Zwischen Luxussanierung und Mietendeckel, rücksichtsloser Renditegier und Vergesellschaftungslust ist die Stimmung zwischen Eigentümern und Mietern immer mehr eskaliert. Dass es auch harmonische Verhältnisse unter zufriedenen Bewohnern und verantwortungsvollen Vermietern gibt, ging dabei völlig unter. Ein Musterbeispiel dafür ist die „Gartenstadt Atlantic“ am Gesundbrunnen, erbaut vor 100 Jahren vom Verleger Karl Wolffsohn, 1938 von den Nazis enteignet. Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Michael und Rita Wolffsohn das heruntergekommene Gebäudeensemble (49 Häuser, 500 Wohnungen, 25 Gewerbeeinheiten, 1 Kino) geerbt und mit Hilfe hoher Kredite saniert. Das Besondere: Mehr als anderthalb Jahrzehnte lang verzichteten die Wolffsohns auf jede Rendite, hielten die Mieten niedrig und achteten auf eine bunt gemischte Gemeinschaft – die Gartenstadt ist ein interkulturelles Integrationsprojekt, Gentrifizierung gehört hier nicht zum Wortschatz.
Klar, dass ein Paket wie die „Atlantic“ heute Großinvestoren anlockt wie eine Riesenportion Frutti di Mare den Hai. „Mit viel Potenzial“ werden solche Leckerbissen im Zentrum der Stadt in Verkaufsunterlagen oft angepriesen, denn viel Potenzial bedeutet: Da lässt sich noch ordentlich was herausquetschen, entweder aus diesen Mietern oder aus neuen, wenn die alten vergrault sind – und ein paar Jahre später wird mit hohem Gewinn weiterverkauft.
Aber nicht mit Michael Wolffsohn: Alle Anfragen ließ der Historiker ins Leere laufen.