die Spree“, und wer dann noch nicht genug hat: „Die Kreuzberger Jodelkönigin Doreen Kutzke läutet den Beginn des Innenausbaus mit ein paar fröhlichen Jodlern ein.“ Auweia - Ohren schließen und schnell weiter…
… zu Ex-Außenmister Sigmar Gabriel, der (Amt hin, Amt her) am kommenden Mittwoch beim Frühlingsempfang der Deutsch-Türkischen Gesellschaft unverdrossen sein angekündigtes Grußwort halten wird (obwohl er nicht mehr der ist, als der er eingeladen wurde und zugesagt hat). Der Ort: Hotel Titanic (muss aber nichts bedeuten).
Einer der zunächst wegen Mordes verurteilten „Kudamm-Raser“ könnte schon bald freikommen, nachdem der Bundesgerichtshof die Entscheidung kassiert hat – sein Anwalt hat die Aufhebung des Haftbefehls beantragt.
Huch! Post aus dem Jenseits – eine Gegendarstellung der Republikaner (dass die Post doch so langsam ist): Die Polit-Zombies wollen nicht mehr rechtsextrem genannt werden. Ach ja? Gleich weg damit in Ablage P(apierkorb).
Der Amri-Untersuchungsausschuss geht heute in den Knast: Weil Parlamentspräsident Ralf Wieland Sicherheitsbedenken hat, findet die Anhörung eines inhaftierten Mitbewohners des Attentäters vom Breitscheidplatz in der JVA Tegel statt.
Die Linke teilt mit: „Der Landesvorstand hat die finanzielle Unterstützung einer Party zum Geburtstag von Karl Marx beschlossen“ (* 5. Mai 1818) – der Philosoph gilt als Begründer der Berliner Clubszene: „Das Reich der Freiheit beginnt da, wo die Arbeit aufhört.“ (Das Kapital, Band III, Siebter Abschnitt, 48. Kapitel).
Aufstand in Nikolassee – das schwarz-gelb-grün geprägte Bürgertum revoltiert gegen den geplanten Bau eines Flüchtlingsheims: In der kleinen Nachbarschaft sollen auf dem bisherigen Bolzplatz der Wasserbetriebe (Am Beelitzhof 24) 480 Menschen in dauerhafte „MUF“s einziehen.
Apropos Beelitz: Das gleichnamige Brandenburger Gemüse ist jetzt mit einem EU-Siegel versehen und eine „geschützte geographische Angabe“ – das war die gute Nachricht, die schlechte: Wegen des Wetters wird der Erntebeginn auf Anfang Mai verschoben.
Sawsan Chebli ruft auf zur Frühjahrsputzaktion der Stolperstein-Initiativen (20.3.) – die Staatssekretärin, die auch schon für Neuverlegungen gespendet hat, ist um 13.30 Uhr am Adenauer Platz dabei.
Die BVG bewirbt sich mit einer originellen Ansage am Fehrbelliner Platz erfolgreich für unser Betriebsstörungsbingo – die Begründung zur Aufforderung, den Zug zu verlassen: „Stau auf der U7 Richtung Spandau“ - das erhält den Rang eines Zusatzjokers (gehört von Susanne Lunow).
Getoppt wird das aber wieder einmal von der S-Bahn – dort wurde eine Verspätung auf der S25 mit „Störung der Telefonleitung“ erklärt. Vielleicht war der Waggon ja drüber gerollt.
Aus der Reihe „Mathe mit dem Checkpoint“ – eine Textaufgabe (real, Kategorie „leicht“): Durch starken Zuzug steigt der Bedarf an Wohnungen, zugleich sinkt die Zahl der Baugenehmigungen. Wie viele Buchstaben hat der Name der Stadt, um die es geht?
Falls Sie die ersten Fahrversuche von Neuminister Andreas Scheuer auf der Datenautobahn PR-technisch aussteuern wollen: Er sucht eine Pressereferentin (oder einen Referenten). Der Checkpoint wünscht gute Fahrt.
Dazu auch das: Wie gestern bereits im CP vermutet, kommt der bisherige Staatssekretär Rainer Bomba nicht mehr mit auf die Scheuer-Reise - der dienstälteste BER-Aufsichtsrat macht einen Abflug. (Q: HB)
Schlechte Nachrichten für den Westen Berlins: Nach den bisherigen Plänen wird der Bahnhof Zoo von 2025 an über keine direkte Regio-Verbindung mehr zum BER verfügen (Q: Lässt sich schließen aus einer indirekten Antwort von StS Kirchner auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Friederici). Die gute Nachricht: Der TXL-Bus bleibt vorerst in Betrieb.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Ich hoffe, dass zum Abschluss dieses langfristigen Programms ein Organisationsmodell praktikabel werden kann, das ohne größere Schwierigkeiten an die Entwicklung anzupassen ist.“
Innensenator Kurt Neubauer am 16. März 1968 im Tagesspiegel zur großen Verwaltungsreform. Die Ziele damals: „Vereinfachungsmöglichkeiten ausschöpfen“, „Zuständigkeitsüberlagerungen beseitigen“, „Bezirkliche Selbstverwaltung wirksamer machen“. Die Ziele heute: Siehe oben. Und weil die Zeit vor 50 Jahren auch in anderer Hinsicht ziemlich spannend war, gibt es in unserem Epaper jetzt jeden Tag zusätzlich zur aktuellen Ausgabe jeweils die komplette Tagesspiegel-Ausgabe von damals dazu - im Original-Design, mit der Kult-Kolumne „Am Rande bemerkt“ von Günter Matthes, der „Meinung der Opposition“, Berichten von den Universitäten im Aufbruch und natürlich auch mit allen originellen Anzeigen. Zur Anmeldung geht es hier.
Tweet des Tages
„Der Lorenz Maroldt wundert sich im Checkpoint-Newsletter über die Beauftragten Berlins? Die Universitätsbibliothek Bochum hat einen Elefantenfuß-Beauftragten.“
Stadtleben
Im Lowkal steht man auf Low Carb, also: Wenig Kohlenhydrate, das sei gut für die Figur. Konkret heißt das: Currywurst mit Lowcarb-Spätzle oder Seelachsfilet mit Schinkenchips in Tomaten-Kapernsauce, dazu einen fruchtigen Beiklang mit einem Riesling vom Weingut Gehlen-Cornelius. Aber auch für andere Befindlichkeiten ist in der Pfalzburger Straße 72b in Wilmersdorf gesorgt. Ob Sie es glutenfrei, veganoder für Merfach-Allergiker brauchen, man besorgt’s Ihnen. Laut Tagesspiegel-Kolumnistin Elisabeth Binder ist das Gute an dieser Küchenrichtung, dass man verschiedene Gerichte probieren kann, ohne sich hinterher allzu beschwert zu fühlen. Dann: Guten allergiefreien Appetit. U-Bhf Hohenzollernplatz, Di-So 12-22 Uhr
Wem Kalorien hingehen egal sind, dafür auf intensiv-würzigen Geschmack setzt, der ist mit dem Kochu Karu bestens beraten: Denn José Miranda-Morillo und Bini Lee haben eine besondere Zutat im Petto: Miso. Mehr über das Trend-Gewürz, das neue Food-Modehaus am Ostseerand und peruanische Kochkultur erfahren Sie am Sonnabend auf den "Mehr Genuss"-Seiten im gedruckten Tagesspiegel und im E-Paper.
Neu in Charlottenburg ist das Kant Café. Zuvor noch in der namensgebenden Kantstraße 135 ansässig, eröffnet es am Samstag am Walter-Benjamin-Platz mit Begrüßungscocktails und gratis Buffet. Zuschlagen kann man ab 19 Uhr, die Nacht durchtanzen ab 22 Uhr. U-Bhf Adenauerplatz, So-Do. 9-1 Uhr, Fr-Sa open end