Nachdem sich der dickste Qualm aus den Wäldern bei Potsdam verzogen hat (neben der Brandenburger und der Berliner Feuerwehr war auch die Bundeswehr mit Panzern im Löscheinsatz), verdichtet sich ein Verdacht: Brandstiftung könnte die Ursache der immer wieder aufflackernden Feuer sein. Dazu passt, dass einige Rettungsfahrzeuge von ausgelegten Nägeln behindert wurden (Q: „Berliner Zeitung“). Kurzer Blick ins 1. Pyromanische Gesetz: Wenn der Wahnsinn Feuer fängt, legt er auch welches – lernt man eigentlich schon in der Baumschule.
Nach SPD-Fraktionschef Raed Saleh experimentiert jetzt auch Michael Müller mit revolutionären Ideen, um dem Immobilienmarkt den Nachschub von Preistreibstoff abzuwürgen – laut „FAZ“ hegt der Regierende Bürgermeister Sympathien für den Vorstoß Neuseelands, den Kauf von Wohneigentum durch Ausländer einzuschränken, und Müller bestätigt: „Wir überlegen das auch.“ Es ist nicht der einzige Vorstoß des früheren Stadtentwicklungssenators und SPD-Chefs: Die Senatskanzlei arbeitet an einem Positionspapier, das im Vergleich zu den wohnungspolitischen Knallfröschen der Bundes-SPD wie ein Kanonenschlag wirkt – da bleibt kein Stein auf dem anderen.
Zuletzt hat die Lufthansa ja einige Stinkbomben über Berlin abgeworfen: Die chronisch unzuverlässige Konzerntochter Eurowings verwandelt Tegel-Terminal D seit der Airberlin-Pleite in ein Wartezimmer für Kassenpatienten, die wichtigste Hauptstadt Europas bietet dem Ex-Staatsbetrieb angeblich „keinen Markt für Langstreckenverbindungen“, und zum BER erklärt Doppelfunktionär Thorsten Dirks (Lufthansa-Vorstand und Frankfurt-München-Lobbyist): „Das Ding wird abgerissen.“ Jetzt ruft Berlins IHK-Chefin Beatrice Kramm den Verkehrsminister um Hilfe für mehr internationale Ziele: In einem Tagesspiegel-Beitrag schreibt sie, Scheuer solle ausländischen Anbietern den Zugang erleichtern. Doch der CSU-Mann wird die in München populäre Berlin-Blockade im Bayernwahljahr fortsetzen, schon aus Gründen der Tradition: Die letzten vier Verkehrsminister (Ramsauer, Dobrindt, Schmidt, Scheuer) kamen stets aus der CSU – und taten immer alles, um den einträglichen Himmel über München zu schützen.
Die Lufthansa will sich jetzt übrigens selbst ein Bild machen vom Abrisskandidaten BER: Am Mittwoch kommt der Vorstand zu Besuch. Hoffentlich funktioniert bis dahin die Entrauchungsanlage – dann könnte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup mal ordentlich Dampf ablassen.
Wir bleiben noch kurz am BER: Unterlagen und Korrespondenzen in siebenfacher Ausfertigung hatte der BER-Untersuchungsausschuss angefordert – stattdessen bekam er je ein Exemplar von fünf ohnehin öffentlich zugänglichen Geschäftsberichten. Die Begründung von Lütke Daldrup: Der mit dem Kopieren verbundene Arbeits- und Kostenaufwand sei „derzeit nicht zu leisten – unsere Priorität gilt der Fertigstellung des Flughafens“. Tja, wie ist das zu verstehen – der BER wird jetzt von Kopierassistenten zusammengeschraubt? Geschäftsführung und Bauleitung waren bisher mit Archivrecherchen beschäftigt? Oder ganz einfach: als Missachtung des Parlaments?
Um ganz andere Prioritäten geht‘s in Friedrichshain – dort terrorisieren seit Monaten Autonome mehrere Nachbarn, die nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung einem Verletzten halfen und die Polizei riefen. Das geht hier natürlich gar nicht, zumal der als Schläger verdächtige (Urteil im September) im teilbesetzten Haus Rigaer Straße 94 Türsteher der „Kadterschmiede“ ist. Die Helfer wurden als „Denunzianten“, „Schweine“ und „Kollaborateure“ beschimpft – und per Aushang zum Kiezgericht einbestellt: „Sie werden aufgefordert, am Donnerstag pünktlich um 21 Uhr in der Kadterschmiede vorzusprechen. Dabei soll Ihr Verhalten zur Sprache kommen und ein Weg gefunden werden, wie Sie den entstandenen Schaden eindämmen können. Der Termin kann nicht verschoben werden, da das weitere Verfahren möglichst schnell geklärt werden soll.“ Christine Kensche beschreibt in der „Welt“, „wie Autonome ihren Nachbarn das Leben zur Hölle machen“ – eine Art umgekehrter Gentrifizierung. Solidaritätsadressen der Lokalpolitik sind nicht überliefert.
Und hier eine neue Folge unserer Serie „Berlins marode Bildung“: In der Spandauer Eichenwald-Grundschule fiel dem Vize-Rektor ein Flurfenster auf den Kopf – es war erst vor einem Jahr eingebaut worden. Im Comic (siehe unten: Naomi Fearn zeichnet den Schulanfang) wäre das vielleicht lustig, im echten Leben wurde der Lehrer erheblich verletzt. Statt über Handyverbote sollten wir lieber über eine Helmpflicht an Schulen sprechen.
„Mangelnde Unterstützung“ hatte die Spreewaldschule-Leiterin Doris Unzeitig der Politik vorgeworfen und gekündigt (CP v. 20.8.) – jetzt keilt die Senatsverwaltung zurück: „Eine Schulleiterin, die sich jeglicher Unterstützung verschließt, ist insbesondere an einer Brennpunktschule nicht tragbar“ – sie wurde ab sofort freigestellt, obwohl der Auflösungsvertrag auf den 9. September datiert. Unzeitig will das nicht hinnehmen. Gut möglich also, dass sie heute auf ihre Nachfolgerin trifft - auch hier könnten Helme nötig sein.
Aber nicht nur die Schöneberger Spreewald-Problemschule verliert ihre Leiterin – auch an der Vorzeige-Grundschule am Koppenplatz hat die Rektorin gekündigt. Warum, darf sie nicht sagen, das wurde ihr „von Amtsseite mitgeteilt“. Aber auch hier ist zu hören: „Mangelnde Unterstützung“ war der Grund. Das scheint in Berlin also Schule zu machen – personell und materiell.
Berliner Schnuppen

Telegramm
Die S-Bahn bläst ihr Atonal-Festival zur Vertreibung Obdachloser aus dem Bahnhof Hermannstraße ab – jetzt wollen sie es dort mit „Naturgeräuschen“ versuchen (Q: Berliner Zeitung). Vielleicht lassen Sie zur Abschreckung ja mal die Fahrdienstleiter unser Betriebsstörungsbingo aufs Band pupsen.
Auch bei Hertha gibt’s dicke Luft um die richtige Musik: Zum Saisonauftakt gegen Nürnberg (1:0) ließ die Marketingabteilung beim Einzug der Spieler erstmals „Dickes B.“ von Seeed spielen - Frank Zander musste seine „Nur nach Hause“-Hymne fünf Minuten früher singen. Ergebnis: Unmutsbekundungen aus der Ostkurve - ist ja auch echt ein dickes Ding, sowieso, ohoho, ohoho.
Laut Personenbeförderungsgesetz müssen Ende 2022 alle Stationen im Nahverkehr barrierefrei sein – ist in Berlin natürlich nicht zu schaffen, wie Klaus Kurpjuweit in seiner Übersicht „Die Mühen der Ebene“ schreibt. Für den Aufzug im S-Bahnhof Yorckstraße z.B. (beim Umsteigen 100 Stufen) wird als Fertigstellungstermin sogar das Jahr 2036 genannt – „frühestens“. Wenn Bahnchef Richard Lutz Glück hat, ist das Ding also zu seinem 75. Geburtstag fertig.
Sechs Stunden lang zogen Michael Müller und Katrin Lompscher durch die Stadt, um sich Wohnungen anzuschauen – rein beruflich, versteht sich. Vor einem Haus in der Bleichenroder Straße (Pankow) wartete die Junge Union mit einem Plakat auf den Regierenden BM und die Bausenatorin: „Wenn die JU auf die Straße geht, ist echt was schiefgelaufen“, stand drauf – vielleicht war im CDU-Nachwuchshauptquartier ja der Strom ausgefallen.
14.019,75 Euro kostete die Entfernung der Farb-Sonne am Großen Stern im Juni, aber Greenpeace wartet noch immer auf die Rechnung der BSR, die BSR wartet noch immer auf eine förmliche Verursacher-Mitteilung der Polizei, die Polizei wartet noch immer auf eine Erlaubnis der Staatsanwaltschaft, Auskünfte an Dritte weiterzugeben, die Staatsanwaltschaft wartet – ach ne, dieermittelt. Und ermittelt. Und ermittelt… (psst, kleiner Insidertipp: Greenpeace war’s).
Gespräch im Stue (Drakestraße) mit Frank Schätzing, der für sein KI-Buch „Die Tyrannei des Schmetterlings“ im Silicon Valley recherchierte – er schlägt ein Schulfach „Webethik“ vor: „Da müssen die Kids lernen, eine kritische Haltung gegenüber dem Selbstoptimierungswahn und der Verengung der Weltbilder einzunehmen.“ Wenn das mal nicht schon zu spät ist.
Das Kino am Treptower Park war ein echter Geheimtipp: Gut zu erreichen und trotz Blockbustern kaum Nacho-Geraschel – es war eben meistens leer, und deswegen wird es jetzt abgerissen, wie Baustadtrat Rainer Hölmer mitteilt. Die Anfrage stellte übrigens passender Weise der CDU-Verordnete Dustin Hoffmann.
Die Polizeibilanz vom „Zug der Liebe“: 48 Straftaten, darunter drei sexuelle Belästigungen, ein Oberschenkelmesserstich, angegriffene Rettungskräfte, Flaschenwürfe auf Polizisten, mit Böllern beschossene Häuser, 11 Festnahmen. War wohl eher eine Sado-Maso-Veranstaltung.
CDU-Generalsekretär Stefan Evers soll jetzt auch 1. Parlamentarischer Geschäftsführer werden, meldet die „B.Z.“ – bisher hat den Job Heiko Melzer. Bedeutsam ist die Personalie auch mit Blick auf die Europawahl: Evers hatte eine Kandidatur erwogen (Generalsekretär ist ein Ehrenamt) – das dürfte sich damit erledigt haben.
„Es gibt zwei Orte in Deutschland, wo man sich wie in einem Drittweltland fühlen kann“, schreibt Benedict Neff in der NZZ: „in Berlin und in den Zügen der Deutschen Bahn.“ Tja, und es gibt einen Ort in Europa, wo sogar der Käse Löcher hat.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Mir fehlt die Zeit, um auf die Suche nach Dealern zu gehen.“
Umfragekönig Klaus Lederer spricht im Tagesspiegel-Interview über Freud und Leid des Politikerlebens - und warum Regierender Bürgermeister zu werden nicht sein Traum ist.
Tweet des Tages
„Ein Lob an die Berliner Verwaltung: herrenlosen Sperrmüll per App an das Ordnungsamt gemeldet. 2 Benachrichtigungen über den Fortgang erhalten. 4 Tage später ist der Müll beseitigt. So soll es sein!“
Tweet des Tages
„Was ist nun mit Berlin los? 13:09 Uhr: Termin beim Bürgeramt um 14.48 Uhr für neuen Personalausweis gebucht. 15:01 Uhr: rangekommen. 15:04 Uhr: ‚Ihr Pass läuft auch bald ab. Wolln wa dit gleich mit erledigen?‘ 15:28 Uhr: fertig. Da kiekste, Lorenz Maroldt.“
Stadtleben
Kreuzkümmel, Koriander und Vanille. Diese etwas unkonventionelle Gewürzkombination peppt die Rote-Linsen-Suppe in der Löffelei zu einem „ausgezeichneten, vollmundigen, nicht zu schweren Mittagessen“, findet Foodblogger Georg Weber von satt&froh. In der Potsdamer Straße 73 werden alle Suppen ohne künstliche Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker zubereitet. Stattdessen kommt ein pflanzliches Suppengewürz nach eigenem Rezept zum Einsatz. Seit Neustem ergänzt das Menü à la Carte, auf dem ordentliche Pastavarationen zu finden sind, die Wochenkarte. Für heute hat diese Rindergulasch, Linseneintopf und Käse-Lauch-Suppe zu bieten. Aber auch zu Kaffee und Kuchen, oder einer erfrischenden Bionade ist die sympathische, farbenfroh dekorierte Kantine einen Besuch wert. U-Bhf Kurfürstenstraße, Mo-Fr 11.30-20 Uhr
Der menschliche Geruchssinn ist stark mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft. So kann es blumiger Duft sein, der einen an einen heißen Sommertag im Park erinnert, oder schweres Odeur von Rauch und Alkohol, der an durchzechte Berliner Feiernächte zurückdenken lässt. Eine Essenz dieser Berlin-Erinnerungen hat Philip Birkholz in Duftflakons botteliert. In der Birkholz Perfumebar in der Charlottenburger Knesebeckstraße 55 verkauft er mit seinem Vater Nasyr und seinem Bruder Sven Birkholz die „Berlin Collection“ (189 Euro pro Flasche). Wer seinen eigenen Duft kreieren möchte, kann mithilfe eines Parfum-Sommeliers eine Komposition aus der facettenreichen Düfte-Bar auswählen und zusammenmixen. Mo-Sa 10-19 Uhr