Sonne-Wolken-Mix bei um 24°C

Wie die Verkehrswende Gentrifizierung befördert Immer mehr Solarzellen auf Berlins Dächern – Wartezeit steigt auf drei Monate „Eines der drängendsten Probleme“: So legen Kleine Anfragen die Berliner Verwaltung lahm

heute sendet uns CP-Leser Wolfgang Nestler Grüße vom Kreuzfahrtschiff und schreibt uns, dass er gerade unterwegs in den norwegischen Fjorden ist, um genauer zu sein in Geiranger.

Foto Wolfgang Nestler (Fjord Geiranger)

Beach, Berge oder Balkonien – nehmen Sie uns mit! An dieser Stelle zeigen wir während der Sommerferien, wo Sie gerade den Checkpoint lesen. Schicken Sie uns ein Foto mit einem Satz zum Urlaubsort an checkpoint.tagesspiegel.de

Grüne Dächer, Radwege bis an den Horizont, Poller, Parkgebühren, City-Maut und natürlich Parks statt Parkplätze: Etwa so stellen sich viele Stadtentwickler die Stadt der Zukunft vor. Im Kreuzberger Wrangelkiez soll der lokal umsetzbare Teil davon – Kiezblocks und das Verbot von Parkplätzen – nun einfach mal ausprobiert werden. „Eine falsch verstandene Verkehrswende nur in der Innenstadt darf nicht zu mehr Gentrifizierung führen“, warnt dagegen SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Insbesondere mit Bezug auf eine City-Maut und höhere Parkgebühren sagt er: „Ich bin kein Freund davon, Menschen so sehr zu belasten, dass sie daran kaputtgehen.“ In der Innenstadt würden gerade Familien getroffen, die ihr Auto noch brauchen. Ex-Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) erklärt: „Die SPD macht wieder Drama.

Aufwertung führt zu Gentrifizierung – das ist erstmal keine besonders abgefahrene These. Auch die verkehrswendefreundliche Alternative zum ADAC, der VCD, hat einmal in einem Papier festgehalten, dass durch Verkehrsberuhigung „ausgerechnet die Menschen, denen die Aufwertung zu Gute kommen soll, von wohlhabenderer Klientel verdrängt werden“. Widerspruch für Saleh gibt’s von den Grünen: „Durchrasende Autos als Schutzschild gegen steigende Mieten ist kein Konzept für uns Grüne“, sagt die Fraktionsvorsitzende Silke Gebel. Sanfte Unterstützung kommt dagegen von der Linkspartei: City-Maut und Parkgebühren wie in Stockholm seien ein „Verdrängungsprogramm aus der Innenstadt“, sagte der linke Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. Wenn Autos stoppen, stattdessen aber Gentrifizierungswellen durch den Kiez rollen, ist damit vor allem einigen Privilegierten geholfen. Für jeden Poller zehn Sozialwohnungen – diese Forderung passt sogar auf ein Demo-Plakat.

Achtung, Sonnenwende! Auch auf Berlins Dächern vollzieht sich rasanter Wandel: 2021 wurden beim Netzbetreiber Stromnetz Berlin fast 3000 neue dezentrale Anlagen beantragt – mehr als doppelt so viele wie noch 2020. Im ersten Halbjahr 2022 gab es einen „weiteren massiven Anstieg um bis zu 170 Prozent im Vergleich zu den Vorjahresmonaten“, schreibt eine Sprecherin des Berliner Stromnetzbetriebs auf Checkpoint-Anfrage. Die Folge der sonnigen Entwicklung: Wer eine neue Anlage anmelden will, muss mit inzwischen drei Monaten Wartezeit rechnen. Das wird Kunden an der Telefon-Hotline des Betreibers mitgeteilt. „Wir unternehmen alles, haben zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen“, schreibt die Sprecherin. Einen Tipp hat sie allerdings auch für potenzielle Sonnenanb(i)eter: Das Energierecht schreibt vor, dass eine Photovoltaik-Anlage acht Wochen vor der Einrichtung angemeldet werden muss. „Leider verzeichnen wir in einer Vielzahl von Fällen, dass diese Frist nicht eingehalten wird.“ Viele melden sich erst am Tag der Installation. Wer sich jetzt kümmert, kann dann übrigens – Mathe mit dem Checkpoint! – rund um den 1. November loslegen. Sonnenuntergang: 16.35 Uhr.

Russischer Panzerschrott in Berlin? Enno Lenze und Wieland Giebel vom „Berlin Story Bunker“ wollen ihn als Mahnmal für den Krieg vor der russischen Botschaft aufstellen (CP 21.07.). Nach der Meldung im Checkpoint, dass sich niemand im Bezirk Mitte dafür zuständig fühlte, fühlte man sich plötzlich am gleichen Tag doch noch zuständig. Nach Checkpoint-Informationen soll nun in der nächsten Sitzung des Bezirksamts über den Fall gesprochen werden. Der Bezirk will sich aber unbedingt mit der Senatskanzlei abstimmen. Es seien auch „Aspekte der Sicherheit“ zu berücksichtigen, heißt es. Anders als in Prag (wo es eine ähnliche Ausstellung schon gibt) hätten Giebel und Lenze nicht irgendeinen Ort als Ausstellungsort beantragt, sondern ausgerechnet den Platz vor der russischen Botschaft. Wieland Giebel sagte dem Checkpoint: „Ich appelliere an die Bezirksstadträtin und die Senatskanzlei, eine klare Position zu diesem verbrecherischen Krieg zu beziehen und die Aktion innerhalb dieser Woche zu befürworten.“

Telegramm

Das sind die aktuellen Meldungen vom russischen Krieg gegen den Westen:

+++ Nach massiven Gebietsverlusten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Befehlshaber der Streitkräfte in der Ostukraine ausgewechselt.

+++ Vertreter von EU-Staaten haben sich offenbar auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums um 15 Prozent verständigt.  

+++ Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ist nach Moskau gereist: „Ich mache hier ein paar Tage Urlaub. Moskau ist eine schöne Stadt“, sagt er einem Reporter des Senders n-tv.

Die neuesten Nachrichten zum russischen Angriffskrieg lesen Sie wie immer in unserem Newsblog.

Der Wald brennt: Bei Falkenberg im Elbe-Elster-Kreis standen seit gestern Abend rund 800 Hektar Wald in Flammen. Mehr als 600 Menschen wurden aus mehreren Ortsteilen der Stadt Falkenberg evakuiert. Eine Schweinmastanlage stand in Flammen. Die Schweine verbrannten. Starke Winde machten den Band kaum kontrollierbar. Das neue Normal.

Fachkräftemangel ist also auch bei der Feuerwehr absehbar – und in Berlin schon jetzt Alltag: allerdings vor allem im Rettungsdienst, der im Dauerausnahmezustand arbeitet. Nun soll deshalb nicht mehr jeder 112-Anrufer einen Rettungswagen kriegen. Bei allergischen Reaktionen ohne Atem- oder Schluckbeschwerden (Mückenstichen), bei Spinnenbissen, geringfügigen Verbrennungen, Augenverletzungen oder Problemen mit Kontaktlinsen sowie schwachen Blutungen (ohne Vorerkrankungen) soll künftig die Kassenärztliche Vereinigung einspringen. Nein, die Beispiele sind kein Spaß.

Gudrun Gut und Bettina Köster (aka Malaria!) wussten es schon 1983: Kaltes, klares Wasser ist der Hit. Damals sicher Avantgarde, heute stimmt auch die IHK Berlin zu: „Wir müssten eigentlich die Schwimmbäder schließen und den Leuten sagen: Ihr müsst jetzt in den See springen, um Gas zu sparen“, sagte Hauptgeschäftsführer Jan Eder gestern dem „rbb“. Der Vorschlag wurde von allen Parteien zurückgewiesen. Im Winter frieren wir dann lieber. Brrr.

Vorsicht, Rechtsträger: Der CSD erinnert an die Stonewall-Aufstände von Schwulen und Lesben gegen Polizeiwillkür. Inzwischen ist die Parade zu so einer großen Partydemonstration geworden, dass die Wagen eigene Sicherheitsmitarbeiter brauchen. Mehrere Männer trugen am vergangenen Wochenende Neonazi-Tattoos und szenetypische Kleidung. Die CSD-Leitung erklärt: „Wir sind entsetzt über den Einsatz von Security-Mitarbeitern mit rechtsnationalen Tattoos durch zwei Wagenbetreiber:innen bei der diesjährigen Demonstration.“ Diese sollen zuvor Hinweise ignoriert haben.

Behördle #12

Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja will den Wahrzeichen der Hauptstadt zum Energiesparen nachts das Licht abdrehen. Dem Wunsch kommt der Senat womöglich nach. Die Einsparpotentiale werden von der Senatsumweltverwaltung „derzeit diskutiert und geprüft“. Wir wollen wissen: Sind Sie für eine Abschaltung der Nacht-Beleuchtung von Berlins Wahrzeichen, um Energie zu sparen? Nehmen Sie jetzt an unserer Umfrage teil. Als Dankeschön schenken wir Ihnen Tagesspiegel Plus 6 Wochen gratis. Als Tagesspiegel-Plus-Kunden erhalten Sie exklusiven Zugriff auf alle Bezahl-Inhalte von Tagesspiegel.de und in der App sowie den Checkpoint in der Vollversion.

Zitat

„Zum Muttertag hatte er ein Geschenk vergessen. In seiner Not nahm er einen riesigen Speckstein, schliff ihn glatt, bohrte ein Loch rein, fädelte eine Schnur durch. Untragbar, weil zu schwer, aber von Herzen.“

Joshua Baganz wurde tot in einer Laubenkolonie gefunden. Fremdverschulden ausgeschlossen. Karl Gruenberg mit einem bewegenden Nachruf auf den Jungen.

 

Tweet des Tages

Wer auf Marmor, Stein und Eisen bricht, hat es auch schnell weggewischt.

@peterbreuer

Stadtleben

Essen – Mit seinen knallroten Wänden, schwarz-weiß gestreiften Zebrateppichen, leuchtenden Neonschriftzügen und allerhand albernem Klimbim wie einer Gepardenstatue auf dem Marmortresen der Bar wirkt das Coccodrillo jetzt nicht unbedingt wie ein Restaurant, in dem das Essen eine Hauptrolle spielen würde. Tut es auch nicht. In dem schrillen Italiener der französischen Big Mamma Gruppe schmeckt es aber überraschend gut. Die neapolitanische Pizza kann mit den wirklich guten der Stadt mithalten, die Trüffelpasta ist eine Freude, auch weil die Nudeln hausgemacht sind. Erlebniswert haben die Desserts. Vor allem der Eischnee in Vanillesauce mit Popcorn und Karamellsauce. Unschlagbar schön ist die Terrasse mit weitläufigem Blick Richtung Weinbergspark und Sonnenuntergang. Mo-Do 11.45-14.45 Uhr und 17.30-0 Uhr, Fr zusätzlich bis 1 Uhr, Sa/So 11.45-0 Uhr, Veteranenstraße 9, Mitte, U-Bhf Rosenthaler Platz

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – Lothar Böhme (84), Maler / Sawsan Chebli (44), Politikerin (SPD), ehem. Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales / „Liebe Cornelia, ich dachte, ich hätte erst gestern zum Geburtstag gratuliert. Entweder, mein gesundheitliches Problem oder die Zeit rennt und ich habe dich dauerhaft im Kopf. Alles Gute Achim M.“ / „Unsere Enkeltochter Frieda Lena, weltbeste große Schwester der Berliner Meute, wird heute neun Jahre alt. Es gratulieren von ganzem Herzen Oma Marion und Opa Turt“ /„Lisa Gerloff - allerbeste födelsedagshälsningar und Umarmung aus Schweden! Sabine & Jürgen“/ Maximilian Hecker (45), Musiker / Cornelia Seibeld (48), für die CDU im AGH / nachträglich: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Papa/Little! Wir wünschen Dir Gesundheit, Glück, Zufriedenheit & viele Feiern auf der neuen Terrasse & selbstverständlich immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel! Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im September in Griechenland!“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

GestorbenJoachim Barz, * 19. Februar 1941 / Thomas Lindow, * 13. August 1971 /Prof. Dr. med. Jean-Pierre Malin, * 10. April 1942 / Ulrich Niemsch, * 14. Juni 1948 / Petra Schmidt, * 4. Oktober 1952

StolpersteinGittel Kaufmann wurde heute vor 80 Jahren, am 26. Juli 1942, in Berlin geboren. Sie lebte mit ihrer Familie in Friedrichshain, von wo sie die Nationalsozialisten am 26. Oktober 1942 im Alter von drei Monaten über Moabit nach Riga deportierten. Sie wurde drei Tage später ermordet, noch im Säuglingsalter. An der Boxhagener Straße 50 in Friedrichshain erinnert seit 2017 ein Stolperstein an Gittel Kaufmann.

Encore

An dieser Stelle gibt’s in den Sommerferien jeden Tag einen Neun-Euro-Ticket-Tipp für Kurzentschlossene. Alles, was Sie tun müssen, ist: den Checkpoint lesen, um 9 Uhr am Hauptbahnhof stehen und losfahren. Heute zum Beispiel geht es nach W... Und zum Probe-Abo hier entlang.

Co-Autor dieses Checkpoints war Thomas Lippold. Sarah Borufka hat für Sie die besten Berlin-Tipps gesammelt, Kathrin Maurer ist extra früh aufgestanden. Morgen begrüßt Sie hier wieder Daniel Böldt. Bis bald,

Ihr Julius Betschka

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