Wir starten heute aus gegebenem Anlass gleich mal in ein kleines Verkehrs-Potpourri, und los geht’s mit einer neuen Runde im Betriebstörungsbingo – die S-Bahn gab gestern „fehlende Streckenspannung“ als Ursache für den Zusammenbruch des Zugverkehrs auf den Linien S3, S5, S7, S75 und S9 bekannt: An einer Baustelle zwischen den Stationen Warschauer Straße und Ostbahnhof ging ein Kabel der Stromversorgung kaputt - zwischen 11.50 Uhr und 12.14 Uhr gab’s keinen Saft auf der Leitung, die Ausfälle und Verspätungen dauerten über Stunden an.
Lange warten mussten gestern viele Passagiere auch auf die Linie S41 – hier kam es, anders als in der Meldung eben, zu Überspannungen: Die S-Bahn machte „Fehlverhalten von Fahrgästen“ für Ausfälle und Verspätungen verantwortlich.
Und auch die Tram wollte gestern mitspielen - in der M10 Höhe Wirtschaftsministerium hieß es um 17.40: „Wir warten auf die Bewegung der automatischen Ampelstellung“. Und warten, und warten, und warten… Eine zehnminütige Verspätung am Ostbahnhof mit der Begründung „Warten auf ein verspätetes Schiff“ ist allerdings heute der Superjoker im Betriebsstörungsbingo. Glauben Sie nicht? Hier, bitte sehr
So, und jetzt noch die Frage an Bahnexperten: Was folgt auf eine sinkende Pünktlichkeitsquote (z.Zt. nur noch 76 %)? Na klar: eine Preiserhöhung (Q: Bahnchef Richard Lutz in der „Morgenpost“). Wenn Sie schlechter arbeiten, bekommen Sie ja auch mehr Geld, oder?
Vom Zug zu Flug:
Der Irrsinn am BER wäre nicht komplett ohne diese Meldung: Der Interimsflughafen für den Bund wird doch tatsächlich noch dieses Jahr fertig – in Rekordzeit (für 79 Mio). Aber die Regierung will trotzdem erst in zwei Jahren nach Schönefeld umziehen. Bis dahin gammeln die neuen, voll ausgestatteten VIP-Bereiche, Konferenzräume und Dolmetscherkabinen leer vor sich hin, und Air Merkel macht weiter Lärm in Tegel. Fehlt noch was? Ach ja: Das Geisterterminal wird natürlich Tag und Nacht militärisch bewacht – damit das Ding auch bloß niemand klaut.
Übrigens: In Tegel ist zwar jeder dritte Flug verspätet, aber Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg sind noch schlimmer. Sowieso.
Zu den weiteren Meldungen:
Der Nachfolger von Charité-Chef Max Einhäupl steht fest – die Auswahlkommission wählte einstimmig den Göttinger Pharmakologen Heyo Kroemer. Die Uniklinik zählt mit ihren 17.500 Mitarbeitern zu den größten Häusern Europas, hat aber auch zehn Jahre lang auf ihrer Kinderonkologie-Website den größten Unsinn verbreitet: „Aus empirischer Sicht ist die Wirkung homöopathischer Höchstpotenzen unbestritten.“ Auf Deutsch: Gefährlicher Globuli-Quatsch im Quadrat (die Seite wurde inzwischen gelöscht).
Im Bauklötzchen-Wettstreit ums alte Postscheckamt hat Stadtrat Florian Schmidt die Banner-Offensive des verhinderten Investors Christoph Gröhner (CP von gestern) mit einem Knöllchen gekontert: Das Bezirksamt leitete ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein, das ungenehmigte Protest-Riesenplakat muss wieder runter vom Turm – und Gröhner ist auf dem Baum (er will dagegen klagen).
Beim Terminmonopoly in der KfZ-Zulassungsstelle warten brave Bürger wochenlang, ihre unangemeldeten Wagen stehen so lange rum. Was die meisten nicht wussten: Für 100 Euro konnten sie bei einigen bestechlichen Mitarbeitern die beliebte Aufforderung „Rücken Sie vor bis auf Los“ erwerben. Jetzt spielt allerdings auch die Staatsanwaltschaft mit: Bei 19 Hausdurchsuchungen verteilten sie gestern die Ereigniskarte „Gehen Sie in das Gefängnis“.
So, morgen lösen wir die erste Folge unseres neuen Bilderrätsels „Prominent verraten“ – den letzten Hinweis auf unseren Berliner der Woche gibt es weiter unten, die bisherigen Bilder finden Sie hier, und am Sonnabend folgt nochmal eine schöne Galerie auf unseren Seiten „Mehr Berlin“. Aber wer war es denn nun, der am ersten Tag ein paar schwarze Schuhe auf einem Stromkasten in seinem Wohnbezirk Prenzlauer Berg fotografierte? Bisher genannt wurden Tim Raue, Peer Kusmagk, Kathrin Passig, Jacob Weigert, Max Raabe, Sascha Lobo, Christian Ulmen, Christoph Meyer, Dirk Behrendt, Gerrit Schmidt-Foß und Jürgen Trittin. Morgen werden wir es wissen, per Selfie.
Berliner Schnuppen

Telegramm
Familienministerin Giffey will vom Staat gezahlte Unterhaltsvorschüsse von säumigen Zahlern (meistens Väter) per Drohung mit „Daumenschrauben“ und „Fahrverboten“ eintreiben. Da muss sie aber leider warten, bis sie zur Königin Franziska ernannt wird und entsprechende Dekrete ohne lästige Gewaltenteilung erlassen kann – noch ist die Strafverfolgung Sache der Justiz.
Eigentlich sollte die Pyronale ja am 31. August stattfinden – aber da wir hier in Berlin sind, wurde sie auf den 12. Oktober verschoben (angeblich wegen Brandgefahr). Ich hätte gleich den 31. Dezember bevorzugt.
Nicht nur Radfahrer erleiden in Berlin die kuriosesten Verkehrsführungen, auch Fußgänger haben manchmal plötzlich ein Brett vorm Kopf – ein schönes Bespiel hat Henning Onken hier am Südwestkorso fotografiert.
„Löw schläft in Heidelberg“, meldet der „Mannheimer Morgen“. Da weiß man doch gleich wieder, was wir an Berlin haben.
Super Meldung: „Wassereis auf dem Mond gefunden“ – ich hätte gerne ein „Capri“. Aber wahrscheinlich haben die da oben ja nur „Rocket“ von Edeka.
Aus dem Spamordner: „Der Business-Papst kommt nach Deutschland“ – bei manchen Meldungen hilft echt nur noch Beten.
Unser Datenprojekt „Radmesser“ ist super angelaufen: 1536 Testfahrer haben sich registriert, es gibt Anfragen aus 17 Städten in fünf Ländern, alle wollen das Modell übernehmen. Das Ziel: Gefährliche Stellen zu entdecken und den Straßenverkehr sicherer zu machen. Wer noch mitmachen will: Zur Anmeldung geht’s hier.
Und das nächste große Projekt unseres Datenteams um Hendrik Lehmann ist auch schon gestartet – es geht um steigende Mieten, Bauboom und Wohnungsnot. Wir wollen wissen: Wem gehört die Stadt? Gemeinsam mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv haben wir eine großangelegte Langzeitrecherche zu Immobilienbesitz und Mietpreisen in Berlin begonnen. Mehr dazu gibt’s hier.
Noch bis zum Sonntag läuft im Jahn-Stadion die „Para Leichtathletik EM“ – ich habe heute Mittag die große Freude, der Gewinnerin im 200-Meter-Lauf der Frauen zu gratulieren. In der Verhaltensempfehlung der Veranstalter für die Siegerehrung heißt es: „Smile and enjoy“ – gute Idee, vielleicht sehen wir uns ja da.
Nachtrag zur Meldung „Judith-Kerr-Grundschule verstaubt“: Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark hat die zu Wandertagen ausgelagerten Schüler ins Parlament eingeladen – und „zu einem gemeinsamen Eis“. Die Einladung gilt, laut Schreiben an die Rektorin, „bis Ihre Schule wieder nutzbar ist“. Beim derzeitigen Sanierungstempo kann das dauern – höchste Bauchwehgefahr!
BER Count Up – Tage seit Nichteröffnung:
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat das Wunder vollbracht: Am 31. Oktober 2020 ist der Flughafen BER offiziell eröffnet worden. 3.073 Tage nach der ersten Nicht-Eröffnung stellen wir damit unseren Count Up ein. Wer nochmal zurück blicken will: Im Tagesspiegel Checkpoint Podcast "Eine Runde Berlin" spricht Lütke Daldrup mit Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt und Checkpoint Redakteurin Ann-Kathrin Hipp über detailverliebte Kontrollen, politische Befindlichkeiten und aufgestaute Urlaubstage.
Zitat
„Es ist so traurig zu sehen, wie die Schinkelkirche hingerichtet wurde.“
Checkpoint-Leser Martin Weber aus Zehlendorf zu der Meldung, dass die Bauarbeiten für die benachbarten Luxuswohnungen der Friedrichwerderschen Kirche in Mitte irreparable Schäden zugefügt haben. Ob da bei Quadratmeterpreisen von bis zu 23.500 Euro pro qm wenigstens noch was für den Klingelbeutel drin war?
Tweet des Tages
„Mein Vorschlag zur Lösung der Berlin-Krise? Übergangsregierung unter Bürgermeister Harald Martenstein mit den Senatoren Ulf Poschardt, (Wirtschaft), Lorenz Maroldt (Inneres), Marion Horn (Kultur) und Jan Fleischhauer (Soziales).“
Antwort d. Red.: Hinweis: Der Versuch einer ersten Senatssitzung nach dem Personalvorschlag des „Spiegel“-Kolumnisten, der zuvor Berlin zum „Venezuela Deutschlands“ erklärt hatte, scheiterte bereits an der Getränkefrage – „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt wollte fränkisches Biobier alkoholfrei aus einem Biomarkt aus dem Südwesten mitbringen.
Stadtleben
Neu in Friedrichshain ist die zweite Dependence von Mom’s Creation. Das vietnamesische Restaurant begeistert seine Gäste in Treptow-Köpenick mit leckerem Sushi, vegetarischen Gerichten und fernöstlicher Einrichtung. In der Friedrichshainer Filiale in der Proskauer Straße 1 (U-Bhf Samariterstraße) gibt es zwar kein Sushi, dafür aber vegane Hähnchenbrust in Bierteig mit Erdnusssoße, Tofu in Betelblättern auf Reisnudeln und den vegetarischen Feuertopf. Dem Interieurkonzept bleibt der neue Laden treu: Dunkle Holzmöbel und warme Farben dominieren, aufgelockert wird das Gesamtbild durch eine Menge Pflanzen – fast wie im Urlaub auf einer tropischen Insel, finden die Qiez-Kollegen. Mo-Fr 11-23 Uhr, Sa-So 12-23 Uhr
Für eine Wellness-Auszeit muss man nicht unbedingt raus nach Brandenburg. Ein Kurztrip in den Neuköllner Reuterkiez genügt für pure Entspannung – natürlich erst nachdem man die Räumlichkeiten von Ryoko betreten hat. Massagen und Beauty-Teatments (1 h ab 60 Euro) bringen einen in der Friedelstraße 11 (U-Bhf Hermannplatz) auf komplett andere Gedanken, ein Stückchen Wellness zum Mitnehmen in Form von Ölen, handgefertigten Kämmen und japanischem Tee gibt’s in der Boutique (auch online) zu erwerben.