Wissenschaft, Wunsch und Wirklichkeit klaffen ja gerade auseinander wie selten. Einen Teil der Gründe beschreibt Christian Drosten in seinem Podcast: „Weil wir sehr viel irreführende Debatten in der Öffentlichkeit hatten, weil wir eine schier undurchdringliche Bürokratie in der Umsetzung von Maßnahmen haben. (…) Und leider auch eine Fehlverwendung von wissenschaftlichen Argumenten in der politischen Debatte. Die geht fast in den Bereich von Wissenschaftsleugnung.“ Auch deshalb tapse Deutschland auf der Stelle, meint der Charité-Virologe, nutze die gleichen „Holzhammer“-Werkzeuge wie in der ersten Welle. Ein Beispiel?
Am Dienstagabend schalteten sich Rathauschef Michael Müller, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Kultursenator Klaus Lederer nach der ergebnislosen Senatssitzung mit Drosten zusammen. Er soll drastische Worte für die Infektionslage gefunden und gemahnt haben, die Maßnahmen deutlich zu verschärfen – sonst drohe Berlin eine Situation wie in Großbritannien im Januar. Damals hatte es in der britischen Hauptstadt Inzidenzen von mehr als 1000 gegeben, der Bürgermeister rief den Katastrophenfall aus.
Mehr als 36 Stunden später ist auf den Appell – außer einiger Aufregung im Senat – nichts gefolgt. Wirtschaftssenatorin Pop forderte am Mittwochmorgen Ausgangsbeschränkungen, auch die SPD soll sich mittlerweile dafür erwärmen. Die Linkspartei um Lederer will eigentlich lieber auf ein Gesamtpaket setzen – und auch die Betriebe herunterfahren.