Guten Morgen, fast kein Tag mehr ohne Terrorangriff - gestern Abend war mal wieder Brüssel dran, der Täter konnte allerdings nach Polizeiangaben „nur eine kleine Explosion“ im Hauptbahnhof auslösen, bevor er „neutralisiert“ wurde.
Und damit zu den Meldungen aus Berlin: Im Senat waren sie gestern nicht ganz zufrieden mit der Plumpsack-Entscheidung der Staatssekretäre zur TXL-Rednerliste am Donnerstag im Parlament (CP v. gestern) – also wurde im Rathaus noch eine Runde „Reise nach Schönefeld“ gespielt, das Ergebnis: Statt Stadtentwicklungssenatorin Lompscher soll (darf, muss) jetzt Wirtschaftssenatorin Pop ans Stehpult (sie ist ja auch Bürgermeisterin). Der Regierende Bürgermeister hört ein bisschen später zu, sein Rückflug aus Montreal landet erst um 9.55 Uhr (vielleicht pünktlich, aber in Tegel). Update: Die Senatsbroschüre zur TXL-Abstimmung ist mit dem BER-Virus infiziert - die Fertigstellung verzögert sich.
So, hier mal ein Blick auf die frisch gedruckte „Evaluation der Bevölkerungsprognose“ – wir stellen fest: Immer mehr renitente Berliner verstoßen gegen den Senatsbeschluss 904/2016 und verweigern ihr fest eingeplantes Ableben. Das Rathaus ist ratlos: „Für eine Erklärung dieses unerwarteten Rückgangs der Sterbefälle bedarf es einer konkreten Untersuchung.“ Wie wär’s mit einem Staatssekretär für Nekrologie?
Insgesamt aber wächst Berlin wesentlich langsamer als zuletzt prognostiziert – der Senat rechnet jetzt bis 2020 nur noch mit 106.000 Einwohnern mehr als Ende 2016 (inkl. 24.000 Flüchtlingen), das macht im Schnitt pro Jahr gut 35.000 plus. Damit nehmen die Planer auch Abschied von den angepeilten 4 Mio EW im Jahr 2030 - nach heutiger Erkenntnis werden es gut 3,8 Mio sein (Stand Ende 2016: 3.671.000 EW). Vorteil: Da fällt nicht ganz so krass auf, dass die Stadtentwicklungsverwaltung mit ihrem Neubauprogramm nicht hinterher kommt.
Neues vom Grauflächenamt Mitte: Während die Truppe mit der dringlichen Beseitigung von Bürgerbeeten beschäftigt ist, verrottet das Gartendenkmal Engelbecken – das Wasser verschlammt, beide Brunnen defekt, die Filter verstopft, die Wege verwahrlost … Eindetaillierter Alarmbrief von Anwohnerinnen und den Betreibern des Cafés an Stadträtin Weißler (Juli 2016) wurde ignoriert, in einem zweiten (Juni 2017) ist jetzt von„Wischiwaschi“-Ausreden des Amtes auf Einzelbeschwerden die Rede: Zuständig sind immer die anderen (und die sind gerade nicht da).
In der Laubenkolonie Samoa (überregional bekannt geworden als Chrystal-Meth-Späti für Bundestagsabgeordnete) kämpft der Bezirk Tempelhof-Schöneberg gemeinsam mit dem Kleingartenverband seit Jahren gegen ein Baumhaus – das von wildem Wein umrankte Gehölz entspricht nicht der Ordnung (bei wildem Bier sähe die Sache vielleicht anders aus). Zuletzt versuchte der Parzellenbesitzer den Abriss mit dem Hinweis auf einen neuen Untermieter zu stoppen: ein Eichhörnchen. Das war eine harte Nuss fürs Amt – die Tierchen sind besonders geschützt. Am Ende brauchte die Senatsumweltverwaltung acht (!) Seiten, um darzulegen, warum die Bude des Baumhausbewohners dennoch geräumt werden darf. Dazu der Gastkommentar von Donald Duck, Entenhausen: „Alle Punkte auf meiner Liste sind getreulich erledigt und ordnungsgemäß abgehakt.“ (aus „Die Weihnachtsgans“) P.S.: Mehr tierische Nachrichten aus ihrem Bezirk hat meine Kollegin Sigrid Kneist in ihrem neuen „Leute“-Newsletter aufgeschrieben.
Telegramm
Herrliches Schreiben der Grünen-Abgeordneten Georg Kössler und Stefan Gelbhaar an Parlamentspräsident Ralf Wieland zur „Ressourcenschonung“: Sie bitten ihn, sich „für eine Reduzierung der Papierflut einzusetzen“ – die Drucksachen sind inzwischen (endlich) komplett digitalisiert. Am Ende heißt es: „Sollte das nicht möglich sein, würde der Unterzeichnende Georg Kössler auf ausgedruckte Exemplare der Anfragen des Kollegen Langenbrinck, der Unterzeichnende Stefan Gelbhaar auf Anfragen des Kollegen Luthe gerne verzichten.“
Apropos Marcel Luthe - der FDP-Abgeordnete hatte gerade einen erheiternden Auftritt im Hauptausschuss zur Tegel-Frage: Die Zahl der lärmgeplagten Anwohnern korrigierte er herunter auf „25.000 und ein paar Zerquetschte“ (Autsch!). Seine Fraktionskollegin Sibylle Meister wiederum erzählte die traurige Geschichte von armen Menschen im Märkischen Viertel, „die sich nur eine Urlaubsreise im Jahr leisten können, und die sagen, wenn ich dann noch nach Schönefeld fahren muss, dann kann ich es mir nämlich nicht mehr leisten.“ Dazu passt die lustigste Meldung von gestern, die mir doch fast durchgerutscht wäre - sie lautet: „FDP-Fraktionschef Czaja fordert mehr Sachlichkeit in der Tegel-Debatte“.
Gerade angekommen - die noch unkorrigierte Fassung des Buchs „Ich deutsch - Die neue Leitkultur“ von SPD-Fraktionschef Raed Saleh: „Ein wichtiges und überfälliges Buch, das den Kern unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts neu definiert“, schreibt der Verlag Hoffmann und Campe (Veröffentlichungstermin: 18. Juli). Checkpoint-Prognose: Da kommt was auf uns zu.
Super - unser einzigartiger Tagesspiegel-Trump von Scholz & Friends (hier zu betrachten) ist beim Festival of Creativity in Cannes mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden. Roooaaaar!!!
Für unser Betriebsstörung-Bingo haben wir heute ein rein pflanzliches Erweiterungsmodul im Angebot: „Baum im Gleis“ - das ist eine echte Rarität (und hier können Sie sich das mal ansehen).
Ein Hinweis in eigener Sache: In den Bolle-Sälen (Moabit) geht es morgen um die Zukunft der Ernährung - bei der ganztägigen World Food Convention, organisiert vom Tagesspiegel, diskutieren internationale Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über den Zusammenhang von Mangel und Überfluss, Hunger und Übergewicht, Klima und Landwirtschaft. Wir erwarten u.a. die Bundesminister Gerd Müller und Christian Schmidt, Liam Condon von Bayer, Arthur Potts Dawson vom World Food Programme, Maria Andrade vom Internationalen Kartoffelzentrum Mosambik und Mark Post, den Erfinder des „cultured beef“. Ein paar Plätze habe ich für den Checkpoint reserviert, wenn Sie dabei sein möchten, schreiben Sie mir bitte eine Mail an worldfoodconvention@tagesspiegel.de.
Rund um die Rigaer Straße haben sie tatsächlich damit begonnen, zur Verhinderung von Pflastersteinwürfen die Straßen zu asphaltieren (CP v. 19.6.) - vielleicht sollte der Bezirk es lieber mal mit Gummimatten versuchen.
Heute Abend werden im „Radialsystem“ die Theodor-Wolff-Preise vergeben - die Jury des BDZV, deren Mitglied ich bin, trifft ihre Entscheidung am Nachmittag, meine Favoriten habe ich ausgesucht (bleibt aber noch geheim). Fest steht dagegen der Gewinner des Sonderpreises: Es ist Deniz Yüzel, der seit 128 Tagen in einem türkischen Gefängnis sitzt. Seine Frau Dilek Mayatürk-Yücel wird die Ehrung für ihn entgegennehmen und einen neuen Textunseres Kollegen verlesen - er hat ihn seinen Anwälten diktiert.
Olfaktorischer Alarm im Botanischen Garten - der stinkende Titanenwurz (größte Blume der Welt, klaro haben wir die hier) steht kurz vor der Blüte. Checkpoint-Tipp: Steglitz in den nächsten Tagen weiträumig umriechen.
Aus der „Alten Försterei“ wird bis zum Jahr 2020 eine neue Försterei - ein Superstadion mit 37.000 Plätzen, davon viele „Steher“. Da muss sich die Alte Dame Hertha im Westend langsam mal was einfallen lassen.
Und hier noch die Auflösung der Frage von Emilia „Birdy“ Garavy (4) an Zoodirektor Andreas Knieriem: Ja, auch Vögel haben Popel. Wäre das also geklärt.
Unglaublich - wir kommen mit den neuen Nadeln für unsere Checkpoint-Weltkarte ja gar nicht mehr nach! Einen Zwischenstand können Sie sich hier schon mal anschauen, aber das wächst weiter, jetzt kommt (u.a.) auch das Nordkap noch drauf - CP-Leserin Margret Gurbiers schreibt: Wir sind glücklich zu lesen, dass es in unserem Dörfchen ist wie immer: Keiner weiß was, alle wollen was - ich liebe Berlin!“
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Wir haben die Lage jetzt wieder im Griff.“
Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann gibt sich sicher, den Absturz seines Unternehmens noch mal verhindert zu haben - auf Staatsbürgschaften, die er sowieso nicht bekommen hätte, will er jetzt verzichten.
Tweet des Tages
„Berlin. Eine Stadt klebt.“
Antwort d. Red.: (Heute ist es mit der Hitze aber erstmal vorbei.)
Stadtleben
Eis essen lohnt sich - bei diesem Wetter umso mehr. Die kühlen Kugeln sind mittlerweile ein Handwerk für sich, einfach Schoko oder Vanille war gestern – stückig und mit Stickstoff ist die Realität. Hier empfiehlt Susanne Leimstoll fünf Läden mit besonders ausgefallenen Eissorten.