Guten Morgen, mehrere hundert Millionen Euro bekommt die Türkei von der EU zum Aufbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit - davon werden u.a. Erdogans prügelnde Leibwächter bezahlt. Zumindest denen, die seit ihrem blutigen Auslandseinsatz in Washington per internationalem Haftbefehl gesucht werden, will die Bundesregierung jetzt die Einreise zum Gipfeltreffen in HH verweigern. Auch eineöffentliche Rede in Deutschland sollte Erdogan verweigert werden - jedenfalls solange er Journalisten wie Deniz Yücel (heute 134 Tage in Haft) aus erpresserischen Gründen als Geisel hält (der Autokrat will die Bundesregierung zwingen, im Gegenzug politische Oppositionelle auszuliefern, die bei uns Asyl beantragt haben). Dazu auch der Dienstagskommentar um kurz nach 8 bei Radioeins.
Michael Müller hat beim IHK-Frühstück nochmal genau erklärt, welche Wirkung der TXL-Volksentscheid auf die Flughafenpolitik hat: „Die Welt wird am 25. September die gleiche sein wie die am 24. September“ - also Tegel ist offen und der BER zu. Ansonsten aber bleibt es beim Schließungsbeschluss (ganz egal, wie’s ausgeht). Von dem war bis vor kurzem ja auch noch die CDU sehr angetan - im Wahlprogramm 2016 hieß es: „Die Umsetzung dieser Planung ist ein wichtiger Baustein für die Stärkung des Forschungs- und Unternehmensstandortes Berlin und die Schaffung moderner Arbeitsplätze“ (S. 33), und „Die kreative industrielle Nachnutzung von Tegel hat für die CDU unbedingte Priorität gegenüber allen anderen Nutzungsüberlegungen“ (S. 44). Unbedingt! Es sei denn, man sitzt plötzlich in der Opposition.
Im Senat steht heute die Entmachtung der Bezirke auf dem Programm - jedenfalls was die Schulsanierung betrifft: Statt der Hochbauämter sollen sich nach dem Willen des Finanzsenators ab einer bestimmten Bausumme GmbHs der Sache annehmen - so bleibt immerhin eines gewahrt: die beschränkte Haftung. Ob das wohl Schule macht?
Jetzt hat sich auch die „Morgenpost“ dem Panda-Investigativ-Team angeschlossen (CP von gestern), um mit tierischen Enthüllungen täglich ganz oben vom Bambus zu grüßen. Hartnäckige Recherchen an Tag 3 führten zu tiefgreifenden Erkenntnissen über das Wohlbefinden der possierlichen Fortpflanzungsmuffel („Es geht ihnen gut“) und die Ausstattung ihrer Luxusbehausung („Wie Bärenspielzimmer mit vielen kleinen und größeren Ästen“). Eine Insiderin verriet sogar noch ein intimes Detail - was macht Jiao Qing, wenn er Hunger hat? „Dann gibt er einen Laut von sich, wie ein Teddybär, der auf den Rücken gelegt wird und brummt.“
Na so was: Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, bis 2015 Leiter eines von Nazis, SS-Offizieren und NPD-Funktionären gegründeten Kulturvereins, legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht (wie vom Tagesspiegel beschrieben) bei einer Rede über „asoziale Demokraten“ hergezogen ist, sondern über (Achtung!) „A-Sozialdemokraten“. A-ha (haha). Wir begeben uns dann mal auf die Suche nach den B-Sozialdemokraten. Gibt ja schließlich auch A-Hörnchen und B-Hörnchen.
Dazu passt folgende Meldung aus Brüssel: Die Best-Klassifizierung „A+++“ soll jetzt ersetzt werden durch ein einfaches „A“, sodann folgen mit jeweils einer Qualitätsstufe weniger „B“, „C“, „D“, „E“, „F“ und „G“. Demzufolge wären A-Sozialdemokraten die Besten (EU-getestet), während beispielsweise C-Demokraten nicht so doll sind. Dazu der Kommentar von Bertolt Brecht: „Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“
Für die Quatschidee, wegen atmosphärischer Störungen bei Hertha das multifunktionale Olympiastadion zu einem Fußballstadion umzubauen und in Folge dessen den Jahn-Sportpark zu einem Leichtathletikstadion, gibt es jetzt auch eine Zahl (die nicht Hertha zahlen würde, sondern die Steuerzahler zahlen müssten): 360 Millionen Euro kostet das Ganze (mindestens). Und dafür steht dann künftig auch noch ein Teil der Fans im Regen. Klare Sache (auch ohne Videobeweis): Eigentor.
Telegramm
Das Verwaltungsgericht hat einen Schlussstrich gezogen, und zwar bei 160 cm – kleiner darf eine Frau nicht sein, um Polizistin zu werden. Aus der Begründung: „Für die Durchsetzungsfähigkeit bei körperlichen Auseinandersetzungen und für die Anwendung unmittelbaren Zwangs müssen gewisse körperliche Mindestvoraussetzungen erfüllt sein.“ Wenn man sich so umschaut auf Streife offenbar auch, was den Bauchumfang betrifft.
Der Regierende ist nicht ganz zufrieden mit seiner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher - beim bereits oben erwähnten IHK-Frühstück sprach er: „Ich nehme wahr, dass es eine Akzentverschiebung gibt, indem sehr viel politische Kraft in Mietregelungen fließt und weniger in Bauaktivitäten.“ Checkpoint-Prognose: Da wackeln demnächst die Wände.
Der so genannte U-Bahntreter ist von sich selbst ganz erschüttert: An die Tat kann er sich nicht erinnern (sagt er), aber auf dem Video hat er sich erkannt - das Ergebnis: „Ich fand das, was ich gesehen habe, selbst grauenhaft.“ Vielleicht kann das Gericht ihn ja vor weiteren ähnlich schrecklichen Erlebnissen bewahren.
Die vermeintliche „Hauptstadt Hamburg“ (Q: das Lokalblatt „Der Spiegel“) bekommt nicht mal die Kulturprojekte für ihre Hafencity alleine hin - deshalb muss jetzt Ella Blumenstein als Kuratorin aushelfen. Natürlich kommt sie aus Berlin (bisher: Kunst-Werke).
Den Konter schreiben wir uns am besten gleich mal selbst, denn für die Intendanz der Volksbühne brauchen wir ja künftig einen Belgier (Chris Dercon). Dazu der Kommentar von Helene Hegemann, Tochter von Chefdramaturg Carl Hegemann und Autorin von „Axolotl Roadkill“ (Verfilmung ab Donnerstag im Kino): „Eine absolute Vollkatastrophe, eine Entscheidung, die aus Dummheit und Faulheit resultiert. Es wurde jemand berufen, der zu wenig Ahnung hat, auch nur im Ansatz aufrecht zu erhalten, wofür dieses Haus steht.“
„Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit auf dem Niveau, das wir seit 38 Jahren verlässlich anbieten“, verspricht Air Berlin neuerdings, und wir haben Sie gefragt: Stimmt's? Die Antwort (weit überwiegend): Auweia … Ersparen wir uns hier die traurigen Details, in der Summe kommen ein paar Jahre Verspätung zusammen.
Die IGA beginnt aufzublühen - nach aktuellem Stand wurden inzwischen 650.000 Tickets verkauft, berichtet Ingo Salmen in seinem neuen „Leute“-Newsletter Marzahn-Hellersdorf (kommt heute Nachmittag raus, zur Anmeldung geht’s hier). Da steht übrigens auch, warum die Wartezeiten am Standesamt dort demnächst wieder Monate statt Tage dauern werden (Spoiler: Es hat etwas mit dem Onlineportal zu tun).
Die Nadel des Tages hat Irja Wendisch in die Checkpoint-Weltkarte gesteckt – sie grüßt herzlich aus Rovaniemi am finnischen Polarkreis, wo zurzeit auch nachts die Sonne scheint.
Nach Bosch (Motto: „Slow is the healthy way I juice“, CP von gestern) hat jetzt auch Siemens den Zustand am BER beklagt: Es gebe „pausenlos Änderungsaufträge“, aber „keine finalen Planungsunterlagen“ - deswegen sei es auch „unmöglich“, eine Prognose über den Zeitpunkt der Fertigstellung abzugeben.
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Schwamm drüber.“
Angela Merkel bei einer Veranstaltung von „Brigitte“ zum Vorwurf des SPD-Kanzlerkandidaten, sie verweigere sich der inhaltlichen Auseinandersetzung - Schulz hatte das einen „Anschlag auf die Demokratie“ genannt. Merkel: „Eigentlich habe ich Martin Schulz immer anders erlebt“, aber: siehe oben.
Tweet des Tages
„Auf Grund der Witterungsverhältnisse im gesamten Stadtgebiet kommt es bei zahlreichen Linien zu Verspätungen. Bitte mehr Zeit einplanen.“
Antwort d. Red.: Hinweis: Mit „Witterungsverhältnisse“ meinte die BVG den kurzen Regenschauer, der ihr gestern ein prima Alibi verschaffte.
Stadtleben
Neu in Prenzlauer Berg ist das Betty´n´Caty. Streng genommen ist das Café nur ein paar Hausnummern weiter gezogen, damit die Gäste wieder ruhiger frühstücken, lunchen und dinieren können, denn die Räume in der Knaackstraße 8 platzten zuletzt aus allen Nähten. Wo ehemals das Anita Wronski war (Knaackstraße 26), wird nun heftig gebraten (Pancakes mit Bacon, Minuten-Steak mit Bohnen und Ofenkartoffeln) oder gesundheitsbewusst Acai-Bowls gelöffelt. Auch das Avocadobrot mit pochiertem Ei ist wieder dabei, und im Gegensatz zum rauhen Charme unverputzter Backsteinwände wie sie in Neukölln vorherrschen, setzt man hier auf kühles Graublau und Kupfer – hat was. U-Bhf Senefelderplatz, Mo-Fr 8-23 Uhr, Sa+So ab 9 Uhr