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+ Affäre um Mittes Bürgermeister von Dassel: Ein guter Anlass, um grüne Rechnungen zu begleichen + Lea Rosh hält Scholz‘ Händedruck für Abbas für unentschuldbar + Doch kein Krieg der Sterne: Jeder darf gendern in Berlins Schulen +
Beach, Berge oder Balkonien – nehmen Sie uns mit! An dieser Stelle zeigen wir während der Sommerferien, wo Sie gerade den Checkpoint lesen. Schicken Sie uns ein Foto mit einem Satz zum Urlaubsort an checkpoint@tagesspiegel.de
Ciao, Goodbye, auf Wiedersehen! Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel wird wohl sein Amt verlieren. Nicht nur seine eigene Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte und der Koalitionspartner SPD drängen zum Rücktritt, sondern auch die beiden Landesvorsitzenden der Berliner Grünen. Gleichzeitig fordern Philmon Ghirmai und Susanne Mertens eine „lückenlose Aufklärung des Vorgangs“. Moment, kommt die Aufklärung einer undurchsichtigen Affäre nicht sonst vor dem Rücktritt? Nun ja, es geht bei all dem Rücktrittforderungselan der Grünen eher am Rand um das Fehlverhalten des Bürgermeisters. Von Dassels Fehltritt? Anlass, um offene Rechnungen zu begleichen.
Es gilt wie so oft: Freund, Feind, Parteifreund. Das ist bei den Grünen nicht anders als in anderen Parteien. Auch wenn sich dort auf Parteitagen schonmal ein „Ich liebe Euch“ (Bettina Jarasch, 24.04.21) entgegengefühlt wird. Loswerden wollten viele Grüne ihren Bezirkschef schon vor der Wahl. Zu wenig Verkehrswende, zu viel Polizei in Parks. Zu viel Sauberkeit, zu wenig Streicheln der Parteiseele. Dass von Dassel einmal forderte „aggressive Obdachlose“ notfalls in ihre Heimatländer abzuschieben, haben ihm viele in der Partei (und darüber hinaus) nie verziehen. Von Dassel setzte sich in einem erbittert geführten parteiinternen Kampftrotzdem knapp durch, aber die Feindschaft blieb.
Es besteht der Verdacht, dass von Dassel einen Parteifreund in eine zentrale Position im Bezirksamt setzen wollte – und einem anderen Bewerber privat Geld bot, damit dieser eine Klage gegen die Auswahl fallen lässt. Ein jahrelanger Rechtsstreit hätte die Besetzung der wichtigen Digitalisierungsstelle verhindert, argumentiert von Dassel. Sein Mann hat in Oxford studiert, bei McKinsey gearbeitet und in der Staatskanzlei Brandenburg. Er war dort auch für E-Government zuständig. Doch die Debatte, ob auch ein Parteifreund eine gute Besetzung für eine Stelle sein könnte, wird nicht mehr geführt. Statt sein Handeln zwischen Unorthodoxie und Bestechungsvorwurf (womöglich: zugunsten der Menschen im Bezirk) verständlich zu machen, teilte sich der Bürgermeister nur häppchenweise und wenig einsichtig mit. Politiker stürzen selten über Fehler, meist über den Umgang damit – oder durch offene Rechnungen in der Partei.
Apropos schwere Fehler: Die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, wendet sich an den Bundeskanzler. Olaf Scholz hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas noch die Hand geschüttelt, nachdem dieser behauptet hatte, Israel habe „50 Holocausts“ an Palästinensern begangen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz nach Abbas‘ Aussage beendet, als wäre nichts und sich dafür gestern dann entschuldigt. Rosh meint: „Die Verantwortung allein auf seinen Sprecher abzuwälzen reicht nicht, selbst wenn dieser die Pressekonferenz für beendet erklärte. Der Kanzler selbst hätten reagieren müssen. Dass er das nicht tat, ist unentschuldbar.“ Nun steht Olaf Scholz kaum in Verdacht, die Holocaustrelativierungen von Abbas nicht abzulehnen. Aber in was für einem enggeschnürten Korsett muss er stecken, um diesem danach die Hand zu reichen?
Krieg der Sterne: Sie haben vorgestern die Meldung gelesen, dass der Senat eine „Knallhart-Ansage“ (Tag24) gegen Gendersternchen macht oder ein „Genderverbot“ in der Schule (queer.de) ausspricht? Daran stimmt: nichts. „Das ist eine absolut verkürzte Darstellung“, sagt Martin Klesmann, Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. „Gendern ist zwar nicht klar im Rahmenlehrplan geregelt – das heißt aber nicht, dass es verboten ist.“ Es liegt vielmehr im pädagogischen Ermessen jeder Lehrkraft, welche Form der Gendersprache sie verwendet. Friedrich Merz‘ Lieblingsthema erreicht natürlich trotzdem die Schulen: „Ich habe erlebt, dass ein Lehrer es kritisch kommentierte, dass ein Kind nicht gegendert hat“, sagt die CDU-Abgeordnete und ehemalige Schulleiterin Katharina Günther-Wünsch. Andersherum beschweren sich laut Senat vereinzelt Eltern über Lehrer:innen (ups), die gendern. „Den Sprachkampf sollte man aus der Schule heraushalten“, sagt die Linguistin Carolin Müller-Spitzer. Der Krieg der Sterne…ist aber bislang vor allem: viel heiße Luft.
Gleiches Recht für alle: Studierende aus Ländern wie Nigeria, Kamerun, Indien oder Pakistan, die aus der Ukraine geflohen sind, dürfen länger in Berlin bleiben. Das hat der Berliner Senat am Dienstag beschlossen. Denn diese Menschen fallen nicht unter die EU-Flüchtlingsregelung, sie dürfen nur bis Ende August visumsfrei in Deutschland bleiben. Der Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir will die nun in Berlin und Hamburg praktizierte Regel auf ganz Deutschland ausweiten: „Der Bund muss jetzt handeln und mindestens die aktuelle Übergangsregelung für Drittstaatsangehörige bis April nächsten Jahres verlängern“, sagte er dem Checkpoint. „Ich setze mich dafür ein, dass alle das gleiche Bleiberecht erhalten und bin froh, dass es Vorreiter wie Berlin und Hamburg gibt, die Bleibeperspektiven schaffen“, sagte Demir. Hauptadressatin des SPD-Politikers: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (auch SPD).
Das sind die Neuigkeiten aus dem Krieg gegen die Ukraine:
+++ Ein Marschflugkörper hat ein Wohnhaus in Charkiw getroffen. Sechs Menschen starben, 16 wurden verletzt.
+++ Die Ukraine erklärt, sie sei für drei große Explosionen auf Militärstützpunkten auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim verantwortlich.
+++ Bundeskanzler Scholz hat „ernsthafte Sorge“ über die Lage am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja geäußert. Es sei nicht akzeptabel, das Kraftwerk in Gefahr zu bringen, sagte er. Das Kraftwerk ist von russischen Truppen besetzt.
Wahl, Wahl, Sonderwahl: Im Bundestag kursiert eine Beschlussvorlage der Ampelkoalition über eine Wahlwiederholung in fast 20 Prozent der Wahllokale in Berlin. Auch eine Teilwiederholung der Wahl des Abgeordnetenhauses wird inzwischen in Senatskreisen als „sehr wahrscheinlich“ angesehen. Je nachdem, wie weitgehend das geschieht, könnten sich auch die Mehrheiten im Berliner Abgeordnetenhaus verändern. Einige Spitzenpolitiker gehen inzwischen sogar von einer kompletten Wahlwiederholung aus.
„BERLIN KANN WAHLEN“ – das steht auf dem Deckblatt zur Tagesordnung für das erste Arbeitstreffen der „AG Gute Wahlen in Berlin“. Das Papier liegt dem Checkpoint vor. Am Freitag soll bei der Sitzung erstmals über die Vorbereitung zur möglichen Wahlwiederholung gesprochen werden. Wenn man dem Deckblatt glaubt, dürfte Autosuggestion dabei eine große Rolle spielen: BERLIN KANN WAHLEN. ECHT. JETZT. WIRKLICH. JAAAA.
Clans im Duty-Free-Modus: 20 Männer aus Neukölln haben in den vergangenen fünf Jahren wohl 50 Millionen Euro mit steuerfreiem Gebrauchtwagenhandel „verdient“. Das von den Kriminellen entwickelte Cum-Ex-Modell bringt bis zu 5000 Euro Rendite pro Auto. Wie? Die kaum fassbare Geschichte lesen Abonnenten hier.
„Fände es nur fair, wenn die Besatzung von Binnenschiffen, die aufgrund des Niedrigwassers anlegen müssen, kostenlos die wieder aufgetauchten E-Scooter nutzen könnte.“
Essen – Manchmal ist es das ganz Einfache, was den Menschen glücklich macht. Zum Beispiel eine Schmalzstulle und dazu ein frisch gezapftes Bier, am besten noch in angenehmer Gesellschaft und bei guter Musik. Im Charlottenburger Goldesel wird die klassische Kiezkneipenkultur noch hochgehalten. Das Beste: Die Zutaten zur kleinen Abendbrotküche sind von bester (Bio)-Qualität. Neben den Stullen mit bester Leberwurst, würzigem Bergkäse oder Schmalz (die Schmalzstulle auf der übersichtlichen Speisekarte heißt übrigens „Elvis“), gibt es auch feine Bouletten oder Linseneintopf (vegan oder mit Knacker). Dazu zapft Wirt Jörg Burow feines Püttner aus der Oberpfalz oder empfiehlt sorgfältig ausgesuchte Flaschenbiere aus Franken und Restbayern. Noch ein paar Gründe, in dieser gemütlichen Wohnzimmerkneipe gerne mal länger hängenzubleiben. Di-Sa ab 17 Uhr, Seelingstraße 7, U-Bhf Sophie-Charlotte-Platz
Geburtstag – Carolin Emcke (55), Publizistin / Stephanie Gossger (47), Film- und Theaterschauspielerin / „Die dritte Schnapszahl ist erreicht. Herzlichen Glückwunsch dem one and only Firmenchef der HEWID Heizelemente GmbH Marius Hauft von den Senioren.“ / „Morfar Helmut und mormor Uschi wünschen ihrem spitzenmäßigen dotterson Jonathan Guder von Herzen Happy Birthday!“ / Rainer-Michael Lehmann (62), ehem. für die SPD im AGH / „Lieber Marius, wir wünschen dir einen tollen Geburtstag, gute Nerven für den Hausumbau und ausgelassene große Feiern im neuen Lebensjahr.“ / Klaus Mertes (68), Theologe, Pädagoge und Autor / „Zum 35. Geburtstag unseres Sohnes Kai-Fabius Pribyl gratulieren wir aus der Ferne ganz herzlich!“ / Lara-Isabelle Rentinck (36), Schauspielerin / Bodo Uebber (63), ehem. Daimler-CFO, jetzt Vorsitzender des Berlin Center of Corporate Governance / Dieter Wemhöner (92),ehem. Boxer und Boxtrainer / Ulrich Woelk (62), Schriftsteller und Astrophysiker
+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++
Gestorben – Bernd V. Dreesmann, * 15. Juni 1936 in Düsseldorf / Dr. Johannes Faensen, * 12. Juni 1937 / Carsten Kaufhold, * 24. März 1967 / Marlis Meyn, * 12. November 1941 / Prof. Dr. Artur Kurt Simon, * 6. Mai 1938 in Wesermünde / Wolfgang Scheschonka, * 7. Mai 1940 / Werner Anton Franz Stanglmaier, * 27. März 1948
Stolperstein – Egon Jacks kam am 5. Oktober 1923 im brandenburgischen Hohen Neuendorf zur Welt und lebte dort einige Jahre mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Wilhelm (*1925). Später bezog die Familie eine Wohnung in Berlin, in der Neuen Königstraße 4 (heute Otto-Braun-Straße). Egon Jacks wurde als erster aus seiner Familie deportiert. Die Umstände seiner Verhaftung werden unterschiedlich geschildert: Im Entschädigungsverfahren gibt sein Onkel Alfred Jacks an, dass Egon wegen damals strafbarer homosexueller Handlungen festgenommen und ohne weiteres Gerichtsverfahren deportiert wurde. Seine Cousine Ruth Westermann schreibt dagegen, Egon sei verhaftet worden, als er einen Laden betrat – eine Viertelstunde vor der Zeit, die Juden zum Einkaufen nutzen durften. Fest steht, dass er heute vor 80 Jahren, am 15. August 1942, nach Riga deportiert wurde. Laut Gedenkbuch wurde er am selben Tag in den umliegenden Wäldern ermordet, im Alter von 18 Jahren. Aus der gesamten direkten Familie Egon Jacks’ überlebte nur Wilhelm. Die Eltern wurden 1943 nach Auschwitz deportiert. An der Otto-Braun-Straße 87 in Pankow erinnert ein Stolperstein an Egon Jacks.
An dieser Stelle gibt’s in den Sommerferien jeden Tag einen Neun-Euro-Ticket-Tipp für Kurzentschlossene. Alles, was Sie tun müssen, ist: den Checkpoint lesen, um 9 Uhr am Hauptbahnhof stehen und losfahren. Heute geht es nach L... und zum Probe-Abo hier entlang.
Recherchiert hat heute Thomas Lippold. Die besten Berlin-Tipps hat Sarah Borufka für Sie gesammelt. Lionel Kreglinger hat die Frühschicht übernommen. Morgen begrüßt Sie hier the one and onlyDaniel Böldt. Bis bald,
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Wir stellten Berlins marode Schulen vor, bis die Politik reagierte. Wir standen vor dem Bürgeramt, bis es wieder Termine gab. Wir recherchieren hartnäckig und gründlich.
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