Guten Morgen, am Schlosskuppel-Kreuz ist nicht mehr zu wackeln - schon gar nicht vom Senat. Bereits 2008, als SPD und Linke regierten, hatte die Jury unter Beteiligung von Staatssekretär André Schmitz und Baudirektorin Regula Lüscher den Stella-Entwurf mit Kreuz auf der Kuppel gekürt - und im Oktober 2013 erteilte die Stadtentwicklungsverwaltung unter Leitung von Senator Michael Müller den 1. Nachtrag zur Baugenehmigung für eine „Vollrekonstruktion der historischen Außenkuppel einschließlich Laterne und Kreuz“ (Lüscher). Dazu der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto, der sich dies gerade bestätigen ließ: „Die Koalition muss Verlässlichkeit demonstrieren und darf genehmigte Bauten nicht infrage stellen. Wir wollen ja gerade weg vom politischen Baurecht.“
Zu den weiteren Meldungen von heute: „Ist es zutreffend, dass eine Dienst- und/oder Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg, Frau Herrmann, eingereicht worden ist/sind“, fragt CDU-MdA Burkard Dregger – die erwartbare Antwort von Senatskanzleichef Björn Böhning: „Zu laufenden Verfahren und Einzelpersonalangelegenheiten kann keine Antwort gegeben werden.“ Aber auf die Antwort kam es der CDU gar nicht an: Sie kennt natürlich die doppelte Beschwerde vom 30.3.17 – es ging darum, dass der interne Vorgang auf diese Weise aus den Tiefen der Verwaltung ans Licht kommt. Aber so, wie manche Leute mit den falschen Drogen handeln, handeln manche Abgeordnete mit falschen Beschwerden – nicht nur gestreckt, sondern substanzlos. Der Vorwurf in diesem Fall: Die Bürgermeisterin ist „mit der Drogen- und Sozialpolitik völlig überfordert“ und „hierdurch ein Sicherheitsrisiko für die Bürger“. Ok, ein politischer Meinungsbeitrag ...
... aber der vermeintliche Beleg ist zusammengebastelt wie ein feuchter Joint aus Esspapier: Es geht um „erhebliche Unregelmäßigkeiten bei der Methadonvergabe“, die mittelbar „zu großen Problemen an der U-Bahnstation Gneisenaustraße“ führen, sowie ganz allgemein um die „Situation am Görlitzer Park und am Cottbusser Tor“ (sic!). Als Beweismittel werden „Schlagzeilen“ angeführt, denen zufolge wechselweise die Polizei oder der Senat den Kampf gegen den Drogenhandel aufgegeben haben – auch der Tagesspiegel ist dabei mit dem Satz „Dealer haben es in Kreuzberg jetzt richtig nett“. Klarer Fall – da ist es doch „offensichtlich“, dass „Monika Herrmann (…) gegen §13 des BtMG sowie gegen §5 Abs.2 der BtMVV in Verbindung mit §5 Abs. 11 der BtMVV“ verstoßen hat. Prost! Und so gingen die Beschwerden raus an die Senatskanzlei ...
... die zu alledem schweigt. Na, dann überbrücken wir doch die Wartezeit auf das Ergebnis einer Prüfung dienstaufsichtsrechtlicher Maßnahmen im Fall Herrmann mit einer neuen Frage an die Senatskanzlei: Ist es zutreffend, dass der frühere Innensenator Frank Henkel(CDU) mit seinem Anti-Drogen-Konzept „Null Toleranz“ in Kreuzberg krachend gescheitertist?
Um Schlagzeilen und ihre Folgen geht es auch in der folgenden Meldung: Das Verfahren gegen den „U-Bahntreter“ wurde gestern kurz nach Beginn unterbrochen - die Verteidigung hält eine Schöffin für befangen. Der angeführte Beleg hier: Leserbriefe der Frau an den Tagesspiegel. U.a. schrieb sie 2010 und 2011 über „minderjährige migrationshintergründige Kriminelle“ und unter Bezug auf einen Streit des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu mit einem muslimischen Verkäufer an einer Currywurstbude über den Verzehr von Schweinefleisch während des Ramadan: „Religion hin, Integration her: So etwas nenne ich den gespielten Türkenwitz.“ Ha, ha. Jetzt wird statt über den Angeklagten also erstmal über den Geschmack der Schöffin gestritten.
Geheimniskrämerei um den dubiosen Tetrapak-Deal: Der Senat hatte das leerstehende Gelände in Heiligensee als Flüchtlingsunterkunft gemietet, aber nicht gebraucht – der Vertrag läuft weiter, monatliche Kosten: 158.576,56 Euro. CDU-MdA Stephan Schmidt wollte jetzt in der Sozialverwaltung die Unterlagen einsehen, nach vier Wochen bekam er einen Termin - aber 30 Minuten vorher ließ Staatssekretär Daniel Tietze absagen, Begründung: „Die Abteilung hat Abteilungstag“. Kann man ja schon mal vergessen. Gestern, wieder vier Wochen später, platzte noch kurzfristiger der zweite Termin – originelle Begründung diesmal:Der Mitarbeiter mit dem Schlüssel für den Datenraum war verschwunden. Wir freuen uns schon auf den dritten Versuch.
„Mehr Spaß“ und „Mehr Vielfalt“ versprach Degewo-Chef Christoph Beck in seiner Einladung „zum größten Berliner Mieterfest“ heute auf dem IGA-Gelände einem Kooperationspartner (nein, nicht der Tagesspiegel und auch nicht der Checkpoint). „Für Sie als besonderen Gast steht auf dem Parkplatz ein Stellplatz zu Verfügung“, hieß es weiter, und: „Wir freuen uns auf einen schönen und geselligen Abend mit Ihnen.“ Die Freude war beiderseitig, der Kooperationspartner sagte umgehend zu. Das war vor genau vier Wochen. Vor drei Tagen kam wieder Post vom größten Berliner Wohnungsunternehmen beim Kooperationspartner an - diesmal hieß es, „dass uns die hohe Nachfrage im wahrsten Sinne des Wortes schlichtweg sprachlos gemacht hat“, und: „Alle Karten sind nun vergeben. Wir hoffen auf Ihr Verständnis, dass Sie zu denjenigen gehören, deren Kartenwunsch leider unerfüllt bleiben muss und freuen uns, Sie wieder im nächsten Jahr begrüßen zu dürfen.“ Tja, es wird eben eng auf dem Berliner Wohnungsmarkt.
Vor der Gedenkveranstaltung in Neukölln für den bei einem Unfall getöteten Radfahrer meldete sich gestern per Mail die Botschaft von Saudi-Arabien (der Fahrer eines im Parkverbot stehenden Wagens mit Diplomatenkennzeichen hatte den Radfahrer beim Öffnen seiner Tür umgestoßen): „Im Namen der saudischen Botschaft möchten wir den Angehörigen des Verstorbenen unser tief empfundenes Beileid aussprechen.“ Gegen den Fahrer wird es wegen seiner diplomatischen Immunität kein Verfahren geben.
Telegramm
Nicht vergessen: Der Journalist Deniz Yücel sitzt heute seit 123 Tagen in türkischer Haft, weil er seinen Job gemacht hat - unter Erdogan gilt in dem Land, das immer noch EU-Beitrittskandidat ist, professionelle Recherche als Spionage.
Wegen des großen Erfolgs wird das Schauspiel der Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel noch einmal aufgeführt - Intendantin Sabine Weißler, die selbst die Rolle der Stadträtin spielt, muss allerdings das Ensemble umbesetzen: Ihre „Geheimjury“ wurde aufgelöst, jetzt sollen Wissenschaftler ran. Mit ein bisschen Glück verschleppen sie das Verfahren bis zum 5. Dezember 2018 - das ist der 5. Todestag von Nelson Mandela. Danach können von mir aus alle drei umstrittenen Straßen nach dem südafrikanischen Freiheitskämpfer benannt werden (aber nur, wenn er bis dahin zur Frau erklärt wird).
„Die ersten Fotos unserer beiden China-Kracher“ zeigt heute die „B.Z.“ - es geht um Meng Meng (nicht verwandt mit einem früheren Senatssprecher gleichen Namens) und Jiao Quing. Ende Juni sollen die beiden Neuberliner ihre Luxus-Immobilie mit Garten (insg. 5480 Quadratmeter, Kosten 9 Mio) im Zoo beziehen.
Nachdem die Kirchentagsbesucher dem Rasen vor dem Reichstag den Rest gegeben haben haben, soll nach der Neubepflanzung jetzt ein Zaun das Volk auf Abstand halten. Typischerweise werden aber auch hier mal wieder die kleinen Leute benachteiligt: Die Gitter sind gerade mal 30 cm hoch - wer auf großem Fuß lebt, steigt leicht drüber.
Das vom Grauflächenamt Mitte angekündigte Baumscheibenmassaker (CP von gestern) bringt die engagierten Bürgergärtner des Bezirks auf die Palme. Wir haben begonnen, Fotos der kleinen Gärtchen zu sammeln, für eine Galerie auf tagesspiegel.de - wenn Sie auch welche sehen: Bitte per Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.
Nach der Meldung über die katastrophale Bearbeitungszeit der Elterngeldanträge in Charlottenburg-Wilmersdorf (z.Zt. 4 Monate) heute mal in gleicher Sache was für die Rubrik „Amt, aber glücklich“ - Maike Rocker schreibt: „In Tempelhof-Schöneberg werden Elterngeldanträge superflott bearbeitet. Bei mir war die Auszahlung der ersten Rate pünktlich.“ Man sollte eben die gute Hoffnung nie aufgeben - schon gar nicht in Berlin.
So, was noch … ach ja, die Nadel des Tages auf der Checkpoint-Weltkarte steckt heute in St. Andrews, Schottland - Hans Jürgen Fink schreibt: „Hier, an der ältesten britischen Universität, suchen internationale Fontane-Experten gerade den besonderen Ton im Werk des märkischen Meisters.“ Dazu der Soundtrack von „Keimzeit“: „Kling Klang, du und ich, die Straßen entlang.“
Heute geht’s los mit unserem Fortsetzungsroman „Und erlöse uns von allen Üblen“, verfasst von Michael Jürgs. In 100 Folgen erzählt der Bestsellerautor täglich auf tagesspiegel.de (hier die Themenseite) seinen Politkrimi, der mit dem Mord an einem rechtspopulistischen Politiker beginnt und erst am Tag vor der Bundestagswahl endet. Im Video verspricht Jürgs: „Ich garantiere - bis dahin werden Sie nicht wissen, wer es war.“ Und ich verspreche: Ich werde es nicht verraten. Kai Portmann beschreibt hier zur Einstimmung noch mal die große Tradition des Fortsetzungsromans - sie reicht zurück ins 19. Jahrhundert.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Wenn es mit dem Lärm rund um Tegel nicht so schlimm ist, wie Sie sagen: Würden Sie in eine Wohnung am Kurt-Schumacher-Platz ziehen?“
„Reinickendorf ist ein toller Bezirk. Warum nicht.“
FDP-Chef Sebastian Czaja auf eine Frage von Reporter Gerhard Lehrke (Q: "Berliner Zeitung"/"Kurier").
Tweet des Tages
„Flug aus New York landet in Berlin. Eltern (in Schwarz-Rot-Gold) am Gate zum zurückgekehrten Sohn: 'Jetz bisste endlich wieda im Osten!'“
Stadtleben
Essen in Kreuzberg: Der neue Pächter hat das Café aus dem Namen gestrichen, diesüddeutsche Hausmannskost im Obermaier aber ist gewohnt gut, sogar „mit einer kräftigen Prise moderner kulinarischer Intelligenz“ verfeinert, berichtet Elisabeth Binder von ihrem Ausflug in den zweiten Hinterhof am Erkelenzdamm 17 (U-Bhf Kottbusser Tor). DerKrustenbraten in Schwarzbiersauce (14,80 Euro) kann Heimwehkranke Bayern - zumindest kulinarisch - mit Berlin versöhnen, warum der Kaiserschmarrn (4 Euro) allerdings in akkuraten Quadraten daherkommt, blieb ein Geheimnis (wir vermuten, dass der Koch einen preußische Akzent setzen wollte). Tgl. außer montags ab 17 Uhr
Kaffeetrinken in prominenter Gesellschaft ist in Mitte im Allgemeinen kein Problem. Die Personen, mit denen man es im Café Doro zu tun hat, schweigen sich allerdings aus, denn das Café befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Sabine Maaß hat kürzlich neben der Kapelle eine kleine Kaffee- und Kuchenoase eröffnet, inklusive einer feinen Bibliothek mit den Büchern der Dichter und Denker, die hier begraben liegen (u.a. Bertolt Brecht, Hegel, Christa Wolf). Chausseestraße 126 (U-Bhf Oranienburger Tor), geöffnet Fr-So ab 13 Uhr