Heute ist ein besonderer Tag für Berlin: Um 11 Uhr beginnt im Großen Hörsaal der FU die mündliche Verhandlung im Wahlprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof – eine Angelegenheit von überregionaler Bedeutung, auch wenn es in diesem Fall nur um das Abgeordnetenhaus geht (der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags wird vermutlich morgen über eine Wiederholung entscheiden). Doch nach der beispiellos chaotischen Wahl vor einem Jahr schaut das ganze Land sehr genau hin, wie die Aufräumarbeiten in Berlin verlaufen, ob die fälligen Konsequenzen gezogen werden – und ob es wenigstens bei der Aufarbeitung korrekt und sauber zugeht.
Die Stimmung in der Politik ist von Misstrauen geprägt. Seit Wochen geht das Gerücht um, es gebe Signale aus dem Gericht an die SPD (die laut Umfragen an Zustimmung deutlich eingebüßt hat und Neuwahlen fürchtet), ganz so schlimm werde es schon nicht kommen. Der Parlamentspräsident, zugleich Vorsitzender der Pankower SPD, gab bekannt, er halte nicht alles für „skandalisierungsfähig“ – und verkündete, nach welchen Kriterien das Gericht aus seiner Sicht einzig zu entscheiden habe. Der Landesvorsitzende der Grünen empörte sich über (missverständliche) Äußerungen der Innenverwaltung, die eine Wiederholung in höchstens drei Wahlbezirken für notwendig hält, und der Generalsekretär der CDU warf der SPD vor, „unzulässig Druck auf das Verfassungsgericht auszuüben“.
In einer derart aufgeladenen Situation sind Zweifel an der absoluten Glaubwürdigkeit und Integrität des Gerichts pures Gift.