es scheint ganz einfach: Ob es eine zweite Pandemie-Welle gibt, bestimmen wir. So hat es Charité-Chefvirologe Christian Drosten in der Senatssitzung am Dienstag gesagt. „Und die kann auch schwer werden. Die Gefährlichkeit des Virus hat nicht nachgelassen“, ergänzte er. Drosten warnt zur rechten Zeit, nachdem Gesundheitsminister Jens Spahn die Pandemie kürzlich mit dem Satz „Eine zweite Welle, das Risiko sehe ich nicht“ quasi für beendet erklärt hatte. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit erklärte am Abend: „Die Gesamtfallzahl der 24. Meldewoche ist deutlich höher als die der vier Vorwochen und wird sich durch Nachmeldungen in den nächsten Tagen noch weiter erhöhen.“
Diese Pandemie ist nicht vorbei. In Neukölln stehen zurzeit 369 Haushalte mit jeweils bis zu zehn Personen unter Quarantäne, insgesamt 13 Häuser an sieben verschiedenen Standorten, 57 Menschen wurden dort positiv auf das Coronavirus getestet – hunderte Tests stehen noch aus. Bei Kindern aus acht Schulen und einer Kita-Gruppe zeigte sich eine Covid-19-Infektion. Weil die Schulen offenbleiben sollen, entschieden die Neuköllner Verantwortlichen die Infektionen zurückzuverfolgen und fanden ganze Hausgemeinschaften infiziert. Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) warnt: „Vom Skiclub ist das Virus jetzt in der Mietskaserne angekommen.” Berlins Ischgl, das steckt in dieser Aussage, könnte Neukölln werden. Die „beengten Wohnverhältnisse“ der Ärmsten mit vielen Kindern, wie im betroffenen Wohnblock, begünstigen, dass sich das Virus rasch verbreitet. Es trifft die Menschen am Schlimmsten, die ohnehin oft zurückbleiben. Eine am Montag veröffentlichte Studie des Uniklinikums Düsseldorf belegt: Das Risiko von Hartz-IV-Empfängern wegen des Coronavirus ins Krankenhaus zu gelangen, ist um 84 Prozent erhöht, für ALG-1-Empfänger liegt das Risiko um 17,5 Prozent höher als im Durchschnitt. Vor dem Virus sind nicht alle gleich.
Manche Berliner scheinen sich trotzdem für gleicher zu halten: Immer mehr Menschen verzichten darauf, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. 78 Prozent waren es in der vergangenen Woche nur noch, rechnet die BVG aus. An Haltestellen von Bus und Straßenbahn trägt nur noch jeder Dritte (30 Prozent) etwas Stoff vorm Gesicht. Vor allem junge Männer – das ist meine Beobachtung – tragen deutlich weniger Maske als der Rest. Seit der jüngsten Lockerung der Corona-Regelungen sei die Tragequote um noch einmal fünf Prozentpunkte gesunken. BVG-Sprecherin Petra Nelken sagt, dass das Sicherheitspersonal teils „sehr aggressive Reaktionen“ erlebe, wenn auf die Maskenpflicht hingewiesen wird. Während die BVG deshalb tut, was sie am Besten kann und Social-Media-Kacheln bastelt, konnte sich der Senat nicht auf stärkere Kontrollen der Maskenpflicht oder gar Bußgelder einigen. Während die SPD geschlossen dafür ist (überraschend einhellig vom Regierenden Bürgermeister bis zum Fraktionschef), lehnen Grüne und Linke beides eher ab. Die Pflicht darf weiter zum Hobby verkommen.

Das Motto im Senat lautet: „Wir wollen so viel Normalität wie möglich”. Deshalb wurde am Dienstag weitere Lockerungen der Corona-Regeln angekündigt. Was sich ändert: Die mehr als 20 Seiten lange (und immer schwerer durchdringbare) Eindämmungsverordnung mit dem wundervollen Namen „SARS-CoV-2-EindmaßnV“ soll einer schlanken Infektionsschutzverordnung mit 15 Paragraphen weichen. Für mehr Durchblick. Ab dem 25. Juni soll nur noch der Mindestabstand von 1,50 Metern und das Tragen von Masken im Bus, Bahn, Einzelhandel oder Restaurants gelten. Das Kontaktverbot, nach dem sich maximal fünf Personen oder Mitglieder zweier Haushalte treffen dürfen, soll entfallen. Es hielt sich wohl ohnehin niemand mehr daran. Die Platzbeschränkungen im Einzelhandel werden gelockert: Statt 20 Quadratmetern müssen pro Kunde nur noch 10 Quadratmeter Platz sein. Veranstaltungen in geschlossenen Räumen werden ab 25. Juni mit bis zu 300 Teilnehmern gestattet, ab August wird auf 500 erhöht, ab Oktober dürfen bis zu 1000 Menschen zusammenkommen. Gute Nachrichten für feierwütige Abiturienten. Lockerung der Reise-Quarantäne: Wer aus Nicht-EU-Ländern oder Schweden nach Deutschland einreist, muss zwar weiterhin in 14-tägige Quarantäne. Schon ein negativer Covid-19-Test reicht aber künftig, um daraus entlassen zu werden. So weit, so locker.
Immer lockerer, lauter, lustiger ging es zuletzt im Gleisdreieckpark in Kreuzberg zu: Nach den außer Kontrolle geratenen Feiern an den vergangenen Wochenenden wurde gestern wieder zu einer Party aufgerufen. „Kommt vorbei, bringt Freunde und Alkohol mit“ und „Ganz Berlin kann kommen“, hieß es auf Instagram. Diesmal reagierte die Berliner Polizei schnell: „Unsere Kolleginnen und Kollegen werden der Einladung folgen und auf Einhaltung der Covid-19-Regeln achten“, schrieb das Social-Media-Team. Und weiter: „Superspreading-Events braucht niemand“. Laut Polizei blieb es ruhig.
Den Anwohnern reicht’s, deshalb kam am Wochenende der radikale Vorschlag auf, den Park nachts abzuschließen (CP von gestern): bloß kein zweiter Görli! Dem Checkpoint liegt nun ein weiterer Offener Brief vor. Darin schreiben Anrainer: „Kürzlich wurde die Bezirksbürgermeisterin, Monika Herrmann, zitiert, sie würde spätabends aus Angst nicht durch einen Park gehen. Viele Menschen würden aber gern abends noch eine angstfreie Parkrunde drehen oder ihren Heimweg per Rad durch den Park abkürzen. Und eben morgens weder Laubbläser zur Reinigung noch Scherben-Slalom ertragen müssen.“
Auf Checkpoint-Anfrage erklärte das Grünflächenamt Friedrichshain-Kreuzberg, man sei nicht zuständig, die Parkaufsicht liege bei der landeseigenen Grün Berlin GmbH. Die antwortete den Anwohnern auf ihren Brief: Das Hausrecht liege beim bezirklichen Grünflächenamt, dieses müsse Verstöße gegen das Hausrecht ahnden. Ja, wie denn nun? Um es noch komplizierter zu machen, antwortete das bezirkliche Ordnungsamt: Der Park werde eigentlich von Grün Berlin betreut und nachts könne eh nur die Polizei helfen. Klassischer Fall von: Behördenpingpong, das Musical.
Gestern hatten wir berichtet, dass der Ansturm auf die Bäder besonders in der Innenstadt groß ist. Weil Checkpoint wirkt, verschickte Bäder-Sprecher Matthias Oloew noch am Abend die frohe Kunde: Ab heute können „deutlich mehr“ Schwimmer, Planscher und Sonnenlieger in die Berliner Freibäder kommen. Hurra! Allein ins Strandbad Wannsee dürfen nun doppelt so viele Gäste. Kinder unter fünf Jahre dürfen wieder kostenlos ins Freibad (natürlich mit Mama oder Papa) – sie benötigen zwar weiterhin eine eigene Karte, die kann aber gratis zum Elternticket dazugebucht werden. Die besten Nachrichten für Nicht-Schwimmer und Wasserfläzer: Nach und nach werden auch die Planschbecken wieder geöffnet. Bloß immer schön eincremen!
Harter Themenwechsel: Wie viel „latenten Rassismus“ gibt es bei der Polizei? Der Behörde und ihren Mitarbeitern wird bescheinigt, ein Rassismusproblem zu haben. Polizisten wird Racial Profiling vorgeworfen – etwa hier im Interview des Kollegen Christian Hönicke. Aber Zahlen gibt es kaum, dafür viele Vermutungen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert, initiiert von seiner Berliner Sektion, eine bundesweite, anonymisierte Studie zu politischen Einstellungen in allen deutschen Sicherheitsbehörden. Sebastian Fiedler, BDK-Bundesvorsitzender, sagt: „Wer die Lage nicht kennt, kann sie nicht bewältigen. Um nichts anderes geht es. Ich verstehe nicht, warum dieser uralte polizeiliche Grundsatz ausgerechnet dann nicht gelten soll, wenn wir selbst betroffen sind.“ Martin Pallgen, Sprecher der Berliner Innenverwaltung, bestätigte dem Checkpoint, dass sich die Innenministerkonferenz mit diesem Thema befassen werde. Der Gipfel der Sicherheitschefs der Länder startet heute in Berlin. Zu Details wollte sich die Innenverwaltung noch nicht äußern. Ob Berlins Innensenator Andreas Geisel eine solche Studie unterstützt? „Der Innensenator ist dem Richtigen gegenüber immer aufgeschlossen“, teilte sein Sprecher mit. Weil Richtiges richtig ist. Richtig?
Weiter geht‘s mit Richtigem: Andreas Geisel kritisiert seinen Amtskollegen auf Bundesebene, Innenminister Horst Seehofer. Wie berichtet hat der Senat nach langem Ringen mit einer Aufnahmeverordnung beschlossen, 300 Geflüchtete aus griechischen Lagern aufzunehmen. „Dass Deutschland bislang 47 Flüchtlinge aufgenommen hat, ist unzureichend. Deutschland kann mehr. Wir sind unseren humanitären Werten verpflichtet und sollten auch mehr tun“, sagte Geisel. Dreimal sei das Berliner Ansinnen, mehr Geflüchtete aufzunehmen, bereits abgeschmettert worden –letztlich muss der Bund zustimmen, egal wie sehr der Senat strampelt. Besonders die Grünen hatten auf einen erneuten Versuch gedrängt, um Seehofers (Christlich-Soziale Union) wiederholtes Nein zur Aufnahme zu erschweren. „Wir hoffen, dass sich jetzt eine Dynamik entwickelt und die Bundesregierung einlenken muss“, sagte Silke Gebel, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen dem Checkpoint. „Es gibt Favelas auf dem Boden der europäischen Union – das dürfen wir nicht hinnehmen.“
Berliner Schnuppen

Telegramm
Spektakulärer Geldraub in Wilmersdorf: In der Detmolder Straße haben Räuber am Dienstagmorgen einen Geldtransporter überfallen, das bestätigte die Polizei. Laut „BZ“ überwältigten die vier Täter einen Wachmann mit Pfefferspray und erbeuteten vor einer Filiale der Volksbank eine halbe Million Euro. Sie sollen in zwei schwarzen Wagen – einem Skoda, einem Audi – geflüchtet sein. Jemand was gesehen?
Auch in Berlin soll der Begriff „Rasse“ aus der Landesverfassung gestrichen werden. Dafür sprach sich jetzt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) aus. In Zukunft soll Absatz 2 in Artikel 10 lauten: „Niemand darf rassistisch, wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seinen religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Keine Einwände.
Themenwechsel: Was haben Rapper Eko Fresh und CDU-Nachwuchshoffnung Philipp Amthor gemeinsam? Beide waren mal jung – und sie brauchten das Geld. So zumindest versuchen Amthors Unionsfreunde ihn nun aus seiner Affäre mit dem dubiosen US-Unternehmen Augustus Intelligence rauszuhauen. „Er ist eben noch jung, und da trifft man im Überschwang noch leichter falsche Entscheidungen“, sagte zum Beispiel Unionsfraktionsvize Johann Wadephul, als sei sein kluger Kollege irgendein unerfahrener Bundestagsazubi. Am Abend zog Amthor erste Konsequenzen und sich selbst aus dem Amri-Untersuchungsausschuss zurück. Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern will er aber – Stand 4.45 Uhr – weiterhin werden. Das Menü für die Wahlparty steht: Austern und Schampus.
Aufbau Ost: Die Senatspläne für die Tangentialverbindung zwischen Marzahn und Köpenick konkretisieren sich. 2024 soll es losgehen, mehr als 150 Millionen Euro kosten und eine gewaltige Lücke im Stadtverkehr schließen. Damit das Ganze auch fein nach Zukunft ausschaut, hat der Senat dazu Berlins ersten schwebenden Radkreisverkehr beschlossen. Vielleicht wird es auch ein UFO-Landeplatz – je nachdem wie das mit der Verkehrswende vorangeht. Jedenfalls geht’s rund.
Aufbau Gastro: Ein Drittel der Anträge auf Überbrückungshilfen für den Mittelstand kommen aus dem Gastgewerbe. Laut exklusiven Zahlen der Wirtschaftsverwaltung wurden bislang 1012 Anträge auf Soforthilfe V bei der Investitionsbank Berlin (IBB) gestellt worden – 327 davon von Restaurants, Kneipen und Co. Insgesamt soll es sich um fast neun Millionen Euro handeln.
Bau auf, Bau auf? Heute ist der 17. Juni – 1953 kam es in der DDR an diesem Tag zum Volksaufstand. 34 Demonstranten und Zuschauer wurden getötet. Heute nun tagt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg im Gebäude des „Neuen Deutschland“, dem ehemaligen Zentralorgan der SED. Die Splitterparteien KPD und DKP sitzen noch immer im Haus. Dass die BVV dort im Jahr 2020 Politik macht, hat zwar mit dem Coronavirus zu tun und soll hoffentlich kein Wink mit Ährenkranz und Sichel sein – es hat an diesem Tag aber ein bitteres Geschmäckle.
Fußball I: Union bleibt erstklassig, liebe Freundinnen und Freunde des Berliner Rasenballsports. Ein 1:0 gegen Paderborn sichert den Klassenerhalt. Große Checkpoint-Gratulation!
Fußball II: Die dritte Niederlage in Folge – ein 2:1 – kassierte Hertha gestern gegen Freiburg, Verletzungssorgen inklusive. Ost- und West-Berlin liegen jetzt tabellarisch gleichauf. Es kommt immer Hertha.
Apropos härter: Wie groß ist die Geldnot der Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft? Weil Zweifel am Finanzplan der FBB aufgekommen waren, geht der BER-Betreiber nun in die Offensive: Per Pressemitteilung wurden die Rechnungshöfe Berlins, Brandenburgs und des Bundes „herzlich eingeladen“, die die beschlossene Businessplanung zu überprüfen. Wir sind ganz herzlich gespannt!
Die Hauptstadtkatzen profitieren von Corona. Im Tierheim Berlin, immerhin dem größten Deutschlands, landen gerade deutlich weniger süße Fellknäuel als üblich. In den vergangenen zehn Wochen seien 38 Prozent weniger Katzen ins Tierheim gekommen als im Vorjahreszeitraum, sagte die Sprecherin des Berliner Tierschutzvereins, Annette Rost, dem Tagesspiegel. Statt 400 bis 500 wurden nur 250 abgegeben. Schmusen gegen Corona.
Aufatmen im Hause Hohenzollern: Orden und Münzen hatten das Adelsgeschlecht zur Ausstellung in der Berliner Gedächtniskirche beigesteuert. Im Februar wurden sie von dort entwendet. Jetzt stellte sich der Täter. Ob ihn die Gottesfurcht packte oder der Respekt vor altem deutschen Adel zur Rückgabe des Diebesguts führte, ist nicht bekannt.
Traurige Nachricht: Der Berliner DJ und Radiomoderator Lord Knud ist tot. Das erfuhr der Checkpoint aus seinem Umfeld. Seine RIAS-Show „Schlager der Woche“ war legendär in West- und Ost-Berlin. Die Sprüche provokant, sein Leben schillernd. Lord Knud gehörte bis 1964 der Band an, die einmal als deutsche Beatles galten: The Lords. Seit mehr als vierzig Jahren lebte er in einem Bungalow in Dahlem. Knud Kuntze wurde 76 Jahre alt.
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt,
der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier
den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können
personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu
erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer
Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
An historischem Ort: Hier saß Lord Knud als Moderator beim RIAS ab 1968 in der Sendung RIAS-Schlagerkassette vor dem Mikrofon. Wir saßen im Osten am Radiolautsprecher und hörten diese Stimme und Hits aus dem freien Teil Berlins. Ein für uns prägendes Stück deutscher Geschichte... pic.twitter.com/IpwFpKahyD
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Blick nach vorn: Die Corona-App der Bundesregierung wurde am ersten Tag wohl deutlich mehr als eine Million Mal heruntergeladen. Welche Probleme trotzdem auftauchten, wo Kritik aufkam und warum es viel Lob gab, haben meine Kollegen Sebastian Christ und Thorsten Mumme für Sie zusammengefasst.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Es reicht nicht aus ‚kein Rassist‘ zu sein. Wir müssen Antirassisten sein.”
Anmerkung der Redaktion: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat recht.
Tweet des Tages
Im Code der Corona-App ist als sog. Easter-Egg die private Nummer von Prof. Drosten versteckt
Stadtleben

Essen & Trinken im Grunewald – Kaum aus dem Bus gestiegen, duftet es nach Wald und auch der Straßenlärm verstummt auf dem kurzem Weg zum Kunsthaus Dahlem. Stattdessen: Vogelgezwitscher und Blätterrauschen. Wo früher Arno Breker Plastiken für die Monumentalbauten Albert Speers entwarf und später Bildhauer Bernhard Heiliger sein Atelier hatte, wird seit 2015 Kunst der Nachkriegsmoderne ausgestellt. Seit einem Jahr lädt zudemein luftiges Museumscafé mit großer Außenterrasse zum Plausch unterm Blätterdach ein. Vor mächtiger Kulisse (10 Meter Deckenhöhe, Betonfußboden, massive Backsteinwände) serviert das Team von Gerald Greh (hier im Interview) selbstgebackenen Kuchen, cremige Cappuccini und eine kleine Auswahl warmer Speisen wie Spargelgratin und Königsberger Klopse (13,50 Euro). Greh, der auch das Café K im Kolbe Museum bis zu seiner Sanierung betrieb, traf der Lockdown hart, weil das Café am Käuzchensteig 12 gerade zu florieren begann und auch nach der Wiedereröffnung Einnahmen durch Veranstaltungen fehlen werden. Er ist trotzdem optimistisch, denn sein Kleinod im Grunewald bietet MuseumsbesucherInnen wie SpaziergängerInnen eine sehr schöne Gelegenheit zur Einkehr mitten in der Natur und in direkter Nachbarschaft zum Brücke-Museum, einzig: „die Berlinerinnen und Berliner müssen das auch wissen.“ Sollte hiermit erledigt sein! Geöffnet ist Mi-Mo 11-17 Uhr, vom S/U-Bhf Zoo sind es nur wenige Minuten bis zur Haltestelle Brücke-Museum/ Kunsthaus Dahlem (Bus X10). (Foto: Gerald Greh)
Eissafari – Von Safran-Rhababer bis Lakritz, Blutorange-Aperol, Spargel oder Erdbeersahne – in Berliner Eisdielen wird Diversität gelebt. Eine Liste mit den Favoriten aus der Genuss-Redaktion finden Sie hier.
Noch hingehen – Das Brücke-Museum zeigt noch bis zum 30. August Werke des Berliner Künstlers Max Kaus (1891-1977). Die Ausstellung trägt den Titel „Unter Freunden“ und stellt seine Bilder in Beziehung zu den Brücke-Künstlern Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller und Max Pechstein (Bussardstreig 9, Mi-So 11-17 Uhr). Im Kunsthaus Dahlem nebenan wird aktuell noch umgebaut – hier eröffnet am kommenden Montag eine Schau zu „Wieland Förster. Skulpturen aus 50 Jahren.“ Das Café (siehe Essen & Trinken) hat trotzdem geöffnet.
Geschenk mit Zeitwert – 1961 war das Jahr, in dem in West-Berlin Twist und in Ost-Berlin Lipsi getanzt wurde – und der Bau der Mauer begann. Fast 40 Jahre lang durchzog sie Berlin als graue Grenze aus Beton, teilte Familien, Freunde, Kieze. Wie sich das Leben in Ost und West entwickelte, zeigt seit 2018 die rbb-Doku „Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt“, die die deutsch-deutsche Geschichte vor allem aus der Alltagsperspektive erzählt – und über den Mauerfall hinaus. Alle Staffeln finden Sie in der rbb-Mediathek, aber für Nostalgiker hätten wir vier DVD-Boxen zu verschenken. Bei Interesse bitte unter checkpoint@tagesspiegel.de melden, zur Auswahl stehen die 60er, 70er, 80er und 90er Jahre.
Nicht verpassen – (ein Tipp von Birgit Rieger) Es ist Art Basel in Berlin! Die glamouröseste Kunstmesse der Welt wurde erst auf September verschoben und mittlerweile komplett abgesagt, weil niemand glaubt, dass internationale Sammler im Herbst wieder munter um die Welt jetten. In Berlin ist trotzdem Messewirbel, die Berliner Galerien veranstalten nämlich ihre eigene Art Basel. An den exklusiven Preview-Tagen laden heute und morgen Galerien von Kreuzberg bis Charlottenburg – mit dabei sind etwa carlier gebauer, Max Hetzler, Sprüth Magers – zur „Basel by Berlin“ ein (11-18 Uhr). Auch bei König in Sankt Agnes, einer zum Galerieraum umgebauten Kirche, wird ab heute „Messe“ gefeiert (bis 26. Juni, Di-Sa 10-18 Uhr, So 12-18 Uhr, Eintritt: 10 / 8 Euro) – neben Kunst sind elegante Snacks angekündigt. Alle Teilnehmer präsentieren sich auch in den Online Viewing Rooms der Art Basel.
Gratiskonzert in Mitte – Die Wiedereröffnung nach dreimonatiger Schließung verkündet das Hotel de Rome heute am späten Nachmittag mit einem kleinen Konzert: Aus den Fenstern zum Bebelplatz geben um 17 Uhr acht SolistInnen des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Unter den Linden Renato Rascels „Arrivederci, Roma“ und Paul Linckes „Berliner Luft“ zum Besten. Wenn das mal kein Anlass ist, um stehenzubleiben – und danach noch einen Drink in der Hotelbar auf der Dachterrasse zu nehmen (geöffnet tgl. 15-23 Uhr).
Last-Minute-Stream – (ein Tipp von Ticket-Kollege Jörn Wunder) Von Anfang an stand die Entscheidung des Senats, die Trägerschaft für die Werkstatt der Kulturen in der Neuköllner Wissmannstraße neu auszuschreiben, unter keinem guten Stern. Die mutwillige Beschädigung eines der wichtigsten Berliner Kulturorte für die migrantische Community wurde vorhergesagt, und wie sich zeigte, nicht ganz zu unrecht. Denn vor dem Start des neuen Oyoun (arabisch für „Augen“) kam es ziemlich dicke: Das fünfköpfige Betreiberinnenkollektiv zerstritt sich unversöhnlich, die geplante Eröffnung Mitte März fiel dem Corona-Lockdown zum Opfer. Immerhin hat man die im Facebookstream zu verfolgende Konzertreihe „Midweek Spotlight“ auf die Beine gestellt. In deren neunter Auflage wird der ivorische Balafonvirtuose Aly Keïta, der schon mit Jazz-Titanen wie Joe Zawinul oder Pharoah Sanders gespielt hat, mit dem niederländischen Schlagzeuger Marcel van Cleef ab 19 Uhr ein polyrhythmisches Feuerwerk entfesseln.
Karten sichern – In Zeiten von Corona, wenn unklar bleibt, welche Veranstaltungen wann wieder stattfinden können, wird auch die Ticketbuchung zum Event: Der Boulez Saal hat jüngst seine Highlights für die kommende Saison bekanntgegeben und sogleich mit Warteliste eingerichtet. Wer sich schon mal einschreiben möchte: Hier geht’s zum Programm.
Karten gewinnen – Leider ging der Link nicht mit, über den wir gestern die Karten für die Hannah-Arendt-Ausstellung im DHM verlosen wollten. Die gute Nachricht ist: Die Karten sind noch da – bei Interesse bitte ein mal auf den Teilnahmebutton klicken.
Mit diesem Stadtleben wünscht Stefanie Golla eine fulminanten Mittwoch.
Berlin heute
Verkehr – A111 und Hauptnetzstraßen (berlinweit): Aufgrund einer Sternfahrt von mehr als 1000 Reisebussen zum Brandenburger Tor/ Straße des 17. Juni ist auf den Hauptverkehrsadern sowie der A111 in der Zeit von 10 bis 16 Uhr mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen.
A115 (Kreuz Zehlendorf und Dreieck Funkturm): Aufgrund einer Fahrrad-Sternfahrt wird die A115 am Vormittag in beiden Richtungen zwischen Kreuz Zehlendorf und dem Dreieck Funkturm gesperrt.
Straße des 17. Juni, Großer Stern, Hofjägerallee, John-Foster-Dulles-Allee (Tiergarten): Es empfiehlt sich, wenn möglich, auf S+U Bahnen oder Fahrrad umzusteigen. In diesem Bereich ist durch die Aufstellung der Reisebusse sowie der Kundgebungen mit umfangreichen Sperrungen zu rechnen.
Dahlwitzer Landstraße (Friedrichshagen): In Höhe der Anbindung Mühlenstraße regelt eine Baustellenampel den Verkehr, da für beide Richtungen abwechselnd nur ein Fahrstreifen zur Verfügung steht (bis Mitte August).
Alexanderplatz (Mitte): Um 10 Uhr zieht ein Demonstrationszug mit mehreren hundert Teilnehmern über Karl-Liebknecht-Straße und Unter den Linden zum Pariser Platz.
Michael-Brückner-Straße (Niederschöneweide): Wegen Leitungsarbeiten stehen hinter der Eisenbahnüberführung nur zwei Fahrstreifen zur Verfügung (bis Anfang Juli).
Schöneberger Straße (Tempelhof): Die Fahrbahn ist auf jeweils einen Fahrstreifen in beiden Richtungen zwischen Manteuffelstraße und Ringbahnstraße verengt (bis Ende September). Die „Abbiegebeziehungen“ zur Erseburgstraße und Borussiastraße sind eingeschränkt.
Seestraße (Wedding): Wegen Gleisbauarbeiten steht in Richtung Müllerstraße zwischen Markstraße und Malpaquetstraße bis Mitte November nur noch eine Spur zur Verfügung. In der Gegenrichtung erfolgt die Einrichtung der Baustelle in den nächsten Tagen.
Berliner Allee (Weißensee): Stadtauswärts zwischen Smetanastraße und Lindenallee ist für ca. 2 Wochen jeweils montags bis freitags von 7 Uhr an die Fahrbahn auf einen Fahrstreifen verengt.i9
Onkel-Tom-Straße (Zehlendorf): In Richtung Argentinische Allee gesperrt zwischen Potsdamer Straße und Pasewaldtstraße, Fuß- und Radverkehr kann passieren.
A111 (Reinickendorf-Zubringer): Für dringende Arbeiten wird in den folgenden beiden Nächten der Tunnel Flughafen Tegel stadtauswärts von 21:30 bis 5 Uhr gesperrt. Der Verkehr wird an der AS Am Festplatz abgeleitet.
Demonstration – Im Rahmen einer großen Fahrradsternfahrt wurden für heute drei Fahrradkorsos angemeldet. Mit der „Forderung nach einer gerechten Aufteilung des Straßenraumes und nach Fahrradschnellstraßen” fährt ein Fahrradkorso mit 200 Menschen von der Rosenfelder Straße zum Großen Stern (9.15-11Uhr). Dort treffen sie auf den „Fahrradkorso-Verkehrswende“ mit 100 angemeldeten Teilnehmenden. Deren Route beginnt an den Trassen des Tegeler Hafens (9-11 Uhr). Dazu stoßen 200 weitere durch Extinction Rebellion angemeldete Radfahrende, die ihre Route an der Glienicker Brücke unter dem Motto „Mobilitätswende, besseres Radwegenetz und Fahrradschnellstraßen" starten (8.15-11-15 Uhr). Ab 11 Uhr fahren die drei Korsos vereint vom Großen Stern zum Roten Rathaus. Vom BER aus fahren 200 Busse zum Platz des 18. März. Angemeldet wurde die „Sternfahrt der Busbranche“ vom Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer (11-13.30 Uhr). Begleitend demonstrieren etwa 1.500 Menschen am Alexanderplatz unter dem Motto: „Wir zeigen Gesicht, rettet die Reisebranche, rettet die Reisebüros”. Das Ende der Kundgebung findet am Pariser Platz statt (10-13 Uhr). Gegenüber der Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien erinnern 50 Teilnehmende an den „8. Jahrestag der Inhaftierung des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi.“ Angemeldet wurde die Demo von Reporter ohne Grenzen (12-14 Uhr).
Gericht – Zwei 25- und 27-Jährige müssen sich wegen Beteiligung an einem Überfall auf einen Spätkauf verantworten. Ein gesondert verfolgter Komplize habe auf den Geschäftsführer geschossen und ihn lebensgefährlich verletzt (9.15 Uhr, Kriminalgericht Moabit, Turmstraße 91, Saal 704).
Berliner Gesellschaft
Geburtstag – Thomas Freitag (70), „Alles, alles Gute, lieber Thomas, und spiel den Virus an die Wand! Freitag for Future! Deine Freunde vom Westend Verlag“ / „Hallo Beate Hadjiew, die AIDA-Veteranen senden dir zum Jubeltag die allerbesten Wünsche – machet schick!“ / Judith Kuckart (61), Tänzerin, Choreografin, Regisseurin und Schriftstellerin / Dirk Laucke (38), Dramatiker / Luka Pavićević (52), ehem. Trainer von Alba Berlin / Michael O. Rüdiger (65), Schauspieler und Filmemacher / Dr.jur. Ernst Reuß (58), „Autor (auch im Tagesspiegel) und Klausner“ / „Für meine Freundin Ute zum 77. Geburtstag meine herzlichen Glückwünsche von Rosmarie“ / Graham Vigrass (31), Volleyballspieler bei Berlin Recycling Volleys / nachträglich: Masha Slawinski, Praktikantin beim Checkpoint – alles Liebe vom Team!
Sie möchten jemandem zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Gestorben – Manfred Andrae, * 9. Juli 1933, Dokumentarfilmer, Denker und Schauspieler / Heidede Becker, * 7. Juli 1943 / Christiane Flick, * 20. Juni 1929 / Simon Hauke, * 24. Oktober 1974 / Prof. em. Roland Posner, * 30. Juni 1942, Professor für Linguistik und Semiotik an der TU
Stolperstein – Auguste Bruh (Jg. 1887, geb. Prinz) lebte in der Passauer Straße 6-7 in Schöneberg, bevor die Nationalsozialisten Sie – heute vor 77 Jahren – nach Theresienstadt deportierten. Sie wurde am 9. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet.
Encore
Einer muss anfangen. Bei uns war es der ältere Nachbar, der das Unkraut im Innenhof herausgerissen hat. Einige Tage später saßen die Spanier aus dem Seitenflügel auf den Bänken. Später gab es dieses große Grillen, Bier, Wurst. Fast acht Jahre hatte ich in dem Haus gelebt, ein großer Baum im Innenhof, sonst Brache und die Nachbarn? Eher Fremde. Dann haben wir uns den Hof gemacht. Einer musste nur anfangen. Kaum eine westeuropäische Stadt dürfte so viele Innenhöfe wie Berlin haben. Einige sind Brachen, andere prächtige Gärten, richtige Großstadtdschungel. Die einen stehen allen offen, andere sind gut gehütete Geheimnisse. Einige Hinterhöfe wurden in den vergangenen Wochen für Kinovorstellungen genutzt, in anderen spielten die Philharmoniker. Ich saß neulich das erste Mal wieder bei ein paar Freunden im Innenhof – mit Sicherheitsabstand. Ab und an streifte die weiße Nachbarskatze vorbei. Urlaub, einfach hinten raus.
Zeigen Sie uns ihre Innenhöfe, erzählen Sie uns ihre schönsten Hinterhofgeschichten. Wir wollen im Tagesspiegel Berlins verborgene Schätze heben – und Sie können erklären, wie man es sich Hintenraus richtig gemütlich macht. Einer muss ja anfangen. Schreiben Sie einfach eine Mail mit dem Betreff „Hinterhof“ an checkpoint@tagesspiegel.de. Wir freuen uns!
Starten Sie gut in den Tag – und packen Sie die Badehose ein. Morgen rüttelt Sie hier Lorenz Maroldt wach.
Ihr