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Erster Bezirk stellt Kontaktnachverfolgung in Schulen komplett einBerlin will PCR-Tests nur noch für symptomatische PersonenSchon 26 Automatensprengungen: Zwei Panzerknackerbanden machen die Stadt unsicher

aus dem Hundert-Morgen-Wald! Wir feiern heute den Winnie-Puuh-Tag und gedenken des Schriftstellers A. A. Milne. Er dachte sich den gutmütigen Bären Mitte der Zwanziger Jahre für seinen Sohn Christopher Robin aus. „Wenn Sie jemanden sehen, der seine schweren Stiefel anzieht, können Sie ziemlich sicher sein, dass ein Abenteuer passieren wird“, weiß der gar nicht so schreckliche Bär. Also, Botten an! Stürzen wir uns zusammen in das tägliche Wagnis, das sich Berlin nennt.

Vor allem der Schulbesuch ist zurzeit ja ein solches Wagnis. Die Inzidenz liegt unter Schülern mit 1800 doppelt so hoch wie im Rest der Stadt. In Spandau stellt das Gesundheitsamt jetzt die Kontaktnachverfolgung ein, wie die stellvertretende Amtsärztin den Leitungen der Schulen am Montag mitteilte. Das Schreiben liegt dem Checkpoint vor. Kontaktpersonen von infizierten Schülern werden nicht mehr nach Hause geschickt, Kontaktlisten nicht mehr erstellt. Stattdessen sollen nur noch „best friends“, wie es in dem Schreiben heißt, und direkte Sitznachbarn täglich schnellgetestet werden. Allein die Beste-Freunde-Definition dürfte Freundschaften zerbrechen lassen. Der Brief endet dann mit einem freundlichen Hinweis: „Trotz dessen, dass keine Kontaktverfolgung mehr stattfindet, stehen ihnen die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Spandau für Fragen gern zur Verfügung.“ Die Linkspartei möchte nun eine Abschaffung der Präsenzpflicht bei der heutigen Senatssitzung diskutieren – die Bildungsverwaltung bleibt bislang bei ihrer Linie: Präsenzpflicht first, Bedenken second.

Änderungen gibt es jedenfalls für die Kleinsten: Ab kommender Woche gilt eine Testpflicht für alle Kita-Kinder ab dem ersten Lebensjahr. Sie sollen dreimal pro Woche getestet werden. Ungetesteten Kindern kann dann der Zutritt verboten werden. Das hat die gleiche Bildungsverwaltung am Montag mitgeteilt. In der vergangenen Woche waren rund 500 der 2800 Berliner Kitas wegen Infektionen ganz oder teilweise geschlossen – das ist mehr als jede sechste. Testen first, Zutritt second.

Veränderungen soll es auch bei der Verfügbarkeit von PCR-Tests geben: Sie wird massiv eingeschränkt. Berlin hat auf der Gesundheitsministerkonferenz am Montagabend einen entsprechenden Vorschlag eingebracht. Laut diesem sollen Personen mit einer symptomfreien Corona-Infektion nach einem positiven Schnelltest auf einen PCR-Test als Bestätigung verzichten. Wenn die Corona-Warn-App auf Rot springt, reicht künftig ebenfalls ein Schnelltest. Die Freitestung aus der Quarantäne soll ausschließlich per Antigen-Test erfolgen. Kostenlose PCR-Tests soll es nur noch für Risikogruppen und symptomatische Personen geben. Der Antrag liegt dem Checkpoint vor. Hintergrund ist die drohende Überlastung der Labore. Schon jetzt sind in Berlin die Labor-Kapazitäten nahezu erschöpft. Der „Goldstandard“ der Testung wird damit zum Bezahl-Produkt für Reiche.

Haste Strom, haste Licht! Berlins Ost-Außenposten Marzahn-Hellersdorf (politische Heimat von Lindemann) hat den großen Stecker gefunden und geht wieder ans Netz. Ab heute meldet der Bezirk wieder Corona-Zahlen, teilte Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) dem Tagesspiegel mit. Zuvor war der Speicherplatz des Servers voll, den der Bezirk nutzt. Die Inzidenz lag deshalb zuletzt bei Null. Das Problem ließ sich zuerst nur dadurch lösen, auf eine „frühere Software“ zurückzugreifen. Dadurch ergaben sich Probleme in der Kompatibilität mit bestehenden Systemen. Womöglich passten die Faxe nicht in den USB-Schlitz. Mehr als 6000 Infektionen sind so bislang nicht in der Statistik – und die leicht gesunkene Inzidenz in Berlin wohl (nicht nur wegen des Wochenendes) ein Trugschluss. Bei Technikfragen? Berlin-Versagen.

Housing First, das hat sich der Senat stolz auf die Fahnen geschrieben. Nicht weniger als die Obdachlosigkeit beenden, will man so. Jetzt ist ein wissenschaftlicher, geradezu euphorischer Abschlussbericht über die Pilotprojekte erschienen. „Die sehr erfolgreiche Modellphase von Housing First Berlin hat gezeigt, dass dieser Ansatz nicht nur funktioniert, sondern eine Lücke im bereits sehr differenzierten Angebot der Berliner Wohnungsnotfallhilfe schließt“, schreibt Professorin Susanne Gerull darin. Eine Ausweitung der niedrigschwelligen Unterbringung – ohnehin schon im Koalitionsvertrag festgeschrieben – sei anzustreben.

Seit Projektbeginn 2018 hatten sich 568 Menschen auf einen Platz in dem Projekt beworben, nur 40 konnten angenommen werden. Für sie wurden von Mitarbeitern Wohnungen gesucht, Mietverhältnisse angebahnt, die Betreuung übernommen. Dies sei „eine harte Arbeit, man muss viel Überzeugungsarbeit leisten, man muss Klinken putzen“, wie ein Mitarbeiter betont. Doch die Arbeit lohnte sich anscheinend: 97,3 Prozent der Teilnehmer wohnten auch zum Projektende noch eigenständig in ihrer Wohnung, nur einem wurde gekündigt. 85 Prozent der Teilnehmer waren sehr zufrieden, der Rest zufrieden. Berlins neue Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) kündigte im Tagesspiegel-Interview bereits an, als eine der ersten Amtshandlungen mehr Kooperationspartner suchen zu wollen: ohne Wohnungen kein Housing – auch das zeigt der Bericht.

Die Panzerknacker sind unterwegs. „Wegen Automatensprengung bleibt die Filiale bis auf weiteres geschlossen“, stand am Wochenende an einem Bankschalter im Einkaufszentrum „Forum Köpenick“. In der Nacht zum Freitag hatten Unbekannte dafür fast die halbe Filiale in die Luft gejagt. Es ist der erste Fall dieser Art in 2022 – aber wohl die Fortsetzung einer Serie. Die Polizei schrieb meinem Kollegen Kevin P. Hoffman, allein 2021 habe es 25 Fälle gegeben. 2020 waren es nur drei. Derzeit gehen die Ermittler davon aus, dass mindestens zwei unterschiedliche Gruppen am (Feuer-)Werk sind. Viel zu befürchten haben sie nicht: Nur in zwei von 25 Fällen konnte die Polizei Tatverdächtige festnehmen. Immerhin: Im Gegensatz zum klassischen Hände-hoch-das-ist-ein-Banküberfall passiert das infektionssicher – und die Böllerverbotszonen des Senats galten doch auch nur an Silvester.

Telegramm

Neues aus Deutschlands Chefplanerhauptstadt: Zurzeit zahlt Berlin beim Anwohnerparken drauf. Die Gebühr für einen Anwohnerparkausweis beträgt derzeit 20,40 Euro für zwei Jahre. Das sind weniger als drei Cent am Tag oder umgerechnet … mhh, nein, nichts kostet so wenig. Jedenfalls: In Pankow lag allein der Verwaltungsaufwand je Parkausweis 2021 bei 30,55 Euro – also 50 Prozent über der Gebühr. Aber wir in Berlin sind ja gern solidarisch.

Vonovia und Deutsche Wohnen heben die Mieten anum durchschnittlich acht Cent pro Quadratmeter. Sie wollen aber das Versprechen halten, im Schnitt nicht um mehr als einen Euro pro Quadratmeter in den kommenden drei Jahren zu erhöhen. Die Unternehmen folgen dem Beispiel der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Mieten zum Jahresende ebenfalls um durchschnittlich acht Cent pro Quadratmeter erhöht hatten.

Geboren in Mahlsdorf, Mutter Krankenschwester, Vater Elektriker: Jetzt könnte Mario Czaja einer der mächtigsten Männer der CDU werden – dazu hat er sich selbst mit Berlins Parteichef Kai Wegner versöhnt. Hannes Heine hat Czaja im Konrad-Adenauer-Haus getroffen (Tplus).

Ganz neues Tee-ma: In einer Einrichtung für Wohnungslose in Westend hat am Sonntagabend ein 32-Jähriger randaliert und gepöbelt, weil „eine bestimmte Teesorte nicht vorrätig war“, wie die Berliner Polizei berichtet. Einen Mitarbeiter der Unterkunft beleidigte er rassistisch. Der Staatsschutz ermittelt.

Fakt: In Deutschland boomt der Konsum von Tee. Um mehr als zehn Prozent ist der Verkauf im Einzelhandel seit 2020 gestiegen – nach Jahren der Stagnation. Der Wunsch nach Gelassenheit in hektischer Zeit? Nur, wenn für ausreichend Nachschub gesorgt ist.

Viele haben ja das Spazierengehen in der Pandemie als Hobby entdeckt. In Charlottenburg-Wilmersdorf kann man das jetzt beruflich machen: Der Bezirk sucht eine/n „Straßenbegeher*in“ für die Baubehörde. Aber Achtung: „Hierbei sind bei jeder Wetterlage täglich bis zu 12,5 km zu Fuß zurückzulegen.“ Echte Geher lachen nur.

Zum Schluss: Hilfe! Vice-Kollege Robert Hofmann hat Hunger. Wo gibt es in Berlin „köstliche Brezeln, wie ich sie in Bayern in jeder Bäckerei erwarten könnte?“, fragt er via Twitter. Also, wir wollen das auch wissen! Wo gibt es die besten Brezn der Stadt? Sachdienliche Hinweise bitte an: checkpoint@tagesspiegel.de.

Zitat

„Am Montag nächster Woche werden wir schon 20 Minuten mehr Tageslicht haben als heute.“

Das weiß ZEIT-Kollege Henning Sußebach – wobei das mit dem „Licht“ ja im Januarberlin so eine Sache ist.

 

Tweet des Tages

Das Baby hat sich einen Corona-Test aus dem Müll genommen und telefoniert damit. #pandemicparenting

@teresabuecker

Stadtleben

Essen – Tim Raues „Villa Kellermann“ ist alleine schon wegen der wunderschönen Lage und des Interieurs einen Besuch wert. Die Villa wurde 1914 für den königlichen Zeremonienmeister W. von Hardt erbaut, in der Weimarer Republik gehörte sie dem jüdischen Bankier Emil Wittenberg. Die Nationalsozialisten enteigneten ihn und die Heeresleitung der Wehrmacht bezog die Villa. Und das ist nur ein Auszug aus ihrer bewegten Geschichte. Nach über einer Dekade Leerstand eröffnete Tim Raue hier im Herbst 2019 eins seiner Restaurants. Der Fokus liegt auf bodenständiger Küche, im Menü finden sich viele mittelpreisige Gerichte des Sternekochs, darunter Raues berühmte Königsberger Klopse. Der „Gedeckte Tisch“ für 66 Euro bietet einen Querschnitt der Karte, die je nach Saison wechselt. Danach ein Muss: Spaziergang um den Heiligen See. Mi-Fr 18-23 Uhr, Sa/So 12-14 und 18-23 Uhr, Mangerstraße 34, Potsdam, Tramhaltestelle Mangerstraße

Das ganze Stadtleben gibt’s mit dem Tagesspiegel-Plus-Abo.

„Wir sind die Neuen“

60 der insgesamt 147 Parlamentarier sind in dieser Legislaturperiode neu im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Checkpoint stellen wir sie vor.

Name: Tobias Bauschke (FDP)
Beruf: Historiker
Alter: 34 Jahre
Wahlkreis: Steglitz-Zehlendorf (WK 6)
Berliner Lieblingsort: „Ganz klassisch an den Zehlendorfer Seen. Ob Krumme Lanke, Schlachtensee oder Wannsee. Zusammen mit dem Grunewald ist das einfach Erholung pur.“
Eine Sache, auf die ich mich 2022 in Berlin freue: „Darauf, dass die Leichtigkeit wieder kommt. Ein ausgelassener CSD oder ein fröhliches Karneval der Kulturen wie vor Corona wäre schön.“

Berliner Gesellschaft

GeburtstagBarbara John (84), ehem. CDU-Politikerin, Tagesspiegel-Kolumnistin und Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin / Katja Kipping (44), Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, „Alles Liebe, alles Gute und die besten Wünsche von Deinem Team aus der Oranienstraße 106!“ / „Wolfram Schmeling: Die besten Wünsche zum Geburtstag von Deinen Skatbrüdern!“ / „Liebe Silke, wir wünschen Dir alles Gute zum 29.! Keep on Rockin', Louisa, Jaspar, Julius, Tim, Ben, Pio und Michael“

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Günter Johannes Bober, * 24. April 1932 / Günter Krekler, * 11. September 1935 / Annemarie Perlberg, * 30. Juli 1943 / Dr.-Ing. Helmut Ringelhan, * 4. Februar 1946

StolpersteinAuguste Bendheim, geb. Gross, wurde am 18. Januar 1894 im oberschlesischen Teschen in Österreich-Ungarn geboren. In Berlin eröffnete sie ein Knopfgeschäft, weitere Filialen folgten. Sie heiratete Arthur Bendheim, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Tochter Margot sowie Sohn Ralph. Nach der Trennung im Jahr 1937 unternahm Auguste Bendheim zahlreiche Versuche, sich und ihren zwei Kindern die Emigration zu ermöglichen. Im Jahr 1943 verhaftete die Gestapo Tochter Margot. Nationasozialisten deportierten Auguste Bendheimund ihren Sohn Ralph am 29. Januar 1943 nach Ausschwitz und ermordeten sie. Margot Bendheim überlebte den Holocaust. Sie lebt heute als Margot Friedländer wieder in Berlin, hat eine Biographie geschrieben und tritt als Zeitzeugin auf. Im Jahr 2011 wurde der heute 100-Jährigen das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ verliehen. An der Skalitzer Straße 32 in Kreuzberg erinnert ein Stolperstein an ihre Mutter, Auguste Bendheim.

Encore

Berlins Liebende sind wieder too cool for school. Am Schnapszahltag 22.2.2022 sind zwar in Lüneburg, Köln, Gera oder Göttingen schon alle Hochzeitstermine ausgebucht. Aber nicht so in Berlin. Viele Bezirke hatten extra ihre Kapazitäten in den Standesämtern für diesen Tag erhöht. Schließlich soll niemand auf die Hochzeit so lange warten wie auf seine Einbürgerung, den Personalausweis oder das Kindergeld. Wäre ja unromantisch. Besonders viele Schnapszahlinteressenten gibt es aber gar nicht, zeigt eine Umfrage der dpa, viele Termine sind noch frei – im Standesamt in Mitte gibt es selbst am Valentinstag nur eine Anmeldung. Falls Sie nun doch Lust haben: Für Vergessliche ist der 22.2.2022 ja ein Segen. Wir freuen uns auf Ihr Beweisfoto (auch Spandau zählt)!

Matthieu Praun hat heute mitrecherchiert, das Stadtleben hat Sarah Borufka getextet. Cristina Marina hat alles versandfertig gemacht. Morgen begrüßt Anke Myrrhe mit Ihnen einen hoffentlich sonnigen Berlintag. Bis bald,

Ihr Julius Betschka

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Seit 2014 berichten wir exklusiv aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir stellten Berlins marode Schulen vor, bis die Politik reagierte. Wir standen vor dem Bürgeramt, bis es wieder Termine gab. Wir recherchieren hartnäckig und gründlich.

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