Berlin im Jahr 2021: In sechs Impfzentren werden täglich 20.000 Menschen gegen das Virus immunisiert, das im Jahr davor so viel Unglück über die Welt gebracht hat. Der Impfstoff lagert bei minus 80 Grad an einem geheimen Ort und wird von der Bundeswehr transportiert. Zunächst werden wohl Risikogruppen geimpft, rund 400.000 Menschen. Rechnerisch wäre man mit denen in weniger als einem Monat durch; nach drei Wochen wird eine zweite Impfung fällig. Bis zum Herbst könnte bei ausreichendem Nachschub an Impfstoff die Herdenimmunität geschafft sein. Aber eben erst zum Herbst 2021 und nur, wenn Impfstoff, Logistik und Beteiligung der Menschen bestmöglich funktionieren. Der Silberstreif am Horizont ist jetzt deutlich erkennbar, aber der Horizont ist halt ein ganzes Stück weg.
Wie weit, illustrierte die letzte Frage, die Markus Lanz im ZDF um kurz vor eins in der Nacht seinem Studiogast Michael Müller stellte: Ob man sich schon mal auf eine Verlängerung des November-Lockdowns gefasst machen solle? „Niemand kann irgendwas ausschließen, aber wir sehen anhand der Berliner Zahlen zumindest eine Stabilisierung auf hohem Niveau“, erwiderte der Regiermeister, der schon zuvor das ständige Abwägen, Lernen und Nachjustieren beschrieben hatte, mit dem sich die Politik voranwurstelt. Die Devise des Regierenden: Gesundheitsschutz steht prinzipiell über allem, aber nicht zu jedem beliebigen Preis. Ein monatelanger rigoroser Lockdown wie der, mit dem etwa in Melbourne das Virus quasi ausgehungert wurde, sei für ihn in Berlin unvorstellbar, sagte Müller mit Hinweis auf die sozialen Folgen.
Die erwähnte „Stabilisierung auf hohem Niveau“ bedeutete gestern in absoluten Zahlen für Berlin den Tagesrekord von 1554 gemeldeten Neuinfektionen.