Außenminister Gabriel kündigt an, Soldaten aus Incirlik abzuziehen - eine Reaktion auf das Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete. Wäre schön, er könnte auch Journalisten aus den Gefängnissen abziehen - Deniz Yücel z.B., von der „Welt“ als Korrespondent in die Türkei entsandt, wird dort seit 113 Tagen festgehalten, die meiste Zeit davon in Einzelhaft. Mehr zum deutsch-türkischen Verhältnis um kurz nach 8 im Dienstagskommentar bei Radioeins, aber jetzt erst mal…
Fünf Jahre nach dem geplatzten BER-Start wächst in Brandenburgs Landesregierung das Interesse, selbst mal ein bisschen auf Tempo zu machen - im Herbst 2019 wird ein neuer Landtag gewählt, da würde eine Eröffnung im Sommer 2019 prima passen. Womöglich fällt in Potsdam ja jemandem ein, wer die Dienstaufsicht hat über das sperrige Landratsamt Dahme-Spreewald. Der Plan: Testbetrieb vor Freigabe, Eröffnung vor Restmängelbeseitigung.
Aus Anlass des Fünfjährigen habe ich mir noch mal die Kommentare von damals angeschaut - die Illusion einer nur knapp verpatzen Eröffnung war weit verbreitet. Im Tagesspiegel-Leitartikel zum Desaster z.B. hieß es unter der Überschrift „Berliner Luftnummer“ zwar, das Scheitern war vorherzusehen, aber: „Zwanzig Jahre wurde geplant und gebaut, für die kommenden fünfzig Jahre, Milliarden haben die Gesellschafter investiert – da erscheinen die Extrawochen und Extramillionen irgendwann zwangsläufig als Anekdote.“ Tja, da hatte ich mich wohl um ein paar tausend Milliönchen vertan.
Zu Pfingsten wurde übrigens wieder über den Turmbau zu Babel gepredigt: „Wohlauf, lasst uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!“ (1. Mose 11:7) Wenn man sich die Fünfjahres-Bilanz in Schönefeld anschaut, fällt auf: So etwas muss auch beim Flughafenbau zu BERbel passiert sein - zu göttlich geplant, um menschlich errichtet werden zu können. Die notwendigen Terminal-Anbauten sollen sich deshalb auch am einfachen Industriestandard orientieren (funktioniert per Zeichensprache).
Die Genesis ist offenbar auch die Arbeitsgrundlage für den „Berliner Kreis“, eine Gruppe stramm Konservativer in der CDU - hier ist die Welt noch eine Scheibe und der Klimawandel Gott-gewollte Normalität, der Treibhauseffekt „unerlässlicher Bestandteil des Lebens“, alles andere „mediale Klimaangstmache“ und „Weltrettungszirkus“. Dazu der Mitunterzeichner Philipp Lengsfeld: „Wer lieber Originale liest: Hier unser Klima- und Energie-Papier.“ Bitteschön.
Die von Stadträtin Sabine Weißler eingesetzte „Geheimjury“ (im CP am 1.6. veröffentlicht) zur Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel blamiert sich mit einem Namensvorschlag: Ausgerechnet Nzinga von Matamba, „Königin des Sklavenhandels“ („Berliner Zeitung“), soll einen von drei Kolonialisten auf den Schildern ersetzen. Zudem gerät Jurymitglied Tahir Della ins Zwielicht: „Welt“-Autor Alan Posener weist auf dessen Nähe zur „Nation of Islam“ hin - die Organisation ist der Meinung, dass „gemischte Ehen oder Rassenmischung verboten werden sollten“.
Damit Berlin bei aller Veränderung im Kern so bleibt, wie es ist, sammeln die Initiatoren von „Like Berlin“ im Anschluss an die Suche nach dem „Berlin-Code“ jetzt „BKenntnisse“, also Berlin-Impressionen, aus denen später ein Film werden soll. Im Checkpoint zitieren wir in den nächsten Tagen schon mal ein paar davon, heute geht’s los (I): „Als ich nach Berlin gekommen bin, wollte einer meiner erwachsenen Söhne unbedingt mit hierher. Nach drei Wochen Berlin steht mein Sohn vor mir und sagt: ‚Dad, hier gibt es alles und das immer. Das ist too much!‘ Also ist er zurück nach Köln gezogen.“
Telegramm
Ich kann mich täuschen, aber hatten wir eine Salsa-tanzende Polizistin beim Karneval der Kulturen nicht schon mal? Egal, diesmal war’s besonders schön (zum Video geht’s hier).
Weil zeitgleich zur Baustelle auf der Gatower Straße unbedingt auf der Potsdamer Chaussee eine Bushaltestelle umgebaut werden muss, sind die beiden einzigen Straßen nach Gatow, Kladow und Groß Glienicke weitgehend dicht - staufrei geht’s nur per Amphibienfahrzeug über die Havel (CP v. 25.5.). Die für vergangenen Freitag angegebenen Verspätungszeiten der Buslinie 135 (Berufsverkehr, zw. 17.37 und 18.57): 50 min, 60 min, 73 min… Dazu der Blick in den Koalitionsvertrag (S. 35): „Die Effizienz des Berliner Baustellenmanagements wird gesteigert.“ Spandau (bei Berlin) ist damit offenbar nicht gemeint.
Für den folgenden Beitrag zu unserem beliebten Betriebsstörungsbingo gibt es Bonuspunkte: Der ICE 1504 von Leipzig nach Berlin fuhr einen Umweg, um die Fahrtrichtung zu ändern. Der Anlass: Die Klimaanlage im vorderen Zugteil war defekt - der Fahrer sollte durch den Wechsel wieder schön cool werden. (Erlebt von CP-Leser Jakob Horn)
Alle Jahre wieder: Handel und FDP fordern die Freigabe der Sonntagsöffnung, Gewerkschaft und Kirchen sind dagegen, Wirtschaftssenatorin Pop auch. Was meinen Sie? Ihre Antworten bitte an checkpoint@tagespiegel.de.
Die TXL-Busse der BVG fahren wieder in voller Länge auf der gewohnten Strecke…
… während die Oldtimer-U-Bahnzüge, die auf der Strecke zur IGA eingesetzt werden sollen, Verspätung haben: An ihnen wir noch rumgeschraubt.
Eine Mail der Eltern von Amy Gosse Mariano: Sie bitten um Hilfe bei der Suche nach Ihrer verschwundenen Tochter - zur Polizeimeldung geht es hier.
Frage für (Air-)Berlin-Kenner - wie bewertet das gleichnamige Unternehmen den Ausfall von 26 Flügen am Pfingstwochenende? Richtig, als „Stabilisierung“.
Eine „eher nordkoreanische Informationspolitik“ bescheinigt unser Klassikspezialist Frederik Hanssen der Stadtenwicklungsverwaltung - 18 Tage brauchte sie zur Abstimmung mit der „Grün Berlin“ für die Beantwortung von ein paar Fragen zur verlassenen Dauerbaustelle vor der Philharmonie. Das Ganze liest sich am Ende dennoch wie die Abschrift eines Atonal-Festivals (hier nachzulesen).
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Ich bin für den Gucci-Store im BER engagiert worden. Seitdem blicke ich in Tegel täglich in die Abgründe der Menschheit.“
Parfümverkäufer in TXL. (Gehört von Michaela Müller, bei Twitter unter @MichaelaMaria)
Zitat
„Berlin ist gut für den Kopf“
Ex-Leichtathletin Heike Drechsler (Q: Interview in der „B.Z.“)
Zitat
„Ich versuche ja, die Nacht für dich aufzugeben. Aber die Stadt? Das kann ich nicht.“
Liebeserklärung von Meret Becker gestern Abend im „Tatort“ an Berlin (aufgezeichnet von @ichgruessesie).
Tweet des Tages
„Man kann gar nicht so viel trinken wie man weinen möchte.“
Antwort d. Red.: Kommentar der „Zitty“ zur Klima-Erklärung von US-Präsident Trump.
Stadtleben
Neu in Mitte ist die Gärtnerei in der Torstraße 179. In den Räumlichkeiten des ehemaligen Spaghetti Western hat Bernhard Hötzl eine grüne Dependance seiner Fleischerei eröffnet - und sich eine erfahrene Mannschaft an Bord geholt: Küchenchef Sebastian Radtke, der zuvor im Neuköllner Eins44 am Herd stand, serviert neben vegetarischen Gerichten wieTomatentartlette aus feinem Blätterteig an Ziegenkäsecreme und Wildkräutersalat (11 Euro) auch Bachsaibling an Erbsenpüree, kalter Buttermilch und Speck (13 Euro).Restaurantleiterin und Sommelière ist die frühere Fußballnationalspielerin Linda Stößer, die ihre Gastroerfahrung u.a. in Sarah Wieners ehemaligem Speisezimmer und im Hartmanns gesammelt hat. An der opulenten Bar und den rustikalen Holztischen mit grünen Plüsch-Stühlen der Gärtnerei empfiehlt sie vor allem Weine aus Österreich (Di-Sa ab 18 Uhr).
Trinken Im März ist im Winskiez das Krom eingezogen (Winsstraße 9, U-Bhf Senefelderplatz). Die Mischung aus Kerzenschein, abgetretenen Holzdielen und innovativen Barkeepern lockt auch Hipster aus Kreuzkölln in den Prenzlauer Berg. In die selbstkreierten Drinks wie das hausgemachte Tonic Water oder den Krom Sour fließt jede Menge Sachverstand, denn die beiden Jungs hinter der Bar waren früher Barkeeper im Watergate. Unbedingt den Hausschnaps "Kromling" probieren! Geöffnet Di-So ab 18 Uhr.
Geschenk Mit dem Berlinsky-Sekt wollte der Kreuzberger Weinhändler Rolf Paasburg eine Hommage an seine Heimatstadt kreieren. Die drei Grundweine stammen zwar aus dem Wiltinger Scharzberg an der Saar, sollen zusammen aber „prickelnd wie Berlin“ schmecken. Gibt’s für 8,90 Euro u.a. in Paasburgs Weinhandlung am Südwestkorso 17 (Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa bis 15 Uhr).