Unbeständig bei frischen 19°C

Gas für Laternen kostet das Land knapp 4,5 Millionen Euro pro JahrDramatische Trockenheit: Wo der versprochene Regen für Berlin bliebGesundheitsministerium empfiehlt Kleiderordnung für Anspruch auf 3-Euro-Coronatest

von Stefan Jacobs
und Thomas Lippold

in Berlin sind seit heute Sommerferien, aber die Leichtigkeit fällt schwer angesichts des Krieges in der Ukraine, auf den wir auch heute wieder schauen müssen vor dem Blick nach Berlin.

+++ Laut einem finnischen Medienbericht hat Russland rund 1000 Fahrzeuge und bis zu 1000 Soldaten von einer Militärbasis in der Arktis in Richtung Ukraine abgezogen.

+++ Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat im Zusammenhang mit den Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs vor dem Atomwaffenarsenal seines Landes und vor einer „Bedrohung für die Existenz der Menschheit“ gewarnt.

+++ Die Behörden der ostukrainischen Region Donezk haben die Zivilbevölkerung wegen der verheerenden russischen Angriffe auf Städte und Dörfer zur Flucht aufgerufen.

In unserem Tagesspiegel-Newsblog informieren wir Sie fortlaufend über alle Entwicklungen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Bis zu zehn Prozent Einsparpotential beim Gas will Wirtschaftssenator Stephan Schwarz per Arbeitsgruppe auftun. Ein Wink mit dem Laternenpfahl kommt dabei von jenen Gasleuchten, die wegen Defekten Tag und Nacht glimmen. Die Wirtschaftsverwaltung beziffert den Gesamtbedarf der aktuell 23.050 Gaslaternen auf 101 Gigawattstunden pro Jahr – bei einem Durchschnittspreis von 4,49 Cent pro kWh (bei dem es nicht bleiben wird). Macht knapp 4,5 Millionen Euro p.a. für Putins Exportschlager. Und etwa 20.000 Tonnen CO2. Zuständig für die Laternen ist Stromnetz Berlin; das Gas liefert die Gasag, bei der nach eigener Auskunft gemäß „Brennkalender“ für die dunklen Stunden geordert und die Einsparung wegen kaputter Leuchten monatlich verrechnet wird. Wer für die Dauerbrenner aufkommt, verrät die Gasag nicht. CP-Erleuchtung: Irgendwie wir alle.

Nachdem hier vor acht Tagen jede Menge Regen versprochen worden war und keiner fiel, reklamieren wir das mal beim Wetterdienst. Jörg Riemann, Chefmeteorologe der „Wettermanufaktur“, entschuldigt den ausgebliebenen Regen vom Mittwoch damit, dass der nicht (wie einst üblich) großflächig vom Atlantik kam, sondern kompakt von Tschechien, von wo er über Polen abzog. Okay, und Freitag? Die eine Gewitterfront kam mittags nur mit Wind und rappelte später an der Oder umso heftiger. Die andere blieb westlich von Berlin stehen. Machte 38 Liter Regen pro Quadratmeter in Stettin, 33 in Potsdam – und null im Berliner Osten, wo es längst aussieht wie im Italo-Western. Naturguru Derk Ehlert hält die Dürreschäden an vielen Bäumen bereits für irreparabel. Für heute stellt Riemann bis zu zehn Liter pro Quadratmeter in Aussicht – und für Samstag letzte Tropfen vor der nächsten Dürrephase.

Die Coronalage war schon mal übersichtlicher als in diesem verflixten dritten Jahr. Wer die auf berlin.de/corona/testzentren angegebene „Test-Hotline“ für Fragen und Beschwerden anruft, wird vom AB begrüßt: „Herzlich Willkommen im Impfzentrum Nürnberger Land. Im Moment sind alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gespräch“ bzw. die Abend-Variante: „Leider rufen Sie außerhalb unserer Öffnungszeiten an“ plus Empfehlung der Impfstellen Röthenbach, Altdorf und Hersbruck. CP-Leser Sebastian R. (zurzeit in Quarantäne) spürte prompt, dass Lachen gesund ist, und fühlte sich gleich besser. Wir haben mal die Gegenprobe gemacht, ob der Hotline-AB aus Nürnberg die Leute konsequenterweise nach Berlin empfiehlt: Tut er nicht. Aber die Idee, Berliner Bürgerbeschwerden nach Bayern (ja, Franken, danke!) durchzustellen, nehmen wir als Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung wohlwollend zur Kenntnis.

Der Landesmusikrat klagt, die Abschaffung der kostenfreien Bürgertests wirke sich „verheerend auf die Amateurmusik aus“, weil sich einerseits nicht mehr alle Beteiligten vor allen Proben und Konzerten testen lassen würden wie bisher und andererseits die weniger risikofreudigen Musiker:innen sich fernhalten, um sich nicht anzustecken. Ein Baustein von vielen auf dem Trümmerhaufen der deutschen Corona-Politik. Aber irgendwie auch konsequent, wenn diese Politik jetzt von Fachkräften wie Wolfgang Kubicki und dessen Stammkneipenrat orchestriert wird. Die Berliner Ampel für die coronabedingten Neueinweisungen ins Krankenhaus steht übrigens auf Rot, und mit bundesweit 122 Corona-Toten an einem Tag ist das Thema vielleicht doch zu ernst, um es Kubicki & Co. zu überlassen.

Bei der Bekämpfung der hohen Inzidenzen ist die Bundesregierung mit der Abschaffung der Gratis-Tests einen entscheidenden Schritt gegangen. Aber auch die 3-Euro-Tests sind nicht ohne Weiteres zu bekommen, wie das Bundesgesundheitsministerium online klarstellt. In einem FAQ wird als Anspruchsnachweis neben einer roten Corona-Warnapp eine Einladung zu einer Feier an demselben Tag oder ein Veranstaltungsticket genannt. „In einigen Fällen wird eine Teilnahme an einer Veranstaltung auch aus sich heraus plausibel sein, etwa bei Dorffesten im eigenen Dorf oder bei entsprechender Kleidung im Umfeld eines traditionellen Festes.“ Offen bleibt, ob z.B. für die Neuköllner Maientage eine Jogginghose als Nachweis ausreicht.

26 Jahre nach der gescheiterten Länderfusion von Berlin und Brandenburg tagten gestern Abgeordnete beider Parlamente gemeinsam in Potsdam. Der Start dieser auf Dauer angelegten „Parlamentarischen Konferenz“ war ungefähr so wie die Verbindungen zwischen Berlin und dem Umland: Man kam irgendwie durch, aber mit Gerumpel und Verspätung, wie mein Kollege Christian Latz berichtet. Außerdem ist zu hören, dass die Brandenburger nicht nur über zeitraubendes Vor-Ort-Gezänk zwischen mehreren Berliner Parteien irritiert waren, sondern auch übers entsandte Personal: Weder von der SPD noch von den Grünen seien Fraktionsvorsitzende oder Parlamentarische Geschäftsführer von der Spree an die Havel gereist. Dabei wäre der Weg aus der Berliner City denkbar leicht zu finden: Immer den Bach runter und in Spandau links.

Heute Nachmittag ist es genau eine Woche her, dass vor einer Kita in Prenzlauer Berg ein Fünfjähriger von einem 79-jährigen Autofahrer totgefahren wurde – auf der Wichertstraße, die dort mit „Achtung, Kinder“ und Tempo 30 beschildert ist. Am Dienstag haben nach Auskunft der Verkehrsverwaltung mehrere Behördenleute den Unfallort begutachtet. Mitte des Monats sollen sie in der Unfallkommission entscheiden, ob und wie sich die Stelle entschärfen lässt. Da eine solche Tragödie jederzeit und überall in der Stadt droht, wäre vielleicht eine Info-Kampagne angebracht mit der Botschaft, dass ein 30er-Schild vor einer Kita bedeutet, dass dort unter den denkbar günstigsten Umständen 30 gefahren werden darf und dass diese Umstände garantiert nicht gegeben sind, wenn auf der Mittelinsel ein Kind wartet.

Telegramm

Die Sommerferien sind da und die Ersten schon weg. Zeigen Sie doch mal, wo Sie den Checkpoint im Sommer lesen! Wir freuen uns auch und gerade über Grüße aus Berlin. Schicken Sie uns bitte ein Foto mit einem Satz zum Urlaubs- oder Lektüreort an checkpoint@tagesspiegel.de. Dankeschön!

Yorck in progress: Seit Jahren soll die sanierte Brücke Nr. 5 Radfahrern und Fußgängern den rumpligen Umweg über die Yorckstraße in Höhe der Bautzener ersparen. Nun wurde der Termin um ein weiteres Dreivierteljahr verschoben. Genauer erklärt das meine Kollegin Sigrid Kneist.

Nachdem wir hier am Montag das Durchschnittstempo von Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini beim Radrennen „Velocity“ mit 26,95 km/h angegeben und gestern nach einer Leserberechnung auf 28,916 km/h erhöht hatten, sind wir jetzt wieder bei den 26,95 km/h für die 60 km. Heikel wird der Fall, weil auch für die 90 km von Chef-Checkpointer Lorenz Maroldt (mein Personalverantwortlicher, Anm. d. A.) Velocity einen geringeren Schnitt angibt als den rechnerischen, nämlich 31,05 statt 32,79 km/h. Erklärung: Die Strecken waren real etwas kürzer. Hätte ich das gewusst, wäre ich auch mitgefahren.

Der RBB meldete gestern Abend, dass der RBB rechtliche Schritte gegen einen Bericht von „Business Insider“ prüfe, demzufolge um Intendantin und Verwaltungsratschef ein System gegenseitiger Gefälligkeiten auf Kosten der Gebührenzahler gewachsen sei. Einen weiteren Teil dieses Systems beschreibt mein Kollege Kurt Sagatz heute im Tagesspiegel.

Zitat

„Ich bin traurig, dass du gestorben bist.
Ich vermisse dich für immer und ewig.
Ich möchte, dass du wiederkommst. Du warst der tollste Freund.
Ich habe dich sehr sehr lieb.
Mit wem werde ich Abenteuer erleben?“

Ein mit Filzstift geschriebener, mit einem traurigen Engel dekorierter Zettel an der Unfallstelle in der Wichertstraße.

 

Tweet des Tages

Wir wünschen allen Schüler:innen und Familien einen guten Start in die Ferien. An dieser Stelle der Servicehinweis, JETZT die Brotdosen aus den Schulranzen zu nehmen! Gern geschehen.

@BEA_Pankow

Stadtleben

Essen & Trinken – Von 11 bis 16 Uhr wird das Café Jules am Park am Gleisdreieck zum Schmelztiegel der kantonesischen Küche: Das Hongkonger Wirtschafts- und Handelsbüro in Berlin (HKETO Berlin) feiert sein 25-jähriges Bestehen und lädt zum Schlemmen. Snacks wie Dimsum oder bekannte Egg Tart-Desserts sowie Mango-Pomelo-Sago können auf dem Food-Festival verköstigt werden. Zur Tea Time wird das kultivierte Getränk Milktea geschlürft. Das Beste: Das alles gibt’s kostenlos! Luckenwalder Straße 6b, Kreuzberg, U-Bhf Gleisdreieck

Berliner Gesellschaft

Geburtstag – „Alles Gute zum Geburtstag wünscht der AIDA-Veteran Heike Abraham“ / Cornelius Bechtler (54), Bezirksstadtrat für Jugend und Familie in Pankow / „Hallo liebe Frida, zu Deinem 11. Geburtstag wünschen wir Dir alles Gute, sei weiterhin so fröhlich, agil und unbeschwert, liebe Grüße von Oma Ilse und Opa Lothar“ / Ines Geipel (62), Professorin an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ und ehem. Leichtathletin / Nina Hoss (47), Schauspielerin / „Ysabeau Kunze feiert heute ihren zwölften Geburtstag! Wolfgang Kunze wünscht alles Gute“ / Christ Koumadje (26), Basketballspieler bei Alba Berlin / Peter Rasym (69), Musiker, spielte bei der ehem. DDR-Rockband „Puhdys“ / Peter Spuhler (64), Schweizer Unternehmer / Clara Margarete West (41), SPD-Politikerin / Erik Zabel (52), ehem. Radrennfahrer

+++ Sie möchten der besten Mutter, dem tollsten Kiez-Nachbarn, dem runden Jubilar, der Lieblingskollegin oder neugeborenen Nachwuchsberlinern im Checkpoint zum Geburtstag gratulieren? Schicken Sie einfach eine Mail an checkpoint@tagesspiegel.de.+++

Gestorben – Dr. Hans-Peter Julius Nolting, * 11. Mai 1943 / Dr. Herbert Mandelartz, * 27. November 1948 / Wolf Rohleder, * 10. Oktober 1935 / Günter Strobach, * 20. Februar 1940

Stolperstein – Heute vor 80 Jahren wurde die Berlinerin Ida Salomon (geb. Simon, 1857) nach Theresienstadt deportiert. Am 24. Oktober 1942 ermordetet die Nationalsozialisten sie im Ghetto. In der Hektostraße in Wilmersdorf liegt ein Stolperstein, um an Ida Salomon zu erinnern.

Encore

Wenn es sich gerade falsch anfühlt, mit fossilem Brennstoffschub herumzureisen, und die Öffis zu viel Viren-Gefühl vermitteln: Stöbern Sie doch mal in den Google-Beschreibungen weniger präsenter Berliner Institutionen. „Von mir klare 5 Sterne“, schreibt einer übers Heizkraftwerk Mitte. „Wärme und Strom für die Stadt! Diese Miesepeter können gerne aufs Land ziehen, den Strom per Fahrraddynamo erzeugen…“ usw. Die JVA Tegel (laut Google „rund um die Uhr geöffnet“) hat keine Bewertungen, und die Bußgeldstelle der Polizei ist mit 1,8 Sternen kein Publikumsliebling. Neben viel Wutgeschnäub findet sich diese Perle: „Habe ein Foto erhalten, obwohl ich dieses nicht in Auftrag gegeben habe. Dann auch noch schwarz-weiß und miese Qualität zu einem absoluten Wucherpreis! Man fragt sich, ob die überhaupt mal eine Kamera in der Hand gehalten haben. Da gehe ich lieber zu einem professionellen Fotostudio.“ Und beim Krematorium Baumschulenweg (4,7 Sterne) wird nicht nur die Architektur gelobt, sondern auch die „schnelle und unkomplizierte Einäscherung“.

Reichlich und lecker haben Thomas Lippold (Recherche), Sophie Rosenfeld (Stadtleben) und Kathrin Maurer (Frühproduktion) diesen Checkpoint garniert. Morgen früh begrüßt Sie hier Christian Latz. Machen Sie’s gut!

Ihr Stefan Jacobs

Berlin braucht guten Journalismus!

Finden Sie auch? Unterstützen Sie uns!
JETZT GRATISMONAT STARTEN

Seit 2014 berichten wir exklusiv aus Berlins Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir stellten Berlins marode Schulen vor, bis die Politik reagierte. Wir standen vor dem Bürgeramt, bis es wieder Termine gab. Wir recherchieren hartnäckig und gründlich.

Das finden Sie gut? Dann unterstützen Sie uns mit dem neuen Tagesspiegel Plus-Abo! Für 14,99 € im Monat erhalten Sie den ungekürzten Checkpoint-Newsletter, den Checkpoint am Wochenende und das Beste vom Tagesspiegel im Web und in der App. Und Sie ermöglichen uns, auch weiterhin vor Ort zu sein, genau hinzuschauen und unabhängig zu bleiben. Die Anmeldung dauert nur eine Minute. Wir würden uns freuen!