Guten Morgen, die Gewitter gestern und in der Nacht waren heftig, in Berlin stürzten dabei mehrere Bäume um. Einer davon verletzte spätabends in der Urbanstraße einen Radfahrer schwer. Zudem geriet ein Seniorenheim in Brand, die Feuerwehr rettete insgesamt zwölf Bewohner. Schon zuvor hatte sie den "Ausnahmezustand Wetter" ausgerufen, Zug- und Flugverkehr waren stellenweise beeinträchtigt. Jetzt sollten die selbstklebenden Tage und lauten Nächte aber fürs Erste überstanden sein.
In der Debatte über TXL haben sich die Abgeordneten nichts geschenkt, obwohl sie sich manches hätten schenken können. Neue Argumente gab's nicht, dafür eine rot-rot-grüne Mehrheitsentschließung gegen den Weiterbetrieb. Kann man ja nicht oft genug betonen. Mein Kollege Klaus Kurpjuweit hat noch mal die Fakten zusammengetragen – und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) macht in der „Berliner Zeitung“ heute die Rechnung für eine Offenhaltung auf: 400 Mio. bis 2 Mrd. für den Schallschutz, 1,1 Mrd. fürs Aufmöbeln. Auf Basis der üblichen Berliner Baukostenkalkulation ergibt das also mindestens 5 Milliarden Euro extra, falls TXL offen bleibt.
Nachtrag zum CP von gestern, in dem eine Anwohnerin des Kurt-Schumacher-Platzes über ihre fluglärmbedingt wohl verringerte Lebenserwartung klagt: „Klingt prometheusesk“, schreibt André Byrla, Gesundheitsexperte (der FDP (Schöneberg(-Nord))). „Häretische Frage: Welche dunkle Macht hält sie seit 2012 am Kutschi gefangen?“ Kafkaeske Antwort: Sie hat dort kräftig in ein geerbtes Einfamilienhaus investiert – im Glauben an die einst minutiös geplante TXL-Schließung im Juni 2012. Soll auch ein paar tausend anderen (Achtung, FDP: Keyword!) Investoren in der Einflugschneise so gegangen sein.
Was der Koalition die Tegel-Schließung, ist dem Stadtschlossstiftungsrat das Kuppelkreuz: Muss unbedingt sein, teilte er am Donnerstag noch einmal mit, was ohnehin längst Beschlusslage ist. Aus der Kulturverwaltung hieß es, damit sei die Entscheidung gefallen, man werde aber weiter diskutieren. Wie lange noch und mit wem, wurde nicht mitgeteilt. Und Heidi Hetzer (die mit dem Blitz) spendet dem Schloss einen Löwenkopf aus Sandstein, teilt der Förderverein mit. Sähe sicher auch gut aus auf der Kuppel.
Das nächste Getwitter naht: Am Samstag startet die Senatskanzlei von Regiermeister Michael Müller (der selbst abstinent bleibt) den Account @Senatskanzlei_B. Geleitet wird das neue Social Media Team von Kathi Seefeld, die für die Linkspartei als stellvertretende Senatssprecherin im Roten Rathaus arbeitet und davor deren Fraktionspressestelle geführt hat. CP-Prognose: Die ersten Senatstweets sind Schwarz-Weiß, denn am Samstag kommen die Pandas für den Berliner Zoo in SXF an. Im Cargo Center, schreibt der Zoo. Bei einer Mio. Euro Leigebühr p.a. könnten die Pandas eigentlich auch selbst twittern, zumal es jaextra Handys für große Tatzen gibt.
Bevor die Öffentlichkeit die China-Knaller im „aufwendigsten Tierhaus, das wir je gebaut haben“ (Zoochef Andreas Knieriem) zu sehen bekommt, sollen sie von Michael Müller und dem chinesischen Botschafter Shi Mingde in Schönefeld begrüßt werden und sich zehn Tage in Ruhe einleben. Die Pandas sind so süß! Sauer sind angeblich die Chinesen, die ihre Leihgaben sonst meist vom höchsten Repräsentanten des Gastlandes in Empfang nehmen lassen, aber die offizielle Übergabe mit der Bundeskanzlerin und dem chinesischen Staatspräsidenten steht erst am 5. Juli an. Vielleicht kann als Kompromiss ja Heinz Buschkowsky am Samstag kurzfristig einspringen und dem Konflikt die Bambusspitze nehmen.
Falschparker sind ärgerlich, aber genauso ärgerlich ist der Brief, den die Bußgeldstelle der Polizei einer Berliner Baufirma geschickt hat: Sie soll die Rechnung fürs Abschleppen eines Autos bezahlen, das im Halteverbot in der Baustelle stand. Denn das Auto hatte ein polnisches Kennzeichen, so dass der „vorrangig infrage kommende bzw. bereits ausgewählte Gebührenschuldner nicht (mehr) zur Verfügung steht“. Also soll die Rechnung an die Baufirma als Nutznießer der Aktion gehen. Juristisch offenbar korrekt, aber eine Zumutung für das kleine Unternehmen – und seltsam, da hiesigen Autobesitzern (zu Recht!) doch die Strafzettel aus halb Europa hinterhergeschickt werden.
Telegramm
Die Grüße aus aller Welt nehmen kein Ende: Johannes W. meldet sich sozusagen nachträglich aus El Gouna in Ägypten, wo er CP lesend die Winter verbringt, Andrej W. aus Sosua in der DomRep „stellt sich die Frage, ob es Bananenrepubliken ohne selbstwachsende Früchte auch anderenorts gibt“ und Michael K. aus Springfield in Nova Scotia schreibt was von „Berliner Slapstick-Politik“. Keine Ahnung, was er meint.
Eine endemische CP-Wortschöpfung hat ihr Medium verlassen und Marzahn-Hellersdorf erreicht: „Wir wollen nicht den Titel des Grauflächenamtes übernehmen“, sagte Stadtrat Johannes Martin gestern Abend in der BVV und versprach, handgehegtes Bürgergrün nur dann zu stutzen, wenn es die Verkehrssicherheit gefährdet. Davon können sie sich in Mitte mal eine Baumscheibe abschneiden. Mehr dazu im kostenlosen Tagesspiegel-Leute-Newsletter.
Amt, aber glücklich: CP-Leserin Annemarie B. verleiht Frau Allrath vom Bürgeramt Hohenzollerndamm die Note 1+, weil sie ihr so schnell und nett ein Rundum-Sorglos-Paket aus provisorischem und neuem Perso, Automatenzahlung, Berlinpass-Verlängerung plus Infos zur Abholung der Dokumente geschnürt hat.
Wieder ein neues Modul fürs Störungsbingo: „Wegen Erkrankung eines Triebfahrzeugführers entfällt diese Fahrt“ (S1 gestern 17:04 Uhr ab Wannsee). Vielleicht hat der Fahrer Zug abbekommen.
Kein schöner Zug war der, der gestern im RE1 durchgesagt wurde: „Weiterfahrt verzögert sich um ein paar Minuten. Da war mal wieder’n Zuch auf’m Hauptbahnhof, der da nicht hinjehörte.“ (Jehört von Britta E.) Dazu auch Rail&Fly-Experte Edmund S.: „Wenn Sie vom Hauptbahnhof… mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen … am … am Hauptbahnhof...“
Apropos Hauptbahnhof: Die Flughafengesellschaft sucht einen neuen Kommunikationschef, falls ich die Meldung richtig verstanden habe („Unternehmenskommunikation wird neu aufgestellt / weiterentwickelt / im Zuge derUmstrukturierung / Stabsstellen neu geordnet …“). Hoffentlich finden sie jemanden, der sich klar ausdrücken kann.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Die Morddrohungen haben mich nicht überrascht, denn ich bin ja Realistin und kenne die Szene schon lange.“
Die Autorin, Anwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş, gestern Abend im RBB – sechs Tage nach Eröffnung ihrer liberalen Moschee in Moabit. Die „Berliner Zeitung“ widmet dem Thema heute einen deprimierenden Lokalteil-Aufmacher.
Tweet des Tages
"Who needs #covfefe when you can have #fedidwgugl... @CDU#KannsteDirNichtAusdenken"
Antwort d. Red.: (Für alle, die nur Hauptbahnhof verstehen: Das erste, bis heute rätselhafte Kürzel hat das Trumpeltier Ende Mai getwittert, das zweite gestern die CDU als Wahlkampfparole. Langversion: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“
Stadtleben
Essen Auf der Genuss-Seite heute im Tagesspiegel spürt Bernd Matthies einem neuen Küchentrend nach: Nicht Fusion, nicht pan-asiatisch, sondern „individuell gestaltete fernöstliche Küche“. Ein besonders gelungenes Lokal dieser neuen Art wurde sogleich getestet und für gut befunden: das Nithan Thai in der Chausseestraße 5 in Mitte (U-Bhf Oranienburger Tor). Die kulinarischen Eindrücke, die der israelische Küchenchef Shahaf Shabtay auf Reisen gesammelt hat, spiegeln sich als kontrastreiche Mischung auf den Tellern wieder: Die frittierten Riesengarnelen kommen mit Spargelstreifen auf einer Joghurtsoßeund mürbes Rindfleisch mit Mandarinen und Sesam wird in Pandan-Blätter gerollt (Gerichte kosten zwischen 10 und 20 Euro). Klassisch ist hier nur der Papaya-Salat, und der schmeckt auch ziemlich gut. Tgl. 12-15 und 17-1 Uhr
Neu in Prenzlauer Berg ist der Haferkater. In Friedrichshain schon längst der Renner, werden ab heute auch in der Eberswalder Straße 26 die reichenhaltigen Porridge-Menüs aufgetischt (U-Bhf Eberswalder Straße, Mo-Fr 7-19 Uhr, Sa-So 8-19 Uhr). Genau die richtige Stärkung, denn am Wochenende gibt es ganz schön Programm, wie Sie gleich feststellen werden.