Meistens bewölkt mit gelegentlichen Scheuern und Temperaturen um 15°C

Habemus MietendeckelLeserInnen-Debatte mit Raed SalehFriedrichshains Baustadtrat ist gegen das Amazon-Hochhaus

die Grünen waren am schnellsten. „Habemus Mietendeckel“, twitterte die Landespartei am Freitagabend um 19:42 Uhr. Zwölf Minuten später folgten die Genossen: „Der von der SPD vorgeschlagene Mietendeckel kommt.“ Die Linken verkündeten um 20:04 Uhr: „Wer kämpft, kann gewinnen.“ Und um 20:22 Uhr verlautbarte Berlins Regierender, Michael Müller via Videobotschaft: „Ich bin sehr froh“ über dieses „gute und ausgewogene Paket“. Kurz konnte man ein Lächeln erahnen (Sekunde 3 von insgesamt 1:14 Minuten).

Man hat sich geeinigt, weil man sich einigen musste. Das Ende der Koalition wäre die schlechtere Alternative gewesen. Entsprechend hier das Ergebnis:

1) Es wird eine Tabelle für zulässige Mietobergrenzen erstellt, die sich am Mietspiegel von 2013 orientieren soll.
2) Es wird ein Mietenstopp für fünf Jahre eingeführt. Ab 2022 wird die Möglichkeit eines Inflationsausgleichs von 1,3 Prozent/Jahr geschaffen.
2) Modernisierungsmaßnahmen dürfen ohne Genehmigung nur in Höhe von 1 Euro/qm umgelegt werden (Anzeigepflicht). Für darüber hinausgehende Modernisierungskosten von maximal 1 weiteren Euro sollen Förderprogramme genutzt werden.
3) Bei Wiedervermietung gilt die Vormiete. Oder, falls die Vormiete höher ist, gilt die Tabellenmiete. Besonders niedrige Mieten von unter 5 Euro/qm dürfen um maximal 1 Euro/qm auf maximal 5 Euro/qm angehoben werden.
4) „Wuchermieten“ in Höhe von mehr als 120 Prozent der Tabelle werden auf 120 Prozent abgesenkt. Dabei werden Zu- und Abschläge für einfache Lage (-28ct/qm), mittlere Lage (-9 ct/qm) und gute Lage (+74 ct/qm) berücksichtigt. Die Regelung soll neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angewendet werden.

Der Anfang ist gemacht. „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen“, hatte Aristoteles mal gesagt. Aber der lebte ja auch nicht in Berlin. Was jetzt folgt, sind Prüfung der Rechtssicherheit und – hallo Verwaltung! – die Umsetzung. Klappt all das, könnte der Mietendeckel zum Pilotprojekt werden. „Die großen Städte warten nur darauf, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und Kommunen regulierend in den Wohnungsmarkt eingreifen dürfen“, kommentiert Kollege Ulrich Zawatka-Gerlach. Sprich: Ein kleiner Deckel für Berlin, ein großer Deckel für Deutschland. Geschichte schreiben – das könnte R2G jetzt schaffen. Mehr Wohnraum schafft das allerdings nicht.

Aus der Mietendeckelrunde verabschiedet hatte sich am späten Freitagnachmittag für knapp eine Stunde SPD-Fraktionschef Raed Saleh, um wie angekündigt, mit unseren Leserinnen und Lesern zu diskutieren. Kernthema: Die AfD und ihr anvisiertes (jetzt-doch-nicht) Bürohaus in Spandau, der Umgang mit einer demokratisch gewählten, aber doch rechtsextremen Partei und Salehs Aussage, er wolle im Bezirk keine Faschisten. Oberthema: Wie wollen wir miteinander reden? Und, um das ganz große Fass aufzumachen (sind ja immerhin 60 Minuten): Wie wollen wir in Deutschland leben? 

20 Gäste, mehr Männer als Frauen, alt und jung, etwa ein Drittel Saleh-Gegner, ein Drittel Unterstützer, ein Drittel Enthaltungen. Es wurde persönlich (von der eigenen Baufirma, von Begegnungen mit Geflüchteten, von der Jugend in Spandau und Debatten innerhalb der Familie, Freunde, Kollegen). Es wurde laut („Das ist eine Lüge!“). Falsche Dinge wurden behauptet und richtige Dinge in Frage gestellt. Es wurde grundsätzlich. Was ist Faschismus, was Demokratie? Muss man miteinander reden? Bis zu welchen Grenzen? Darf man von einem auf alle schließen? Wer pauschalisiert? Welche Rolle haben die Medien? Welche die SPD?

Es wurde zugehört.

Wer etwas sagen wollte, stellte sich kurz vor. Hatte, wenn es auch mal Zwischenrufe gab, die Aufmerksamkeit aller. Reden, streiten, diskutieren. Deshalb war man hier. Gegen Ende sagt Saleh: „Ich brauche keine AfD in diesem Land.“  Ein anderer Mann sagt: „Schwachsinn.“ Und Saleh: „Nehmen Sie mir nicht meine Meinung weg.“ Kurz wird geschmunzelt. Einig ist man sich vor allem darin, dass die Diskussion fortgesetzt werden sollte. Saleh will nochmal einladen. Gerne in eine Kneipe nach Spandau.

Checkpoint-Abonnenten erfahren heute außerdem

–  Was Sebastian Czaja unter armen Vermietern versteht
– Warum Friedrichshains Baustadtrat Florian Schmidt den Entwurf des Amazon-Hochhauses an der Warschauer Brücke ablehnt
– Wie oft Berlins Schüler mit dem Flugzeug auf Klassenfahrt gehen
– Wie viel Berlin in 2019 bisher mit der Biersteuer eingenommen hat
– Was Linkenpolitiker Hakan Tas heute zu seiner Fahrerflucht sagt
– Auf welcher offiziellen Seite der Datenschutz so überhaupt nicht gewährleistet ist
– Wer in Berlin einen Baumbiegesimulator kaufen will und wer eine Fährfrau/ -mann sucht
– Wie der BER immer fertiger und fertiger wird
– Was die Panda-Zwillinge treiben
– Und wo Sie an diesem Wochenende die besten 48 Stunden Berlin erleben können

Zur Anmeldung für den kostenlosen Probemonat geht es hier entlang.

Kommen Sie gesund und munter durchs Wochenende! Am Montag übernimmt an dieser Stelle Anke Myrrhe.

Ihre Ann-Kathrin Hipp

Berlin braucht guten Journalismus!

Finden Sie auch? Unterstützen Sie uns!
JETZT GRATISMONAT STARTEN

Seit 2014 berichten wir exklusiv aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir stellten Berlins marode Schulen vor, bis die Politik reagierte. Wir standen vor dem Bürgeramt, bis es wieder Termine gab. Wir recherchieren hartnäckig und gründlich.

Das finden Sie gut? Dann unterstützen Sie uns mit dem neuen Tagesspiegel Plus-Abo! Für 14,99 € im Monat erhalten Sie den ungekürzten Checkpoint-Newsletter, den Checkpoint am Wochenende und das Beste vom Tagesspiegel im Web und in der App. Und Sie ermöglichen uns, auch weiterhin vor Ort zu sein, genau hinzuschauen und unabhängig zu bleiben. Die Anmeldung dauert nur eine Minute. Wir würden uns freuen!